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Maschinelles Lernen zur Detektion neuer Weidepotenziale und geodatenbasierte Triebwegesimulationen in der Westeifel

Ein innovatives Konzept zur Förderung der Wanderschäferei und Biotopvernetzung

Abstracts

Die vorliegende Studie dient der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Schäfern in der Westeifel durch Auffinden und Charakterisierung neuer Weideflächen. Innerhalb des Projektes wurden wissenschaftliche Methoden „Künstlicher Intelligenz“, wie maschinelles Lernen, mit Fernerkundungsdaten und geodatenbasierten Techniken verknüpft. Hierbei lernt ein künstliches System Muster in Trainingsdaten zu erkennen und kann diese auf unbekannte Daten übertragen. Das „maschinelle Lernen“ wurde zur Klassifizierung von Grünlandstandorten und ähnlichen Nutzungstypen hinsichtlich ihres Nutzungsgrades verwendet.

Beweidbare, ökologisch besonders wertvolle Extensivstandorte konnten so hochauflösend detektiert und bewertet werden. Zudem wurden zur Verbesserung der Triebwegeverhältnisse GIS-basierte Simulationen durchgeführt. Ziele waren eine logistische Optimierung bisheriger Wanderrouten, die Suche nach Alternativrouten und die Ausweisung von Routen zu neuen Weidepotenzialen.

Innovative concept for the promotion of migratory sheep herding and biotope networking: machine learning for the detection of new grazing potentials and geodata-based simulations of sheep trails in the Western Eifel region

The present study aims to improve the economic situation of shepherds in the Western Eifel region by searching and characterising new pastures. Within the project the latest scientific methods of “artificial intelligence”, such as machine learning, were combined with remote sensing data and geodata-based techniques. An artificial system learns to recognize patterns in training data and can transfer them to unknown data. Machine learning was used to classify grassland sites and similar types of use in terms of their efficiency. For grazing, particularly valuable extensive locations could be detected and evaluated with high resolution. In addition, GIS-based simulations were carried out to improve sheep trail conditions. The objectives were to optimise the logistics of existing sheep trails, search for alternative routes and the identification of routes to new pastures.

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Abb. 1: GIS-basierte Anbindung von Standortinformationen an Weidepotenziale. GIS-based connection of site information and pasturing potentials.
Abb. 1: GIS-basierte Anbindung von Standortinformationen an Weidepotenziale. GIS-based connection of site information and pasturing potentials.
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1 Einleitung

Der Strukturwandel in weiten Teilen der Landwirtschaft hat gravierende Auswirkungen auf extensiv wirtschaftende Betriebe. Das trifft in besonderem Maße Schäfereien. Intensivierungsmaßnahmen im Ackerbau, Nutzungsaufgabe von Grenzertragsstandorten in Milchviehbetrieben, Grünlandumbruch und die Landschaftszerschneidung beeinträchtigen v. a. die wirtschaftlich dringend notwendige Herbst- und Winterweide für wandernde Herden. Allein in den letzten 6 Jahren haben die Erwerbsschäfereien in Deutschland ca. 17 % ihrer Weidefläche verloren. Der Druck auf die Flächen wächst unaufhörlich. Neben Versiegelung und Flächenanspruch für den Energiepflanzenanbau wachsen auch die Schutzgebiete und der Flächenbedarf z. B. für Ausgleichsmaßnahmen oder Gewässerrandstreifen. In Deutschland sowie in Rheinland-Pfalz (RLP) hat sich die Grünlandfläche in den letzten Jahren deutlich verringert. In RLP ging die Grünlandfläche von 249 000 ha im Jahr 2003 auf 231 000 ha 2012 zurück, dies ist ein Verlust von knapp 7 % in kurzer Zeit (vgl.BfN2014).

Aktuelle Landnutzungsformen führen sowohl zu einer prekären ökonomischen Situation der Schäfer als auch zu enormen ökologischen Defiziten. Durch Umnutzung und Intensivierung von Grünlandflächen gehen besonders hochwertige, schutzwürdige Biotope verloren. Biotope verinseln zunehmend. Die Lebensraumtypen des Offenlandes sind besonders gefährdet. Insbesondere sind Grünlandbiotoptypen, die von einer extensiven landwirtschaftlichen Nutzung abhängen, bedroht. Laut der aktuellen Gefährdungseinschätzung der Roten Listen von 2017 sind 78 % der eher feuchten (beispielsweise artenreiches Feuchtgrünland) und ca. 85 % der eher trockenen Grünlandbiotope (z. B. viele Halbtrocken- und Trockenrasen) gefährdet. 27 % dieser trockenen Grünlandtypen mussten der höchsten Rote-Listen-Kategorie zugeordnet werden und sind so „akut von vollständiger Vernichtung bedroht“. Gründe für diese Verluste liegen neben klimatischen Veränderungen u. a. in der Intensivierung der Landwirtschaft bei gleichzeitiger Nutzungsaufgabe wenig wirtschaftlicher Standorte (vgl. BMUB, BfN 2017).

Das Projekt „Vernetzung verinselter Biotope – Biodiversitätstaxis 2.0“ sucht nach sowohl ökonomisch als auch ökologisch tragfähigen Perspektiven. Ziele der Studie sind die geodatenbasierte Detektion und Bewertung neuer Weideflächen sowie optimierte, auf GIS-Methoden basierende Triebwegesimulationen zur besseren Erreichbarkeit der Weideflächen im Untersuchungsgebiet Westeifel. Modernste wissenschaftliche Methoden wie maschinelles Lernen bieten zum Auffinden neuer Weidepotenziale innovative Lösungen. Dies ist besonders dort wichtig, wo es inzwischen keine ortskundigen Schäfer mehr gibt. Hierzu wurden in Vor-Ort-Kartierungen Weideflächen hinsichtlich ihres Nutzungsgrades in die drei Klassen Extensivgrünland, Semi-Extensivgrünland und Intensivgrünland eingeteilt. Im GIS wurden sämtliche Potenzialflächen (ca. 33 000, meist Grünlandstandorte nach InVeKoS) mit zahlreichen Zusatzinformationen verschiedenster Geodatenquellen (z. B. Digitale Höhenmodelle, Digitale Orthophotos, Katasterinformationen) charakterisiert. Leider liegen Biotopkartierungen vielerorts nur in unzureichender Form, teilweise gar nicht vor. Die Erfahrungswerte der Fachleute vor Ort sind nicht standardisiert, können also in ein maschinelles Lernen nicht eingepflegt werden. Wichtige Kennparameter zur Klassifizierung der potenziellen Weidestandorte sind der NDVI (aus Luftbildinformationen abgeleiteter Vegetationsindex, vgl.Rouseet al. 1973), der Verbuschungsgrad, die mittlere Vegetationshöhe und die Hangneigung. Durch das maschinelle Lernen konnte so unbekannten Standorten mit einer hohen Aussagesicherheit einer der drei Klassen zugewiesen werden. Das für Beweidungsaspekte (Landschaftspflege) bedeutsame Extensivgrünland konnte so flächig detektiert und hinsichtlich seiner Eignung zur Beweidung mittels einer Multikriterienanalyse (Analytic Hierarchy Process, vgl.Saaty1990) eingeschätzt werden. Durch die Erschließung dieses Werkzeugs kann eine Analyse der Flächen ohne großen Aufwand aktualisiert werden.

Im alltäglichen Schäfereibetrieb sind geklärte Triebwegeverhältnisse eine wichtige Prämisse für einen reibungslosen Ablauf des Arbeitsalltags. Durch den rapiden Wandel in Landnutzungs- und Landbewirtschaftungsformen verlieren Wanderschäfereien ihre priorisierten Weideflächen und die Möglichkeiten, diese zu erreichen. Das Triebwege-Routing besitzt daher innerhalb dieser Studie einen besonderen Stellenwert. Ziel ist es, eine optimale Erreichbarkeit neuer gesicherter Weideflächen und der dazugehörigen Tränkemöglichkeiten bzw. eine Verbesserung der Triebwegesituation aktueller Weideflächen zu erzielen. Hierzu wurden unter Nutzung verschiedenster Geodaten Triebwegesimulationen für die im Projekt beteiligten Schäfer im Geoinformationssystem durchgeführt.

2 Projekthintergründe

Das hier vorgestellte Projekt „Vernetzung verinselter Biotope – Biodiversitätstaxis 2.0“, Laufzeit 01.07.2016 bis 30.06.2018, ist eines von 9 Projekten in Rheinland-Pfalz. Diese werden durch den Förderansatz „Europäische Innovationspartnerschaft (EIP Agri) – Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ im Rahmen des rheinland-pfälzischen Entwicklungsprogramms EULLE gefördert. Ziel der „Europäischen Innovationspartnerschaft“ ist es, die landwirtschaftliche Praxis enger mit der Wissenschaft zu verzahnen. Durch neue Erkenntnisse soll die Landwirtschaft stabiler und ertragreicher werden. Die Zusammenarbeit erfolgt in Form sogenannter operationeller Gruppen. Lead-Partner der operationellen Gruppe ist das Institut für Agrarökologie der RLP AgroScience GmbH. Weitere Mitglieder der operationellen Gruppe sind der Bundesverband Berufsschäfer e.V. und die Schäferei Czerkus. Der Lehrstuhl für Ökologie und Naturschutzbiologie der Universität Regensburg und weitere Wanderschäfereien der Westeifel ergänzen das Team als Kooperationspartner.

3 Material und Methoden

3.1 Untersuchungsgebiet

Das Untersuchungsgebiet liegt im rheinland-pfälzischen Teil der Eifel und schließt die Landkreise Bitburg-Prüm und Vulkaneifel sowie Teile der Landkreise Bernkastel-Wittlich, Cochem-Zell und Trier-Saarburg ein. Es weist eine Gesamtgröße von ca. 3587 km² auf. Wichtige landwirtschaftliche Nutzungen sind laut InVeKoS (Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem zur Bearbeitung und Auszahlung von Beihilfeanträgen in der Landwirtschaft) die Dauergrünlandbewirtschaftung, der Anbau von Ackerfutter, Energiepflanzen und Getreide. Die Dauergrünlandbewirtschaftung macht in etwa 46 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft ist das Extensivgrünland stark rückläufig und kommt in großen Teilen der Westeifel nur noch verinselt und in sehr geringem Umfang vor. Um den Rückgang des Extensivgrünlandes zu stoppen, wurden zahlreiche der kulturhistorisch entstandenen Heiden, Trockenrasen und Magerwiesen unter Naturschutz gestellt (Horn & Bauer2015). Durch die Naturschutzmaßnahmen konnte auf diesen Flächen eine Zunahme vieler seltener und gefährdeter Arten erreicht werden (Schumacheret al. 2013). Außerhalb der geschützten Gebiete kommt es jedoch auch weiterhin zum Umbruch extensiv genutzter Grünlandflächen, insbesondere um die Flächen zum Anbau von Energiepflanzen zu nutzen. So wird seit dem Beschluss zur Energiewende 2011 im Untersuchungsgebiet vermehrt Silomais als Energiepflanze angebaut (Horn & Bauer2015).

3.2 Weidepotenziale und Charakterisierung

Unter Weidepotenzialen sind Flächen zu verstehen, welche sich aufgrund ihrer Eigenschaften generell für eine Beweidung durch Schafe eignen. Hierunter sind vorwiegend Grünlandstandorte und ähnliche Nutzungstypen zu verstehen. Auch nicht landwirtschaftlich oder nicht naturschutzfachlich genutzte (Offenland-)Flächen, wie beispielsweise Eh-da-Flächen, stellen bei entsprechender Größe Weidepotenziale dar. Eh-da-Flächen sind „eh da“. Diese saloppe Formulierung will ausdrücken, dass diese Flächen „sowieso“ vorhanden sind. Die Idee dahinter ist: Flächen ohne erkennbare wirtschaftliche Nutzung im Siedlungsraum oder in der freien Landschaft sollen für die Förderung der Biodiversität verfügbar gemacht werden. (vgl.Deubertet al. 2016). Nach dem InveKoS-Kulturartenschlüssel wurden folgende Kulturarten als potenzielle Weideflächen im Untersuchungsgebiet selektiert (Tab. 1). Als Mindestgröße zur Beweidung wurden 0,5 ha definiert. Der gesamte Flächenpool des Untersuchungsraumes umfasst 33 418 Potenzialflächen, welche als Geodatenformat (Shapefile) vorlagen.

An die ausgewählten Weidepotenziale wurden im Anschluss verschiedene Zusatzinformationen über GIS-basierte Verschneidungen angebunden, um diese hinsichtlich ihrer Standorteigenschaften näher zu charakterisieren (vgl. Abb. 1). Die Anbindung beinhaltete die Berechnung wichtiger statistischer Kenngrößen (Mittel, Minimum, Maximum, Standardabweichung). Hierzu wurden hochauflösende Digitale Geländemodelle (DGM), Digitale normalisierte Oberflächenmodelle (nDOM), Digitale Orthophotos (DOP) des LVermGeo RLP und weitere vektorbasierte Geodaten eingebunden. Mittels Reliefanalyse konnten wichtige Standortparameter, wie die Hangneigung, topographische Hangposition (Jenness2006), topographische Sonneneinstrahlung (Fu2000,Fu & Rich2002), topographische Bodenfeuchte (Böhner & Selige2006) und ein Verebnungs- und Hangkuppenindex (Gallant & Dowling2003) abgeleitet werden. Aus den Oberflächendaten des nDOM wurden Vegetationshöhen und der Verbuschungsgrad ermittelt. Zudem wurden weitere Informationen (Biotopkataster, Naturschutzgebiete, Wasserschutzgebiete, weitere Schutzgebietstypen, Isolationsgrad, Nähe zu Verkehrsstraßen, Anbindungspotenziale) an die Flächen angebunden. Jeder einzelne Standort verfügt so über eine große Bandbreite an Standortinformationen. Diese Informationen dienten zur späteren Klassifizierung der Weidepotenziale nach ihrer Nutzungsintensität und ihrer Eignung zur Beweidung.

3.3 Maschinelles Lernen zur Klassifizierung von Weidepotenzialen

Eine Klassifizierung von Grünlandstandorten nach Nutzungsgrad über maschinelles Lernen setzt eine detaillierte Kenntnis der Charakteristika der jeweiligen Standorte voraus. Über maschinelles Lernen können bei großer Menge an Trainingsdaten charakteristische Merkmale des jeweiligen Nutzungstyps erkannt werden. Ein künstliches System lernt hierbei aus Beispielen und kann diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern. D. h., es werden nicht einfach die Beispiele auswendig gelernt, sondern das System „erkennt“ Muster und Gesetzmäßigkeiten in den Lerndaten. So kann es im Anschluss auch unbekannte Daten beurteilen (Lerntransfer). Einen essenziellen Bestandteil maschinellen Lernens stellen die Menge und Güte der einfließenden Trainingsdaten dar. Als Trainingsdaten fungierten aktuelle Weideflächen der im Projekt beteiligten Schäfer, schutzwürdige Biotope zur Ausweisung extensiver Grünlandstandorte und eigene durch Kartierfahrten auf Basis typischer Zeigerpflanzen erhobene Daten. Die Daten wurden in folgende Hauptklassen unterteilt:

Extensivgrünland (Klasse 1)

Semi-Extensivgrünland (Klasse 2)

Intensivgrünland (Klasse 3)

Der finale Trainingsdatensatz umfasst 864 klassifizierte Flächen: 257 der Klasse 1 (Extensivgrünland), 163 der Klasse 2 (Semi-Extensivgrünland) und 444 der Klasse 3 (Intensivgrünland) (Abb. 2).

3.3.1 Typische Charakteristika der 3 kartierten Grünlandklassen

Extensivgrünland : Das kartierte Extensivgrünland zeigte meist eine sehr hohe pflanzliche Artenvielfalt (vgl. Abb. 3). Auf diesen Standorten sind häufig bis zu 30 oder 40 Pflanzenarten pro m2zu finden (Schumacher2014). Gräser nehmen hierbei meist einen geringen Anteil ein, während Blütenpflanzen vermehrt vorkommen. Typische kartierte Zeigerpflanzen dieser Standorte sind: Magerwiesen-Margerite ( Leucanthemum ircutianum ), Schafgarbe ( Achillea millefolium ), Wiesen-Silge ( Silaum silaus ), Taubenkropf-Leimkraut ( Silene vulgaris ), Skabiosen-Flockenblume ( Centaurea scabiosa ), Wiesen-Glockenblume ( Campanula patula ), Goldhafer ( Trisetum flavescens ), Wiesen-Bocksbart ( Tragopogon pratensis ), Weidenblättriger Alant ( Inula salicina ), Bocksriemenzunge ( Himantoglossum hircinum ), Purpur-Knabenkraut ( Orchis purpurea ), Schaf-Schwingel ( Festuca ovina ). Häufig zeigen extensiv genutzte Grünlandstandorte beginnende Sukzessionsprozesse durch holzigen Aufwuchs mit Weißdorn ( Crataegus ssp.), Besenginster ( Genista ), Schlehe ( Prunus spinosa ), Hartriegel (Cornus ssp.) und Hunds-Rose ( Rosa canina ). Die Standorte wiesen bei den Kartierfahrten häufig eine heterogene Oberflächenstruktur auf.

Semi-Extensivgrünland: Die Klasse Semi-Extensivgrünland wurde im Laufe der Kartierarbeiten als Zwischenklasse gebildet, da bestimmte Flächen aufgrund ihrer Charakteristika nicht als extensiv oder intensiv klassifiziert werden konnten. Auf semi-extensiv genutzten Standorten nimmt der Anteil der Gräser bereits deutlich zu, während Blütenpflanzen anteilsmäßig und in ihrer Diversität abnehmen. Holzige Strukturen wie Gebüsche und Sträucher treten nur noch sehr sporadisch auf. Teilweise befinden sich diese Flächen in einer Umwandlungsphase von Extensiv- zu Intensivgrünland. Semi-Extensivgrünland eignet sich ebenfalls für Schafbeweidungen, besitzt aber ein geringeres Potenzial zu verfrachtender Samen durch Schafe als Extensivgrünland.

Intensivgrünland: Intensivgrünland hebt sich deutlich von den beiden zuvor aufgeführten Klassen ab (vgl. Abb. 4). Es ist in seiner Oberflächenstruktur sehr homogen. Die Vegetation setzt sich meist aus wenigen, schnell wachsenden Gräsern und einigen nitrophilen Arten zusammen. Meist liegt die Artenanzahl zwischen 5–10 Pflanzenarten pro m² (Schuhmacheret al. 2013). Typische kartierte Zeigerpflanzen waren: Löwenzahn ( Taraxacum officinalis ), Krauser Ampfer (Rumex crispus ), Kriech-Quecke ( Elymus repens ), Ausdauerndes Weidelgras ( Lolium perenne ), Weißklee ( Trifolium repens ), Spitzwegerich ( Plantago lanceolata ), Glatthafer ( Arrhenatherum elatius ), Wiesen-Knäulgras ( Dactylis glomerata ) und Wiesen-Kammgras ( Cynosurus christatus ). Die Flächen werden intensiv gedüngt (Gülle), um das Biomassepotenzial zu steigern. Diese Flächen sind aus Sicht von Beweidung zur Landschaftspflege ungeeignet.

3.3.2 Random-Forest-Grünlandklassifizierung

Zur Klassifizierung der Grünlandflächen wurde auf Grundlage der Trainingsdaten ein Random Forest (Breiman2001) mit der Statistik-Software R Version 3.4.0 erstellt. Ein Random Forest besteht aus mehreren unkorrelierten Entscheidungsbäumen, die jeweils auf einem Teil der Trainingsdaten beruhen. An jedem Knoten jedes Baumes wird die beste Aufteilung der Daten auf Basis eines zufällig ausgewählten Teils der Parameter bestimmt. Von diesen Parametern wird derjenige ausgewählt, der die beste Aufteilung der Daten nach dem Gini-Index (Maß für die Ungleichverteilung der Daten auf die verschiedenen Klassen) erreicht (Rodriguez-Galianoet al. 2012). Zur Grünlandklassifizierung wurde ein Random Forest mit 500 Bäumen gebildet. An jedem Knoten wurde die beste Aufteilung der Daten aus 6 zufällig ausgewählten Parametern bestimmt (vgl. Abb. 5).

Um Probleme bei der Grünlandklassifizierung durch unausgeglichene Daten (444 Trainingsflächen für Klasse 3, aber nur 257 Trainingsflächen für Klasse 1 und 163 Trainingsflächen für Klasse 2) zu verhindern, wurde ein „Undersampling“ angewandt. Dabei werden weniger Trainingsdaten der häufigsten Klassen ausgewählt, sodass jeder Baum schließlich auf einer gleichen Anzahl von Daten aller Klassen beruht (Chenet al. 2004,del Rioet al. 2014,van Hulseet al. 2007). Jeder Entscheidungsbaum wurde auf einer Unterstichprobe von je 120 Grünlandflächen pro Klasse erstellt.

Random Forest verfügt über eine interne Validierungsmethode. Trainingsdaten, die bei der Erstellung eines Entscheidungsbaumes nicht berücksichtigt werden, werden „out-of-bag”- (OOB-)Daten genannt. Um die Genauigkeit eines Random Forest abzuschätzen, werden jeweils die OOB-Daten klassifiziert und die dabei zugewiesenen Klassen mit den tatsächlichen Klassenzugehörigkeiten verglichen (Breiman2001). Die daraus resultierende interne Fehlerabschätzung wird als OOB-Validierung bezeichnet. Zusätzlich zur OOB-Validierung wurde eine zehnfache stratifizierte Kreuzvalidierung durchgeführt. Der Random Forest wurde zehnmal an stratifizierten Unterstichproben (Stichproben mit gleicher Klassenverteilung wie der originale Datensatz) trainiert, die je 90 % der Trainingsdaten enthalten. Anschließend wurde die Klassifizierung mit den verbleibenden 10 % der Trainingsdaten evaluiert. Der Mittelwert und die Standardabweichung der Genauigkeiten wurden berechnet. Des Weiteren wurde eine Vor-Ort-Validierung der Ergebnisse durchgeführt. Bei Kartierfahrten wurden klassifizierte Grünlandflächen vor Ort bewertet. Die Klasseneinteilung vor Ort wurde mit den vom Random Forest zugewiesenen Klassen verglichen, um die Genauigkeit der Klassifizierung zu bewerten.

Mit allen drei Validierungsmethoden (OOB-Validierung, Kreuzvalidierung, Vor-Ort-Validierung) wurden jeweils die Gesamtgenauigkeit sowie die Nutzer- und die Produzentengenauigkeit der drei Grünlandklassen extensiv (Klasse 1), semi-extensiv (Klasse 2) und intensiv (Klasse 3) bestimmt. Die Nutzergenauigkeit gibt an, welcher Teil der Grünlandflächen, die einer bestimmten Klasse zugewiesen wurden, tatsächlich zu dieser Klasse gehören (Story & Congalton1986). Die Produzenten-Genauigkeit gibt an, welcher Teil der Grünlandflächen, die zu einer bestimmten Klasse gehören, auch dieser Klasse zugewiesen wurden (Story & Congalton1986). Zusätzlich wurde der F-Wert berechnet, der den harmonischen Mittelwert aus Nutzer- und Produzentengenauigkeit darstellt (Jeniet al. 2013):

F = 2 × Nutzergenauigkeit × Produzentengenauigkeit

Nutzergenauigkeit + Produzentengenauigkeit

Eine Besonderheit der Grünlandklassifizierung zur Identifizierung potenzieller Weideflächen besteht darin, dass die Klassen 1 und 2 beide für Beweidung geeignet sind und eine Verwechslung zwischen diesen Klassen deshalb einen weniger schwerwiegenden Fehler darstellt (Grossmannet al. 2010). Um dies bei der Validierung zu berücksichtigen, wurden zwei zusätzliche Genauigkeiten berechnet: die Nutzergenauigkeit für Weideflächen und die Produzentengenauigkeit für Weideflächen. Die Nutzergenauigkeit für Weideflächen ist definiert als Anteil der der Klasse 1 zugewiesenen Grünlandflächen, die tatsächlich als Weidefläche geeignet sind (d. h. die zu den Klassen 1 oder 2 gehören). Die Produzentengenauigkeit für Weideflächen ist definiert als Anteil der Extensivgrünlandflächen (Klasse 1), die als für die Schafbeweidung geeignet klassifiziert werden (d. h. die als Klasse 1 oder 2 klassifiziert werden).

Zudem wurde eine Methode des Random Forest angewendet, mit der die relative Wichtigkeit der einzelnen Parameter für die Klassifizierung abgeschätzt werden kann (Breiman2001). Schließlich wurden alle 33 418 Grünlandflächen im Untersuchungsgebiet vom Random Forest klassifiziert. Dabei wurden die Daten von allen Entscheidungsbäumen klassifiziert. Eine Grünlandfläche wurde als intensiv bewertet, wenn mehr als 25 % der Entscheidungsbäume für Klasse 3 votierten, als semi-extensiv, wenn mehr als 35 % der Bäume für Klasse 2 votierten, und als extensiv, wenn mehr als 40 % der Bäume für Klasse 1 votierten. Diese modifizierte Klassenzuweisung verbessert die Nutzergenauigkeit der Extensivstandorte.

Als wichtigste Parameter zur Klassifizierung von Grünland hinsichtlich seines Nutzungsgrades wurden das Minimum des NDVI, die mittlere Hangneigung [in °], der Verbuschungsanteil, der mittlere Verebnungsindex, die mittlere Vegetationshöhe, das Maximum des NDVI, die Standardabweichung der Hangneigung [in °] und das Maximum der potenziellen topographischen Sonneneinstrahlung identifiziert. Die folgenden Boxplots veranschaulichen, wie sich diese Parameter in den Trainingsdaten hinsichtlich der verschiedenen Nutzungsintensitätsklassen des Grünlandes verteilen (Abb. 6).

3.4 Multikriterienanalyse (Analytical Hierarchy Process)

Die Multikriterienanalyse diente dazu, die über das maschinelle Lernen identifizierten Weidepotenziale (Extensivgrünland & Semi-Extensivgrünland) hinsichtlich ihrer Weideeignung zu bewerten. Hierzu wurden in Absprache mit den beteiligten Schäfern aus deren Erfahrungen Kriterien zur Weideeignung aus Sicht der Landschaftspflege definiert (Tab. 2).

Zur Bewertung der Potenzialflächen wurde eine Multikriterienanalyse mittels AHP durchgeführt. Der Analytic Hierarchy Process (AHP) (vgl.Saaty1990) ist eine Methode aus der präskriptiven Entscheidungstheorie zur Entscheidungshilfe ähnlich einer Nutzwertanalyse, um komplexe Entscheidungen zu vereinfachen und rationaler zu treffen. Nicht alle Kriterien haben die gleiche Bedeutung für eine (Standort-)Entscheidung. Deshalb sollten sie einer Gewichtung unterzogen werden, die beliebig, anhand empirischer Annahmen oder mathematischer Methoden, erfolgen kann. In der vorliegenden Studie wurde der AHP zur Gewichtung selektiver Gunst- und Ungunstfaktoren zur Einschätzung der Beweidbarkeit verwendet. AHP wurde in dieser Studie in Form einer kostenfreien, interaktiven Web-Anwendung (vgl.Alonso & Lamata2006,Salo & Hämäläinen1997) genutzt.

Er vergleicht separiert die Gunst- sowie Ungunstkriterien zur Beweidbarkeit paarweise untereinander auf einer Skala von 1 (gleich bedeutend) bis 9 (absolut dominierend). Jede Potenzialfläche erhält so am Ende der Analyse einen Faktorwert zur Beweidungseignung, je höher dieser Wert ist, desto besser eignet sich die Fläche zur Beweidung (Gunstfaktor). Für Ungunstfaktoren gilt, je höher der Faktorwert ist, desto weniger eignet sich die Fläche zur Beweidung (Tab. 2).

Demnach würden als günstige Weideflächen zur Landschaftspflege Standorte in Betracht kommen, welche räumlich durch ein gesetzlich geschütztes Biotop nach §30 BNatSchG mit einem sehr hohen Stellenwert für Beweidung räumlich überlagert werden (Faktorwert: 32,9). Die Einschätzung der Biotope hinsichtlich ihres Stellenwertes für Beweidungen erfolgte in Absprache mit dem auf landschaftsökologische Fragestellungen spezialisierten Planungsbüro LökPlan, welches für die Biotopkartierung in Rheinland-Pfalz verantwortlich ist. Weitere Gunststandorte für landespflegerische Maßnahmen weisen demnach einen hohen Verbuschungsgrad zwischen 30–70 % (26,4) bzw. einen Verbuschungsgrad < 30 % (14,3) auf. Als besonders ungünstig für landespflegerische Maßnahmen wurden Standorte mit hohem Verbuschungsgrad > 70 % (Faktorwert: 53,2), Feuchtstandorte (20,2) und Standorte in der Nähe zu Gefahrenpotenzialen, wie größeren Hauptverkehrsstraßen (12,4) eingestuft.

Die Gewichtungen der Beweidungskriterien wurden schließlich in ein Punktbewertungssystem überführt. Hierbei wurden die Negativ-Gewichtungen der Ungunstkriterien von der Positiv-Summe der Gunstkriterien subtrahiert.

3.5 GIS-basiertes Triebwegerouting

Neben der Detektion und Bewertung neuer Weidepotenziale war eines der wichtigsten Anliegen des Projektes, ein GIS-basiertes Triebwegerouting für die beteiligten Schäfer aufzusetzen. Ziele waren eine bessere Erreichbarkeit der bisherigen Weideflächen und potenzieller Neuflächen. Das Triebwegerouting erfolgte unter Nutzung des „Network Analyst“ der Software ArcGIS Desktop 10.5 (ESRI).

GIS-basierte Routing-Ansätze lassen sich in rasterbasierte und vektorbasierte Varianten unterscheiden. Rasterbasierte Ansätze bauen meist flächendeckend auf einem Landbedeckungsdatensatz auf. Die Vorteile dieser Methode liegen darin, dass Wanderouten auch außerhalb von Wegen, z. B. über Grünlandflächen, simuliert werden können. Vektorbasierten Ansätzen hingegen liegt ein Wege- und Straßennetz zugrunde, Routen beschränken sich hier ausschließlich auf diese Geometrien. Innerhalb der Studie wurden mehrere Ansätze simuliert, dabei zeigte die vektorbasierte Methode deutliche Vorteile.

Voraussetzung eines vektorbasierten Triebwegeroutings ist ein flächendeckendes, durchgängiges Wege- und Straßennetz. Im Kontext der hier durchgeführten Simulationen wurde auf ATKIS-Daten (2017) des LVermGeo RLP zurückgegriffen, welche insbesondere das Wege- und Straßennetz hochauflösend und nahezu lückenlos darstellen. Hierbei wird ähnlich zu den bekannten Navigationssystemen das Wege- und Straßennetz als Ausgangsdatum verwendet und darauf basierend die kürzeste Route zwischen Zielflächen ermittelt. Für die Simulationen des Triebwegeroutings war es wichtig, Barrieren (z. B. Siedlungen, Hauptverkehrswege) oder Zwischenstopps (z. B. Nachtpferche) als Voreinstellungen zu konfigurieren. Barrieren lassen sich in Restriktionen und skalierte Kosten unterscheiden. Restriktion bedeutet, dass die Flächen nicht als potenzielle Triebwege genutzt werden können. Unter skalierten Kosten versteht man die Einbindung von Kostenfaktoren. Hauptverkehrsstraßen können z. B. mit einem (Kosten-)Faktor 2 belegt werden, was bedeutet, dass in diesen Bereichen die doppelte Weglänge simuliert werden würde. Siedlungen mit dem Faktor 5 würden bedeuten, dass Triebwege in Siedlungen um den Längenfaktor 5 verlängert würden. Demnach würde der Routingalgorithmus solche Streckenpassagen nur in Ausnahmefällen als potenzielle Wanderroute vorschlagen. Die Ansteuerung der Zielflächen (Weideflächen) erfolgt dann chronologisch von der auf Position 1 ausgewiesenen Fläche, bis zur letzten Weidefläche der Wanderoute.

4 Ergebnisse und Diskussion

4.1 Detektion und Bewertung der Weidepotenziale

Mithilfe des maschinellen Lernens konnte der Ausgangsdatenpool von 33 418 Potenzialflächen in 3 Nutzungsklassen klassifiziert werden. Hierbei wurden 4258 Standorte als Extensivgrünland (Klasse 1), 3506 Standorte als Semi-Extensivgrünland (Klasse 2) und 25 654 als Intensivgrünland (Klasse 3) klassifiziert (s. beispielhaft Abb. 7).

Die Klassifikation hat eine Gesamtgenauigkeit von ca. 70 % (70,5 % nach der OOB-Validation, 68,4 % nach der Kreuzvalidierung und 70,3 % nach der Vor-Ort-Validierung). Das Extensivgrünland konnte von allen drei Klassen mit der höchsten Nutzergenauigkeit klassifiziert werden. Die Nutzergenauigkeit lag hier bei 75,4 % nach der OOB-Validierung und bei 71,9 % nach der Kreuzvalidierung. In der vor Ort Validierung war die Nutzergenauigkeit etwas geringer und betrug in Klasse 1 nur 54,6 %, während Klasse 3 (Intensivgrünland) die höchste Nutzergenauigkeit von 88 % besaß. Klasse 3 hatte die höchste Produzentengenauigkeit von 84,9 % bei der OOB-Validierung und 93,7 % bei der Kreuzvalidierung. In der Vor-Ort-Validierung war die Produzentengenauigkeit der Klasse 1 mit 80 % ähnlich hoch wie die Produzentengenauigkeit der Klasse 3 mit 79,7 %. Für die Klasse 2 waren sowohl Nutzer- als auch Produzentengenauigkeit der OOB und Vor-Ort-Validierung deutlich geringer. In der Kreuzvalidierung konnten keine Genauigkeiten für Klasse 2 berechnet werden, da zu wenige Flächen in diese Klasse klassifiziert wurden.

Die Nutzergenauigkeit für Weideflächen lag in den Validierungen jeweils bei über 90 %, mit 90,5 % in der OOB-Validierung, 91,3 % in der Kreuzvalidierung sowie 95,5 % in der vor Ort Validierung. Die Produzenten-Genauigkeit für Weideflächen ist 78,6 % in der OOB Validierung, 67,7 % in der Kreuzvalidierung und 86,7 % in der vor Ort Validierung. Die folgende Tabelle (Tab. 3) zeigt eine Übersicht der errechneten Genauigkeiten.

Der Random-Forest-Klassifikator ist damit in der Lage, extensiv und intensiv genutztes Grünland mit einer sehr geringen Fehlklassifikation zuverlässig zu unterscheiden. Insbesondere Klasse 1 und Klasse 3 erreichen hierbei eine sehr hohe Genauigkeit. Semi-extensiv genutztes Grünland ist durch den Klassifikator deutlich schwerer zu erkennen, da diese sehr inhomogene Klasse ein breites Spektrum an Grünlandnutzungsintensitäten abdeckt. Während einige Semi-extensive Flächen Charakteristika aufweisen, welche denen des Intensivgrünlandes ähneln, zeigen andere semi-extensive Flächen Charakteristika, die nahe an extensiv genutzten Grünlandflächen liegen. Solche Landnutzungen mit einer hohen klasseninternen Variabilität sind generell schwierig zu klassifizieren (Barettet al. 2014). Ein zusätzliches Problem lag darin begründet, dass für Klasse 2 die wenigsten Trainingsdaten (n=163, im Vergleich Klasse 1: n=257, Klasse 3: n=444) zur Verfügung standen. Klassen mit wenigen Trainingsdaten werden oft weniger zuverlässig vorhergesagt (Grossmannet al. 2010). Vergleichbare Landbedeckungsklassifizierungen zeigen ähnliche Ergebnisse. Landbedeckungsklassen mit deutlichen Unterschieden (z. B. Grünland und Ackerland) sind verhältnismäßig gut zu klassifizieren (Chan & Paelinckx2008), während relativ ähnliche Klassen (z. B. verschiedene Getreidesorten) häufiger falsch klassifiziert werden (Nitzeet al. 2012). Besonders Grünland ist schwierig zu klassifizieren, da es ein Kontinuum von Typen mit mehreren Übergangsklassen und ohne klare Grenzen bildet (Barrettet al. 2014,Chan & Paelinckx2008). Vor allem die Übergangsklassen zwischen naturnahem Extensivgrünland und artenarmem Intensivgrünland unterliegen häufig einer Fehlklassifizierung (Chan & Paelinckx2008). In der Regel weisen Klassen, die durch intensive Nutzung gekennzeichnet sind, die höchsten Genauigkeiten auf (Chan & Paelinckx2008,Estel2016). Intensivgrünland umfasst meist große Flächen mit homogenen Bedingungen und die geringe Oberflächenvariabilität erleichtert die Identifizierung dieser Klassen. Im Allgemeinen ist die Genauigkeit der Landbedeckungsklassifizierung in kleinen Regionen mit geringen topographischen Unterschieden höher (Barettet al. 2014). Da das Untersuchungsgebiet in der Eifel mit 3600 km2recht groß ist, ist hier die Verfügbarkeit repräsentativer Trainingsdaten für die gesamte Fläche für eine zuverlässige Grünlandklassifizierung von großer Bedeutung.

Mithilfe der Weidepotenzial-Bewertung konnte sämtlichen Weidepotenzialen eine Weideeignung zugeordnet werden. Neben der Weideeignung sind zahlreiche weitere charakterisierende Informationen an die Flächen angebunden. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Ergebnisse der Weidepotenzial-Priorisierung mittels Multikriterienanalyse (AHP) (Abb. 8).

Mithilfe der geodatenbasierten Analysen konnte ein valider Datensatz zur Ausweisung und Bewertung potenzieller Weideflächen generiert werden. Hiermit steht den Schäfern der Region ein Werkzeug zur Verfügung, welches auch interaktiv genutzt werden kann, da die Ergebnisse auf der Projekthomepage: www.biodiversitaetstaxis.de mithilfe interaktiver Web-Maps verfügbar gemacht werden. Hierdurch kann die Suche nach neuen Weideflächen deutlich erleichtert werden, zudem erhalten die Schäfer wichtige Informationen zu den Standorten und können sich vor Sichtung der Flächen über diese informieren und über Suchmasken Flächen nach bestimmten Kriterien selektieren.

4.2 Triebwegesimulationen

Die Triebwegesimulationen stellen ein hilfreiches Instrument dar, um Wanderouten für Schäfer zu optimieren und neue Routen zu planen. Die Triebwegesimulation wurde für alle im Projekt beteiligten Schäfer durchgeführt. Den Schäfern konnten so Alternativrouten zu ihren bisherigen Wanderrouten aufgezeigt werden. Wanderrouten zu neuen Weidepotenzialen können in kurzer Zeit simuliert werden. Durch die erzeugten Geodaten und die geodatenbasierten Simulationen können Antworten auf wichtige Fragestellungen der Schäfer gefunden werden: An welchen Punkten kann es auf Wanderrouten zu Erschwernissen (z. B. Flussüberquerungen, Siedlungspassagen, Kreuzung von Hauptverkehrsstraßen) kommen? Wo gibt es logistische Engstellen, welche den Trieb erschweren könnten? Finden sich Sammelplätze vor/nach schwierigen Triebwegepassagen? Wie kann ich Nachtpferche am besten erreichen? Wie umgeht man Siedlungen auf kürzestem Wege? Welche Route ist die kürzeste?

Die folgende Abbildung zeigt exemplarisch ein simuliertes Triebwegenetzwerk eines im Projekt beteiligten Schäfers. Hierbei wurde als Bedingung definiert, dass Siedlungen und Hauptverkehrswege, möglichst umgangen werden (Abb. 9).

Die Triebwegesimulationen wurden ebenfalls in Form einer interaktiven Web-Map unter www.biodiversitaetstaxis.de veröffentlicht.

5 Schlussfolgerungen und Ausblick

Das hier vorgestellte Projekt konnte für ein großes Untersuchungsgebiet in der Westeifel tragfähige Antworten auf wichtige Fragestellungen von Wanderschäfern finden. Die heutige Landwirtschaft führt aufgrund des Strukturwandels zu einem starken Rückgang von Weideflächen. Weideflächen sind aufgrund des hohen Fragmentierungsgrades und des dichten Verkehrsnetzes nur noch schwer für Wanderschäfer zu erreichen. Durch diese und andere Gegebenheiten hat sich die wirtschaftliche Situation der Wanderschäfer in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert.

Mithilfe von maschinellem Lernen konnten neue Weidepotenziale ermittelt und im GIS bewertet werden. Anschließend wurden sie auf ihre tatsächliche Beweidbarkeit hin überprüft und die nötigen Eigentümereinwilligungen eingeholt. Die hohe Treffgenauigkeit des maschinellen Lernens hilft nicht nur den Schäfereien. Diese Methode lässt sich problemlos für andere Aufgabenfelder nutzen. So könnten z. B. Flächen, auf denen keinesfalls ein Eingriff erfolgen sollte, schnell erkannt werden. Die große Arbeitserleichterung besteht in der qualifizierten Vorauswahl von Flächen. Das erspart – je nach Untersuchungsabsicht – nicht, dass man die einzelne Parzelle auch noch auf weitere Kriterien wie Besitz, Nutzungseinwilligung oder Vorverträge hin überprüfen muss. Geht es aber nur um die Kartierung, erspart diese Selektion dem ortsunkundigen Kartierer Stunden unnützen Suchens. Insgesamt wurden 33 418 Potenzialflächen in 3 Klassen klassifiziert. Der für Beweidung wichtigste Nutzungstyp „Extensivgrünland“ konnte auf 4258 Standorten mit einer hohen Sicherheit von bis zu 75 % klassifiziert werden. Flächen dieser Klasse zeigten zudem in allen Validierungen eine Wahrscheinlichkeit von über 90 %, als Weideflächen geeignet zu sein. Semi-Extensivgrünland wurde auf 3506 Potenzialflächen klassifiziert. 25 654 Flächen wurden über den Klassifikator als Intensivgrünland eingestuft. Mithilfe einer Multikriterienanalyse (AHP) konnten die Weidepotenziale zusätzlich hinsichtlich ihrer Beweidbarkeit bewertet werden. Sämtlichen Standorten wurde zudem eine Fülle von charakterisierenden Zusatzinformationen hinterlegt, welche den Schäfern wichtige Informationen liefern.

Ziel der Studie war zudem eine optimale Erreichbarkeit der neuen Potenzialflächen bzw. eine Verbesserung der Triebwegesituation aktueller Weideflächen zu erzielen. Hierzu wurden im GIS verschiedene Methoden getestet. Neben rasterbasierten Routingansätzen unter Nutzung von Landbedeckungsklassifikationen wurden vektorbasierte Ansätze simuliert. Unter Nutzung eines vektorbasierten Verkehrsnetzes (ATKIS) wird bei diesem Ansatz, ähnlich zu üblichen Navigationssystemen, die kürzeste Route über Distanzberechnungen simuliert. Die Simulationen zeigten sehr positive Ergebnisse, so konnten beispielsweise bisherige Wanderrouten der Schäfer logistisch optimiert, Alternativrouten ausgewiesen und Routen zu neuen Weidepotenzialen detektiert werden.

So treffsicher das Routing für die Wanderschafwege ist, dieser Teil der Untersuchung lässt sich kaum für andere Zwecke nutzen. Das war allerdings auch nicht die Absicht des Projektes.

Durch die Vernetzung von extensiven Grünlandstandorten, Trittsteinbiotopen und Eh-da-Flächen über die Triebwege der Schafherden werden ökologische Mehrwerte in Form von Beiträgen zur Erhöhung der Artenvielfalt geschaffen. Der Transport von Dia- und Zoosporen im Schaffell wirkt der genetischen Verarmung verinselter Biotope entgegen. Der unmittelbare Nutzen für Schäfereien besteht in erheblich entspannterer Routenbewältigung. Je mehr Pausen möglich sind und je kürzer die reinen Triebstrecken vor allem im Sommer sind, desto weniger strapaziös ist eine Wanderung für Schaf, Hund und Mensch.

Der Lohn für die Mühen ist hoch: Der anhaltenden Verschlechterung der ökonomische Situation der Schäfer kann etwas entgegengesetzt werden. Zusätzliche, kostenlose Weideflächen und gegebenenfalls ergänzende Pflegeaufträge können die Wirtschaftlichkeit verbessern. Gepflegte, artenreiche Flächen ernähren nicht nur Schafe, sondern zeigen auch einen einzigartigen Blühaspekt in der Landschaft – eine Win-win-win-Situation.

Die erzeugten Geodaten wurden in interaktiven Web-Maps aufbereitet und können unter www.biodiversitaetstaxis.de abgerufen werden. Die Homepage informiert ausführlich über das Projekt und gibt Aufschluss über die erzielten Ergebnisse (Abb. 10). Im Folgenden kommt es darauf an, die hier zur Praxisreife entwickelten Methoden auch dauerhaft einzusetzen. Je mehr Nutzer diese Werkzeuge einsetzen, desto genauer arbeiten sie und desto besser kann die hohe Dynamik auf diesem Gebiet eingearbeitet werden.

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Fazit für die Praxis

  • Die Entwicklung der zwei zentralen Werkzeuge – Auffinden von ökologisch hochwertigen Potenzialflächen und Generieren der praxistauglichen Herdentriebwege zwischen diesen Biotopen – hat vielfältige Nutzen: 
  • Für die Schäfereien durch Erweiterung (bezahlter) Pflegeflächen, Verkürzung der Wege zwischen den Weiden und möglichst barrierefreie Triebwege.
  • Für die Verantwortlichen des Pflegezustands der oft vertraglich gebundenen Flächen durch Sicherstellung der kostengünstigen, sachgerechten Pflege.
  • Für die Fauna und Flora, die auf diese Lebensräume angewiesen sind.
  • Für die Landschaftspflege konnte somit ein sehr hilfreiches Werkzeug generiert werden, das auch in Zusammenhängen außerhalb der Landschaftspflege nutzbar ist. Beispiel: Suche geeigneter Photovoltaikflächen: Für die Errichtung einer Photovoltaikanlage wird eine Fläche gesucht, die die richtige Ausrichtung nach Süden aufweist, ökologisch nicht besonders wertvoll ist, aus Sicht der landwirtschaftlichen Nutzung kaum Erträge erwarten lässt und in einer gegebenen Kulisse liegt. Auch hier kann maschinelles Lernen qualitative und quantitative Antworten liefern.

Kontakt

Dipl.-Geogr. Christian Kotremba arbeitet am Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen in Trippstadt (Pfalz) und wird über die Stiftung für Ökologie und Demokratie finanziert. Vormals am Institut für Agrarökologie (IfA) der RLP AgroScience GmbH tätig. Studium der Geographie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Wissenschaftliche Themenschwerpunkte: GIS-basierte Landschafts- und Standortanalysen, Fernerkundung, Ableitung von Waldstrukturparametern aus Fernerkundungsdaten, Digitale Höhenmodelle, Erosionsmodellierung, Klimawandel, Klimamodellierung.

> christian.kotremba@klimawandel-rlp.de

Günther Czerkus ist Vorsitzender des Bundesverbands Berufsschäfer e.V. Studium der außerschulischen Jugendarbeit und Erwachsenenbildung an der Pädagogischen Hochschule Köln. Nach Ausbildung zum Schäfer Mitentwicklung der Beweidungskonzepte von Naturschutzgebieten in der Südeifel. Seit 1986 mit der eigenen Schafherde im Einsatz für die Verbesserung der Weidebiotope und der Artenvielfalt in ökologisch hochwertigen Lebensräumen. Schwerpunkt: Vernetzung verinselter Biotope mittels Schafherden.

> czerkus@berufsschaefer.de

M. Sc. Umweltwissenschaften Katrin Magin arbeitete am Institut für Agrarökologie (IfA) der RLP AgroScience GmbH in Neustadt an der Weinstraße. Studium der Umweltwissenschaften an der Universität Koblenz-Landau. Wissenschaftliche Themenschwerpunkte: GIS-basierte Landschaftsanalysen, Machine Learning, Biodiversität in Agrarökosystemen, Bedeutung von Binnengewässern im regionalen Kohlenstoffkreislauf.

> magi6618@uni-landau.de

Dipl.-Geogr. Mark Deubert

> Mark.Deubert@agroscience.rlp.de

Dr. Matthias Trapp

> matthias.trapp@agroscience.rlp.de

Dipl.-Ing. La-Pla. Klaus Ullrich

> Klaus.Ullrich@agroscience.rlp.de

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