Vereint auf (teils ungeschriebenen) Roten Listen: Schäfer, xylobionte Käfer, Artenkenner
Schäferidylle auf dem Titelfoto – ein Beruf, den man lieben muss. Sonst macht man ihn nicht. Denn so schön und erfüllend die Arbeit mit den Tieren in der Natur und für den Naturschutz auch sein mag (zumindest bei Sonnenschein, denn die rauen Tage zeigen die Fotos selten), so karg wird sie entlohnt: Eine Familienarbeitskraft in Mutterschafbetrieben, so ermittelte der Schafreport Baden-Württembergs 2015, verdient im Mittel 6,68 € je Arbeitsstunde. Dass sich kaum mehr Auszubildende für diesen Beruf finden, ist da eigentlich logisch. Hinzu kommen viele alltägliche Schwierigkeiten – Konkurrenz um Weideflächen mit Landwirten, die höhere Pachtpreise zahlen können, Zerstückelung kleiner Weideeinheiten, zu überquerende verkehrsreiche Straßen, fehlende Triebwege, unangeleinte Hunde, Probleme mit dem Vertragsnaturschutz. Und im Dürresommer 2018 schwebt über allem die zentrale Frage: Wie bekomme ich meine Tiere satt? 30 bis 70 % weniger Aufwuchs im Grünland, Totalausfall des zweiten Schnitts, Existenzbedrohung – solche erste Einschätzungen sind aus den meisten Bundesländern zu hören. „Jetzt müssen Köpfe rollen ...“ lautet da die lapidare Umschreibung dessen, dass erste Betriebe ihre Bestände reduzieren müssen – mit fatalen Folgen für die Ökonomie. Genauso betroffen sind Mutterkuhbetriebe.
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Naturschutz braucht vitale Weidebetriebe
All das ist kein Problem allein der Betriebe, sondern auch des Naturschutzes. Weidetiere sind essenziell, um juristisch bindende wie selbst auferlegte Ziele zu erreichen. Die vergangene Intensivierung der Grünlandnutzung in vielen Landschaften hat – zum Glück – halt gemacht dort, wo standortliche Hemmnisse zu groß sind. Vor Böden, die zu flachgründig, zu steinig oder zu trocken sind. Dieses absolute Weideland beherbergt heute vielfach die Hotspots der Biodiversität, unter anderem auch FFH-Lebensraumtypen. Gibt ein Weidebetrieb auf, weil ihm die wirtschaftliche Basis fehlt, fallen möglicherweise auch diese Naturschutzflächen brach. Und damit hat der Naturschutz ein Problem. Daher ist es wichtiger denn je, dass sich der Naturschutz auch mit den (wirtschaftlichen) Sorgen und Nöten von tierhaltenden Betrieben auseinandersetzt. Dabei geht es nicht allein um eine adäquate (aber zielorientierte) Förderung durch die Gemeinsame Agrarpolitik (siehe „Bericht aus Brüssel“ auf Seite 312). Das Flächenproblem, das viele Schäfereibetriebe haben, geht ein Autorenteam um Christian Kotremba in diesem Heft an (Seite 314 ff.): Durch maschinelles Lernen und GIS-basierte Simulation klassifiziert es Grünland- und ähnliche Nutzungstypen und selektiert so beweidbare, besonders wertvolle Extensivstandorte und Triebwege zwischen diesen. So konnten in der Westeifel erfolgreich neue bzw. verbesserte Wanderrouten zwischen alten und neu erschließbaren Weidegebieten herausgearbeitet werden.
Artenschutz für Totholz-Käfer
Fast schon ein Dauerbrenner in unserer Zeitschrift ist der Schutz von xylobionten Käfern, die auf die Existenz bestimmter Totholz-Qualitäten angewiesen sind. Das aber ist in der Kulturlandschaft Mangelware. Fast 20 Jahre stand in unserem Garten ein abgestorbener Birnbaum. Vom Boden aus waren nur die großen Holzbienen zu sehen. Kleiber, Bunt-, Mittel- und Grünspecht aber zeigten mit ihren häufigen Besuchen, dass dort viel Biomasse an xylobionten Insekten zu finden war. Im Frühjahr stürzte der Baum, jetzt lassen sich zum Beispiel ein frisch geschlüpfter Balkenschröter und im Holz bohrende Faltenwespen der GattungSymmorphus beobachten. So entsteht eine diffuse Ahnung der weitgehend unbemerkten Biodiversität in alten Baumkronen.
Viel systematischer hat Jörg Lorenz das Thema bearbeitet, der Äste einer abgestorbenen Eiche in einem Gazezelt aufbewahrt hat (Seite 325 ff.). Binnen eines Jahres schlüpften aus nur 0,2 Raummeter Holz 400 Individuen von 18 Käferarten, darunter sieben gesetzlich geschützte Arten mit etwa 300 Individuen sowie vier Rote-Liste-Arten. Ein artenschutzrechtlicher Konflikt? Für die Erhaltung bekannter Vorkommen von Hirschkäfer, Eremit, Alpenbock und Großem Eichenbock als Arten der Anhänge II und zum Teil IV der FFH-Richtlinie wird vielfach ein sehr großer Aufwand getrieben. Demgegenüber werden, ohne genauer hinzuschauen, in Grünlanagen und Wäldern aus Unwissenheit ungleich größere Bestände ge- oder zerstört. Eine rechtliche Bewertung wäre spannend. Zumindest aber mahnen die Resultate, den Artenschutz bei Maßnahmen der Baumpflege und Verkehrssicherung stärker als bisher zu beachten. Sachverständige mit den richtigen Artenkenntnissen müssen weit mehr als bisher beteiligt werden – allein: Auch die stehen, gerade wie Käfer, selbst auf der Roten Liste ...
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