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40 tote Schafe im Schwarzwald – und wie geht’s weiter?

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Bilder gerissener Schafe sorgen für emotionale Reaktionen. Doch es steht auch die Verantwortung der Schafhalter in der Diskussion, ihre Tiere zu schützen.
Bilder gerissener Schafe sorgen für emotionale Reaktionen. Doch es steht auch die Verantwortung der Schafhalter in der Diskussion, ihre Tiere zu schützen.Klaus-Ulrich Battefeld battefeld@LIVE.DE
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Die Berichte über die Wolfsrisse im Raum Bad Wildbad mit rund 40 getöteten Schafen waren überwiegend unvollständig und irreführend. Meist wurde nur das Risiko durch den „bösen Wolf“ diskutiert. Getreu dem Motto: Nur wo Blut fließt, ist auch Wolf drin. Da kann man schön einen Abschuss fordern. Obwohl Tierverluste durch Wölfe gemessen an sonstigen Verlustraten zum Beispiel bei Lämmern und Kälbern (5 bis 10 %!) bislang deutlich geringer sind. In Österreich wandern täglich 70 Schafe in die Abdeckerei – in Deutschland nach Aussagen von Zuchtverbänden deutlich mehr. Auch für uns Menschen sind Hunde deutlich gefährlicher als Wölfe: Pro Jahr sterben in Deutschland ein bis sechs Menschen durch Hundebisse. In ganz Westeuropa waren es seit den 50er Jahren 10 Tote durch Wölfe - in fünf Fällen war Tollwut im Spiel.

Bad Wildbad verdient eine vertiefte Betrachtung: Wenn man sich die Schafhaltung im konkreten Fall genau ansieht, kommt man zum Schluss: Der Schaden wäre vermeidbar gewesen. Nach dem Fernseh-Bericht des SWR (siehe NuL4062 ) waren die Schafe entlang des Baches Enz nicht eingezäunt. Dieser Mangel wurde meist nicht erwähnt. Landseitig standen auf drei Seiten Elektrozäune. Deshalb konnten die Schafe dem Wolf kaum entkommen. Tiere, die in den Bach rannten, fielen wohl meist über die großen Gerölle. Da hilft auch das Argument nicht, wegen eines Landschaftspflegevertrags hätte die Beweidung des Gewässerrands sichergestellt werden müssen. Nach der Wasserrahmenrichtlinie sind bewuchsarme Gewässerränder nicht vorgeschrieben. Der Trend geht eher in die Gegenrichtung. Wer Schafhaltungen entlang von Gewässern nicht einzäunt, obwohl in der Gegend bereits ein Wolf gesehen wurde, riskiert seine Herde. Das ist ähnlich, als würde man vor dem Supermarkt einen Mittelklassewagen mit laufendem Motor und offener Fahrertür stehen lassen. Ein unwiderstehliches Angebot. Es muss ja kein Wolf kommen: Auch ein freilaufender Hund könnte eine solche Herde sehr leicht „aufmischen“. So sind in Großbritannien und Irland Hunde und Füchse als eine reale Bedrohung für Schafherden anerkannt (Freund Google hilft suchen: sheep killed in dog attack oder sheep killed by fox). Auch die Schafhalter in NRW haben das Problem freilaufender Hunde bereits ernsthaft thematisiert.

Nach den CrossCompliance-Richtlinien ist Herdenschutz auch gegen Raubtiere erforderlich, selbst wenn dieser nicht vollständig gewährleistet werden kann. Niedersachsen hat dies sogar in einer besonderen Verwaltungsvorschrift verdeutlicht. Nach den einschlägigen Empfehlungen – auch des AID-Heftes „Sichere Weidezäune“ – stellen zum Beispiel Bachläufe keinen ausreichenden Herdenschutz dar. Im vorliegenden Fall wiegt noch schwerer, dass bekannt war, dass sich im Raum ein Wolf aufhielt. Insofern hätte ein höheres Maß an tierhalterischer Sorgfalt erwartet werden können.

Im Herbst 2017 gab es im südlichen Odenwald eine vergleichbare Situation. In zwei Schadensfällen war ebenfalls entlang eines Baches nicht gezäunt gewesen. In einem weiteren Schadensfall war der Herdenschutz zumindest unzureichend (lückenhaftes Puzzle verschiedener Zaunmaterialien). Auch hier war fahrlässig gehandelt worden, da Tierhalter aus Zeitungsberichten wussten, dass in der Umgebung ein Wolf fotografiert worden war. Auch diese Schäden waren vermeidbar. Angesichts der negativen Vorbildwirkung sollte unter solchen Umständen allenfalls in Härtefällen entschädigt werden. Trotz aller Kritik am Elektrozaun: In Hessen ist seit 2011 bei ordnungsgemäßer Einzäunung mit Elektrozaun kein Wolfsriss zu verzeichnen gewesen, obwohl jedes Jahr mehrere Wölfe in Hessen unterwegs waren.

Fazit: Gerade in Gegenden mit bekannten Wolfsaktivitäten müssen Tierherden stets mit dem passenden Elektrozaunrundum geschützt werden. Dies erfordert bereits der Schutz gegen Hunde oder Füchse. Das AID-Heft „Sichere Weidezäune“ beschreibt die gute fachliche Praxis der Weidetierhaltung. Das Land Baden-Württemberg bietet nach neuesten Meldungen den Schafhaltern nun große finanzielle Unterstützung. Denn insbesondere natürliche Hindernisse wie Bäche allein reichen als Schutz nicht aus: Auch hier muss stets ein Elektrozaun stehen. Elektrozäune sind die einzige Form der Vergrämung, die bei Wölfen nachweislich wirkt. Dabei ist das Risiko bei Rinder- und Pferdeherden deutlich geringer als bei Schafen. Nein: Die Bejagung von Wölfen würde keinem Schafhalter helfen. Die Aufnahme von Wölfen ins Jagdrecht würde lediglich den Verwaltungsaufwand verdoppeln, da der europäische Artenschutz unberührt bliebe. Schafhaltung in Deutschland ist nur mit öffentlichen Zuschüssen wirtschaftlich zu betreiben. Schafhaltern müsste der Mehraufwand für den Schutz ihrer Tiere ersetzt werden und nicht etwa nur tote Tiere. Dann wären die Anreizfaktoren richtig gesetzt. Und natürlich müssen Wölfe mit regelmäßigem Fehlverhalten gezielt entnommen werden. Daran führt auch kein Weg vorbei. Bei Wölfen sind zu viele Emotionen im Spiel: positiv wie negativ.

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