Ministerrat und EU-Kommission enttäuschen Erwartungen
Trotz der hohen Erwartungen an eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), wie sie in den letzten Monaten unter anderem Wissenschaftler, zivilgesellschaftliche Organisationen, das Euro—päische Parlament (EP) und der Europäische Rechnungshof (EuRH) geäußert haben, bleiben bisher substanzielle Fortschritte aus.
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In ihrer Sitzung am 19. März konnten sich die EU-Agrarminister noch nicht einmal auf eine gemeinsame Stellungnahme zu den Vorstellungen der EU-Kommission für die künftige GAP einigen. Nur 23 von 28 Ministerinnen und Ministern schlossen sich den Formulierungsvorschlägen der bulgarischen Ratspräsidentschaft an, die im Wesentlichen die Inhalte der Kommissionsmitteilung vom November 2017 unterstützen(Naturschutz und Landschaftsplanung 50 (1): 2) . Einer der wesentlichen Streitpunkte war die Frage nach der Höhe der Direktzahlungen. Die neue Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner betonte bei ihrer Premiere im Agrarministerrat, sie lehne eine vollständige Angleichung der Zahlungen ab. Es sei wichtig, die unterschiedlichen Bedingungen in den Ländern zu berücksichtigen. Immerhin herrschte beim Thema Umwelt- und Naturschutz Einigkeit. Die Minister erkannten zumindest an, dass die GAP hier ihren Beitrag zu einem „higher level of environmental ambition“ leisten muss, ließen aber klare Folgerungen vermissen. Und dies, obwohl der Europäische Rechnungshof (EuRH) am selben Tag – nach seinem Sonderbericht vom 12. Dezember 2017 – erneut eine kritische Stellungnahme zu den Vorstellungen der EU-Kommission zur nächsten GAP veröffentlichte (Naturschutz und Landschaftsplanung 50 (5): 136 ). EU-Agrarkommissar Phil Hogan zeigte sich enttäuscht, dass nur 23 Landwirtschaftsminister den Beschlussvorschlag der Ratspräsidentschaft unterstützt hatten. Gleichzeitig betonte er erneut, dass die Kommission trotz aller Kritik an ihrem Vorschlag zur größeren Flexibilisierung der Zahlungen aus der ersten Säule festhalten wolle. Die Mitgliedstaaten müssten mehr Verantwortung bei der Nutzung der Direktzahlungen für Umweltprogramme und mehr Anreize zu umweltschonender Bewirtschaftung übernehmen.
Erwartungsgemäß nutzte Hogan die Unentschlossenheit der Agrarminister, in seinen am 1. Juni offiziell vorgestellten Vorschlägen für die Verordnungen für die GAP 2021 bis 2027 den schon mit den Entwürfen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) vom 2. Mai erkennbaren Kurs fortzusetzen (Naturschutz und Landschaftsplanung 50 (6): 180 ). Zwar betont die Kommission erneut, dass die neue GAP „zu einer nachhaltigen Entwicklung der EU-Landwirtschaft“ führen und „die ehrgeizigen Ziele der EU in Sachen Umwelt- und Klimaschutz“ widerspiegeln soll, die dazu empfohlenen Maßnahmen dürften aber wenig zielführend sein. Insbesondere sollen die Direktzahlungen, trotz aller berechtigter Kritik, weiter ein ganz wesentlicher Teil der Agrarpolitik bleiben. Zudem werden sie bei einem Gesamtansatz von etwa 365 Mrd. Euro nur wenig gekürzt, während in der sogenannten zweiten Säule Kürzungen um mehr als 25 % erfolgen sollen. Die Mitgliedstaaten sollen zwar die Möglichkeit bekommen, bis zu 15 % der Gelder für Direktzahlungen in die zweite Säule für Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums umzuwidmen, aber die Diskussionen im Agrarministerrat im März zeigten bereits, dass in der Praxis in den meisten Ländern wohl eher der ebenfalls mögliche umgekehrte Weg beschritten werden könnte. Zudem befürchten Kritiker, dass der neue „ergebnisorientierte“ Ansatz mit weitreichenden Freiheiten für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Vorschriften dazu führen könnte, dass sich der schon in dieser Förderperiode zu beobachtende Trend eines EU-weiten Wettrennens um die niedrigsten Standards verstärken könnte; etwa die stärkere Umschichtung von Geldern aus der zweiten in die erste Säule als umgekehrt. Dies, zumal auch die Ziele und Indikatoren zu vage sind und es an Rechenschaftspflichten und Sanktionsmöglichkeiten mangelt.
Ein gravierendes Defizit aus Naturschutzsicht ist darin zu sehen, dass sich im Entwurf keine Ansätze zu der von Wissenschaftlern, EP, EuRH, Umweltverbänden und der Bundesregierung (Koalitionsvertrag) verstärkten Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt, insbesondere zur Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien finden. EU-weit sind hierfür jährlich mindestens 15 Mrd. Euro erforderlich, in Deutschland laut Bundesregierung etwa 1,4 Mrd. Euro pro Jahr). Derzeit fließen aus dem EU-Haushalt nur etwa 2 Mrd. Euro in den Naturschutz, in Deutschland laut Bundesregierung einschließlich der nationalen Kofinanzierung etwa 500 Mio. Euro. Die Kommissionsvorschläge für die GAP enthalten dagegen sogar noch weniger zweckgebundene Gelder für Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen als bisher, da die in der Ersten Säule vorgeschlagenen „Öko-Programme“ im Gegensatz zum bisherigen Greening mit keinem verbindlichen Budget ausgestattet sind. Ein kleiner Lichtblick für die bäuerliche Landwirtschaft ist immerhin die vorgeschlagene Deckelung der Direktzahlungen: Bereits ab 60 000 Euro pro Jahr sollen sie gekürzt werden können und für Subventionen über 100 000 Euro je Betrieb gedeckelt werden. Damit versucht die Kommission den vielfach monierten Missständen Rechnung zu tragen, dass bisher weniger als 20 % der Betriebe über 80 % der Subventionen bekommen und insbesondere kleine Betriebe „auf der Strecke“ bleiben.
Wie beim MFR hofft die Kommission, die Beratungen und Beschlussfassung über die GAP-Verordnungen in Rat und Parlament bis zum Sommer 2019 zu Ende bringen zu können, damit ein nahtloser Übergang zwischen dem aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen (2014 – 2020) und dem künftigen Finanzrahmen erfolgen kann und die in der aktuellen Förderperiode aufgetretenen Verzögerungen verhindert werden können.
Weitere Informationen der EU-Kommission zu den Vorschlägen für die GAP und Links zu den einzelnen Verordnungen finden sich unterNuL4061 .
Autor
Claus Mayr arbeitet seit 1992 als Direktor für Europapolitik des NABU in Brüssel. Er koordiniert die europapolitische Arbeit des Naturschutzverbands als deutscher Partner von BirdLife International, hält Kontakt zur Europäischen Kommission, zu den deutschen Mitgliedern des Europaparlaments und den Vertretungen des Bundes und der Länder. Studium der Biologie, Anglistik und Pädagogik.
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