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Bia owiez a-WALD

Abholzungen im Natura-2000-Gebiet sind unionsrechtswidrig

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Im polnischen Natura-2000-Gebiet Puszcza Bia owiez a (gemeldet sowohl als FFH- als auch Vogelschutzgebiet) wurden in den vergangenen Monaten alte Baumbestände abgeholzt. Polen hielt diese Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Schädlingsbekämpfung für gerechtfertigt. Ende vergangenen Jahres kam es zu einem Eilverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Im Hauptsacheverfahren entschied der EuGH mit Urteil vom17. Arpil 2018 (C-441/17), dass Polen damit sowohl gegen die FFH-Richtlinie als auch gegen die Vogelschutzrichtlinie verstoßen habe. Das Natura-2000-Gebiet Bia owiez a-Wald verfügt über eine einzigartige Artenvielfalt und gilt als einer der letzten intakten Urwälder Europas.

Aufgrund der Ausbreitung des Buchdruckers genehmigte der polnische Umweltminister 2016 für den Zeitraum von 2012 bis 2021 zum „aktiven Schutz“ dieses Gebiets nahezu eine Verdreifachung des Holzeinschlags. Auf Grund einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 wurde mit der Beseitigung trockener und vom Buchdrucker befallener Bäume begonnen.

Nach dem Urteil des EuGH ist die polnische Regierung ihren Verpflichtungen aus der FFH-RL und der VRL nicht nachgekommen. Nach der FFH-RL dürfe die Genehmigung eines Plans oder Projekts lediglich unter der Voraussetzung erteilt werden, dass die zuständigen Behörden zum Genehmigungszeitpunkt Gewissheit darüber erlangt haben, dass der Plan oder das Projekt sich nicht dauerhaft nachteilig auf das Gebiet auswirke. Die polnischen Behörden haben jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht über sämtliche relevanten Daten verfügt, um die Auswirkungen der Maßnahmen der aktiven Waldbewirtschaftung auf das Natura-2000-Gebiet beurteilen zu können. Die von den polnischen Behörden im Jahr 2015 durchgeführte Verträglichkeitsprüfung sei dem EuGH zufolge nicht geeignet gewesen, jeglichen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen der Entscheidung von 2016 auf das Natura-2000-Gebiet auszuräumen.

Die Durchführung der aktiven Waldbewirtschaftungsmaßnahmen führe zur Zerstörung eines Teils des Natura-2000-Gebiets. Diese Maßnahmen könnten daher nicht, wie von der polnischen Regierung geltend gemacht, als zur Erhaltung dieses Gebiets gerechtfertigt gelten. Nicht der Buchdrucker sei im Bewirtschaftungsplan von 2015 als potenzielle Gefahr für das Gebiet als solches identifiziert worden, sondern vielmehr die Entfernung von ihm befallener hundertjähriger Fichten und Kiefern. Die Entscheidung zur Bewirtschaftung im Jahr 2016 und die Entscheidung Nr. 51 führten zwangsläufig zur Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten bestimmter durch die FFH-Richtlinie streng zu schützender xylobionter Käferarten.

Gemäß der Vogelschutzrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz sämtlicher wildlebenden Vogelarten treffen. Darunter fällt insbesondere das Verbot der absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern und der Entfernung von Nestern und ihres absichtlichen Störens, sofern sich diese Störung erheblich auf die Zielsetzung der Richtlinie auswirkt. Die Entscheidung von 2016 und die Entscheidung Nr. 51, deren Durchführung zur Zerstörung oder Beschädigung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der betreffenden Vogelarten führen würde, enthielten, so die Argumentation des EuGH, keine konkreten, spezifischen Schutzmaßnahmen, mit denen gewährleistet werden könnte, dass von ihrem Anwendungsbereich absichtliche Eingriffe in das Leben und den Lebensraum dieser Vögel ausgeschlossen seien und dass die genannten Verbote in der Praxis ausreichend Beachtung finden.

Das Urteil des EuGH stellt fest, dass Polen gegen seine Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und d FFH-RL sowie aus Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 5 Buchst. b und d VRL verstoßen hat. Auch wenn Teile des Waldes seit Ende des Zweiten Weltkriegs bewirtschaftet wurden, nutzt der EuGH dieses Urteil auch, um erneut klarzustellen, dass wirtschaftliche Interessen – zumindest teilweise – auch nachrangig zum Umwelt- und Naturschutz zu behandeln sind. Angesichts des Verfahrensverlaufs mit dem vorläufigen Rechtsschutz (Beschluss des EuGH vom 20.11.2017 – C-441/17 R) und dem jetzt vorliegenden Urteil muss die EU-Kommission streng über die Einhaltung des Urteils achten.

Das polnische Umweltministerium erklärte, dass es sich an das rechtskräftige Urteil halten wolle – im Gegensatz hierzu hatte Polen im Sommer 2017 die provisorischen Anordnungen des EuGH dessen Anordnungen weitgehend ignoriert.

EuGH, Urteil vom17.4.2018 –C-441/17 –

Autoren

Ass. jur.Jochen Schumacher und Dipl.-Biol.Anke Schumacher arbeiten am Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen. Das Institut ist interdisziplinär orientiert und befasst sich insbesondere mit Fragestellungen, die sowohl naturschutzfachlich-ökologische Aspekte als auch (umwelt- und naturschutz-)rechtliche Problemstellungen aufweisen.

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