Prioritätensetzung durch den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) ab 2021
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Die Positionen auf dem „Gipfel“ blieben allerdings ähnlich vage. Als „Ergebnis“ gab es lediglich ein Statement von Ratspräsident Donald Tusk. Die Verhandlungen waren vor allem ein Beleg für die gegensätzlichen Positionen der EU-Mitgliedstaaten über die Höhe des künftigen Budgets und die gegensätzlichen Positionen von Nettozahlern wie Deutschland und insbesondere osteuropäischen EU-Staaten. Für die von Kommissar Oettinger angedeuteten möglichen Kürzungen der Agrarsubventionen verlangte Polen zum Beispiel eine Kompensation durch Strukturfondsmittel, obwohl diese als – nach der GAP – zweitgrößter Ausgabeposten der EU auch gekürzt werden müssen. Wie diese Diskrepanzen aufgehoben werden können, blieb völlig unklar.
Sehr deutlich wurde aber, dass eine bessere Finanzierung des Naturschutzes bislang keine Priorität genießt. In Anlehnung an die Thriller „Das Schweigen der Lämmer“ demonstrierten daher Vertreter des NABU, von BirdLife Europe und 130 befreundeten Organisationen vor dem Ratsgebäude in Brüssel gegen das „Schweigen der Staatschefs“ zum ungebrochenen Verlust von biologischer Vielfalt. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass eine bessere Finanzierung des Naturschutzes sehr deutlich im Koalitionsvertrag von Union und SPD fixiert ist. Insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die neuen Bundesministerinnen für Umwelt, Svenja Schulze, und Landwirtschaft, Julia Klöckner, sind daher jetzt in Brüssel gefordert, Allianzen für Umschichtungen des EU-Haushaltes hin zu einer nachhaltigeren und naturverträglicheren Entwicklung zu schmieden. Die Achse Berlin – Paris wird dabei von entscheidender Bedeutung sein.
Position des Europaparlaments
Inzwischen hat auch der federführende Haushaltsausschuss des EP (BUDG) seinen Initiativbericht zum MFR verabschiedet. Der 142 Seiten starke Bericht ist, gemessen an den bisherigen Aussagen der EU-Kommission, ziemlich gut und enthält einige für den Natur- und Umweltschutz wichtige Aussagen. Etwa in Punkt 88, in dem die „führende Rolle der EU bei der Erhaltung, dem Schutz und der Verbesserung der Umweltqualität sowie bei der Bekämpfung des Klimawandels, der Schädigung von Ökosystemen und des Verlusts der biologischen Vielfalt“ betont wird. Weiterhin wird ein „umfassendes Mainstreaming der künftigen EU-Ausgaben“ an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit gefordert, sowie in diesem Zusammenhang, Zitat: „… dass die betreffenden Programme wie LIFE+ ordnungsgemäß finanziert, weitergeführt und aufgestockt werden und spezielle Mittel für die biologische Vielfalt und die Verwaltung des Natura-2000-Netzes bereitgestellt werden“.
Die Abstimmung im Plenum ist für den 14. März vorgesehen.
Leak zur GAP-Reform
Wie im letzten Heft dargestellt, will der EU-Agrarministerrat bereits am 19. März seine Position zur GAP-Reform verabschieden, um diese noch rechtzeitig in die für Anfang Juni angekündigten Vorschläge von EU-Agrarkommissar Phil Hogan einspeisen zu können. Das Politmagazin „Politico“ veröffentlichte („leakte“) den Entwurf der Ratsschlussfolgerungen bereits am 06. März. In einer ersten Reaktion kritisierte BirdLife Europe den Entwurf scharf, da er neuere Erkenntnisse wie den Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) nicht berücksichtige. In diesem im Dezember 2017 veröffentlichten Bericht hatte der EuRH unter anderem die Ineffizienz der Agrarsubventionen kritisiert, insbesondere hinsichtlich der Erreichung der Ziele des Greenings (Naturschutz und Landschaftsplanung 50 (1): 2).
EuGH-Urteil zu Bia owiez a erwartet
Im EU-Vertragsverletzungsverfahren um die massiven Abholzungen im Natura-2000-Gebiet Bia owiez a in Polen (Naturschutz und Landschaftsplanung 50 (2): 34) ist inzwischen ein Ende absehbar. Über den Einzelfall hinaus ist dies in zweierlei Hinsicht ein wichtiger Präzedenzfall: Zum einen hatte die EU-Kommission bereits im Sommer ein Eilverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) beantragt, da der damalige polnische Umweltminister Jan Szyszko trotz des anhängigen Verfahrens weiter abholzen ließ. Bei den Anhörungen vor dem EuGH im Herbst 2017 hatte er die EU-Kommission sogar der Täuschung und Manipulation beschuldigt, so seien etwa Luftbilder zum Nachweis des Umfangs der Abholzungen gefälscht.
Bereits am 20. November 2017 bekräftige der EuGH seine Eil-Entscheidung vom 28. Juli zum sofortigen Stopp der Abholzungen und setzte die Strafe für weitere Missachtungen der Anordnung auf mindestens 100 000 Euro pro Tag fest (C-441/17 R), ein bisher in der Rechtsgeschichte der EU einmaliges Vorgehen. Zum zweiten beweist die Kommission mit ihrem Vorgehen, dass die im Aktionsplan zur besseren Umsetzung der Naturschutzrichtlinien vorgesehene strengere Kontrolle (Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (6): 178) keine Worthülse bleibt.
Links:
Europäischer Rat am 23. Februar 2018: sog. Agenda für die Staatschefs: t1p.de/mfr-feb18; Statement von Donald Tusk: t1p.de/tusk-feb18
Bericht des EP-Haushaltsausschusses zum MFR 2021-2027 vom 28. Februar 2018: t1p.de/mfr-ausschuss
„Leak“ der Ratsschlussfolgerungen für den EU-Agrarministerrat am 19. März 2018: t1p.de/leak-amr-03-18
Pressemeldung BirdLife Europe dazu vom 06. März 2018: t1p.de/birdlife-18-03- 06
NABU-blog zum EU-Vertragsverletzungsverfahren Bia owiez a: t1p.de/bialowieza-03-18
Kontakt
Claus Mayr arbeitet als Direktor für Europapolitik des NABU in Brüssel. Er berichtet in dieser Kolumne regelmäßig über wichtige europäische Entwicklungen.
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