EU-Finanzen, nachhaltige Landwirtschaft, konkreter Naturschutz-Appell
In Brüssel hat die Arbeit an verschiedenen umweltrelevanten Dossiers nach der Sommerpause wieder Fahrt aufgenommen. Hier wird über eine in das Ressort des EU-Haushaltskommissars Oettinger fallende Budget-Konferenz, über bisher unbefriedigende Ergebnisse des Landwirtschafts-Rates zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sowie – mal wieder – über den Naturschutz-Aktionsplan berichtet.
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EU budget focused on results
Das jährliche EU-Budget ist eingebettet in einen Sieben-Jahresplan, den sogenannten „Mehrjährigen Finanzrahmen“ der EU (MFR). Der MFR wird von der EU-Kommission vorgeschlagen und von den Mitgliedstaaten sowie vom EU-Parlament beschlossen. Der nächste MFR gilt ab dem Jahr 2021. Sowohl vor dem Hintergrund der zu erwartenden Kürzungen des EU-Haushalts durch den Brexit als auch wegen neuer Finanzierungsbegehrlichkeiten etwa durch eine gemeinsame Sicherheitspolitik der EU sind die Verhandlungen zum MFR politisch höchst brisant. Bedeutsam für den Naturschutz ist der MFR deswegen, weil durch ihn z.B. die Mittelzuteilung zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) oder aber zur Naturschutzfinanzierung festgeschrieben wird.
Am 25. September 2017 fand in Brüssel unter dem Motto „EU budget focused on results“ nun eine von der EU-Kommission organisierte Konferenz zur Zukunft der EU-Finanzen statt. Die Konferenz kann als ein erster Schritt der Beteiligung von Zivilgesellschaft und Interessengruppen gesehen werden – darüber hinaus sind offiziell aber kaum Beteiligungsmöglichkeiten angedacht, weder bezüglich der MFR-Verhandlungen noch bezüglich konkreter Fachpolitiken wie etwa der GAP.
Der NABU nahm – gemeinsam mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft – an der Konferenz teil. Am selben Tag veröffentlichte der Dachverband Birdlife Europe seine MFR-Position. Diese trifft Aussagen zu verschiedenen EU-Fonds und fordert grundsätzlich, dass die EU ihre Ausrichtung und ihre Finanzen in den Dienst von Bürgern und Umwelt stellt. Neben einer überarbeiteten Landwirtschafts- und Ernährungspolitik wird eine EU-weite Finanzierung von Leuchtturmprojekten über das Programm LIFE und für Grüne Infrastruktur (TEN-G) für sinnvoll erachtet.
Bei der Konferenz ging es leider wenig um eine nachhaltige Ausrichtung des MFR. Oettinger ließ hingegen verlauten, dass sich beide Säulen der GAP bewährt hätten – eine Vorwegnahme des derzeit noch laufenden Positions-Findungs-Prozesses des EU-Agrarkommissars Phil Hogan. Diskutiert wurde über den Zusatznutzen, den das EU-Budget haben sollte
AGRIFISH und die SDGs
Die Debatte über die Zukunft der GAP durch die Kommission ist schon länger eröffnet. Wie sich die Mitgliedstaaten im Rat positionieren, ist bisher indes weniger thematisiert. Umso erstaunter war die Brüsseler Szene, als sie Anfang Oktober die Tagesordnung des Landwirtschafts-Rates (AGRIFISH) veröffentlicht fand. Dort war nämlich auch ein Austausch zu dem Komplex „Landwirtschaft und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs)“ enthalten. Konkret fragte die Estnische Ratspräsidentschaft die Agrarminister in Vorbereitung auf das Treffen: Inwieweit tragen die derzeitigen Politikinstrumente zur Erreichung der landwirtschaftsbezogenen Nachhaltigkeitsziele bei und wie lassen sich die Ziele der Agenda 2030 aus der Perspektive der Landwirtschaft am besten in den EU-Politikrahmen integrieren?
Was genau die Agrarminister am 09. Oktober 2017 diskutierten, ist leider nicht bekannt – Ratssitzungen sind in der Regel nicht öffentlich. Allerdings lässt die nach dem Rat erfolgte Pressekonferenz nicht vermuten, dass sich die Agrarminister damit auseinandersetzten, inwieweit die grundsätzliche Architektur der GAP ein Erreichen der SDGs behindert. Auch ob darüber gesprochen wurde, dass die in SDG 2 geforderte nachhaltige Landwirtschaft z.B. nur mit Änderungen beim Pestizideinsatz erreicht wird, dass die in SDG 6 geforderte Gewässerbewirtschaftung zur Beschränkung von Nährstoffüberschüssen führen muss, oder dass der in SDG 15 geforderte Schutz von Landökosystemen den Erhalt von artenreichem Grünland verlangt, bleibt fraglich.
In der Pressekonferenz wurden hingegen eine bessere Kooperation, Forschung und Innovation als Lösungsansätze betont. Im Hinblick auf eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik bleibt also abzuwarten, wie sich die Mitgliedstaaten zu der für Ende November erwarteten Mitteilung von Hogan über die Zukunft der GAP nach 2020 verhalten werden. Forderungen nach einer umfassenden Agrarreform finden sich beispielsweise im Positionspapier von BirdLife Europe vom 02. Oktober 2017.
Aktionsplan für die Natur, Menschen und Wirtschaft
Der als Follow-Up zum Fitness Check der EU-Naturschutzrichtlinien erlassene Aktionsplan wurde in der Juni-Kolumne näher vorgestellt. Am 12. Oktober hat hierzu nun auch der Umweltausschuss des EU-Parlaments eine Resolution verabschiedet. Diese wurde von Berichterstattern aus verschiedenen Fraktionen gemeinsam erarbeitet, gleichwohl gab es anschließend mehr als 100 Änderungsanträge. Trotz einiger Schwächen: Insgesamt stärkt die noch vom Plenum des Parlaments zu bestätigende Resolution dem Aktionsplan weiter den Rücken. Darüber hinaus weist sie auch auf dessen Schwachstellen hin.
So fordern die Parlamentarier von der EU-Kommission u.a. einen erneuten Anlauf für eine „Bestäuber“-Initiative und von den Mitgliedstaaten die zügige Umsetzung der EU-Vorgaben zu Invasiven Arten. Betont wird auch, dass sich der Schutz der Biodiversität nur mit besserer Kohärenz der GAP erreichen lässt. Über den Aktionsplan hinaus müsse eine bessere Finanzierung für den Naturschutz sichergestellt werden, auch durch neue Finanzierungsinstrumente im nächsten MFR. Und schließlich solle die EU-Kommission auch einen Vorschlag vorlegen für das schon länger diskutierte TEN-G.
Auch hier bleibt abzuwarten, welche dieser zusätzlichen Punkte die schon mit der Abarbeitung des Aktionsplans beschäftigte EU-Kommission tatsächlich angeht. Nötig wären sie allemal, um den Biodiversitätsverlust aufzuhalten.
Kontakt

RA Dr. Raphael Weyland, NABU, Referent für EU-Naturschutzpolitik, Brüssel,
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