Ausgleichsmaßnahmen im Naturschutzrecht: das Beispiel Österreich
Abstracts
Im vorliegenden Beitrag untersuchen und diskutieren die Autoren die Regelungen für Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen in den Naturschutzgesetzen der österreichischen Bundesländer. Die Analyse basiert auf der Interpretation der einschlägigen Gesetzesstellen. Dabei werden die einzelnen Ausgleichsvarianten und die Unterschiede in den einzelnen Naturschutzgesetzen der Bundesländer aufgezeigt.
Es bestehen zum Teil wesentliche Differenzen zwischen den einzelnen Ersatzregelungen. Abschließend werden Vorschläge für eine optimale Ausgestaltung naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen angemerkt.
Compensation measures according to nature conservation law: the example of Austria
The paper investigates and discusses the mitigation and compensation regulations of nature conservation legislation in the different Austrian provinces. By interpreting the respective legal regulations the study describes the individual compensation variants and the differences of the specific nature conservation laws of the federal provinces. Partially there are significant discrepancies between the compensation regulations. The conclusion provides recommendations and outlines the potential for improvements.
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1 Einleitung
Naturschutzrecht ist eine sehr lebendige Rechtsmaterie, welche in den letzten Jahren einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren hat (Czybuka2013, Umweltdachverband 2010). Neue gesetzliche Regelungen entfalten ihre volle Wirkung üblicherweise erst nach einigen Jahren, zumal geübte Verwaltungspraxis und Judikatur entsprechende Fristenläufe haben. Vor allem vor diesem Hintergrund ist das ständige Evaluieren und Revidieren von gesetzlichen Regelungen erforderlich, wozu die Autoren des vorliegenden Artikels einen Beitrag leisten möchten.
Naturschutzrecht steht immer im Spannungsfeld, gleichermaßen national möglichst einheitliche Standards und Prozeduren zu sichern und andererseits möglichst spezifisch und präzise regionale und lokale Gegebenheiten zu berücksichtigen. Dieses Spannungsfeld, Zentralismus versus Föderalismus, ist als aporetischer und damit letztlich unauflöslicher Konflikt (vgl. Rauchet al. 2016) anzusprechen. Es ist charakteristisch für aporetische Konflikte, dass die praktisch gefundenen Lösungen zwischen den Positionen pendeln und sich zeitweise „einpendeln“.
Im deutschen Sprachraum besteht in den kleinteilig organisierten Staaten Deutschland, Schweiz und Österreich eine ausgeprägt föderale Rechtskultur. Diese findet u.a. einen Niederschlag im Naturschutzrecht (vgl. Czybulka2013, Epiney& Furger2013, Pichler-Koban& Jungmeier2015). Diese Rechtsmaterie hat zur Entfaltung ihrer Wirksamkeit ja per se auf die regionalen Gegeben- und Besonderheiten Bezug zu nehmen. Der Diskurs über Nutzen und Effizienz einer föderalen Verfasstheit wird mit einer gewissen Intensität geführt (vgl. Borrini-Feyerabendet al. 2013, Umweltdachverband 2010). Raschauer(1995, zitiert nach Bussjäger2013:166) spricht gar von „Kraut- und Rübengesetzgebung“.
Der Diskurs wird in diesem Beitrag nicht weitergeführt. Aufgreifen möchten die Autoren jedoch die Anregung von Bussjäger(2007: 87), der auf den „Werkstattcharakter des Föderalismus“ hinweist; demzufolge sei für den österreichischen Naturschutz nachweisbar, dass Innovationen und funktionierende Lösungen von jeweils anderen Bundesländern übernommen würden. So würde es die föderale Struktur des Naturschutzes im deutschen Sprachraum ermöglichen, ähnliche, nicht idente Regelungen miteinander zu vergleichen und so die Vielfalt föderaler Ansätze als Ressource zu nutzen.
In Österreich ist Naturschutz Landessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Dabei sind Eingriffsregelungen von zentraler Bedeutung. Es ist zunächst ein naheliegendes Prinzip, dass für Eingriffe in geschützte Güter ein Ausgleich geleistet werden soll. Wer mit der Umsetzung eines Vorhabens die Interessen des Naturschutzes beeinträchtigt, hat diesen Eingriff dementsprechend zu kompensieren. Fischer-Hüftle(2013: 22) weist auf die fachlichen Herausforderungen der „doppelten Prognose“ hin, nämlich einerseits die Auswirkungen eines Eingriffs und gleichzeitig die Auswirkungen von Kompensationsmaßnamen vorherzusehen.
Durch dieses Eingriff-Ausgleichs-Prinzip sollen die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes gewahrt und gleichzeitig die Umsetzung von Projekten mit negativen Auswirkungen ermöglicht werden. Dieses einfache Prinzip erfährt im österreichischen Naturschutzrecht vielfältige Ausgestaltungen. Das Spektrum reicht dabei von Gesetzen, in denen keinerlei Ausgleichsmaßnahmen verankert sind, bis hin zu einer starken, differenziert festgelegten Ausgleichspflicht.
Die Naturschutzgesetze von Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und der Steiermark haben keine Ausgleichsregelungen. Die Naturschutzgesetze von Kärnten (§ 12), Salzburg (§ 3a Abs. 4 und § 51), Vorarlberg (§ 37) und dem Burgenland (§ 10) enthalten Bestimmungen über naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. In Salzburg gibt es sogar zwei eigenständige Varianten.
Davon unabhängig sind Ausgleichsmaßnahmen in europäischen Schutzgebieten (Natura-2000-Gebieten) zu betrachten, welche auf Art. 6 Abs. 4 FFH-RL beruhen und in allen neun Naturschutzgesetzen umgesetzt sind. Da sie jedoch europarechtlichen Vorgaben entspringen und teilweise auf andere Schutzgüter abzielen, werden diese im vorliegenden Beitrag nicht näher untersucht.
2 Vorgangsweise und Methoden
Zuerst werden sowohl das generelle System naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen als auch deren einzelne Spezifika untersucht. Oftmals sind einzelne Tatbestände auf den ersten Blick zu unbestimmt, so dass eine nähere Betrachtung notwendig ist. Die Interpretation eines Tatbestands erfolgt anhand der vorhandenen Literatur, der Rechtsprechung und juristischer Auslegungsmethoden. Wann eine „wesentliche Beeinträchtigung“ vorliegt, bedarf z.B. ebenso einer näheren Auslegung wie die konkreten Eigenschaften eines „geeigneten Ersatzlebensraums“. Im Zuge dieser Auslegung offenbaren sich auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Landesregelungen.
Zuerst erfolgt die Einordnung von Ausgleichsmaßnahmen in das naturschutzrechtliche Bewilligungsverfahren. Dabei geht es um die Fragestellung, wann Ausgleichsmaßnahmen überhaupt anzuwenden sind, wie sie sich auf die Entscheidungsfindung der naturschutzrechtlichen Genehmigung auswirken und wie sie letztendlich vorgeschrieben werden. Insgesamt dreht es sich um die Positionierung im Verfahrensablauf. Dies erfolgt zumeist anhand einer wörtlichen Interpretation des Gesetzestextes.
Im nächsten Schritt wird auf die inhaltlichen Voraussetzungen eingegangen. Es erfolgt die Definition bzw. Konkretisierung von Eingriff und Ausgleich. Dies basiert – wie oben schon dargelegt – auf einschlägiger Literatur und Rechtsprechung. Vor allem wird aber auf juristische Auslegungsmethoden zurückgegriffen. Es findet in erster Linie eine Wortinterpretation des Gesetzestextes in Verbindung mit einer grammatikalischen und einer systematischen Auslegung statt. Eine sekundäre Interpretation stellt auf den Sinn und Zweck der Regelung ab. Diese teleologische Interpretation orientiert sich am Rahmen der Wortinterpretation. Sie versucht, den hintergründigen Regelungszweck der Norm zu erfassen, wobei der Gesetzeswortlaut den Umfang vorgibt. Parallel dazu erfolgt der Vergleich zwischen den verschiedenen Regelungen, dessen Rückschlüsse ebenfalls zum Gesamtbild von Ausgleichsmöglichkeiten im österreichischen Naturschutzrecht beitragen.
Besonderes Augenmerk wird auf den Eingriffsschutz bzw. die daraus resultierende Ausgleichspflicht gelegt, also die Frage, wann also ein ausgleichspflichtiger Eingriff in die Schutzgüter von Natur und Landschaft vorliegt. Auch die konkrete Durchführung der Ausgleichsvarianten bedarf einer näheren Auslegung im Hinblick auf deren praktische Durchführbarkeit.
3 Ergebnisse
3.1 Ausgleichsmaßnahmen
Den Regelungen – abgesehen von § 51 Salzburger Naturschutzgesetz (s.u.) – ist gemein, dass sie an die vorangegangene Interessenabwägung, zwischen dem beantragten Vorhaben und den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes, anknüpfen. Denn erst wenn die Interessenabwägung zu Gunsten des Vorhabens ausfällt – es also auf Grund öffentlichen Interesses zu bewilligen ist – und dies negative Auswirkungen für Natur und Landschaft bedeutet, sind Ausgleichsmaßnahmen anzuwenden. Dadurch sollen negative Auswirkungen des zu bewilligenden Vorhabens ausgeglichen bzw. kompensiert werden (Loos2007: 181).
Die Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen hat daher, jedenfalls theoretisch, keinen Einfluss auf die Entscheidungsfindung der naturschutzrechtlichen Bewilligung. Ausgleichsmaßnahmen sind vielmehr als sekundäres Werkzeug zu sehen, mit denen die negativen Auswirkungen des Vorhabens gemindert bzw. vermieden werden sollen. Bei der vorangegangenen Interessenabwägung spielen mögliche Ausgleichsmaßnahmen keine Rolle. Die Prüfung und Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen obliegt allein der Behörde. Sie agiert von Amts wegen.
Sonderfall Salzburg
Ausgleichsmaßnahmen gemäß § 51 Salzburger Naturschutzgesetz stellen eine Ausnahme dar. Diese bieten sozusagen den letzten Ausweg, die angestrebte naturschutzrechtliche Bewilligung doch noch zu erhalten. Wäre ein Projekt negativ zu beurteilen, kann der Bewilligungswerber Ausgleichsmaßnahmen beantragen, um dies so abzuwenden. Die neu beantragten Ausgleichsmaßnahmen ändern das ursprünglich eingebrachte Projekt allerdings derart ab, dass dies als neuer Antrag zu behandeln ist (Loos2007: 180).
Ausgleichsmaßnahmen können bei diesem Modell nur vom Projektwerber vorgebracht werden. Die Behörde ist nicht verpflichtet, von Amts wegen die Möglichkeit von Ausgleichsmaßnahmen nach § 51 Salzburger Naturschutzgesetz zu prüfen (Loos2007: 177).
Die vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen müssen zu einer wesentlichen Verbesserung des Landschaftsbilds oder Naturhaushalts führen. Konkret haben die Ausgleichsmaßnahmen die negativen Auswirkungen für Naturhaushalt oder Landschaft um mindestens 30 % zu übersteigen. Im Gegensatz dazu besteht bei den gewöhnlichen Ersatzmaßnahmen ein Eingriffs-Ausgleichs-Verhältnis von 1 : 1 (Loos2006: 22).
Ausgleichsmaßnahmen nach § 51 Salzburger Naturschutzgesetz nehmen also Einfluss auf die Entscheidungsfindung über die naturschutzrechtliche Genehmigung. Sie stellen daher eine Genehmigungsvoraussetzung dar. Es findet keine Interessenabwägung zwischen öffentlichen Interessen am Vorhaben und Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes statt. § 51 Salzburger Naturschutzgesetz und die damit einhergehenden Ausgleichsmaßnahmen sind demnach auch für Projekte im rein privaten Interesse anwendbar. Dies unterscheidet sie maßgeblich von den anderen Ausgleichsmaßnahmen.
3.2 Eingriff
Schutzgüter
Um zu definieren, wann ein ausgleichspflichtiger Eingriff vorliegt, sind zunächst die Schutzgüter zu erfassen, welche in den jeweiligen Ausgleichsregelungen enthalten sind. In Kärnten sind nur Lebensräume seltener, gefährdeter oder geschützter Tier- oder Pflanzenarten als ausgleichsfähige Schutzgüter definiert. Die Landschaft als Schutzgut ist nicht erfasst und bildet kein ersatzfähiges Eingriffsgut. Im Gegensatz dazu sehen die Naturschutzgesetze von Vorarlberg, dem Burgenland und Salzburg (bei beiden Varianten) sowohl den Naturhaushalt als auch die Landschaft als ausgleichsfähiges Schutzgut vor.
In Kärnten und dem Burgenland wird konkret auf den Naturhaushalt als Lebensraum seltener, gefährdeter oder geschützter Arten abgestellt. Die betroffenen Gebiete müssen nachweislich solche Arten beheimaten und dürfen nicht bloß potenziell dafür geeignet sein (VwSlg 16672 A/2005). Das Vorkommen solcher Arten ist zu dokumentieren und ein wissenschaftlicher Nachweis darüber zu erbringen, wie sich das gegenständliche Vorhaben qualitativ und quantitativ auf diese Lebewesen auswirkt (VwGH 29.03.2005, 2004/10/0223 (mwN)). Dabei ist auch auf die Wechselbeziehung zwischen den Arten bzw. Lebewesen zu achten. Ebenso sind Faktoren wie Geologie, Klima, Boden, Oberflächen-, Sicker-, Grund- und Bodenwasser zu berücksichtigen. Aus diesem Wirkungsgefüge der biotischen und abiotischen Faktoren der Natur ergibt sich insgesamt das Schutzgut des Naturhaushalts (VwGH 27.06.1994, 93/10/0153). In Salzburg (§ 3a Abs. 4) besteht die Ausgleichspflicht unabhängig davon, ob durch den Eingriff besondere Lebensräume von Tieren oder Pflanzen beeinträchtigt werden (Loos2007: 33).
Das Schutzgut Landschaft muss nicht unberührt und frei von menschlichen Eingriffen sein. Der betroffene Landschaftsteil ist als bestehende Einheit zu sehen, dessen Bild sich aus allen möglichen Betrachtungsweisen ergibt. Eine schützenswerte Landschaft zeichnet sich durch jene kennzeichnende Eigenschaft aus, die ihr einen besonderen Charakter verleiht. Der betroffene Landschaftsraum ist derjenige, welcher von der geplanten Maßnahme negativ beeinflusst wird (Hattenberger1999: 81ff.; VwGH 31.10.2000, 99/10/0244; VwGH 04.09.2000, 2000/10/0077; VwGH 28. 04.2006, 2003/10/0231).
Eingriffsstufen
Die einzelnen Ausgleichsregelungen unterscheiden sich auch darin, wann eine Maßnahme einen ausgleichspflichtigen Eingriff darstellt. Ist in Vorarlberg und Salzburg (theoretisch) jeder Eingriff ausgleichspflichtig, so bewirkt in Kärnten und im Burgenland erst eine wesentliche Beeinträchtigung oder Vernichtung eine Ausgleichspflicht. Allerdings muss auch nach dem Vorarlberger und Salzburger Naturschutzgesetz zwischen geringfügigen und schweren Eingriffen unterschieden werden. Beeinträchtigungen sind durch allfällige Vorschreibung von Nebenbestimmungen (Auflagen, Bedingungen) vorab weitestgehend zu minimieren. Werden durch den Eingriff dennoch Beeinträchtigungen verursacht, sind diese durch Ausgleichsmaßnahmen bzw. Ersatzleistungen auszugleichen. Demgemäß sind negative Auswirkungen schon durch die primäre Vorschreibung von Nebenbestimmungen möglichst gering zu halten. Kann eine Beeinträchtigung dadurch jedoch nicht gänzlich gemindert bzw. vermieden werden, sind Ausgleichsmaßnahmen nötig (Loos2007: 32).
Zwar sind auch Ausgleichsmaßnahmen als Nebenbestimmungen (die verbindlich zur naturschutzrechtlichen Genehmigung als Hauptbestimmung hinzutreten) zu qualifizieren, jedoch stellt deren Vorschreibung eine gesetzlich geregelte Sonderform einer Nebenbestimmung dar (Loos2007: 33). Bei geringen Eingriffen wird daher wohl nicht immer eine Ausgleichsmaßnahme als Mittel zur Schadensvermeidung notwendig sein, wenn die Naturschutzinteressen schon durch die Erteilung von Auflagen oder Bedingungen (Nebenbestimmungen) gewahrt werden können.
In Kärnten ist diese Frage unerheblich, da Ausgleichsmaßnahmen erst bei einer wesentlichen Beeinträchtigung oder Vernichtung zwingend vorzuschreiben sind. Im Burgenland kann die Behörde bei einer wesentlichen Beeinträchtigung oder Vernichtung von Lebensräumern seltener, gefährdeter oder geschützter Tier- oder Pflanzenarten (§ 10 Abs. 1 lit. a) oder bei einer wesentlichen und nachhaltigen Beeinträchtigung der landschaftlichen Eigenart, des Landschaftscharakters, der Schönheit oder dem Erholungswert eines Landschaftsteils (§ 10 Abs. 1 lit. b) einen Ausgleich vorschreiben. Allerdings muss vorab zwischen den Schutzgütern „Lebensraum für besondere Arten“ und „besondere Eigenarten eines Landschaftsteiles“ differenziert werden. Dementsprechend variieren auch die Ausgleichsmöglichkeiten. Unabhängig davon resultiert aus einer wesentlichen Beeinträchtigung – auf Grund der Formulierung „kann“ – aber nicht zwingend ein Ausgleich. Vielmehr steht es der Behörde frei, auch andere Nebenbestimmungen (Auflagen) zu wählen bzw. vorzuschreiben, wenn dadurch den Interessen des Gesetzes – also der Kompensierung ökologischer Nachteile – entsprochen wird.
Grundsätzlich wird aber bei wesentlichen Eingriffen, deren Beeinträchtigungen nicht schon durch die Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen eingedämmt werden können, wohl trotzdem ein Ausgleich zu erfolgen haben, da die Regelung des § 10 sonst ad absurdum geführt werden würde. Geringfügige Beeinträchtigungen bedingen keine Ausgleichspflicht, da sie vom Regelungsumfang des § 10 nicht umfasst sind.
Festzuhalten ist, dass unter gewissen Umständen in Vorarlberg und Salzburg auch schon geringfügige Eingriffe ausgleichspflichtig sein können, was in Kärnten und dem Burgenland auf Grund einer höheren Eingriffsstufe nicht vorgesehen ist.
3.3 Ausgleich
Ausgleich in natura
Alle Ausgleichsregelungen sehen als primäre Ausgleichsform einen Ersatz in natura durch die Schaffung von (geeigneten) Ersatzlebensräumen vor. Es erscheint nur logisch, dass für verlorene Flächen wieder neue geschaffen werden. Im Idealfall sollte dadurch kein Lebensraum verloren gehen.
Die Gesetze regeln jedoch nicht detailliert, wie ein solcher Ersatzlebensraum beschaffen sein muss. Das Kärntner und Burgenländische Naturschutzgesetz sprechen von einem geeigneten Ersatzlebensraum. Allgemein betrachtet stellt ein Gebiet einen geeigneten Ersatz dar, wenn die betroffenen Arten darin einen passenden neuen Rückzugs- bzw. Lebensraum finden. Da die Kärntnerische und Burgenländische (§ 10 Abs. 1 lit. a) Ausgleichsregelung auf das Vorkommen besonderer Arten abstellen, muss der Ersatzlebensraum also geeignet sein, den betroffenen Arten einen adäquaten Lebensraum zu bieten. Der Ersatzlebensraum hat demnach dieselben bzw. annähernd dieselben ökologischen Eigenschaften aufzuweisen wie das vom Eingriff betroffene Gebiet (Loos2007: 33).
Die praktische Umsetzung dessen ist in manchen Fällen jedoch schwierig bis unmöglich. Denn künstlich geschaffene Lebensräume können natürlich gewachsene Biotope nie gänzlich ersetzen. Natürlich gewachsene Lebensräume stellen ein hochkomplexes Ökosystem mit einem weit verzweigtem Funktionsgefüge dar. Es können die räumlichen Grundlagen geschaffen werden. Bis eine Ersatzfläche die Entwicklung ihrer zu ersetzenden Eingriffsfläche erreicht hat, vergehen unter Umständen mehrere Jahrzehnte. Hochkomplexe bzw. einzigartige Ökosystemen sind als Ersatzlebensräume wohl überhaupt nicht realisierbar (Loos2007: 32).
Ein Ausgleich kann nur durch die Aufwertung einer ökologisch minderwertigen Fläche geschaffen werden. Die Nominierung einer bereits existenten gleichwertigen Fläche als Ersatz kommt nicht in Betracht. Denn dieser Lebensraum ist schon in die Umwelt eingegliedert. Faktisch gesehen würde so für einen verlorenen Lebensraum kein Ausgleich erfolgen (Hattenberger1999: 95).
Das Salzburger Naturschutzgesetz normiert die unmittelbare räumliche Nähe zum Eingriffsort . Dabei schreibt § 51 Salzburger Naturschutzgesetz Ausgleichsmaßnahmen im betroffenen oder unmittelbar benachbarten Landschaftsraum vor. § 3a Abs. 4 dagegen sieht vor, dass Ersatzlebensräume möglichst in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Eingriffsort zu schaffen sind. Aus dieser Formulierung ergibt sich bei § 3a Abs. 4 die Verpflichtung zur Vorschreibung der Errichtung in unmittelbarer Nähe, wenn dies auf Grund der örtlichen Gegebenheiten möglich ist. Ist das nicht der Fall – da beispielsweise keine geeigneten Flächen vorhanden sind –, kann dies auch anderswo im Land Salzburg stattfinden. Im Gegensatz zu § 51 ist die unmittelbare räumliche Nähe keine primär zwingende Voraussetzung.
In Kärnten und dem Burgenland bestehen keine gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Positionierung von Ersatzlebensräumen. Demnach wird auch hier, wie bei § 3a Abs. 4 Salzburger Naturschutzgesetz, die Errichtung von den örtlichen Gegebenheiten abhängen. Die Positionierung in unmittelbarer örtlicher Nähe ist zwar primär zu forcieren, jedoch nicht zwingend nötig.
Ersatzgeldbetrag
Sekundär zum Ausgleich in natura sehen die Gesetze die Entrichtung eines Geldersatzes als weitere Ersatzvariante vor. Die Ausnahme bildet wieder § 51 Salzburger Naturschutzgesetz, demgemäß ein Ausgleich nur in natura und nicht in Geld erfolgen kann. Eine weitere Besonderheit sieht § 10 Abs. 1 lit. b Burgenländisches Naturschutzgesetz vor, wonach wesentliche und nachhaltige Beeinträchtigungen eines Landschaftsteils mit besonderen Eigenschaften nur durch einen Geldersatz ausgeglichen werden können. Die Vorschreibung eines Ersatzes in natura ist hierfür gar nicht vorgesehen. Ebenfalls ist zu erwähnen, dass § 3a Abs. 4 Salzburger Naturschutzgesetz die Möglichkeit einer Mischform von Ausgleich in natura und finanzieller Form vorsieht, wenn die Schaffung von Ersatzlebensräumen nur unzureichend möglich ist.
In Salzburg (§ 3a Abs.‚4) und Vorarlberg kann ein Ersatzgeldbetrag erst vorgeschrieben werden, wenn die Errichtung eines Ersatzlebensraums nicht möglich ist. Nach dem Kärntner und Burgenländischen Naturschutzgesetz ist ein finanzieller Ausgleich vorzuschreiben, sofern ein Ausgleich in natura unzumutbar oder nicht möglich ist.
Ein Ausgleich in natura ist nicht möglich , wenn dieser erwiesenermaßen weder vom Bewilligungswerber noch von der Behörde geschaffen werden kann. Die Errichtung eines Ersatzlebensraums muss also objektiv nicht durchführbar sein. Dies kann z.B. daran liegen, dass keine geeigneten Flächen zur Verfügung stehen oder der beeinträchtigte Lebensraum zu speziell ist. Ein zu hoher Kostenaufwand begründet jedoch keine Unmöglichkeit. Eine erwiesene Unmöglichkeit liegt nämlich erst dann vor, wenn die vorgeschriebene Ausgleichsmaßnahme faktisch nicht bewerkstelligt werden kann (VwGH 27.01.2003, 2001/10/ 0100).
Wann die Vorschreibung zur Schaffung eines Ersatzlebensraums unzumutbar ist, bedarf einer Abwägung im Einzelfall. Konkret ist eine Aufwand-Nutzen-Abwägung vorzunehmen. Übersteigt der Aufwand, welcher zur Errichtung des Ersatzlebensraums nötig ist, den zu erzielenden Nutzen, ist die Vorschreibung als unzumutbar zu bewerten. Dabei darf jedoch nicht auf die jeweilige finanzielle Situation des Verpflichteten abgestellt werden. Vielmehr handelt es sich um eine objektive Beurteilung im Sinne einer Verhältnismäßigkeit von Mitteleinsatz und Erfolg [VwGH 25.09.2014, Ro 2014/07/0080 (analog)].
Der Tatbestand der „Unzumutbarkeit“ stellt im Vergleich zum Tatbestand der „Unmöglichkeit“ eine niedrigere Schwelle dar, um statt eines Ausgleichs in natura einen finanziellen Ausgleich zu leisten. Wenn bei der „Unmöglichkeit“ die Errichtung ausgeschlossen ist, kann sie bei der „Unzumutbarkeit“ durchaus noch möglich sein. Insofern bietet das Kärntner und das Burgenländische Naturschutzgesetz schon früher die Möglichkeit einer sekundären monetären Ersatzform.
Ersatzgeldhöhe
Die Höhe des Ersatzgeldbetrags orientiert sich an der primären Ausgleichsform in natura. Nach der Kärntner und Burgenländische Ausgleichsbestimmung hat der Betrag „den Kosten zur Schaffung eines geeigneten Ersatzlebensraumes zu entsprechen “. § 3a Abs. 4 Salzburger Naturschutzgesetz sieht vor, dass der Betrag „ annähernd den Kosten einer angemessenen Ersatzleistung (in natura) zu entsprechen hat“. Und in Vorarlberg ist die Ersatzgeldhöhe entsprechend „den voraussichtlichen Errichtungskosten festzusetzen“.
In allen vier Fällen sind also zuerst die (theoretischen) Kosten für die Errichtung eines Ersatzlebensraums zu berechnen. Grundsätzlich dürfen diese Bestimmungen nicht so verstanden und angewandt werden, dass – unbeschadet des Werts des beeinträchtigten Gebiets – ein einheitlicher Betrag pro m2mittels Kostenschlüssel zu entrichten ist (VwGH 04.07.2005, 2001/10/0064). Vorab ist also jedenfalls festzustellen, welches Schutzgut wie beeinträchtigt wird und wie ein geeigneter Ersatz in natura auszusehen hätte. Auf diesen Feststellungen gründet die Berechnung der Ersatzgeldhöhe.
Nach dem Wortlaut der Kärntner und Burgenländischen Regelung spiegeln sich in der Ersatzgeldhöhe die Errichtungskosten direkt wider. Dies bedarf einer exakten (abstrakten) Planung des zu errichtenden Ersatzlebensraums. Die Salzburger Regelung schafft mit ihrem Wortlaut „ annähernd “ und „ angemessen “ einen gewissen Berechnungsspielraum. Dieser lässt es zu, dass der Berechnung der Kosten sicher nicht die kostenintensivste Variante zugrunde zu legen ist (Loos2007: 33). Für Vorarlberg resultiert aus der Formulierung der „ voraussichtlichen “ Errichtungskosten ebenfalls ein gewisser Berechnungsspielraum – jedoch nur insofern, als man auf Grund der gegebenen Anhaltspunkte aller Voraussicht nach auf die Ersatzgeldhöhe schließen kann. Nach dieser Formulierung verlangt die Berechnung ein Maß an größtmöglicher Voraussicht. Einer absolut exakten Kalkulation, welche die Errichtungskosten punktgenau widerspiegelt, bedarf es demnach nicht.
Eine rechtmäßige Vorschreibung eines Ersatzgeldbetrags setzt Feststellungen darüber voraus, warum keine Ersatzlebensräume geschaffen werden können, worin die konkreten Ersatzleistungen – wären sie möglich oder zumutbar – bestünden und welche Kosten damit verbunden wären (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0171). Daraus lässt sich schließen, dass die Ersatzgeldhöhe immer von einem konkreten – wenn auch nicht zu realisierenden – Projekt über die Ausgleichsvariante in natura abhängt. Obwohl der primäre Ausgleich unmöglich oder unzumutbar ist, muss die Schaffung eines Ersatzlebensraums dennoch vorab detailliert durchgeplant werden. Dies verlangt in erster Linie Feststellungen über die Grundinanspruchnahme, die Errichtung und die Nachbetreuung.
Zweckbindung der Einnahmen
Es wäre nachvollziehbar, wenn Einnahmen, welche aus der Beeinträchtigung von Natur oder Landschaft resultieren, auch wieder in die Anlage neuer Lebensräume investiert werden. Allerdings sieht beispielsweise das Kärntner Naturschutzgesetz eine Zweckbindung derart vor, dass die Einnahmen für die „ Erreichung der Ziele des Naturschutzgesetzes “ zu verwenden sind. Es handelt sich dabei um eine sehr weite und allgemeine Zweckbindung. Die Burgenländische Regelung differenziert zwischen den Schutzgütern besonderer Lebensräume und der Landschaft. Einnahmen, welche aus der Beeinträchtigung eines Landschaftsteils mit besonderen Eigenschaften resultieren, sind für „ Projekte der betroffenen Gemeinden zur Verbesserung der ökologischen Infrastruktur oder naturnahen Erholungsformen oder der Umwelterziehung zu verwenden “. Einnahmen aus der Beeinträchtigung besonderer Lebensräume sind für die „Erreichung der Naturschutzziele“ heranzuziehen. In Salzburg fließen die Einnahmen in den Salzburger Naturschutzfonds. Dieser dient der Förderung unterschiedlicher Projekte im Sinne des Natur- und Landschaftsschutzes in Salzburg. In Vorarlberg erfolgt die Entrichtung der Geldsumme für die Schaffung von Ersatzlebensräumen durch das Land . Einnahmen aus Ausgleichszahlungen sind in Vorarlberg zwingend für die Schaffung von Ersatzlebensräumen einzusetzen (Landes-Rechnungshof Vorarlberg, Prüfbericht über den Naturschutzfonds (2008), 5). Diese konkrete Zweckwidmung unterscheidet sich maßgeblich von den anderen Regelungen, die eine sehr allgemeine bzw. weite Zweckbindung vorsehen.
4 Diskussion und Ausblick
Vergleichende Beurteilung
In der Synopsis sind die entsprechenden Regelungen in den österreichischen Naturschutzgesetzen sehr unterschiedlich ausgestaltet.
Die unterschiedlichen Ausprägungen der Gesetze der Bundesländer lassen größtenteils keinen Zusammenhang mit dem Naturraum, der biogeographischen Region oder auch der allgemeinen geographischen Lage erkennen. Eine Bezugnahme der Regelungen auf besondere naturräumliche Verhältnisse ist weder behauptet noch argumentierbar. Die vielfältigen Regelungen sind offenkundig das Resultat regionaler Diskurse, die nur sehr bedingt auf einander Bezug nehmen. Damit ist in besonderem Maße die Voraussetzung gegeben, die Regelungen im Hinblick auf verschiedene Kriterien zu vergleichen und im Hinblick auf Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren.
- Das Prinzip der Gleichbehandlung ist durch den Gleichheitssatz tief in der österreichischen Verfassung (Art. 2 Staatsgrundgesetz und Art. 7 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz) verankerten. Diesem wird in Anbetracht der Vielfalt unterschiedlicher Regelungen jedoch nicht widersprochen. Der Gleichheitssatz hindert die Länder nicht an einer unterschiedlichen Gesetzgebung. Ein föderalistisches System bringt es vielmehr mit sich, dass ein Konsenswerber im Burgenland anders gestellt ist als ein Konsenswerber in der unmittelbar angrenzenden Steiermark. Bussjäger(2013: 165) betont, dass ein derartiger Sachverhalte nicht per se gleichheitswidrig ist, „solange sie jeweils für sich sachlich gerechtfertigt sind“. Besonders augenfällig wird die Thematik bei der Bewilligung von Vorhaben, welche Bundesländergrenzen überschreiten, wie dies etwa bei Bahntrassen, Hochspannungsleitungen und Pipelines häufig der Fall ist (Umweltdachverband 2010).
- Im Hinblick auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit der gesetzlichen Vorgaben impliziert Art. 18 Bundes-Verfassungsgesetz die Verpflichtung des Gesetzgebers, das Handeln der Verwaltung inhaltlich hinreichend zu determinieren. Durch unbestimmte Gesetzesbegriffe soll kein zu großer Spielraum für deren Vollziehung entstehen. Demgemäß bedarf es einerseits einer erforderlichen Bestimmtheit der Gesetze, andererseits aber eines gewissen Entscheidungsspielraums für die Verwaltung, um den verschiedenen Anforderungen der Einzelfälle gerecht werden zu können. Im Vergleich der gesetzlichen Modelle sticht die Regelung des Bundeslandes Salzburg hervor, welche die Prozeduren für Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen offenlegt. Damit können die gefundenen Lösungen von allen Verfahrensbeteiligten nachvollzogen und gegebenenfalls diskutiert werden. Auch einer interessierten bzw. verfahrensbeteiligten Öffentlichkeit können nachvollziehbare Informationen erteilt werden. Dies hat im Zuge erweiterter Informationspflichten in Umweltverfahren wie auch im Hinblick auf das Konzept der Ökosystemleistungen (vgl. Jungmeier2016) an Bedeutung gewonnen. Für Umweltinformationen, die Kompetenzen der Bundesländer in Angelegenheiten des Natur- und Landschaftsschutzes betreffen, gibt es in jedem Land eigene Landesumweltinformationsbestimmungen (Kärntner Informations- und Statistikgesetz, Salzburger Umweltschutz- und Umweltinformationsgesetz, Vorarlberger Landesumweltinformationsgesetz – Gesetz über den Zugang zu Informationen über die Umwelt, Burgenländisches IPPC-Anlagen-, SEVESO-III-Betriebe- und Umweltinformationsgesetz).
- Wie sich die einzelnen Regelungen bzw. auch die Tatsache, dass Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen gesetzlich nicht geregelt sind, in Bezug auf Zielorientierung, Effizienz und Administrierbarkeit in der Verwaltungspraxis auswirken, kann nicht beurteilt werden. Dies kann nur durch vergleichende Fallstudien in den einzelnen Bundesländern erfolgen. Dies wäre unverzichtbar, wenn man das Innovationspotential des Föderalismus‘ (vgl. Bussjäger2007) in vollem Umfang nutzen wollte.
Empfehlungen und Verbesserungspotenziale
Wie die Analyse zeigt, dürfen sich naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen nicht auf die Entscheidungsfindung über die naturschutzrechtliche Genehmigung auswirken. Auch wenn es zumal verführerisch erscheinen mag, darf die Beurteilung von Ausgleichsmaßnahmen nicht vorgezogen werden, vor allem nicht in die vorangegangene Interessenabwägung. Ausnahmen davon – wie § 51 Salzburger Naturschutzgesetz – müssen ausdrücklich geregelt sein.
Eine große Problematik stellt die Quantifizierbarkeit von Eingriff und Ausgleich dar. Vor allem die genaue Erfassung bzw. Bestimmung eines ausgleichspflichtigen Eingriffs (Beeinträchtigung) bildet einen wesentlichen und schwierigen Teil der Beurteilung. Diese Beurteilung basiert auf den Feststellungen der Sachverständigen im Einzelfall und hängt wesentlich von der individuellen Arbeitsweise bzw. dem schlussendlichen Gutachten ab. Es wäre sinnvoll, dafür ein einheitliches Bewertungssystem einzuführen, welches dieses Verfahren vereinfacht und den Verfahrensparteien schon frühzeitig eine erhöhte Planungs- und Rechtssicherheit bietet. Das Bewertungsverfahren würde dadurch insgesamt nachvollziehbarer, wodurch auch möglichen Vorwürfen behördlicher Willkür vorgebeugt werden könnte.
Ein solches einheitliches System besteht für das Land Salzburg. Dabei erfolgt eine getrennte Bewertung von Eingriff und Ausgleich. Die Dauer der Auswirkungen des Eingriffs bzw. der Ausgleichsmaßnahmen wird dabei ebenfalls berücksichtigt. Die Bewertung erfolgt durch Zuordnung von Wertstufen zu Teilflächen auf Grundlage der Biotoptypenkartierung. Ein abschließender Vergleich ergibt das Eingriffs-Ausgleichs-Verhältnis (Landesumweltanwaltschaft Salzburg 2003, Loos2006).
Ebenfalls wäre eine konkrete bzw. greifbare Definition eines (geeigneten) Ersatzlebensraums wünschenswert. In Bezug auf die räumliche Positionierung enthält lediglich das Salzburger Naturschutzgesetz nähere Vorgaben. Aber auch der zeitliche Faktor – die zeitliche Differenz zwischen Eingriff und Ausgleich – stellt eine wesentliche Anforderung an die Errichtung von Ersatzlebensräumen dar. Klar definierte Kriterien vereinfachen den Prüfvorgang und verkürzen insgesamt das Verfahren. Darüber hinaus bieten sie eine transparente Berechnungsbasis für die Ermittlung der Ersatzgeldhöhe. Denn ist ein Ausgleich in natura nicht möglich oder unzumutbar, bilden vereinheitlichte Vorgaben über den zu errichtenden Ersatzlebensraum konkrete Anhaltspunkte für die Ermittlung der (theoretischen) Errichtungskosten und den damit verbundenen finanziellen Ausgleich. Das bedeutet jedoch auch, je unmöglicher bzw. unrealistischer ein Ausgleich in natura ist, desto abstrakter wird auch dessen (theoretische) Planung und in weiterer Folge die Berechnung des Ersatzgeldbetrags.
Es wäre wünschenswert, die Einnahmen aus den eingehobenen Ersatzgeldleistungen auch wieder in die Lebensraumschaffung zu investieren. Dadurch wird ein Kreislauf geschaffen, der dazu beträgt, den fortschreitenden Verlust von Natur- und Landschaftsraum weitestgehend zu begrenzen, so dass zwar einerseits Natur bzw. Landschaft zugunsten von Vorhaben im öffentlichen Interesse verloren gehen, durch Ausgleichsmaßnahmen – in primärer und sekundärer Form – aber wieder neue Gebiete geschaffen werden. Denn dies entspricht schlussendlich auch dem Sinn und Zweck dieses Prinzips.
Dass der Föderalismus ein konstituierendes Element in der Gesetzeslandschaft ist und bleiben wird, steht außer Zweifel. Dass selbst Ansätzen eines freiwilligen Austausches und Abgleichs von Standards klare Grenzen gesetzt sind, zeigte jüngst die Studie von Raggeret al. (2016). Es gilt demnach, die Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten zu nutzen, die sich aus systematischem Vergleich unterschiedlicher Lösungen ergeben.
Dank
Wir danken Univ.-Prof. Dr. Doris Hattenberger (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt) sowie Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer (Johannes Kepler Universität Linz) für Durchsicht und Anmerkungen zum vorliegenden Beitrag.
Literatur
Borrini-Feyerabend, G., Dudley, N., Jaeger, T., Lassen, B., Pathak Broome, N., Phillips, A., Sandwith, T.(2013): Governance of Protected Areas: From understanding to action. Best Practice Protected Area Guidelines Series 20, Gland, Switzerland, 124pp.
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– (2010): Between Europeanization, unitarizm, and autonomy. Remarks on the current situation of federalism in Austria. REAF, 10, 11-39.
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Czybulka, D.(2013, Hrsg.): 35 Jahre Eingriffsregelung. Beiträge zum Landwirtschaftsrecht und zur Biodiversität. Nomos, Baden-Baden.
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Fischer-Hüftle, P.(2013): 35 Jahre Eingriffsregelung – eine Bilanz. In:CzybulkaD.,35 Jahre Eingriffsregelung, Beiträge zum Landwirtschaftsrecht und zur Biodiversität, Nomos, Baden-Baden, 19-32.
Hattenberger, D.(1999): Beiträge zum Kärntner Naturschutzrecht. In:Potacs, M., Hrsg., Beiträge zum Kärntner Naturschutzrecht, Manz, Wien, VI + 185 S.
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Fazit für die Praxis
Als Ergebnis eines Vergleichs der Ersatz- und Ausgleichsregelungen in neun österreichischen Bundesländen sollten die einzelnen „Verfahrensstufen“ strikt getrennt werden. Weder darf die fachliche Beurteilung die rechtliche Bewertung noch das Vorschreiben möglicher Ausgleichsmaßnahmen die Interessenabwägung über die Erteilung der Bewilligung beeinflussen.
Es sind detaillierte und umfassend nachvollziehbare fachliche Feststellungen über die erfassten Schutzgüter, die Auswirkungen der Beeinträchtigung und den zu leistenden Ausgleich in natura aufzunehmen. Diese bilden auch die Berechnungsbasis für einen etwaigen finanziellen Ausgleich.
Vorrangig ist die Vorschreibung von Nebenbestimmungen (Auflagen, Bedingungen) zur Schadensvermeidung heranzuziehen. Ein Ausgleich kann nur durch eine Aufwertung einer ökologisch minderwertigen Fläche erfolgen. Ein Ausgleich (Ersatzlebensraum) sollte möglichst „gleichartig“ (selben ökologischen Eigenschaften), möglichst nahe (räumliche Nähe zum Eingriffsort) und möglichst zeitnah zum Eingriff erfolgen.
Kontakt
Mag. Raphael Süßenbacher arbeitet als Jurist bei der Stadtwerke Klagenfurt Gruppe mit dem Schwerpunkt öffentliches Recht, Datenschutzrecht, Energie- und Umweltrecht. Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes Kepler Universität Linz mit dem Studienschwerpunkt Umweltrecht.
> raphael.suessenbacher@stw.at
Dr. Michael Jungmeier leitet seit 1992 das E.C.O. Institut für Ökologie in Klagenfurt (Österreich), Studium der Vegetationsökologie (Graz, Wien) und der Humangeographie (Greifswald). Langjähriger Projektmitarbeiter am Institut für Volkswirtschaftslehre der Alpen-Adria-Universität (AAU) Klagenfurt; aktuell Senior Scientist am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung der AAU. Arbeitsschwerpunkt: Mensch-Umwelt-Beziehungen am Beispiel von Schutzgebieten.
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