Weißbuch Stadtgrün definiert Arbeitsprogramm der Bundesregierung
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat am 08. Mai 2017 in Essen im Rahmen des zweiten Bundeskongresses „Grün in der Stadt – für eine lebenswerte Zukunft“ das „Weißbuch Stadtgrün“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit geht ein über vier Jahre währender intensiver Diskussionsprozess zu Ende.
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Bekanntlich hatte die Bundesregierung 2013 das Thema erstmals umfassend und ressortübergreifend auf die politische Agenda gesetzt. 2015 erschien das Grünbuch zum Thema. Im Rahmen dieses Prozesses war schon eine Reihe von Teilerfolgen erzielt worden. So wurde ein Zukunftsinvestitionsprogramm Stadtgrün im Rahmen der Städtebauförderung mit einer Fördersumme von ca. 50 Mio. € pro Jahr etabliert.
Selbstverpflichtung des Bundes
In ihrer Begrüßungsrede führte Dr. Barbara Hendricks aus: „Ohne grün ist alles grau: Natur in der Stadt verbessert die Luftqualität und das Stadtklima, mildert Hitzewellen ab und mindert Lärm. Grünflächen, Parks, Kleingärten und Gemeinschaftsgärten fördern die Begegnung und den sozialen Zusammenhalt, sie dienen der Gesundheit und der Erholung. Und nicht zuletzt dient Stadtgrün dem Klima- und Umweltschutz, bietet wichtige Lebensräume für Flora und Fauna und stärkt die Artenvielfalt. Grüne Städte sind lebenswerte Städte. Damit das auch in Zukunft so bleibt, wird der Bund insbesondere die Kommunen, aber auch alle anderen, die Stadtgrün planen, entwickeln und pflegen, dabei unterstützen, das städtische Grün zu qualifizieren und zu stärken.“
Mit dem Weißbuch Stadtgrün hat sich der Bund ein Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre gegeben, betonte die Bundesministerien in Essen. Es ist im Kern eine Selbstverpflichtung des Bundes weit über diese Wahlperiode hinaus und hält einen breiten Strauß von Zielen und Maßnahmen bereit. Dabei geht es um eine bessere Verankerung der urbanen grünen Infrastruktur, um gezieltere Fördermaßnahmen, um die Entwicklung von Leitfäden, um die Durchführung von Modell- und Forschungsvorhaben und auch um eine verbesserte Kommunikation zwischen den Akteuren. Zu dieser politischen Selbstverpflichtung des Bundes haben sich in Essen die anwesenden Vertreter aller vier Bundestagsfraktionen im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Grundsatz und einvernehmlich bekannt.
Zehn Handlungsfelder
Das Weißbuch definiert zehn zentrale Handlungsfelder zur Sicherung und Qualifizierung von Grün- und Freiflächen in Städten. Jedem Handlungsfeld werden „Zielsetzungen, Gestaltungsmöglichkeiten sowie konkrete Maßnahmen“ zugeordnet. Die Handlungsfelder werden auch in jeweils spezifischen „bundespolitischen Handlungsansätzen“ konkretisiert. Diesen Handlungsansätzen werden zusammenfassend mehr oder weniger konkrete beabsichtigte Maßnahmen zugeordnet (mit der Formulierung „Der Bundwird …“).
Ein Beispiel: Für das erste Handlungsfeld „Integrierte Planung für das Stadtgrün“ bedeutet diese Struktur, dass hierfür acht fachliche Ziele formuliert werden. Eines gibt dem Bund auf, künftig auch die Stadt-Umland-Beziehungen zu stärken. Als konkrete Handlung will man sich den peripheren Grünräumen zuwenden („periurbane Parks“) und hierfür Modellvorhaben durchführen, „die Ideen zur künftigen Stärkung dieser Übergangsräume entwickeln“. Das Weißbuch kulminiert also im Wesentlichen in Formulierungen wie: der Bund will unterstützen … helfen … erforschen … stärken … vorlegen.
Zehn Handlungsfelder im Weißbuch – sind dieses die richtigen zehn? Sie lauten wie folgt:
1. Integrierte Planung für das Stadtgrün
2. Grünräume qualifizieren und multifunktional gestalten
3. Mit Stadtgrün Klimaschutz stärken und Klimafolgen mindern
4. Stadtgrün sozial verträglich und gesundheitsförderlich entwickeln
5. Bauwerke begrünen
6. Vielfältige Grünflächen fachgerecht planen, anlegen und unterhalten
7. Akteure gewinnen, Gesellschaft einbinden
8. Forschung stärken und vernetzen
9. Vorbildfunktion des Bundes ausbauen
10. Öffentlichkeitsarbeit und Bildung
Perspektiven
Hendricks konstatierte in ihrer Rede in Essen, dass der Bund nun natürlich nicht anfange, „einfach Parks und Wälder in die Stadt zu pflanzen“. Die Verantwortung für Stadtgrün bleibt in der Tat im Rathaus. Aber der Bund hat hier Hausaufgaben jahrzehntelang nicht erledigt. Fraglich bleibt, ob der Bund den Kommunen nun wirklich und durchgreifend zur Seite springt. Es fehlen Ressourcen, Know-how, Anreizsysteme – ja auch rechtliche harte Rahmenbedingungen, die auch im Weißbuch nicht substanziell aufgeführt sind. Zu einer perspektivischen Betrachtung gehören letztlich auch die Bundesländer. Richtigerweise wurde in Essen mehrfach die komplementäre Rolle der Länder angesprochen, die sich mehrheitlich noch selten mit Aktivitäten zur Urbanen Grünen Infrastruktur hervortun.
Natürlich macht eine Würdigung der Wirkung eines Weißbuchs erst nach mehreren Jahren Sinn. Was wird es bewirken? Papier ist geduldig und nützt wenig in personell ausgezehrten Grünflächenämtern und ungepflegten Stadtparks. Dennoch, die Wirkung des gesamten Grün- und Weißbuchprozesses kann bereits heute positiv beurteilt werden, ganz unabhängig von fachpolitischen Details oder der Vollständigkeit von Handlungsfeldern etc.
Für ein jahrzehntelang vernachlässigtes Politikfeld, wie es das Stadtgrün ohne Zweifel darstellt, lag in einem intelligent und strategisch geführten Weißbuchprozess eine historische Chance. Mit dem Weißbuch Stadtgrün besteht die Aussicht, eine neue Epoche der deutschen Stadtentwicklungspolitik einzuläuten. Diesem Prozess ist daher höchste Bedeutung zuzumessen. Die politischen Signale und die erstaunliche Resonanz beispielsweise der parlamentarischen Abende des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten bdla zum Thema stimmen durchaus optimistisch.
Das Weißbuch hat also in Teilen bereits „geliefert“. Allerdings darf man wohl nicht so weit gehen zu behaupten, dass das Thema damit unwiderruflich gesetzt sei. Die politische Diskussion während des zweiten Bundeskongresses in Essen vermittelte ein wenig den Eindruck, man klopft sich nun auf die Schultern und ruft ein selbstzufriedenes „Geschafft!“ aus. Letztlich werden also die Inhalte des nächsten Koalitionsvertrages dem ganzen Weißbuchprozess ein Zeugnis ausstellen.
Grün- und Weißbuch haben auch die Rezeption des Themas Urbane Grüne Infrastruktur in der Fachwelt verstärkt. Das Grünbuch Stadtgrün stellte in seinem Fazit zu Recht zusammenfassend und grundsätzlich fest, dass das Konzept der „Urbanen Grünen Infrastruktur“ die Gesamtheit der hier in Rede stehenden Leistungen und Funktionen etc. abbildet. Im Weißbuch ist der Versuch gemacht worden, diesen Ansatz teilweise weiter zu verfolgen.
An das fachlich-konzeptionelle Fazit des Grünbuchs knüpft das Weißbuch aber nicht vollständig an und baut das im Grünbuch angelegte Konzept leider nicht sehr umfassend aus. Schon allein aufgrund der internationalen Rezeption durch Wissenschaft und Experten sowie der bereits anlaufenden Implementationen auf europäischer, regionaler und kommunaler Ebene wäre eine entschiedenere Bezugnahme auf das Konzept der Grünen Infrastruktur wünschenswert gewesen. Der bdla hatte hierzu beispielsweise vorgeschlagen, im Handlungsfeld 1 ein zusätzliches Ziel „Konzept der urbanen grünen Infrastruktur entwickeln“ zu integrieren. Aber dem Weißbuch hat das BfN im Mai 2017, just in time, eine lesenswerte komplementäre Argumentationshilfe zur Urbanen Grünen Infrastruktur an die Seite gestellt. Damit werden fachliche Grundlagen und Definitionen sowie praxisnahe Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmöglichkeiten dargestellt.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg., 2017): Weißbuch Stadtgrün, Berlin.
www.bmub.bund.de/service/publikationen /downloads/details/artikel/weissbuch-stadtgruen/
Bundesamt für Naturschutz (Hrsg., 2017): Urbane Grüne Infrastruktur. Grundlage für attraktive und zukunftsfähige Städte. Hinweise für die kommunale Praxis, Bonn.
www.bfn.de/fileadmin/BfN/planung/sied lung/Dokumente/UGI_Broschuere.pdf
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