Action Plan für EU-Naturschutzrichtlinien
Der von der EU-Kommission Ende April veröffentliche Vorschlag für einen Aktionsplan zur besseren Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien ( Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (6): 178) wurde im Juni ausführlich diskutiert: zunächst auf einer Konferenz im Ausschuss der Regionen (AdR) am 06. Juni, danach am 12. Juni im EP-Umweltausschuss (ENVI) und am 19. Juni im letzten EU-Umweltministerrat unter maltesischer Ratspräsidentschaft.
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Agrarlobby sucht Vorteile
Bereits bei der Konferenz am 06. Juni traten insbesondere die kontroversen Ansichten zum Beitrag der Landwirtschaft für die bessere Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien offen zutage. Der Plan der EU-Kommission zur besseren Umsetzung von Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sei „eindeutig zum Scheitern verurteilt“, wenn die geplanten Maßnahmen keine spürbaren Vorteile für die Landwirte böten, konstatierte der Agrarlobby-Dachverband „Copa-Cogeca“, dem auch der Deutsche Bauernverband (DBV) angehört.
Copa-Cogeca-Generalsekretär Pekka Pesonen warf der EU-Kommission vor, nicht auf die „eigentlich entscheidende Frage“ eingegangen zu sein, wie der bessere Schutz von Wildtieren, Lebensräumen und Biodiversität Vorteile für Landnutzer bringen könne. Zudem äußerte er Zweifel am politischen Willen der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten, die Ziele der EU zum Schutz der biologischen Vielfalt bei den bevorstehenden Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) besser zu berücksichtigen. Er erinnerte in diesem Zusammenhang auch an den „großen Druck von den Mitgliedstaaten, die GAP und die EU-Finanzierung im Allgemeinen deutlich zu reduzieren“.
Die anwesenden Umweltverbände forderte Pesonen auf, mit dem landwirtschaftlichen Sektor zusammenzuarbeiten, um qualitativ hochwertige und nachhaltige Agrarprodukte zu fördern. Humberto Delgado Rosa, Leiter der Abteilung Naturkapital (ENV.D, „Natural Capital“) in der EU-Generaldirektion Umwelt, wies die Vorwürfe von Copa zurück. Der Aktionsplan zur besseren Umsetzung der Naturschutzrichtlinien könne nicht die „Zukunft der GAP definieren“. Gleichwohl versuche die EU-Kommission alle Möglichkeiten auszuschöpfen, mehr Ressourcen zum Schutz der biologischen Vielfalt zu nutzen.
Diese Notwendigkeit betonten auch die Vertreter der Umweltverbände, die schon zuvor zu schwache Aussagen des Aktionsplans hinsichtlich der GAP und der Umschichtung von Finanzmitteln kritisiert hatten ( Naturschutz und Landschaftsplanung 49 (6): 178). In Erwiderung zu Pesonen wies Dr. Raphael Weyland für den NABU darauf hin, dass die NGO durchaus bereit wären, intensiver mit den Landwirten zusammen zu arbeiten, dass dies aber auch erfordere, innerhalb der kommenden GAP die Kohärenz mit den Biodiversitätszielen deutlich zu verbessern.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden von anderen Interessengruppen, nicht nur aus der Landwirtschaft, auch wieder Forderungen nach Abbau der bürokratischen Hürden für Investoren laut, wie sie auch Vertreter der deutschen Industrie im Rahmen des „Fitness Checks“ geäußert hatten.
Estnische Präsidentschaft
Einige inhaltliche Konkretisierungen des Aktionsplanes, etwa die geplanten neuen Leitfäden, müssen ab Juli in den verantwortlichen Expertengruppen und zuständigen Ausschüssen mit den Vertretern der Mitgliedstaaten und der gesellschaftlichen Gruppen ausgearbeitet werden. Daher werden sich die Verhandlungen zum Aktionsplan insgesamt noch bis in die kommenden Ratspräsidentschaften hinziehen. Wie bereits geschildert, hatte der Ministerrat nach dem Brexit beschlossen, dass Estland die ursprünglich für Großbritannien geplante Ratspräsidentschaft für die zweite Jahreshälfte 2017 übernimmt ( Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (9): 270). Zur am 01. Juli beginnenden neuen „triple presidency“ gehören noch Bulgarien und Österreich für die erste bzw. zweite Jahreshälfte 2018.
Pestizid-Verbot auf ÖVF
Wie bereits in Heft 4/2017 erwähnt, hat die EU-Kommission im Februar u.a. ein Pestizid-Verbot auf den mit der Agrarreform 2013 als Teil des „Greenings“ eingeführten Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) vorgeschlagen. Obwohl es selbst im Agrarministerrat am 03. April keine Gegenstimmen gab, versuchten seither die beiden Agrarpolitiker Albert Deß (CSU) und John Stuart Agnew (UKIP), selbst diesen kleinen Fortschritt zu blockieren. Im Agrarausschuss des EP bekamen sie für ihre Resolution am 30. Mai eine Mehrheit von 30 gegen elf Stimmen. Von den deutschen Mitgliedern des Ausschusses stimmten außer Deß auch Dr. Peter Jahr (CDU) und Ulrike Müller (Freie Wähler) gegen das Pestizidverbot, Maria Noichl (SPD) und Martin Häusling (Grüne) dafür.
Im Vorfeld der Plenarabstimmung am 14. Juni berichtete sogar der „Spiegel“ (Nr. 24, 2017: 55) mit dem Titel „Abgeordnete für Artensterben“ über den Antrag des Abgeordneten Deß. In diesem Zusammenhang wurde auch erwähnt, dass Deß auf Bauernversammlungen in diesem Frühjahr den Klimawandel als „größte Volksverdummung seit Jahrzehnten“ bezeichnet hatte – und dafür auch noch Applaus vieler anwesender DBV-Mitglieder bekam.
Bei der Plenarabstimmung am 14. Juni in Straßburg hätten Deß und seine Mitstreiter eine absolute Mehrheit von 367 Stimmen haben müssen, erzielten aber nur 363 Ja- gegen 267 Nein-Stimmen bei 43 Enthaltungen – trotz zuvor massiver Lobbyarbeit der Agrarlobby. Das Pestizid-Verbot auf den Ökologischen Vorrangflächen kann damit, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, im Januar 2018 in Kraft treten. Ein erster kleiner Erfolg auf dem Weg zu einer natur- und umweltverträglicheren Agrarpolitik und ein erster Lackmustest für das Engagement unserer Volksvertreter in diesem Bereich!
Links
Arbeitsprogramm Ratspräsidentschaft Estland:
https://www.eesistumine.ee/en/presidency/presidency-programme
Forderungen von BirdLife Europe und EEB an die Ratspräsidentschaft:
www.birdlife.org/news/tag/eu-presidency
Kontakt
Claus Mayr arbeitet als Direktor für Europapolitik des NABU in Brüssel. Er berichtet in dieser Kolumne regelmäßig über wichtige europäische Entwicklungen.
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