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Kurz berichtet

Deutschland sollte die Europäische Landschaftskonvention endlich umsetzen

Eine zeitnahe Notifizierung und Ratifizierung der Europäischen Landschaftskonvention (ELC) des Europarates hat der Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V. (BBN) gefordert. In einem Positionspapier, das nachfolgend redaktionell geringfügig bearbeitet veröffentlicht wird, stellt er Argumente zusammen, die im Zusammenhang der Unterzeichnung diskutiert werden.

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Deutschland ist neben Österreich eines der letzten europäischen Länder, die diese wichtige europäische Vereinbarung zum Schutz und zur Entwicklung der europäischen Landschaften nicht unterzeichnet hat. Der BBN setzt sich wie andere Fach- und Umweltverbände auch für eine klare Positionierung der neuen Bundesregierung in 2018 ein und bietet den politischen Entscheidungsträgern dazu das informative Gespräch an.

Der BBN kann eine rein formelle Begründung hinsichtlich eines administrativen Aufwands bei Ratifikation der ELC nicht akzeptieren. Dieser Aufwand wäre deutlich sehr gering. Eine zusätzliche Gesetzgebung oder die Etablierung weiterer Instrumente oder Maßgaben im deutschen Recht sind nicht notwendig.

Die ELC im Kontext deutscher Planungsinstrumente

Die relevanten Zielbestimmungen für die Entwicklung der Kulturlandschaften in Deutschland finden sich im § 1 (4) des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Maßgeblich ist hier vor allem der Leitsatz: „ Zur dauerhaften Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft sind insbesondere Naturlandschaften und historisch gewachsene Kulturlandschaften, auch mit ihren Kultur-, Bau- und Bodendenkmälern, vor Verunstaltung, Zersiedelung und sonstigen Beeinträchtigungen zu bewahren ..." .

Diese Aufgabenbestimmung für die kulturlandschaftliche Entwicklung steht in völliger Übereinstimmung mit den Anliegen und Zielsetzungen der ELC. Die Maßgaben stehen widerspruchsfrei. Große Bedeutung wächst dabei den europäisch oder national bedeutsamen Erbelandschaften und ihrer Entwicklung zu. Ausgehend von der grundlegenden gesetzlichen Maßgabe des § 1 BNatSchG werden dazu die naturschutzrechtlichen Planungsinstrumente in den Abschnitten des BNatSchG unterfüttert und ausgelegt.

Dies betrifft namentlich die Landschaftsplanung, die selbst in direktem Bezug zur ELC steht. Große Bedeutung bekommen dazu Instrumente wie das Landschaftsschutzgebiet, Biosphärenregionen und die anderen Schutzgegenstände wie die Naturparke und Nationalparke, aber auch der Biotopverbund und die Anwendung der Eingriffsregelung. Sie lassen keine direkten Bezüge auf die ELC zu, sind aber für die maßgeblichen Zielsetzungen zweckmäßig und folgerichtig anwendbar. Danach lässt sich konstatieren, dass Deutschland alle relevanten Kontextinstrumente zur ELC etabliert hat und bereits anwendet. Eine Fehlgröße für die ELC lässt sich nicht feststellen.

Inwertsetzung von Landschaften und Europäisierung des Naturschutzes

Viele Naturschutzziele müssen heute europäisch gedacht und abgeleitet werden. Die Sicherung der biologischen Vielfalt hat eine international herausragende Bedeutung erlangt und ist von globaler Bedeutung für die Zukunft der Menschheit. Dies bedingt eine international relevante Inwertsetzung von Arten und Lebensräumen für ihre Sicherung und Entwicklung zu ökologisch tragfähigen Zuständen. Ohne einen qualifizierten landschaftlichen Kontext lässt sich dies nicht erreichen. Im eher kleinteilig strukturierten Europa lässt sich dies nicht in nationalen Grenzen allein verwirklichen. Zwar sind hier vielfältige national angeleitete und regional verantwortete Ziele und Erfordernisse gegeben und vertretbar. Für wichtige Bereiche von Arten, Lebensräumen und Landschaften lässt sich dies jedoch nur in europäischer Dimension gewährleisten.

Dem tragen die Umweltrichtlinien der EU entsprechend Rechnung. Die Inwertsetzung der europäischen Landschaften hat hinsichtlich vieler ökologischer Parameter für biogeografische Regionen und für die Bewertung des historisch bedeutsamen Erbes eine heute grenzüberschreitende, europäische Dimension, die auch über die jetzige EU hinausgeht. Großräumige Landschaften in ihrem Erbe, ihrer Struktur und Eigenart sind europäisch geprägt und müssen dann in nationaler Verantwortung demgemäß qualitativ gesichert, geschützt und nachhaltig weiterentwickelt werden.

Ein nationales Bekenntnis zur ELC und die nationale Verpflichtung hierzu ist daher von grundlegender Bedeutung. Aus dem landschaftlichen Kontext kann und sollte es daher in Europa keine weißen Flecken – sprich Länder ohne ELC-Verpflichtung – geben, um die breite Kohärenz des Vorgehens und eine Kooperation zu gewährleisten und zu zeigen. Dies kann mit der Weiterentwicklung der ELC und ihrem Sekretariat entsprechend gewährleistet werden.

Zu der maßgeblichen Qualitätssicherung von Landschaften in der europäischen Dimension gehören auch viele Steuerungsfragen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dazu die Gemeinsame Agrarpolitik und die Ausgestaltung der Förderinstrumente durch die EU. Die landwirtschaftliche Bodennutzung ist ein maßgeblicher Faktor für die erkennbare Landschaftsqualität und Landschaftsstruktur und die sich ergebende biologische Vielfalt in den Agrarlandschaften. Hier bestehen derzeit allergrößte Probleme für die Ressourcen Boden und Wasser sowie die maßgeblichen besonders geschützten Arten und Biozönosen.

Als eklatantes Beispiel dazu sei der Grünlandverlust benannt. Auch hieran wird deutlich, dass ein stark vernetztes und interdisziplinäres Denken und Handeln unersetzlich ist. Dieses muss einzelne Fachziele im Ressourcenschutz und in der Biodiversitätssicherung ins Auge fassen, diese aber zugleich wechselseitig einbinden in den ganzheitlichen landschaftlichen Kontext und die Problemstellungen der Landnutzung. Genau hier stellt sich wiederum der Kontext der ELC her.

Neben den reinen naturschutzbezogenen Großschutzgebieten wie Nationalparken bestehen bedeutende gemeinsame Anliegen mit anderen Disziplinen für die Welterberegionen, für die europäischen Erbelandschaften, für Biosphärenregionen und Naturparke bzw. Landschaftsschutzgebiete. Alle diese Regionen haben dazu keine eindimensionale Zieldimension zugrunde gelegt. Sie verfolgen in diesen Kategorien multifunktionale Anliegen und breit gefächerte Aufgaben, die einer auf Nachhaltigkeit beruhenden Verpflichtung nachkommen.

Die ELC ist hierzu grundsätzlich eine gut geeignete Leitschnur, da sie nicht einer Disziplin gewidmet ist, sondern alle Akteure einer Landschaft und Region einschließt und anspricht.

Landschaftsplanung und spezielle Prüfinstrumente

Die Landschaftsplanung ist in Deutschland das entscheidende, zentrale Instrument, um den Zielsetzungen der ELC planerisch Rechnung zu tragen. Sie ist gesetzlich so ausgelegt und methodisch weiterentwickelt worden, dass sie heute die maßgeblichen Ziele der ELC umzusetzen vermag. Gewicht erlangt dies dann besonders durch die Integration in die räumliche Gesamtplanung und die Bindungswirkungen für die zu erreichenden planerischen Darstellungen.

Es kann festgestellt werden, dass alle räumlich maßgeblichen Bestimmungen aus der ELC durch die deutsche Landschaftsplanung und ihre Etablierung in den Bundeländern umsetzbar sind bzw. bereits heute nachweisbar ausgestaltet sind. Ein Mehrbedarf oder erhöhter Aufwand kann nicht konstatiert werden. Dies betrifft die staatlich motivierten Zielsetzungen z.B. im Bereich der Sicherung von Erbelandschaften für die überörtliche Ebene und das Landschaftsprogramm und die Landschaftsrahmenpläne (LRP) oder die kommunal motivierten maßgeblichen Zielsetzungen z.B. für die Aneignung von Landschaftsteilen und die Erholungsvorsorge auf Ebene des kommunalen Landschaftsplans und seiner Abschichtung aus dem LRP.

Die Sicherung der landschaftlichen Qualität und der kulturlandschaftlichen Eigenart wird maßgeblich bei der Etablierung von Infrastrukturplanungen oder der städtebaulichen Planung. Hierzu bedarf es entsprechender Prüfverfahren, um diesen Ansprüchen bei der Infrastrukturplanung oder der Bauleitplanung Rechnung zu tragen. Diesen Zielsetzungen wird das deutsche Recht mit der Instrumentierung von Methoden und Verfahren der Planung gerecht. Ausgangspunkt hierzu sind auch unionsrechtliche gesetzliche Vorschriften z.B. aus der UVP-Richtlinie oder der Umsetzung der Arhus-Konvention in entsprechende Richtlinien, die in das deutsche Recht übernommen wurden.

Solche Prüfinstrumente mit dem Schutz- und Prüfgegenstand Landschaft und Kulturlandschaft (kulturelles Erbe) bestehen in der Anwendung des UVPG, des BauGB und ROG sowie der Bestimmungen zu Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ist dazu auch ein breit etabliertes Instrument, das entsprechende Eingriffswirkungen bewertet, darüber hinaus aber auch eine Folgenbewältigung mit entsprechenden Kompensationsmaßnahmen bereithält. Es ist nicht erkennbar, dass es aus Motiven der ELC hierzu u.a. in Berücksichtigung der jüngsten Novelle der UVP-RL Ergänzungsbedarf gibt oder formelle Defizite bestünden.

Die Landschaftsplanung, die räumliche Gesamtplanung, Infrastrukturplanungen und die oben skizzierten Prüfinstrumente weisen in Deutschland vielfach erhebliche Vollzugsdefizite auf. Dies betrifft die planerische Zielableitung, Methoden und Verfahrensweisen und vielschichtige Probleme in Einzelentscheidungen. Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass alle diese Instrumente einen konsistenten und vernünftigen Kontext zu den Zielsetzungen und Aufgabenstellungen der ELC aufweisen und diesen Aspekt qualifiziert gewährleisten. Ein instrumentelles Defizit kann für Deutschland danach nicht konstatiert werden.

Zum Kontext von Natura 2000 und WRRL

Zur Umsetzung der europäischen Richtlinien zu Natura 2000 und der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Deutschland und den dazu maßgeblichen Vollzug ergeben sich keine substanziellen Probleme aus dem Regelwerk der Richtlinien, sondern ganz erhebliche Vollzugsprobleme. Die maßgeblichen günstigen Erhaltungszustände nach diesen Richtlinien werden in relevanten Bereichen in Deutschland nicht adäquat erreicht. Große Probleme ergeben sich dazu in der Managementplanung für die deklarierten Schutzgebiete.

Die Grundlagen hierfür sind u.a. in Art. 2 FFH-RL für den günstigen Erhaltungszustand, in Art. 3 FFH-RL für die maßgeblichen Schutzgebiete und Lebensräume, in Art. 6 FFH-RL für die Sicherung der Kohärenz und in Art. 10 FFH-RL zum Biotopverbund dargelegt. Um den europäischen Zielen in diesen Bereichen nachzukommen, muss national eine Strategie umgesetzt werden, die die landschaftliche Gesamtfläche in den Fokus nimmt. Eine Reduktion auf die Schutzgebiete selbst ist in diesem Kontext nicht allein zielführend, weil die maßgeblichen guten Erhaltungszustände nur über Maßnahmen und die Entwicklungsziele in der Gesamtfläche und den nach den Richtlinien deklarierten, regional bedeutsamen Lebensraumtypen und Arten erreicht werden können.

Die Schutzgebiete Natura 2000 selbst sind dazu Kernbereiche und müssen einem gezielten Management unterzogen werden. Sie sind aber eingebunden in die umgebende Landschaft. Ihre Qualitätssicherung ist eng mit der landschaftlichen Gesamtsituation verzahnt. Die Erhaltungszustände müssen für die gesamte biogeografische Region garantiert werden, so dass eine Betrachtung immer für ganze naturräumliche Einheiten in Deutschland maßgeblich wird. Die ELC steht hier nicht im Widerspruch oder in Konkurrenz, sondern befördert in ihrer Zielsetzung genau diese Zwecke nach den europäischen Richtlinien als integraler Bestandteil.

Behauptungen, die eine Disparität von Zielen der europäischen Richtlinien zur ELC für den Vollzug konstatieren, gehen somit ins Leere und lassen sich nicht belegen. Entsprechendes gilt für die WRRL. Eine gedeihliche Gewässerentwicklung und Renaturierungsmaßnahmen nach der WRRL sind dann gewinnbringend, wenn sie den Wasserhaushalt der umgebenden Landschaft und damit der Auen einbeziehen. Auch hier ist der landschaftliche Kontext aus dem Wassereinzugsgebiet entscheidend für die zu erreichenden guten Zustände am Gewässer. Analoges gilt für die Grundwasserleiter oder die Maßgaben im Bodenschutz und die landschaftlich gebundene Landnutzung in diesen Gebieten. Die ELC verfolgt hierzu gleichwertige Zielbestimmungen und bedingt keine Widersprüche für die Vollzugsseite.

Zur Relevanz internationaler Konventionen

Die ELC muss auch im Kontext der völkerrechtlichen Einbettung relevanter internationaler Konventionen bewertet werden. Hierzu ergeben sich diverse Querverbindungen, insbesondere zur Berner Konvention von 1979 (Naturschutzübereinkommen), zur Bonner Konvention von 1979 (wandernde Arten) und zur Ramsar-Konvention von 1971 (Feuchtgebiete). Diese naturschutzfachlich ausgelegten Konventionen binden Deutschland für seine Vollzugsinstrumente und stellen eine rechtlich verbindliche Grundlage dar. Die Konventionen sind wie die unionsrechtlichen Umweltrichtlinien ins nationale Recht überführt. Alle diese Bestimmungen stehen in einem landschaftlichen Kontext und gewinnen ihre Zweckbindungen aus dieser Betrachtung. Die ELC stellt hierzu demgemäß eine qualifizierte Basis dar, um dem in einem europäisch kohärenten Vorgehen Rechnung tragen zu können. Auch wenn die ELC insgesamt umfangreichere Zielsetzungen verfolgt, muss sie für die hier in Rede stehenden Aufgaben als konsistent und kongruent angesehen werden.

Resümee

Die qualitativen und instrumentellen Herleitungen der maßgeblichen Instrumente zur Sicherung und Entwicklung der Kulturlandschaften basieren zunehmend auf einer europäischen Inwertsetzung und Rechtsgrundlage. Die ELC bietet dazu die Grundlage für maßgebliche Kontextbestimmungen zu einer angestrebten Landschaftsqualität und für die ergänzenden Instrumente auf nationaler Ebene. Das vorhandene deutsche Instrumentarium ist ausreichend. Die ELC stellt dazu eine wichtige Bereicherung ohne wesentlichen Zusatzaufwand für Deutschland in der Gesetzgebung und Instrumentierung dar. Einer Notifizierung der ELC durch Deutschland stehen danach keine ausschlaggebenden Gründe entgegen.

Kontakt

Prof. Klaus Werk , Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V., erster stellvertretender Vorsitzender, Bonn bzw. Geisenheim

> klaus.werk@hs-gm.de

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