5 % des Waldes ungenutzt lassen – für nachfolgende Generationen
„Wald ist toll & genutzter Wald ist wichtig." Mit dieser Feststellung als Titel liegt gerade ein kleines Büchlein auf dem Tisch der Redaktion, geschrieben vom Trierer Forstamtsleiter Gundolf Bartmann. Schön bebildert, mit knappen und informativen Texten versehen. Und eigentlich nicht besonders bemerkenswert – eine Publikation unter vielen, die es nicht in unsere Zeitschrift schaffen.
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Halbwissen statt Fakten
Doch Aussage und Intention stehen symptomatisch für eine nach wie vor verhärtete Auseinandersetzung zwischen Forstwirtschaft und Holzindustrie einerseits und dem Naturschutz andererseits. „Wald ist toll" – ja klar, kein Widerspruch. „Genutzter Wald ist wichtig" – auch diese Aussage wird niemand grundsätzlich in Frage stellen. Wenn darin nicht unausgesprochen der Umkehrschluss mitspielt, der auf Seite 33 (endlich) erscheint: „Schutz und Nutzungauf der ganzen Fläche ist unser Credo". Und dann wird, leider wie so oft, mit Halb- und Unwahrheiten argumentiert: „Im Wald laufen sehr dynamische Prozesse ab. Biotope vergehen und neue entstehen; wichtig ist dabei, keine Art zu verlieren. Dass uns das auch im bewirtschafteten Wald gut gelingt, beweist die Tatsache, dass über 80 % aller Tier- und Pflanzenarten im Wald leben." Solch plumpe Lobbyarbeit geht nicht mehr!
Wirtschaftliche Nutzung der Wälder bedeutet, dass Bäume – über alle Baumarten gemittelt – im vergleichsweise zarten Alter von etwa einem Drittel ihrer natürlichen Lebensspanne eingeschlagen werden. Eichen erreichen gerade 20 % ihres möglichen Alters. Das ist wirtschaftlich sinnvoll und stellt auch niemand ernsthaft in Frage. Nur: Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass ungenutzte Wälder eine andere Biodiversität – einschließlich struktureller und ökosystemarer Vielfalt – aufweisen, als dieses der Wirtschaftswald leisten kann. Wollen wir Biodiversität in Wäldern vollumfänglich erhalten, funktioniert das genauso wenig mit Nutzung auf 100 % der Fläche wie mit Nutzungsverzicht auf der Gesamtfläche. Beides ist gleichermaßen notwendig: Integrationund Segregation.
Erst 1,9 statt angestrebter 5 %
Das ist keine neue Erkenntnis, sondern wird seit mindestens 30 Jahren intensiv diskutiert. Selbst der Deutsche Forstwirtschaftsrat („Wir geben der deutschen Forstwirtschaft eine Stimme") empfahl schon 2001 in seinem „Generationenvertrag", sich an der durch den Sachverständigenrat für Umweltfragen gegebenen Empfehlung zu orientieren, 5 % des forstlich genutzten Bereichs als Totalreservate einem Waldbiotopverbundsystem vorzubehalten. Die Bundesregierung formulierte 2007 in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt: „2020 beträgt der Flächenanteil der Wälder mit natürlicher Waldentwicklung 5 % der Waldfläche." 1,9 % waren 2013 erreicht.
In Anbetracht dieser Diskrepanz ärgert es, wenn sektorale Interessenvertreter wieder und wieder die Mähr von der notwendigen Nutzung des gesamten Waldes herunterleiern. Helfen da sachliche Argumente? Vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen im Bundesland Hessen tragen zwei Teile einer auf drei Folgen angelegte Beitragsserie in diesem Heft wichtige Argumente und Handlungsmaßstäbe für das 5-%-Ziel zusammen. Es geht hierbei u.a. um Auswahlkriterien für Naturwälder sowie die Bedeutung insbesonderegroßer ungenutzter Waldgebiete für die Artenvielfalt.
Ungleiche Kompensation
Daneben bleiben natürlich auch integrative Maßnahmen im Wirtschaftswald notwendig. Hier können Maßnahmen der Eingriffskompensation ein Weg zur Finanzierung darstellen. Der dritte Hauptbeitrag befasst sich am Beispiel Bayerns mit dem Vergleich der Regelungen nach Kompensationsverordnung und dem für die Bauleitplanung gültigen Modell – mit bedenklichen Unterschieden. Damit ist diese Ausgabe vonNaturschutz und Landschaftsplanung quasi ein Themenheft zum Waldnaturschutz geworden. 30,6 % des Bundesgebiets sind von Wald bedeckt. Toll wäre, um das Eingangszitat aufzugreifen, wenn davon 5 % – also ganze 1,53 % des Bundesgebiets – endlich ungenutzte Dynamik entfalten dürften. „Genutzter Wald ist wichtig" – ungenutzter auch!
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