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Kurz berichtet

Bewertung des Zustands der Alpenbock-Populationen in Deutschland

Der Alpenbock (Rosalia alpina (L., 1758) (Coleoptera, Cerambycidae); Abb. 1) ist gelistet in den Anhängen II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Der Rat der Europäischen Gemeinschaft 1992). Für die Bewertung des Zustands einer Population in Deutschland sollen vom Boden aus „prioritär“ die von den Käfern „an Bruthölzern“ hinterlassenen frischen Schlupflöcher auf einer Fläche von 10ha gezählt werden (BfN & BLAK 2016). Daneben ist die Anzahl der alten Schlupflöcher zu ermitteln. Eine Unterscheidung nach stehendem und liegendem Holz ist nicht vorgegeben. Stehendes Holz wird zur Eiablage anscheinend bevorzugt (Bussler et al. 2016).

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Abb. 1: Alpenbock (Rosalia alpina).©  Reiner Theunert
Abb. 1: Alpenbock (Rosalia alpina).© Reiner Theunert
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Von Reiner Theunert

Die Kartierung der frischen Schlupflöcher galt in Deutschland bis vor kurzem auch beim Heldbock (Cerambyx cerdo) als Erfassungsstandard (vgl. PAN & ILÖK 2010), obwohl schon Müller (2001) erwähnt, dass die sichere Erkennung ab ­Höhen über 3m vom Boden aus kaum möglich ist. Theunert (2013) fand vielfach Heldbock-Reste unter Brutbäumen, an denen keine frischen Schlupflöcher zu sehen waren. Er vermutet daher, dass bei ausschließlicher Suche nach frischen Schlupflöchern viele Brutbäume nicht als aktuell vom Heldbock besiedelt eingestuft werden.

Frische Schlupflöcher sollen deshalb nun nur noch in locker strukturierten Eichenbeständen kartiert werden, und zwar „überwiegend in Bodennähe“ (BfN & BLAK 2016). Wo eine Kontrolle auf frische Schlupflöcher nicht möglich ist (z.B. in geschlossenen Waldbeständen, in denen die Kronen besiedelt werden), werden jetzt Funde von Käfern und Chitinteilen am lebenden Baum als aktuelle Besiedlung gewertet. Im Gegensatz zum Alpenbock kommt es für die Bewertung des Zustands der Population nicht mehr darauf an, wie viele frische Schlupflöcher vorhanden sind, sondern entscheidend ist die Anzahl der aktuell besiedelten Brutbäume.

Wie beim Heldbock, so sind beim Alpenbock frische Schlupflöcher in größerer Höhe sicherlich oft nicht zu erkennen. Immerhin erfolgt die Eiablage am Brutbaum offenbar bis in Höhen von 25 m (Gatter 1997). Im Kronenbereich werden auch Äste von nur 10cm Durchmesser besiedelt (Bussler et al. 2016). Überdies können von einem Specht aufgehackte Schlupflöcher „in der Regel“ nicht zugeordnet werden (Bussler & Binner 2006). Theunert (2013) weist darauf hin, dass Bäume mit starkem Heldbock-Befall von Spechten bis in die Krone hinauf aufgemeißelt sein ­können. Beides beeinträchtigt die Erfassbarkeit der Populationen von Alpenbock und Heldbock.

Am Col de Verghio, einer Passhöhe auf Korsika auf fast 1500m über dem Meer, sah der Verfasser Alpenböcke auf alten, einzelnstehenden, von Stürmen gezeichneten, abgestorbenen Rotbuchen (Abb. 2). Käfer hielten sich auch auf Bäumen auf, an denen vom Boden aus nicht ein frisches Schlupfloch zu erkennen war, viele alte Schlupflöcher aber anzeigten, dass die Bäume vom Alpenbock zumindest einmal besiedelt waren. Einzelne männliche Käfer verharrten mitunter tagelang nahezu regungslos unter Ästen oder unter Aststümpfen in Höhen von bis zu 10m über dem Boden.

Jede Aussage zur Populationsgröße, die nur auf dem Zählen von Schlupflöchern beruht, bleibt unbefriedigend, auch wenn sie auf eine bestimmte Fläche bezogen ist. Die Anzahl der aktuell besiedelten Bruthölzer muss nach dem Alpenbock-Bewertungsbogen von BfN & BLAK (2016) nicht angegeben werden. Lediglich zum Kriterium „Habitatqualität“ soll benannt werden, wie viele Bäume und Hölzer mit einem Durchmesser von mehr als 30cm (ohne gelagertes Polter- oder Meterholz) zur Entwicklung der Art aktuell geeignet sind und wie viele in den nächsten zehn Jahren entsprechend geeignet sein dürften. Daraus kann nicht auf die gegenwärtige Populations­größe geschlossen werden. Hierfür müsste auf die Population bezogen und damit nicht auf eine bestimmte Fläche die Anzahl der aktuell besiedelten Bruthölzer (ohne Lagerholz!) erkundet werden, wobei Funde von Käfern an Hölzern mit alten Schlupflöchern als aktuelle Besiedlung gewertet werden sollten. Eine Differenzierung nach stehendem und liegendem Holz wäre wünschenswert.

Literatur

BfN & BLAK (Bundesamt für Naturschutz & Bund-Länder-Arbeitskreis FFH-Monitoring und Berichtspflicht, 2016): Bewertung des Erhaltungszustandes der Arten nach Anhang II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Deutschland. Bewertungsbögen der Käfer als Grundlage für ein bundesweites FFH-Monitoring. 2. Überarbeitung, Stand: 07.09.2015. http://www.bfn.de/fileadmin/BfN/monitoring/Dokumente/BfN_u_BLAK_2016_BWS_Kaefer_barrfrei.pdf (eingesehen am 06.12.2016).

Bussler, H., Binner, V. (2006): Kriterien zur Bewertung des Erhaltungszustandes der Popula­tionen des Alpenbocks Rosalia alpina (Linnaeus, 1758) – allgemeine Bemerkungen. In: Schnitter, P., Eichen, C., Ellwanger, G., Neukirchen, M., Schröder, E., Empfehlungen für die Erfassung und Bewertung von Arten als Basis für das Monitoring nach Artikel 11 und 17 der FFH-Richtlinie in Deutschland. Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Sonderheft 2, 157.

–, Schmidl, J., Blaschke, M. (2016): Die FFH-Art Alpenbock (Rosalia alpina Linnaeus, 1758) (Coleoptera, Cerambycidae) in Bayern – Faunistik, Ökologie und Erhaltungszustand. Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (9), 273-280.

Der Rat der Europäischen Gemeinschaft (1992): Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. ABl. EG L 206/7 vom 22.07.1992.

Gatter, W. (1997): Förderungsmöglichkeiten für den Alpenbock. Allgemeine Forstzeitschrift für Waldwirtschaft und Umweltvorsorge 52, 1305-1306.

Müller, T. (2001): 4.3.5.2 Heldbock (Cerambyx cerdo). In: Fartmann, T., Gunnemann, H., Salm, P., Schröder, E., Berichtspflichten in Natura-2000-Gebieten, Empfehlungen zur Erfassung der Arten des Anhangs II und Charakterisierung der Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie. Angewandte Landschaftsökologie 42, 287-295.

PAN & ILÖK (Planungsbüro für angewandten Naturschutz & Institut für Landschaftsökologie, AG Biozönologie, 2010): Überarbeitete Bewertungsbögen der Bund-Länder-Arbeitskreise als Grundlage für ein bundesweites FFH-Monitoring. Gutachten im Auftrage des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). München, Münster. 206S.

Theunert, R. (2013): Erhaltungszustand der Populationen von Heldbock und Hirschkäfer – Empfehlungen zur Bewertung für Deutschland. Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (4), 108-112.

Kontakt

Dr. Reiner Theunert, Umwelt & Planung Dr. Theunert – Fachbüro für Umweltplanung, Hohenhameln

> kauers.theunert@freenet.de

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