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Tagungsberichte

Bienen-Konferenz der verpassten Chancen

Die letzte der drei Bienen-Konferenzen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) war wieder ein Tag der verpassten Chancen. Dabei wurde mit dem thematischen Schwerpunkt, durch die „Bereitstellung von Flächen mit bienenfreundlichen Pflanzen für eine quantitativ ausreichende und qualitativ ausgewogene Bienenernährung im Verlauf der Vegeta­tionsperiode“ sorgen zu wollen, durchaus eines der drängendsten Probleme der Bienenwelt angesprochen.

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Von Sabine Holmgeirsson und Till-David Schade

Imker machen von Jahr zu Jahr verstärkt die Beobachtung, dass die Honigbienenvölker ab Ende Juni hungern, gerade wenn sie schon die langlebigen Winterbienen erbrüten. Dies betrifft Nektar und Pollen zur Energie- und Brutversorgung glei­chermaßen. Und dass die mangelnde ­Nahrungsverfügbarkeit auch andere bestäubende Insekten betrifft, lässt sich an deren sukzessiven Rückgang leicht ablesen: So sind mittlerweile über die Hälfte der Wildbienenarten und gut ein Drittel der Großschmetterlinge in Deutschland gefährdet und stehen auf der Roten Liste. Führende Entomologen befürchten gar, dass in einigen Jahren manche Regionen Deutschlands gänzlich insektenfrei sein könnten.

Angesichts der Tatsache, dass nahezu die Hälfte der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt wird, scheint die Ursache dafür naheliegend. Denn Intensivkulturen aus Getreide und Mais sowie intensiv genutztes Grünland, die in einer von Strukturvielfalt bereinigten Landschaft liegen, bieten nun mal eine schlechte Nahrungs- und Lebensraumgrundlage. Doch neben dem quantitativen Aspekt spielt auch die Qualität und das zeitlich kontinuierliche Nahrungsangebot eine entscheidende Rolle. Schließlich tragen der Einsatz von Pestiziden und das ab Frühsommer nach der Ernte abrupt zur Neige gehende Blühangebot ihren Teil dazu bei, die Vitalität von Bienen zu beeinträchtigen.

Dass die gegenwärtigen Praktiken konventioneller Landwirtschaft dieser Situation in keiner Weise Abhilfe verschaffen, war auch den Gästen der Bienen-Konferenz am 27. Oktober 2016 in Nürnberg bewusst. So wurde konstatiert, dass das Greening der laufenden EU-Förderperiode 2014-2020 der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) in keiner Weise zur Förderung der Biodiversität beitrage und als gescheitert angesehen werden muss. Darüber hinaus werde der Landwirtschaft zu wenig Anreiz geboten, tatsächlich hochwertige ökologische Vorrangflächen (ÖVF) zu schaffen. Daneben sei die Antragsstellung für Fördermittel viel zu bürokratisch. Ein Grund für die in zu geringer Anzahl vorhandenen Ackerrandstreifen wurde zudem in dem steigenden Nutzungsdruck von Ackerflächen gesehen, der die Bauern dazu zwänge, bis an die Feldränder anzubauen. Mehrmals wurde auch betont, wie wichtig der Dialog zwischen Landwirten, Imkern und Naturschützern sei, auch im Hinblick auf den Pestizideinsatz.

Doch ungeachtet der Tatsache, dass anscheinend auch von der Zuhörerschaft erkannt wurde, dass entscheidende Weichenstellungen in der Landwirtschaft zu erfolgen haben, stand erneut die Erörterung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensgrundlage der Bienenwelt auf Flächen des urbanen Raums im Mittelpunkt der Tagesordnung. Lösungswege hierfür lieferte der Deutsche Städtetag, dessen Vertreter die Bedeutung von Dach- und Fassadenbegrünungen, der extensiven Pflege von Grünflächen und des Verzichts auf Glyphosat-Anwendungen betonte. Dass damit auch eine touristische Aufwertung einhergehen kann, zeigen Beispiele von Städten wie Mössingen oder Mayen. Durch das „Eh-da-Konzept“ (siehe Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (7), 2016, S. 209-217) soll Kommunen dargelegt werden, wie die Biodiversität in Straßenböschungen und Wegrändern, Verkehrsinseln oder Grasflächen gesteigert werden kann – auf Flächen also, die keiner konkreten Nutzung unterliegen und im Kataster oftmals als „Unland“ bezeichnet werden. Auch die Deutsche Bahn (DB) hat erkannt, dass sie als einer der größten Flächenbesitzer Deutschlands einen Beitrag zur Förderung der Bestäuber leisten kann: Seit November stellt die DB kostenlos Flächen zur Verfügung, auf denen Hobbyimker ihre Bienenvölker aufstellen können. In einem zweiten Schritt sollen diese Flächen auch ökologisch aufgewertet werden.

Es mag wohl gerechtfertigt sein, dass der anhaltende Zuzug in die Städte und die damit einhergehende Innenverdichtung nach Antworten verlangt, wie auch urbane Naturräume geschützt und entwickelt werden können. Letztlich kann dadurch nicht nur die biologische Vielfalt gefördert, sondern können auch das menschliche Wohlbefinden gesteigert und Aspekte der Umweltbildung berücksichtigt werden. Doch dem dramatischen Insektensterben und der damit verbundenen Gefährdung von Bestäubern wie Honig- und Wildbienen kann hierdurch kein Einhalt geboten werden. Es sind die der Biodiversität abträglichen Praktiken der Landwirtschaft, die dringender denn je überwunden werden müssen:

Anstatt sich mit einer Bienen-Konferenz zu schmücken, die dieser Tatsache nicht ins Auge sieht, sollte sich das BMEL einer Reihe von Handlungsfeldern stellen, bei denen es sich tatsächlich und effektiv für den Bienenschutz einbringen könnte. Doch die Liste an Negativbeispielen ist lang: So ist die Blockade eines Fitness-Checks der GAP seitens der Bundesregierung angesichts der notwendigen Agrarwende ein Armutszeugnis, an dem auch das BMEL seinen Anteil hat. Wer sich dem verweigert, läuft Gefahr, an Glaubwürdigkeit zu verlieren, sich ernsthaft für Verbesserungen einsetzen zu wollen.

Nicht nachvollziehbar ist weiter die bis dato mangelnde Unterstützung eines Vorschlags der EU-Kommission, zukünftig den Einsatz von Pestiziden auf ÖVF verbieten zu wollen. Damit verkennt Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt die Bedeutung dieser Flächen zur Förderung der Bestäubung und die Tatsache, dass der Pestizideinsatz zu diesem Zweck in krassem Widerspruch steht. Nebenbei stellt er sich damit auch eindeutig gegen die Imkerschaft.

Auch verpasste das BMEL durch Erzwingung der Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung im EU-Parlament in diesem Sommer die Möglichkeit dazu beizutragen, Glyphosat EU-weit verbieten zu lassen. Hinzu kommt, dass die Ankündigung des Landwirtschaftsministers, das Verbot dieses Breitbandherbizids für den Privatgebrauch prüfen zu wollen, bisher keine Früchte trägt.

Auch beim Anfang November vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf zum neuen Gentechnikgesetz sieht sich das BMEL mit dem Vorwurf konfrontiert, die Möglichkeiten eines bundesweit einheitlichen Anbauverbots von GVO nicht ausreichend ausgeschöpft zu haben. Stattdessen droht nun ein Flickenteppich länderspezifischer Regelungen.

Und was die Neonikotinoide anbelangt, könnte sich Deutschland ein Vorbild an Frankreich nehmen, das ab September 2018 ein vollständiges Verbot dieser bienen­schädlichen Insektizide beschlossen hat. Diese Notwendigkeit wurde ­kürzlich auch durch eine Resolution bekräftigt, die im Rahmen einer Hymenopteren-Tagung in Stuttgart beschlossen wurde (siehe Rubrik „Kurz berichtet“ in diesem Heft).

Diese Liste könnte um einige Punkte fortgeführt werden, verdeutlicht sie doch einmal mehr, wie groß die Handlungsspielräume des BMEL sind, um wirksam für den Bienenschutz einzutreten. Vielleicht bietet die im März 2017 angekündigte Internationale Bienenkonferenz eine Gelegenheit, bei der sich das BMEL den wahren Problemen unserer Zeit widmen könnte.

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