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Bericht aus Brüssel

Endspurt beim „Fitness Check“ der Naturschutzrichtlinien

Nachdem in Sachen „Fitness Check“ der Naturschutzrichtlinien seitens der EU-Kommission mehrere Monate „Funkstille“ herrschte, obwohl der 600-seitige Abschlussbericht der externen Gutachter seit März vorliegt, scheint jetzt eine Richtungsentscheidung der Kommission unmittelbar bevorzustehen. Sachstand zum Redaktionsschluss (17. November) war, dass das Thema in der Kommissarsrunde („college“) am 30. November auf der Tagesordnung stehen und Umweltkommissar Karmenu Vella die Ergebnisse des „Fitness Check“ vorstellen soll.

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Kein gutes Gefühl

Das Beunruhigende an den vorliegenden Informationen ist allerdings, dass die Ausführungen des Umweltkommissars offenbar nur die Grundlage einer „Orientierungsdebatte“ darstellen sollen, die Entscheidung über das weitere Vorgehen der Kommission aber ausschließlich bei Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und seinem Kabinettchef Martin Selmayr liegt. Wenn Sie diese Ausgabe in der Hand halten, verehrte Leserinnen und Leser, ist also voraussichtlich bereits die Entscheidung gefallen, ob die Kommission Vorschläge zur besseren Umsetzung der Richtlinien vorlegen wird oder eine Öffnung und „mögliche Zusammenlegung“ empfiehlt – trotz aller gegenteiligen Voten des Europaparlaments, der EU-Umweltminister, des Ausschusses der Regionen, der Zivilgesellschaft und vieler Wirtschaftsunternehmer, die dafür plädiert haben, die jetzt erreichte Rechts- und Planungssicherheit nicht wieder durch jahrelange Diskussionen der Richtlinien und ihrer Anhänge zu gefährden.

Leider gibt es für diesen „worst case“ einige Indizien. So hat Kommissionspräsident Juncker, dem ansonsten ein sehr enger Kontakt zu Parlamentspräsident Martin Schulz nachgesagt wird (Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (11): 334), sich vier Wochen Zeit gelassen, auf den Appell des Parlamentspräsidenten von Mitte Oktober zu reagieren – ein ziemlicher Affront gegenüber dem Parlament und seinen Präsidenten. Junckers Brief enthält schon bekannte Allgemeinplätze, etwa den Hinweis, dass die „internen Diskussionen noch nicht abgeschlossen seien“ (acht Monate nach Vorlage des Evaluationsberichtes!). Besorgniserregend ist die Andeutung, dass der Arbeitsauftrag („mission letter“) an Vella als „Priorität“ die Prüfung der Möglichkeit zur „Zusammenlegung und Modernisierung“ der Richtli­nien umfasst habe. Kein Wort darüber, dass bereits dieser „mission letter“ vom Herbst 2014 dem ergebnisneutralen Mandat des „Fitness Checks“ der Vorgänger-Kommission vom Februar 2014 widersprach. Ebenso wenig spiegelt sich die Tatsache wider, dass im Laufe des zweieinhalbjährigen Prüfungsprozesses deutlich geworden ist, dass die Richtlinien „fit for purpose“ sind und eine Öffnung und Zusammenlegung von allen Beteiligten abgelehnt wird – außer von Juncker und seinem Kabinettchef Selmayr.

Druck vom Kabinettchef

Beunruhigend in diesem Zusammenhang wirkt auch, dass sich in den Brüsseler Medien wie „Politico“ – leider von deutschen Medien bislang nicht aufgegriffen – die Berichte häufen, mit welch „harter Hand“ Martin Selmayr offenbar nicht nur die politische Richtung für die Chefs der Kabinette der anderen Kommissare vorgibt, sondern offenbar sogar Druck auf die Kommissarinnen und Kommissare ausübt, selbst auf die Vizepräsidenten der EU-Kommission. In einem Bericht vom 17. November wird er gar als das „Monster im Berlaymont“ beschrieben, der die EU-Kommission wie „die gnadenlose Hand eines Königs“ leite (s. Link).

Absage an „Fitness Check“ der EU-Agrarpolitik

Wie wenig die Kommission bereit ist, den Empfehlungen demokratisch legitimierter Gremien zu folgen, zeigt auch das Beispiel des Arbeitsprogramms für 2017. Dieses Arbeitsprogramm („Commission Work Programme“, CWP 2017) wurde am 25. Oktober vorgestellt. Neben Vorschlägen, im Rahmen des REFIT-Programms weitere geplante Rechtsakte im Umweltbereich nicht weiter zu verfolgen, zu streichen oder zu ändern, erteilt die Kommission darin dem von der Zivilgesellschaft, EU-Abgeordneten und der Mehrheit der REFIT-Plattform geforderten umfassenden „Fitness Check“ für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) eine Absage. Sie stützt sich dabei auf das Votum einiger Mitgliedstaaten, die aber, wie in der letzten Kolumne geschildert, im REFIT-Gremium in der Minderheit waren (Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (11): 334). Auch hier: Akzeptanz demokratischer Prinzipien – Fehlanzeige!

Immerhin, die Kommission kündigt eine öffentliche Konsultation zur „Vereinfachung und Modernisierung” der GAP in 2017 an. Damit soll der Beitrag der Agrarpolitik zur Erreichung „der zehn Prioritäten der Kommission” (beachte: nicht etwa der Erwartungen des EU-Parlamentes und der Steuerzahler!), immerhin aber auch zur Erreichung der im September 2015 auf UN-Ebene beschlossenen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals“, SDGs) gewährleistet werden. Aus umweltpolitischer Sicht ist zudem erwähnenswert, dass gemäß Arbeitsprogramm 2017 das „Greening“ einer Evaluierung unterzogen werden soll. Für 2018 wird eine erneute Evaluierung der UVP-Richtlinie angekündigt, die zuletzt 2013 novelliert worden war.

Personalia

Zum 31. Oktober hat Matthias Groote (SPD), ehemaliger Vorsitzender des EP-Umweltausschusses (ENVI) und seit 2014 Koordinator der Sozialdemokraten (S&D) im ENVI, sein Mandat niedergelegt, weil er im September zum Landrat in seiner Heimatregion, dem Landkreis Leer, gewählt wurde. Zu seiner Nachfolgerin wählten die sozialdemokratischen Abgeordneten im EP im Oktober Miriam Dalli (Malta), die Schwiegertochter von Umweltkommissar Karmenu Vella. Somit gibt es bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2019 nur noch einen deutschen EU-Abgeordneten als Koordinator seiner Fraktion, Dr. Peter Liese (CDU, NRW).

Links:

Politico-Artikel über Martin Sel­mayr vom 17.11.2016: http://tinyurl.com/Politico-Selmayr

Arbeitsprogramm 2017 der EU-Kommission, hier insbesondere die Anhänge I bis IV zu beachten:

http://tinyurl.com/KOM-Programm-2017

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