Stand und Zukunft der Eingriffsregelung
„Quo vadis Kompensation?“ fragten das Bundesumweltministerium und der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) bei einer Tagung in Berlin. Seit nun 40 Jahren besteht das Instrument – Zeit für eine kritische Bilanz vor dem Hintergrund, dass die geplante Bundeskompensationsverordnung (BKompV) auf absehbare Zeit nicht kommen wird. Was aber dann? 170 Teilnehmer(innen) informierten sich über Stand und Zukunft der Eingriffsregelung aus bundesweiter wie länderspezifischer Sicht. Die Zeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung begleitete die Veranstaltung als Medienpartner.
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„Unser Land sähe anders aus, wenn wir nicht 40 Jahre eine Eingriffsregelung angewendet hätten“, bilanzierte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Dennoch habe das Instrument nicht alle Probleme gelöst, sagte er mit Hinweis auf das 2020-Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie, den Verlust an biologischer Vielfalt und die Verschlechterung der Ökosystemleistungen bis zum Jahr 2020 zum Stillstand zu bringen sowie, so weit wie durchführbar, wiederherzustellen. Für Gebiete außerhalb des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 sei jedoch noch kein wirksamer Ansatz zu erkennen, um dieses zu erreichen. Art. 14 des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) beinhalte auf internationaler Ebene die Forderung nach einem der Eingriffsregelung ähnlichen Instrument. Nach der Fokussierung auf Schutzgebiete und auf den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechtem Vorteilsausgleich (ABS – Access and Benefit-Sharing) sei es nun wichtig, auf die gesamte Landschaft zu blicken.
Die Verringerung des Flächenverbrauchs, so Flasbarth weiter, habe bisher weitgehend den Konjunkturverlauf abgebildet, so dass erhebliche Anstrengungen notwendig seien, das 30-ha-Ziel zu erreichen. Erst jetzt seien entsprechende Einflüsse erkennbar, über Zuwanderung aber entstehe zugleich eine neue Dynamik. Der Ausbau Erneuerbarer Energien samt Energienetz berge weitere Herausforderungen.
BKompV: Verfahren könnte wieder reaktiviert werden
Flasbarth erinnerte daran, dass die im Entwurf vorliegende BKompV 2013 im Bundesrat auf Eis gelegt werden musste, weil aus den Ländern nicht genügend Zustimmung signalisiert war und ein Scheitern in der Öffentlichkeit das Bild eines unorganisierten Naturschutzes abgegeben hätte. Die Bundesregierung hatte sich vorgenommen, zur Entwicklung einer einheitlichen Verwaltungspraxis in einer BKompV Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie die Bemessung des Ersatzgelds zu regeln. Ursachen für das Scheitern seien zum einen eine Gemengelage aus vorauseilend geschaffenem Landesrecht und solchem in Vorbereitung gewesen, zum anderen verschiedene im Verfahren aufgebaute Positionen. Der Prozess habe aber dennoch neue Erkenntnisse gebracht und den Weg zu Best Practice und Standards geebnet. Der Staatssekretär stellte klar: Wenn Einvernehmen bestünde, wäre das Verordnungsverfahren jederzeit wieder reaktivierbar.
BMUB und bdla wollten mit der Tagung eine Positionsbestimmung vornehmen. Dazu diente neben der Reflektion der Planungspraxis an ausgewählten Beispielen vor allem die erstmalige Vorstellung der Ergebnisse eines Forschungs- und Entwicklungs-Vorhabens zur „Methodik der Eingriffsregelung im bundesweiten Vergleich“, das die Universität Kassel (Fachgebiet Landschaftsentwicklung/Umwelt- und Planungsrecht), die Leibniz-Universität Hannover (Institut für Umweltplanung) sowie das Büro Bosch & Partner GmbH im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz durchführten. Prof. Dr.-Ing. Dr. iur. Andreas Mangel (Kassel) und Klaus Müller-Pfannenstiel (Herne) stellten die Resultate zu drei Leitfragen vor, die sich auf die naturschutzrechtliche, nicht die städtebaurechtliche Eingriffsregelung bezogen:
(1) Welche Unterschiede bestehen bei der näheren Ausgestaltung bzw. bei der Anwendung der Eingriffsregelung in den Ländern?
(2) Inwieweit ist eine bundesweit einheitliche Handhabung der Eingriffsregelung sinnvoll?
(3) Welche methodischen bzw. inhaltlichen Maßgaben können beim Vollzug der Bestimmungen aus bundesweiter Sicht empfohlen werden?
Warum Standardisierung?
Zunächst: Mit ihrer Ausrichtung auf nahezu sämtliche Zielbereiche und Einzelschutzgüter gemäß BNatSchG und mit der Rechtsfolgenkaskade von Vermeidung, Realkompensation, Abwägung und Ersatzzahlung sei die Eingriffsregelung ein zentrales Steuerungselement des deutschen Naturschutzrechts, erklärte Mengel – unverzichtbar und im Grundsatz auch breit akzeptiert. Aber: Bei der Implementation des bundesrechtlichen Regelungsmodells habe sich ein höchst heterogenes Anwendungsgeflecht herausgebildet – differenziert sowohl zwischen den Ländern als auch fachsektoral im Hinblick auf verschiedene Eingriffstypen. Hinzu trete die städtebauliche Eingriffsregelung gemäß BauGB mit ihren teilweise spezifischen gesetzlichen Vorgaben und der ebenfalls heterogenen Anwendungspraxis.
Die Maßgaben der §§14ff. BNatSchG, so Mengel, beinhalteten ein komplexes Regelungsregime mit zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen. Für einen effektiven und effizienten Vollzug sei eine untergesetzliche Konkretisierung Voraussetzung. In anderen Rechtsbereichen sei das selbstverständlich, aufgrund der föderalen Situation mit 16 Bundesländern bestehe aber eine andere Ausgangslage als im Immissionsschutz- oder Wasserrecht. Auch Gerichte mahnten immer wieder die Unmöglichkeit einer Überprüfung der Anwendung von Maßgaben der Eingriffsregelung an, so dass die gerichtliche Kontrolldichte aktuell gering sei. Mangels konkreter Bewertungsmaßstäbe könne die Rechtsprechung kaum eine harmonisierende Funktion ausüben. Damit hätten die Behörden zwar einen Ermessensspielraum, doch dieser schwäche die Eingriffsregelung: Verbunden damit sei nicht nur die Möglichkeit, dass auch ein wenig sachgerechtes Verständnis bei der Anwendung der einschlägigen Bestimmungen sanktionslos bleibe, so Mengel: „Vielmehr wird auch umgekehrt die konsequente Umsetzung des Regelungsprogramms nicht gezielt mit einheitlichen, substanziell-konkretisierenden Vorgaben unterstützt, sondern bleibt dem Einzelfall und damit häufig den ohnehin stark überlasteten Fachbehörden überlassen.“
Bessere Transparenz und erhöhte Rechtssicherheit für Investoren und Planungsträger nannte Mengel als weitere Vorzüge einer bundesweiten Standardisierung. Besonders evident werde die Heterogenität der Anforderungen bei länderübergreifenden Projekten wie etwa dem Stromnetzausbau.
Die Eingriffsregelung reicht sehr viel weiter als das europäische Artenschutzrecht und die FFH- und Vogelschutz-Richtlinie, unterstrich Mengel. Zu bearbeiten seien die Schutzgüter Klima/Luft, Wasser, Boden/Geotope, Tiere/Pflanzen, Biotope und Landschaften. Diese seien mit den in §1 BNatSchG manifestierten einschlägigen Zielbereichen (Zieldimensionen) für Naturschutz und Landschaftspflege zu verknüpfen: Diversitätssicherung (Vielfalt), materiell-physische Funktionen sowie Erleben und Wahrnehmen von Natur und Landschaft (immaterielle Funktionen). Über diese Schutzguts- und Funktionsbereiche ließen sich die unbestimmten Rechtsbegriffe „Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts“ und „Landschaftsbild“ bei der Anwendung der Prüf- und Arbeitsschritte der Eingriffsregelung operationalisieren.
Vorschläge für die Praxis
Für die verschiedenen Elemente der Eingriffsregelung liefert das Gutachten detaillierte Vorschläge:
Bewertung und Feststellung der Beeinträchtigung (§14 Abs.1 BNatSchG): Für die o.g. Schutzgüter und Funktionsbereiche wird jeweils ein Bewertungsrahmen vorgeschlagen. Diese Bewertungen seien nicht allein für die Prüfung des Tatbestands der Eingriffsregelung essenziell, sondern bildeten zugleich auch den Grundstein für eine sachgerechte Bearbeitung des gesamten Rechtsfolgenprogramms. Zu differenzieren seien erhebliche Beeinträchtigungen (eB) von erheblichen Beeinträchtigungen besonderer Schwere (eBS).
Vermeidung (§15 Abs.1): Als vermeidbar definiere der Gesetzgeber solche Fälle, in denen zumutbare Alternativen bestünden, die den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen erreichen könnten. Dazu gebe das Gutachten Empfehlungen zur Prüfung von Ausführungsvarianten, zur standörtlichen Feinplanung, zur ökologischen Baubegleitung, zur Rolle der Behörden und Begründungspflicht des Verursachers, zur Berücksichtigung der Landschaftsplanung, zur Dokumentation von Vermeidungsmaßnahmen und zu Aus- und Fortbildung.
Ausgleich und Ersatz (§15 Abs. 2): Ausgeglichen verstehe das Gesetz als gleichartige Wiederherstellung der beeinträchtigen Funktionen des Naturhaushalts bzw. als landschaftsgerechte Wiederherstellung oder Neugestaltung des Landschaftsbilds. Ersetzt sei eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen in dem betroffenen Naturraum in gleichartiger Weise hergestellt seien und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet sei. Hier liefere das F+E-Vorhaben Empfehlungen zur Unterscheidung, zur Ableitung der funktionsspezifischen Maßnahmen für die erheblichen Beeinträchtigungen besonderer Schwere sowie von Maßnahmen für die sonstigen erheblichen Beeinträchtigungen (funktionsorientiert), zur Entwicklung eines Kompensationskonzepts sowie zur kooperativen Planung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.
Abwägung (§15 Abs. 5): Der Bundesgesetzgeber lasse einen Eingriff nicht zu, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen seien, sofern die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range vorgingen. In dem Vorhaben seien Empfehlungen zur Durchführung der Abwägung, zur Schutzgutbewertung, zur Rolle der Naturschutzbehörden, Härtung der Naturschutzbelange und Berücksichtigung der Landschaftsplanung gegeben.
Ersatzzahlung (§15 Abs. 6): Ersatz in Geld habe der Verursacher eines gemäß Abs. 5 durchgeführten Eingriffs zu leisten. Der Betrag werde bemessen anhand der durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und schließe die erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung ebenso wie die Personal- und sonstigen Verwaltungskosten ein. Auch hier liefere des F+E-Vorhaben Tipps für die Praxis.
Perspektiven
Das F+E-Vorhaben solle, so betonte Mengel abschließend, der Beginn eines Prozesses sein: ein Anstoß, die Eingriffsregelung noch ernster zu nehmen. Eine fachlich und steuerungstechnisch adäquate BKompV wäre ein Gewinn; mindestens aber solle die Steuerungsqualität der Eingriffsregelung in anderer Form geschärft werden, etwa über Leitfäden, Landesverordnungen und ein gemeinsames Forum.
Ebenfalls aus Sicht der beteiligten Forschungsnehmer stellte Klaus Müller-Pfannenstiel (Bosch & Partner GmbH, Herne/München) Empfehlungen zur Ableitung sachgerechter Kompensationsmaßnahmen in der Eingriffsregelung vor. Dabei ging er besonders auf funktionsbezogene Maßnahmen ein: Je wertvoller die beeinträchtigte Funktion (bzw. das betroffene Schutzgut) und je schwerwiegender die erhebliche Beeinträchtigung, desto strikter solle der Funktionsbezug verstanden werden und desto geringer sei der Spielraum für eine Flexibilisierung. Zwar setze §15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen als Formen der Realkompensation einander gleich, so dass Ausgleich keinen Vorrang gegenüber Ersatz mehr besitze. Doch ergebe sich hieraus kein Wahlrecht des Eingriffsverursachers: Nötig sei eine Einzelfallentscheidung, welche Maßnahmen die aus fachlicher Sicht sachgerechte Kompensation darstellten. Eine funktionsspezifische Kompensation sei für erhebliche Beeinträchtigungen besonderer Schwere (eBS) vorzusehen. Je nach funktionsräumlichem Zusammenhang könne diese sowohl durch Ausgleichs- als auch durch Ersatzmaßnahmen umgesetzt werden.
Müller-Pfannenstiel betonte die Bedeutung einer aktuellen Landschaftsplanung bzw. eines auf den Projekt- und Landschaftsraum bezogenen Kompensationskonzepts, auf den die Planung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aufbauen könne. Dieses Konzept formuliere die Ziele zur Wiederherstellung der Funktionen des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds. Zu berücksichtigen seien auch die projektbezogenen Maßnahmenerfordernisse, die sich aus weiteren fachgesetzlichen Anforderungen ergäben – wie Artenschutz, Natura-2000-Gebietsschutz, geschützte Biotope, Ersatzaufforstungen und Hochwasserschutz. Mit dem Ziel einer Reduktion der Inanspruchnahme land- und forstwirtschaftlicher Nutzfläche seien nach §15 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG Maßnahmen der Entsiegelung, Wiedervernetzung von Lebensräumen und Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen genannt. Welche dieser Maßnahmen im Einzelfall einsetzbar seien, hänge von den zu kompensierenden Funktionen ab.
Weiter zeigte Müller-Pfannenstiel Schnittstellen zu anderen rechtlichen Instrumenten auf. So seien Maßnahmen gemäß Managementplänen für Natura 2000 nur als Kompensation anrechenbar, wenn sie über die Pflicht zu einem guten Erhaltungszustand hinausgingen.
Verschiedene Fallbeispiele
Unter dem Titel „Projekte und Herausforderungen der Praxis“ standen Berichte aus aktuellen Anwendungen:
Eingriffsregelung und Netzausbau: Uwe Herrmann, BFH LandschaftsArchitekten GmbH (Kiel/Schwerin), gab einen Einblick in die Folgen des prognostizierten Ausbaubedarfs mit Neubau von bundesweit >3000km Höchst- und Hochspannungsnetz sowie einem Ausbau- und Verstärkungsbedarf von Bestandsleitungen von weiteren 3000km. Daraus resultiere geschätzt ein Bedarf an Kompensationsflächen von 15000ha. In seinen Abschlussthesen stellte Herrmann u.a. auf die den Modellen zur Eingriffsbeurteilung innewohnende fehlende Steuerungsfunktion zur vorrangigen Eingriffsvermeidung und minderung ab und regte an, vermehrt über planerische Anreize zur Konfliktlösung sowie eine verstärkte eingriffsnahe Realkompensation auch für Eingriffe in das Landschaftsbild nachzudenken.
Tiefenwasserhafen JadeWeserPort: Küstenschutz zwischen Konflikt und Win-win-Lösungen schilderte Gotthard Storz, planungsgruppe grün gmbh (Bremen). Die von Storz vorgestellte Kompensationsmaßnahme verdeutlichte, wie mit fundiertem Sachverstand und einem intensiven planungsbegleitenden Diskussionsprozess (vermeintliche) Zielkonflikte zwischen Natur- und Kulturlandschaftsentwicklung einer planerischen Lösung zugeführt werden können. Die mit dem 2. Preis des IAPH Port Environment Award 2015 ausgezeichnete Maßnahme steht für einen Umgang mit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, der gleichermaßen die naturschutzfachlichen Ansprüche eines hochgradig konfliktbehafteten Verfahrens als auch die Ansprüche künftiger Nutzer an eine erlebbare Kulturlandschaft abzudecken vermag.
Produktionsintegrierte Kompensation (PIK): Anne Schöps, Bundesverband der Flächenagenturen in Deutschland e.V. (Brandenburg a.d. Havel), stellte die Arbeitsweise von Flächenagenturen mit Flächenpools und Ökokonten vor. Sie böten die Chance, in größeren zusammenhängenden Gebieten mehrere Einzelmaßnahmen zu einer komplexen Gesamtstrategie zu kombinieren. So könnten vor allem solche Maßnahmen realisiert werden, die ohne Koordination und langfristige Betreuung nicht umsetzbar wären. PIK schaffe auch für Landwirte mit jährlich gezahlten Entgelten zusätzliche Einkommensvorteile, weil sie bevorzugt auf agrarisch schwierigen Standorten umgesetzt würden.
Kompensation und Stadtgrün: Welche Beiträge die Kompensation zur Innenentwicklung durch Förderung des Stadtgrüns leisten kann, skizzierte Martin Janotta, Fugmann Janotta und Partner (Berlin). Er blickte vor allem auf die doppelte Innenentwicklung durch die Kombination von Innenverdichtung und Stadtgrün und die Stärkung der Stadt-Umland-Beziehungen durch Qualifizierung des Freiflächen- und Biotopverbunds zwischen Zentrum und Peripherie. Damit die Eingriffsregelung diese Prozesse und die Entwicklung multifunktionalen Stadtgrüns optimal unterstützen kann, bedarf es nach Auffassung von Janotta im innerstädtischen Bereich ihrer flexibleren Anwendung und einer vorrangigen Ausrichtung von Maßnahmen auf die Zielbereiche von Landschaftsbild und Erholung.
Trotz sehr unterschiedlicher räumlicher Kontexte und einem breit aufgespannten Vorhabenspektrum war eine Aussage allen Praxisbeispielen gemein: Der Funktionsbezug der aus der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung resultierenden Realkompensation steht fachlich weder zur Disposition noch steht er einer kreativen Kompensation mit Akzeptanz steigernden Win-win-Effekten im Weg.
Perspektiven der Länder
Ein Bedauern über die politische Entscheidung im Bundesrat, die Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung auf Eis zu legen, durchzog die gesamte Tagung. Dr. Stefan Lütkes, Referatsleiter Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege im BMUB, verwies auf die (zunehmend) sehr unterschiedliche und zum Teil nicht nachvollziehbare Umsetzung der Eingriffsregelung – so werde der Bau derselben Windkraftanlage bei der Bemessung des Ersatzgeldes schon innerhalb eines Bundeslands unterschiedlich bewertet und zwischen verschiedenen Bundesländern liege der Faktor 3 bis 5. Ähnlich, nur nicht so augenfällig, differiere die Realkompensation. Vor diesem Hintergrund bleibe die Frage zentral, wie mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Akzeptanz geschaffen werden könnten. BMUB und Bundesamt für Naturschutz würden sich gern weiter an fachlichem Austausch beteiligen und seien für jede Initiative der Länder in diesem Sinne dankbar.
Lütkes konstatierte, dass der „kleine Kosmos“, der in Bayern um die Bayerische Kompensations-Verordnung entstanden sei, die Schaffung einer Bundeslösung nicht vereinfache. Die rechtliche Festlegung in Art. 8 BayNatSchG, dass Bundesregelungen keine Anwendung fänden, „wäre nicht nötig gewesen“. Ursula Schuster, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (München), stellte die bayerische Rechtslage mit der BayKompV sowie diese konkretisierenden Vollzugshinweisen vor; weitere Arbeitshilfen des Landesamtes für Umwelt seien in Vorbereitung. Es seien bisher sieben zertifizierte gewerbliche Ökokonto-Dienstleister anerkannt und 1500 Personen geschult worden.
In Rheinland-Pfalz, so berichtete Matthias Schneider, Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten (Mainz), sei auf Grundlage des 2015 novellierten LNatSchG eine auf dem Entwurf der BKompV fußende Landesverordnung zum Vollzug der Eingriffsregelung geplant. Insbesondere sollten dabei einheitliche Berechnungsweisen für die Ersatzzahlung bei Höhenbauwerken und Versiegelungen geregelt werden.
Fazit
Auch von einem F+E-Vorhaben mit empfehlendem Charakter könnten faktische Wirkungen ausgehen, sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth. Die Länder sind am Zug: Sie können (und sollten) die Empfehlungen des Vorhabens in ihren Verordnungen, Richtlinien, Leitfäden und/oder Arbeitshilfen umsetzen. Und sie könnten initiativ werden, um vielleicht doch noch zu einer bundeseinheitlichen Regelung zu kommen.
Materialien zur Tagung stehen unter http://www.bdla.de zum Download zur Verfügung. In Kürze soll der Endbericht des F+E-Vorhabens in der BfN-Reihe „Naturschutz und Biologische Vielfalt“ erscheinen.
Nach dem Scheitern der Bundeskompensationsverordnung – Standardisierung versus Pluralität
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