Chancen für einen „Fitness Check“ der EU-Agrarpolitik steigen
Die Anstrengungen der Naturschutzverbände seit März dieses Jahres steigen, nach den EU-Naturschutzrichtlinien und vielen anderen Rechtsakten im Umweltbereich endlich auch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) einem „Fitness Check“ zu unterziehen. Ein enorm wichtiges Thema, denn die GAP bildet eines der größten Problemfelder im Bereich Natur-, Umwelt- und Klimaschutz und zugleich den mit über 40 % größten Haushaltsposten der EU (Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (5), 138).
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Positives REFIT-Votum
Mehrheitlich hat die im letzten Frühjahr eingerichtete REFIT-Plattform, der auch Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften angehören, in ihrer Sitzung am 20. September beschlossen, der EU-Kommission zu empfehlen, die GAP über die bisher üblichen Überprüfungen („review“) hinaus einer strategischen Gesamtprüfung in Form eines „Fitness Checks“ zu unterziehen. Auch Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften folgten damit einem Vorschlag des Europäischen Umweltbüros (EEB). Lediglich aus der Gruppe der Vertreter der Mitgliedstaaten gab es nur wenige Befürworter; die Mehrheit der Mitgliedstaaten hielt die bisherigen „reviews“ für ausreichend und verwies darauf, aus der neuen GAP-Periode lägen noch viel zu wenige Ergebnisse vor.
Da auch der Vertreter der Bundesregierung in der REFIT-Plattform, ein Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums (s. Link), sich gegen den „Fitness Check“ der GAP ausgesprochen hatte, forderte der NABU Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf, dieses Votum zu überprüfen und auch seitens der Bundesregierung der EU-Kommission die Einleitung eines „Fitness Check“ der GAP zu empfehlen. NABU-Präsident Olaf Tschimpke verwies in seinem Schreiben darauf, dass die Kritik an der GAP wachse, da sie nicht nur eine erschreckende Umweltbilanz aufweise, sondern auch bei der Zukunftssicherung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum sowie beim Tier-, Klima- und Verbraucherschutz versage. Dass gerade ein Nettozahlerstaat, der ansonsten auf „bessere Rechtsetzung“ und effizienten Mitteleinsatz poche, eine ehrliche Überprüfung der GAP ablehne, sei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland nicht zu erklären und trage zur Europaskepsis bei, so Tschimpke.
Folgerungen zu EU-Naturschutzrichtlinien erst im Dezember?
Hinsichtlich des „Fitness Check“ der Naturschutzrichtlinien zeichnen sich dagegen weitere Verzögerungen ab, die über die im letzten „Bericht aus Brüssel“ geschilderten Probleme hinausgehen. Selbst die bisher bekannten Informationen vom Vizepräsidenten der EU-Kommission und dem Umweltkommissar, die Kommission würde ihre Empfehlungen „im Herbst“ vorlegen, scheinen schon wieder hinfällig: Bei der Sitzung des Umweltministerrates am 17. Oktober, bei der es unter anderem um die Positionierung der EU auf der 13. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) vom 04. bis 17. Dezember in Cancún (Mexiko) ging, haben einige Minister EU-Umweltkommissar Karmenu Vella nochmals auf das Thema angesprochen, da die Umsetzung der beiden Richtlinien der zentrale Beitrag der EU zur Implementierung des Strategischen Plans der CBD sei. Wenn bis zur Vertragsstaatenkonferenz immer noch keine Empfehlungen der EU-Kommission zur weiteren Umsetzung der Richtlinien vorlägen, könne die Glaubwürdigkeit der EU massiv leiden, so die Minister.
Vella relativierte sein früheres Versprechen und deutete an, dass die Ergebnisse – voraussichtlich in Form eines „Staff Working Document“ (SWD) und einer Kommissions-Mitteilung – nach aktuellem Wissensstand erst „gegen Ende des Jahres“ vorliegen würden. Dies würde unter anderem bedeuten, dass sich auch der letzte Umweltministerrat unter slowakischer Ratspräsidentschaft am 19. Dezember nicht mehr mit dem Thema befassen könnte. Die von der Ratspräsidentschaft geplante Tagung zu den Folgerungen aus dem „Fitness Check“ steht damit vermutlich genau so auf der „Kippe“ wie die von der niederländischen Ratspräsidentschaft Ende Juni kurzfristig abgesagte Konferenz in Amsterdam (Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (7), 206) – ein bisher in der EU einmaliger Vorgang, der das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU nicht gerade fördert.
Auch das EP drängt
Diese Sorge treibt auch das Europaparlament weiter um. Mitte Oktober unterstützte daher EP-Präsident Martin Schulz eine Initiative des Umweltausschusses und schrieb an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dessen Kabinettschef Martin Selmayr als Verursacher der Verzögerungen gilt. Schulz werden sehr gute Kontakte zu Juncker bescheinigt. Brüsseler Medien berichteten, beide würden täglich miteinander telefonieren und Juncker habe Schulz zudem auch Unterstützung für eine dritte Amtsperiode als EP-Präsident zugesagt. Damit stellt sich Juncker gegen seine Europäische Volkspartei (EVP), die bislang auf einer schriftlichen Vereinbarung mit den Sozialdemokraten (S&D) beharrt, im Januar 2017 den Posten turnusgemäß nach der Hälfte der Legislaturperiode zu übernehmen.
Ein EVP-Kandidat für das Präsidentenamt soll Mitte Dezember gekürt werden, als möglicher deutscher Kandidat ist Manfred Weber (CSU) im Gespräch, derzeit Fraktionsvorsitzender der EVP. Es bleibt also weiter spannend. Das Problem ist jedoch, dass der Ruf aller EU-Institutionen in der Öffentlichkeit unten den oben geschilderten „Manövern“ leidet, obwohl gerade nach dem Brexit-Votum der Briten ein starkes Signal für gemeinsame Anstrengungen zum besseren Schutz unseres Naturerbes erforderlich wäre!
Link zur REFIT-Plattform der EU-Kommission:
http://ec.europa.eu/smart-regulation/refit/refit-platform/index_de.htm
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