Ökosystemleistungen in der kommunalen Landschaftsplanung
Abstracts
Das Ökosystemleistungskonzept verspricht durch die explizite Betonung des Nutzens natürlicher Prozesse und Elemente für den Menschen eine Stärkung des Naturschutzes. Dessen Argumente könnten in planerischen Abwägungsprozessen höheres Gewicht erlangen und so zunehmend zu „natur- und landschaftsschonenderen“ Entscheidungen führen. Die Landschaftsplanung als Fachplanung des Naturschutzes hat ein originäres Interesse an einer solchen Stärkung ihrer Argumente. Aus diesem Grund scheint es sinnvoll, Potenziale des Ökosystemleistungskonzepts für die Landschaftsplanung nutzbar zu machen, jedoch auch etwaige Restriktionen und Gefahren kritisch zu berücksichtigen.
Im Rahmen dieses Beitrags werden entsprechende Ansatzpunkte für eine Integration von Ökosystemleistungen in die kommunale Landschaftsplanung identifiziert und diskutiert. Zumindest kurz- und mittelfristig dürfte es am realistischsten sein, Ökosystemleistungen als „Add-ons“ in Landschaftsplänen zu thematisieren: Sie können bzw. sollten dort erwähnt werden, wo es sinnvoll und hilfreich erscheint und ohne großen zusätzlichen Aufwand möglich ist. Auf diese Weise könnte der Nutzen landschaftsplanerischer Ziele und Maßnahmen für eine Kommune und ihre Bewohner deutlicher als bislang hervorgehoben werden. Monetäre Bewertungen von Ökosystemleistungen werden in der Landschaftsplanung u.a. aufgrund des damit verbundenen Aufwands sowie methodischer Restriktionen vermutlich eher die Ausnahme bleiben.
Ecosystem services in communal landscape planning – Possibilities of integration
By explicitly stressing the benefits of natural processes and elements for human beings the concept of ecosystem services (ESS) promises a strengthening of nature conservation. Its arguments could gain increasing importance in assessment procedures on plans, leading to more planning decisions in favour of nature and landscape conservation. Landscape planning as a sectoral planning for nature conservation has a genuine interest to strengthen these points by such means. Against this background it makes sense to harness the potentials of the concept of ESS for landscape planning, but at the same time to critically consider potential restrictions and dangers.
The paper identifies and discusses respective starting points for the integration of ESS in communal landscape planning. At least on the short and medium term it seems to be most realistic to address ESS as “add-ons” in landscape plans: they could resp. should be mentioned in areas where it might be helpful and sensible without larger extra efforts. By this means the benefits of aims and measures of landscape planning for a municipality and its inhabitants could be emphasized in a more obvious way than before. Monetary evaluations of ESS will probably remain an exception, mainly due to the necessary efforts and methodical restrictions.
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1 Einleitung
Ökosystemleistungen haben in der internationalen Forschung in den letzten Jahren einen enormen Bedeutungszuwachs erhalten, wie sich an der Zahl konzeptioneller Arbeiten (u.a. Costanza et al. 1997, de Groot et al. 2012, Haines Young & Potschin 2009, Syrbe & Walz 2012), von Klassifizierungsansätzen (Bastian et al. 2013, Haines-Young & Potschin 2013, MA 2005, TEEB 2010) und Fallstudien (Chan et al. 2006, Gomez-Baggethun & Barton 2013, Koschke et al. 2012, Niemelä et al. 2010) zeigen lässt. Allerdings bleiben anwendungsorientierte Arbeiten zur Entwicklung von Methoden und Konzepten für eine Integration von Ökosystemleistungen (ÖSL) in bestehende Planungs- und Umweltprüfinstrumente rar (Albert et al. 2014, De Groot et al. 2010, erste Ansätze zur Landschaftsplanung finden sich bei Albert et al. 2012 und von Haaren et al. 2014, vgl. auch Naturkapital Deutschland 2016).
Unter ÖSL werden im Allgemeinen Leistungen verstanden, die von natürlichen Prozessen und Elementen erbracht werden und Beiträge zum menschlichen Wohlbefinden leisten. Im Detail unterscheiden sich allerdings verschiedene Definitionen. Ebenso bestehen unterschiedliche Ansätze zur Klassifizierung von ÖSL, die in der Bildung übergeordneter Kategorien sowie in der Differenzierung und Benennung einzelner Leistungen voneinander abweichen. Die gängigsten Klassifizierungsansätze sind jener des Millennium Ecosystem Assessment (MA 2005), der internationalen TEEB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity, TEEB 2010), der CICES-Ansatz zur standardisierten Klassifizierung von Ökosystemleistungen (Common International Classification of Ecosystem Services – CICES, Haines-Young & Potschin 2013) sowie im deutschsprachigen Raum jener von Bastian et al. (2013). Alle vier Klassifizierungsansätze unterscheiden einheitlich drei Kategorien, die wiederum eine Vielzahl einzelner – oft unterschiedlich gefasster und bezeichneter – ÖSL umfassen:
Versorgungsleistungen wie z.B. Trinkwasser, Nahrung, Holz, medizinisch nutzbare Stoffe,
Regulationsleistungen wie z.B. Hochwasserrückhaltung, klimatischer Ausgleich und
(sozio-)kulturelle Leistungen wie z.B. die Ermöglichung von Naturerleben und Erholung.
Das MA (2005) umfasst darüber hinaus so genannte unterstützende Leistungen (z.B. Bodenbildung, Primärproduktion, Photosynthese, Wasserkreislauf), die der CICES-Ansatz in ähnlicher Form als Erhaltungsleistungen zusammenfasst. Die TEEB-Studie definiert zusätzlich zu den drei oben genannten Kategorien Habitatleistungen, die sich auf die Erhaltung der Lebenszyklen wandernder Arten und der genetischen Vielfalt beziehen. Der CICES-Ansatz subsumiert die Erhaltung und den Schutz von Lebensräumen, Lebenszyklen und Genpools unter Regulationsleistungen, in ähnlicher Weise geschieht dies bei Bastian et al. (2013), die „Biologische Dienstleistungen und Erhaltung der biologischen Vielfalt“ ebenfalls unter Regulationsleistungen führen. Allen Klassifizierungsansätzen ist gemein, dass sie eine strikt anthropozentrische Sichtweise einnehmen und ausschließlich den menschlichen Nutzen aus den Leistungen des Ökosystems oder seiner Komponenten thematisieren. Einen Überblick über die hier betrachteten Klassifizierungsansätze bietet Tab. 1.
In Hinblick auf die Nutzbarkeit des ÖSL-Konzepts für bestehende Planungsinstrumente besteht eine Schwierigkeit darin, dass es sich nicht an deren Arbeitsschritten und Gegenständen (z.B. Natur- bzw. Schutzgütern) orientiert und kaum in Bezug auf solche diskutiert und fortentwickelt wird (Ausnahmen in Ansätzen u.a. Albert et al. 2012, Naturkapital Deutschland 2016, von Haaren et al. 2014, erste Überlegungen zu spezifischen Anforderungen in den Arbeitsschritten der Landschaftsplanung finden sich in Hartje et al., in Vorb.). Die Frage der methodischen und inhaltlichen Passung zwischen ÖSL und etablierten Planungsinstrumenten bzw. die Anpassung des ÖSL-Konzepts an diese wurde daher bisher nicht systematisch und umfassend beantwortet.
Im Rahmen des vom Bundesamt für Naturschutz geförderten Forschungs- und Entwicklungsvorhabens „Ökonomische Effekte der Ökosystemleistungen städtischer Grünräume“ (Hartje et al., in Vorb.) wurden vor diesem Hintergrund Möglichkeiten und Grenzen der Integration des Ökosystemleistungskonzepts in die kommunale Landschaftsplanung näher untersucht. Diese wurde ausgewählt, da sie als zentrales Instrument für eine mögliche Integration von ÖSL in kommunale Planungsprozesse, insbesondere der Stadtentwicklung, betrachtet werden kann. Im Gegensatz zur Bauleitplanung hat sie ein originäres Interesse an der Stärkung „ökologischer“ Argumente in planerisch-politischen Entscheidungsprozessen. Weiterhin kann sie durch die umfassende und flächendeckende Behandlung der Natur- bzw. Schutzgüter als Daten- und Bewertungsgrundlage für Eingriffsregelung und Umweltprüfungen Verwendung finden.
Um ÖSL im Rahmen der Landschaftsplanung zu thematisieren, kann grundsätzlich zwischen drei verschiedenen Möglichkeiten unterschieden werden: qualitativ, physisch-quantitativ und monetär (vgl. BfN 2012). Bei der qualitativen Beschreibung und Bewertung von ÖSL werden ausschließlich nicht-numerische, ggf. ordinal skalierte Aussagen getroffen. Diese Art der Bewertung ist hinsichtlich der dafür notwendigen Daten vergleichsweise flexibel und findet häufig Anwendung in der Landschaftsplanung. Für eine physisch-quantitative Beschreibung oder Bewertung von ÖSL werden quantitative, also numerische Daten benötigt, die sich auf die Anzahl oder Häufigkeit eines Objekts oder einer Eigenschaft beziehen. Beispiele sind die Menge des Trinkwasserdargebots in m³, die klimarelevante Speicherung von Kohlenstoff in t/a, die vor Hochwasser geschützte Fläche in ha. Eine physisch-quantitative Erfassung einer Ökosystemleistung ist Voraussetzung für deren monetäre Bewertung, wie z.B. den Preis pro m³ Trinkwasser oder die Aufbereitungskosten für verschmutztes Grundwasser oder die vermiedenen Schadenskosten eines Hochwasserereignisses.
Alle drei Möglichkeiten der Erfassung und Bewertung von ÖSL sind mit unterschiedlichem Aufwand verbunden, der von der ersten bis zur dritten Möglichkeit zunimmt. Neben diesem zunehmenden Aufwand können auch aufgrund fehlender Daten und anerkannter Bewertungskriterien nicht alle ÖSL in gleicher Weise und Tiefe erfasst und bewertet werden (Abb. 1).
Da praktische Erfahrungen der Anwendung des ÖSL-Konzepts in der Landschaftsplanung bisher kaum vorliegen, sollen in den folgenden Abschnitten zunächst ausgewählte Chancen und Restriktionen des Konzepts diskutiert werden. Diese Analyse dient der Identifikation und Darstellung von möglichen Ansatzpunkten für eine Integration von ÖSL in die Landschaftsplanung, wobei zunächst allgemeine Integrationsmöglichkeiten diskutiert werden, ehe mit Blick auf die Restriktionen konzeptionelle und methodisch-strukturelle Hinweise für eine Integration von ÖSL in die Landschaftsplanung erörtert werden. Anschließend werden erste Überlegungen zu einer möglichen Berücksichtigung von ÖSL in den Arbeitsschritten der Landschaftsplanung skizziert.
2 Chancen und Restriktionen des Ökosystemleistungskonzepts in der Landschaftsplanung
2.1 Chancen
Eine wesentliche Chance des ÖSL-Ansatzes für die Landschaftsplanung liegt darin, dass er dazu zwingt, den menschlichen Nutzen der Erhaltung und Entwicklung von Naturgütern in den Blick zu nehmen und explizit zu betonen. Dadurch verbessert das ÖSL-Konzept die Vermittlung und Kommunikation von Naturschutzanliegen in die Gesellschaft. Dies ist bislang nur vereinzelt, jedoch nicht durchgehend und systematisch der Fall, wie etwa Rittel et al. (2014) am Beispiel der Gesundheit zeigen.
Eng damit verbunden ist die häufig implizite Annahme, dass eine Bewertung von ÖSL dazu führt, dass die Argumente des Naturschutzes in planerischen Abwägungsprozessen stärkeres Gewicht erlangen und zunehmend zu naturverträglicheren Entscheidungen führen. Damit gelänge quasi die lange geforderte Internalisierung externer Kosten der Naturzerstörung in die verursachenden Sektoren. Diese Annahme gilt insbesondere für die Monetarisierung von ÖSL: Wenn erst einmal die tatsächlichen Kosten und Nutzen in Eurobeträgen beziffert seien, dann seien „ökologische“ Argumente gegenüber wirtschaftlichen Argumenten konkurrenzfähig.
2.2 Restriktionen
In Anlehnung an Albert et al. (2015, verändert und ergänzt) werden nachfolgend Restriktionen, die einer Integration von ÖSL in die Landschaftsplanung entgegenstehen, kurz dargestellt (vgl. ausführlich hierzu Hartje et al., in Vorb.). Im Gegensatz zu „Grenzen“, die prinzipieller Art und nicht überwindbar sind, verstehen wir unter „Restriktionen“ mögliche Probleme, die bei der Integration des ÖSL-Ansatzes bestehen und zu berücksichtigen sind, ihr jedoch zunächst nicht prinzipiell entgegenstehen.
konzeptionelle Restriktionen
Dies sind Restriktionen, die mit dem Verständnis des Konzepts sowie seiner Systematik verknüpft sind. Sichtbar wird dies u.a. in einem fehlenden einheitlichen Verständnis des ÖSL-Konzepts, das insbesondere in unterschiedlichen Definitionen, Klassifizierungen, Bezeichnungen einzelner ÖSL und weiterer relevanter Begriffe seinen Ausdruck findet. Keine Einigkeit herrscht zudem über die Frage, ob nur tatsächlich genutzte ÖSL als solche zu bezeichnen sind oder auch das durch die „Natur“ zur Verfügung gestellte, zunächst nur potenziell nutzbare Dargebot. Da der Auftrag der Landschaftsplanung auf die Erhaltung der Nutzbarkeit der Naturgüter gerichtet ist, scheint es in diesem Kontext sinnvoll, auch das Dargebot zu behandeln. So stellt z.B. die förderbare Grundwassermenge bzw. die Grundwasserhöffigkeit ein Dargebot für die ÖSL „Trinkwasser“ dar, unabhängig davon, ob dies bereits genutzt wird oder nicht. Schließlich ist umstritten bzw. ungeklärt, wie mit so genannten Koppelprodukten umzugehen ist, also mit ÖSL, für deren Inanspruchnahme das natürliche Dargebot allein nicht ausreicht, sondern zusätzliche menschliche Aktivitäten erforderlich sind, wie etwa bei der Erzeugung von Agrarprodukten oder der Gewinnung von Trinkwasser (vgl. Spangenberg et al. 2014).
methodisch-instrumentelle Restriktionen
Diese beziehen sich auf das Verhältnis bzw. die Passung zwischen dem Konzept der ÖSL einerseits und der Landschaftsplanung andererseits. Problematisch ist hier, dass
1. aufgrund unterschiedlicher Systematiken die Natur- bzw. Schutzgüter der Landschaftsplanung nicht einfach den ÖSL zuzuordnen sind und
2. das ÖSL-Konzept nur einen Teil der Inhalte abdeckt, die die Landschaftsplanung zu bearbeiten hat.
Struktur, Gliederung und Inhalte von Landschaftsplänen orientieren sich an den Vorgaben der Naturschutzgesetze. Dadurch fokussieren sie auf die dort genannten Natur- bzw. Schutzgüter sowie, sofern die Landschaftsplanung SUP-pflichtig ist, auf die menschliche Gesundheit sowie Kultur- und Sachgüter. Demgegenüber steht die Systematik der Ökosystemleistungen, die in ähnlicher Weise wie die Landschaftsfunktionen aus dem Zusammenwirken der Naturgüter (sowie in vielen Fällen menschlicher Aktivitäten, s.o.) entstehen, jedoch mit den Landschaftsfunktionen nicht deckungsgleich sind (vgl. Albert et al. 2012).
Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Erstens kann eine einzelne Ökosystemleistung nicht eindeutig einem Schutzgut zugeordnet werden; zweitens deckt das Konzept der Ökosystemleistungen nur einen Teil der Inhalte ab, die die Landschaftsplanung zu bearbeiten hat. Nicht abgedeckte Inhalte, wie beispielsweise die Erhaltung des Bodens als Archiv für die Natur- und Kulturgeschichte, lassen sich über den ÖSL-Ansatz nur indirekt und damit relativ kompliziert und schwer verständlich begründen.
Darüber hinaus fehlen bislang weitgehend methodische Grundlagen und Referenzgrößen zur einfachen Erhebung und ökonomischen Bewertung von ÖSL in der Landschaftsplanung. Aufwändige zusätzliche Arbeiten dürften aber in der Planungspraxis auf wenig Gegenliebe stoßen. So wurde in mehreren im Rahmen des o.g. Forschungsprojekts durchgeführten Interviews mit kommunalen Grünflächen- und Naturschutzämtern die Befürchtung geäußert, dass Planungsprozesse durch eine Integration des Ökosystemleistungskonzepts noch komplexer würden.
Restriktionen der Ressourcenverfügbarkeit
Begrenzt werden die Möglichkeiten zu einer Thematisierung von ÖSL in der Landschaftsplanung durch knappe Finanz- und Personalressourcen der damit befassten Verwaltungen sowie fehlende Datengrundlagen, die insbesondere eine physisch-quantitative und monetäre Bewertung von ÖSL erschweren. Hinzu kommt die Tatsache, dass Landschaftsplaner in der Regel nicht über ausreichende ökonomische Kenntnisse verfügen, um eine Monetarisierung vorzunehmen. Häufig dürften hierfür Zuarbeiten von dritter Seite erforderlich sein – wobei sich wiederum die Frage nach deren Finanzierbarkeit stellt.
gesellschaftliche Restriktionen und Gefahren kontraproduktiver Wirkungen
Die bisher genannten Restriktionen schränken die Anwendbarkeit des ÖSL-Konzepts – sofern sie nicht überwunden werden – zwar ein, stellen aber dessen Zweckmäßigkeit nicht prinzipiell in Frage. Darüber hinaus sind jedoch bestimmte Restriktionen mit der Gefahr kontraproduktiver Effekte verbunden, die das Ziel des ÖSL-Konzepts konterkarieren könnten, den gesellschaftlichen und politischen Stellenwert von biologischer Vielfalt, Natur und Landschaft zu erhöhen. Solche Gefahren, die insbesondere in der Monetarisierung gesehen werden (vgl. u.a. Cornell 2011, Norgaard 2010, von Haaren & Albert 2011), betreffen u.a. die „Kommodifizierung von Natur“ durch Zuweisung monetärer Werte und damit verbunden die Gefahren weiteren wirtschaftlichen Raubbaus an natürlichen Ressourcen und eines ungeminderten Verlustes biologischer Vielfalt.
Näher betrachtet werden soll hier die zentrale Erwartung, dass der Naturschutz durch die Monetarisierung von ÖSL in planungsbezogenen politisch-administrativen Entscheidungsprozessen größere Überzeugungs- und Durchsetzungskraft entfalten und ökonomischen Interessen auf Augenhöhe begegnen könne. Dies wird sowohl in der Literatur (z.B. Baker et al. 2013, Böck et al. 2015, Cornell 2011, Rewitzer et al. 2014) als auch in den o.g. Interviews angezweifelt. So könne es sein, dass ein sich eher langfristig einstellender monetärer Nutzen der Grünflächenerhaltung und -entwicklung gerade nicht mit dem kurzfristig realisierbaren finanziellen Ertrag von Investitionen aus Gewerbe, Industrie und Immobilienwirtschaft konkurrieren könne. Zudem gilt diese Annahme nur in solchen Fällen, in denen der monetäre Wert der jeweils relevanten ÖSL höher ist als jener konkurrierender Interessen – und dies ist keineswegs immer der Fall.
Damit wird eine Gefahr des ÖSL-Konzepts deutlich: die Verengung der Argumentation des Naturschutzes bzw. der Landschaftsplanung auf ökonomische Begründungen. Unabhängig davon, ob diese seitens der Landschaftsplanung gewollt ist, ist nicht auszuschließen, dass politische Entscheidungsträger eine solche Fokussierung vornehmen. Zudem könnte der Eindruck entstehen, natürliche Güter bzw. ÖSL wären unbegrenzt durch ökonomische Werte substituierbar. Ziele zur Erhaltung von Natur und Landschaft könnten daher langfristig eher geschwächt denn gestärkt werden und eine überwiegend an monetarisierten ÖSL orientierte Argumentation kontraproduktiv wirken. Dies lässt sich nur vermeiden, wenn monetäre Argumente in einen umfassenderen Begründungszusammenhang eingebunden sind, der je nach Einzelfall auch „ökologische“, emotionale und ethische Argumente sowie Aspekte der Lebensqualität beinhalten muss, die sich einer ökonomischen Begründung oft entziehen dürften. Zwar beinhaltet der „Total Economic Value“ solche Aspekte (z.B. den Vermächtnis- und Existenzwert) und es ist zu begrüßen, dass sich die Ökonomie deren Bedeutung bewusst wird. Dennoch ist kritisch zu fragen, ob sich die Ökonomie damit nicht weit über ihre Zuständigkeit hinaus bewegt und in Bereiche der Philosophie bzw. Ethik eindringt, die einer „Ökonomisierung“ bereits aus wissenschaftsmethodischen, erst recht aber aus gesellschaftspolitischen Gründen weder unterliegen können noch sollten.
Der Erwartung an die positive Wirksamkeit von in finanziellen Größen ausgedrückten ÖSL liegt darüber hinaus die Annahme zugrunde, dass identische Geldwerte in administrativen und politischen Entscheidungs- und Abwägungsprozessen in identischer Weise berücksichtigt werden. De facto ist das aber häufig nicht der Fall, da sich hierbei stets auch Machtverhältnisse und interessengeleitete Einflüsse niederschlagen. In der Praxis zeigt sich:
1. Finanzielle Interessen Einzelner oder kleiner Gruppen setzen sich gegenüber finanziellen Interessen der Allgemeinheit durch – selbst wenn diese einen höheren monetären Wert haben. Die durch ÖSL ausgedrückten Interessen sind aber überwiegend Allgemeininteressen, in manchen Fällen sogar der „globalen Allgemeinheit“. Warum sollte eine Kommune auf die Bebauung einer Fläche verzichten, von der sie kurzfristig erheblich profitiert, selbst wenn der monetäre Nutzen einer ÖSL, z.B. der Speicherung von Kohlenstoff, höher sein sollte? Denn erstens ist dieser Nutzen global verteilt und zweitens bleibt sein Beitrag zum weltweiten Klimaschutz dennoch vernachlässigbar gering. Mit anderen Worten: Viele ÖSL unterliegen der Gemeingüterproblematik bzw. ökologisch-sozialen Fallen.
2. Kurzfristige Interessen setzen sich in der Regel gegenüber langfristigen Zielen durch. Auch dies trifft auf das gewählte Beispiel zu: Der Nutzen der Bebauung zeigt sich kurzfristig, der Nutzen des Verzichts auf Bebauung oftmals erst langfristig.
3 Ansatzpunkte und Hinweise für eine Integration von ÖSL in die Landschaftsplanung
3.1 Integrationsansätze
Zur Anwendung und Anwendbarkeit des Ökosystemleistungskonzepts in der landschaftsplanerischen Praxis liegen bislang keine Praxiserfahrungen vor, die ein abschließendes Urteil über deren Sinnhaftigkeit und Nutzen erlauben würden. In Anbetracht der im vorherigen Abschnitt ausgeführten (keineswegs vollständigen) Argumente für und wider den ÖSL-Ansatz scheinen dessen unbesehene Verwendung und Übernahme ebenso verfrüht wie seine prinzipielle Ablehnung. Wie, wann und auf welche Weise ÖSL in Landschaftsplänen sinnvoll thematisiert werden können, dürfte immer auch von den jeweiligen örtlichen – naturräumlichen, sozio-ökonomischen und politischen – Gegebenheiten abhängen. Dennoch sollen in diesem Abschnitt einige generelle Ansatzpunkte aufgezeigt werden.
Unter Integration von ÖSL in die kommunale Landschaftsplanung können prinzipiell drei grundlegend unterschiedlich weit reichende Ansätze verstanden werden (vgl. auch Hansen et al. 2015):
1. „Ökosystemleistungsplanung“: Das Konzept der ÖSL wird mit der Landschaftsplanung zu einem „neuen Ganzen“ verschmolzen, als „Leitkonzept“ bestimmt es deren Gliederung und Inhalte. Die Landschaftsplanung würde hierdurch zu einer Art „Ökosystemleistungsplanung“. Dies würde eine Veränderung ihres Methodensets, ihrer Inhalte (bzw. deren Aufbereitung und Behandlung) und nicht zuletzt ihrer rechtlichen Grundlagen erfordern.
2. „thematisch umfassende Integration“: (Sämtliche) ÖSL werden umfassend im Rahmen der bestehenden Systematik der Landschaftsplanung behandelt, ohne Letztere dabei grundlegend in Frage zu stellen.
3. „Add-on“: Das Konzept der ÖSL wird als Möglichkeit verstanden, existierende Pläne und Prozesse, wo sinnvoll und möglich, inhaltlich zu qualifizieren und weitere entscheidungsrelevante Argumente einzubringen, ohne den Anspruch zu verfolgen, dass dies umfassend und durchgehend systematisch erfolgt. Dieser Ansatz würde eine Ergänzung der vorhandenen Methoden und Inhalte der Landschaftsplanung bedeuten, ohne diese grundsätzlich zu verändern.
Betrachtet man die oben aufgezeigten Restriktionen, so scheidet der erste Ansatz aufgrund der rechtlichen Aufgaben der Landschaftsplanung, inhaltlicher und methodischer Inkompatibilitäten zwischen ÖSL-Konzept und Landschaftsplanung, des damit verbundenen Aufwands sowie der Skepsis der Planungspraxis gegenüber „immer neuen Instrumenten“ aus.
Eine thematisch umfassende Integration sollte nach derzeitigem Kenntnisstand nicht per se ausgeschlossen werden, dürfte aber vornehmlich auf eine qualitative und lediglich in Teilen physisch-quantitative oder gar monetäre Argumentation beschränkt sein.
Zumindest kurz- und mittelfristig dürfte die Variante „Add-on“ die größten Chancen auf Realisierung besitzen, da sie Schwerpunktsetzungen auf Basis der lokalen Problemlage zulässt, die kommunale Kapazitäten und Ressourcen nicht überfordern. Dies schließt die Anwendung physisch-quantitativer oder monetärer Bewertungen ein, sofern Daten bzw. Berechnungen bereits vorliegen oder einfach zu erheben bzw. machbar sind.
3.2 Möglichkeiten der Integration von Ökosystemleistungen
Für die Integration von ÖSL in Methode und Aufbau eines Landschaftsplans im Sinne eines Add-ons gibt es mehrere Möglichkeiten, die sich hinsichtlich Intensität und Aufwand unterscheiden, sich gegenseitig aber nicht ausschließen müssen.
explizite Nennung des menschlichen Nutzens, der aus den jeweiligen Zielen bzw. Maßnahmen des Landschaftsplans folgt
Hier genügt es, Nutzenaspekte, die in vielen Zielen und Maßnahmen der Landschaftsplanung implizit enthalten sind, explizit als deren Begründung zu erwähnen. Dafür bedarf es nicht zwingend der Verwendung und Erläuterung des Begriffs Ökosystemleistung, falls dieser für die Kommunikation im lokalen Kontext zu schwierig erscheint. Rittel et al. (2014: 85; vgl. Heiland et al. 2015) stellen dies beispielhaft für die menschliche Gesundheit dar und erwähnen u.a. die gesundheitsschützende und -fördernde Wirkung der Minderung von Bodenerosion (reduzierte Staubbelastung), den Schutz von Grundwasser und Oberflächengewässern (Trinkwassergewinnung) oder die Erhaltung und Neuschaffung von Stadtwäldern und Grünanlagen (Bewegung, soziale Kontakte, Entspannung, Kalt- und Frischluftproduktion).
Erläuterung des Konzepts der Ökosystemleistungen
Dies ist erforderlich, sobald der Begriff ÖSL verwendet wird.
gesondertes Kapitel „Ökosystemleistungen“
Um die Probleme der Zuordnung von ÖSL zu Schutz-/Naturgütern zu umgehen, könnten ÖSL in einem eigenen Kapitel umfassend und abschließend behandelt werden. Zusammengefasst könnten hier die verschiedenen, aus der Landschaftsplanung resultierenden Nutzen anhand einzelner ÖSL dargestellt und begründet werden. Diese Konzentration in einem gesonderten Kapitel hat den Vorteil, dass ÖSL und menschlicher Nutzen kompakt an einem Ort behandelt werden. Nachteile könnten darin bestehen, dass der Bezug zu einzelnen Naturgütern, Zielen und Maßnahmen nicht ausreichend deutlich wird und die Erläuterungen redundant sind oder aufgesetzt wirken.
monetärer Wert beispielhaft ausgewählter ÖSL
Ergänzend, aber nicht zwingend erforderlich, kann der monetäre Wert ausgewählter ÖSL dargestellt werden. Dies bietet sich an, wenn entsprechende lokale Daten vorliegen bzw. erhoben und berechnet oder vorliegende Zahken aus anderen, vergleichbaren Kommunen verwendet werden können. Im letzten Fall können die finanziellen Werte jedoch nur zur Illustration herangezogen werden; es ist darauf hinzuweisen, dass diese (in der Regel) nicht 1:1 auf die eigene Kommune übertragbar sind. Des Weiteren sind die für eine Monetarisierung verwendeten Vergleichswerte anzugeben. Denn eines ihrer Probleme liegt darin, dass sich der monetäre Wert einer Ökosystemleistung vielfach nicht absolut ergibt, sondern erst im Vergleich zwischen unterschiedlichen planerischen Optionen. So kann dieser Wert etwa durch präferenzbasierte Methoden ermittelt werden oder durch die Kosten, die entstehen, wenn die betreffende ÖSL durch technische Maßnahmen ersetzt würde.
Ein Beispiel: Der Wert der Filterleistung von Straßenbäumen (für z.B. Feinstaub) als gesundheitsrelevante Ökosystemleistung könnte sowohl durch Analysen zur Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für die Erhaltung dieser Leistung ermittelt werden als auch durch die Berechnung technischer Möglichkeiten der Rückhaltung oder Filterung von Schadstoffen. Je nach Methode (sowie Bewusstsein und ökonomischem Status der befragten Personen bzw. der betrachteten technischen Alternative) wird der ÖSL ein unterschiedlicher finanzieller Wert beigemessen werden. Aus diesem Grund ist die Wahl eines gesellschaftlich legitimierten Vergleichswertes für die Monetarisierung von ÖSL von besonderer Bedeutung, um den Eindruck der Beliebigkeit zu vermeiden (ein Beispiel einer Methode zur Bestimmung des Wertes von Straßenbäumen findet sich bei Soares et al. 2011).
3.3 Klarheit der Verwendung von Konzept und Begriffen
Das ÖSL-Konzept kann für die Landschaftsplanung nur einen zusätzlichen Nutzen generieren, wenn damit verbundene Begriffe und Konzepte sowie das im jeweiligen Kontext Gemeinte strukturiert, verständlich und für Entscheidungsträger und Interessierte nachvollziehbar dargelegt werden. Um Missverständnisse zu vermeiden und sich nicht im „Dickicht der Begriffe und Konzepte“ zu verirren, sind folgende Fragen zu klären und darzulegen:
1. Auf welche der unter Punkt 1 genannten Kategorisierungen und Benennungen von ÖSL bezieht sich der jeweilige Plan?
Da hier vorgeschlagen wird, ÖSL nicht als neue Gliederungssystematik der Landschaftsplanung zu verwenden, sondern sie als Add-on in Form ergänzender Informationen und Argumente dort einzubringen, wo es sinnvoll ist, müssen sie weder systematisch bzw. umfassend bearbeitet werden, noch ist eine Beschränkung auf ein System (MA, TEEB, CICES etc.) zwingend, wenngleich dies durchaus sinnvoll sein kann. Zudem ist das Konzept der ÖSL, wie dargestellt, so offen, dass eine „lokalspezifische Auswahl und Benennung der ÖSL“ inhaltlich und methodisch zulässig und möglich ist.
2. Worauf exakt beziehen sich Aussagen innerhalb der Kette von Ökosystemfunktionen, Ökosystemleistungen, deren Nutzen und Werten?
Wovon ist die Rede? Von Ökosystemfunktionen (die selbst noch keine Leistung darstellen), vom Dargebot an oder tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen (vgl. von Haaren et al. 2014), vom qualitativ oder quantitativ zu beschreibenden Nutzen dieser Leistungen (z.B. in Hinblick auf die menschliche Gesundheit) oder vom monetären Wert der Ökosystemleistung? Häufig wird verallgemeinernd von einer „Ökosystemleistung“ gesprochen, obwohl damit nicht diese selbst, sondern noch die zu Grunde liegende Ökosystemfunktion oder bereits der daraus resultierende Nutzen oder Wert bezeichnet wird. Hier sollte Klarheit geschaffen werden. Im Idealfall sollten für jede Ökosystemleistung Dargebot, in Anspruch genommenes Dargebot und der gesellschaftliche Nutzen beschrieben werden. Diese Präzisierung erlaubt es, mit unterschiedlichen Begriffsdefinitionen von ÖSL umzugehen und diese transparent zu machen.
3. Bezieht sich die Bewertung auf eine spezifische Ökosystemleistung oder auf die Summe bzw. das Zusammenwirken mehrerer ÖSL (z.B. für die menschliche Gesundheit oder Lebensqualität)?
Nutzen und Werte ergeben sich häufig nicht aus einer einzelnen, spezifischen Ökosystemleistung, sondern aus dem Zusammenspiel mehrerer, ohne dass deren jeweiliger spezifischer Beitrag exakt bekannt oder quantifizierbar sein muss. Dies trifft beispielsweise bei der „Gesundheits- oder Erholungswirkung städtischer Ökosysteme“ zu – denn hierzu tragen ganz unterschiedliche ÖSL bei: Luftaustausch, Wasserqualität, Regulierung des Lokal- und Regionalklimas, physische Nutzbarkeit, Ästhetik, symbolische Bedeutung und andere. Der Beitrag dieser einzelnen ÖSL zum „aggregierten“ Nutzen (Erholung, Gesundheit) dürfte sich kaum bestimmen lassen, insbesondere nicht physisch-quantitativ. Hingegen ließe sich etwa die ÖSL „Trinkwasser“ spezifisch in Nutzen und Werten ausdrücken. Um Unklarheiten zu vermeiden, sollte daher bei der Bewertung exakt und transparent dargestellt werden, ob der resultierende Nutzen von einer ÖSL ausgeht oder ob sich dieser aus dem Zusammenspiel mehrerer ÖSL ergibt.
3.4 Ökosystemleistungen in den Arbeitsschritten der Landschaftsplanung
Im Folgenden werden erste Überlegungen zur Berücksichtigung von ÖSL in folgenden wesentlichen (i.d.R. iterativen) Arbeitsschritten der Landschaftsplanung kurz dargestellt: Orientierung/Scoping, Ermittlung der Rahmenbedingungen und Zielvorgaben, Bestandserfassung, Bestandsbewertung, Konfliktanalyse, Zielkonzeption, Maßnahmen, begleitende Kommunikation und Partizipation (vgl. LUBW 2012, Wilke et al. 2011). Umfassende Praxisbeispiele hierfür fehlen bislang völlig. Der „Thematische Landschaftsplan Klimawandel“ (Entwurf) der Hansestadt Lübeck (2013) zeigt jedoch am Beispiel der Klimaregulationsleistung (Rückhaltung von Treibhausgasen), wie eine bestimmte ÖSL im Rahmen der Landschaftsplanung behandelt werden kann.
Orientierung/Scoping: Aufgabenstellung
Hier sind vorrangig folgende Fragen zu klären:
1. Mit welchen Zielen und zu welchem Zweck werden ÖSL thematisiert?
2. Welche ÖSL sind im Kontext der Aufgabenstellung und örtlichen Gegebenheiten anzusprechen?
3. Auf welche Weise werden ÖSL erhoben und bewertet (qualitativ, physisch-quantitativ, monetär)?
4. Wie werden sie in den Erläuterungsbericht integriert (gesondertes Kapitel, schutzgutbezogen)?
5. Inwiefern ist eine kartografische Darstellung erforderlich und nötig?
Rahmenbedingungen und Zielvorgaben
Bei der Beschreibung der übergeordneten rechtlichen und planerischen Rahmenbedingungen und Zielvorgaben kann das Konzept der ÖSL vorgestellt und seine Verwendung begründet werden, etwa dahingehend, dass es verdeutlicht, dass Naturschutz und Landschaftsplanung letztlich den Menschen bzw. der lokalen Bevölkerung dienen und auch anthropozentrisch begründbar sind, dass damit internationale Diskussionen und Beschlüsse aufgegriffen und weitere Argumente zur Unterstützung planerischer Entscheidungen verfügbar sind.
Bestandserfassung
Sofern die Behandlung der ausgewählten ÖSL Daten erfordert, die über den bisher üblichen Umfang der Bestandserfassung hinausgeht, sind diese zu ermitteln. Beispiele sind die Anzahl der Nutzer von Grünflächen, die geförderte Trinkwassermenge oder Gesundheitsdaten. Sofern geeignete monetarisierte Werte existieren, sollten diese (als „Werte“) konsequenterweise erst in die Bewertung des Bestands einfließen. Die Bestandserfassung kann sowohl das Dargebot (als Potenzial) als auch die tatsächlich genutzten ÖSL umfassen. Ersteres ist vor dem Hintergrund der zukunftsgerichteten Aussagen der Landschaftsplanung an der Erhaltung von Naturgütern und für eine nachhaltige Raumentwicklung insgesamt von Bedeutung.
Bestandsbewertung
Hier sind Bewertungen der Bedeutung von Flächen und Schutzgütern für die ausgewählten ÖSL vorzunehmen. Je nach Ziel der Anwendung des ÖSL-Konzepts, Art der Grundlagendaten sowie Art der Bewertung (qualitativ, physisch-quantitativ, monetär) bestehen hierfür verschiedene Möglichkeiten bzw. Anforderungen. Für kommunikative und persuasive Zwecke kann es ausreichen, lediglich verbal-qualitativ darauf hinzuweisen, dass eine Fläche eine bestimmte Bedeutung für eine ÖSL aufweist, die ggf. durch qualitative Attribute („hoch“, „sehr bedeutsam“ o.ä.) genauer benannt wird. Hierbei ist jedoch deutlich zu machen, dass dies keiner ordinal skalierten Bewertung auf Basis von physisch-quantitativen Daten entspricht. Liegen jedoch physisch-quantitative (kardinal skalierte) Daten vor, kann eine ordinal skalierte Bewertung anhand quantitativer Attribute vorgenommen werden. So könnte beispielsweise die Bedeutung von Grünflächen für die ÖSL „Physische Nutzung von Landschaften“ anhand von erfassten Besucherzahlen erhoben und anschließend ordinal bewertet werden. Auch monetäre Werte können hier ergänzend zur herkömmlichen landschaftsplanerischen Bewertung eingebunden werden.
Konfliktanalyse
Bisher werden in der Landschaftsplanung sowohl naturschutzinterne Zielkonflikte als auch Konflikte landschaftsplanerischer Ziele mit anderen Landnutzungen bearbeitet. Dies ist auf ÖSL auszudehnen, Konflikte, die zwischen der Erhaltung bzw. Förderung unterschiedlicher ÖSL sowie zwischen diesen und anderen Zielen der Landschaftsplanung auftreten können, sind zu thematisieren.
Zielkonzeption: Zielkonkretisierung und Erstellung Leitbild
Generell können sich Ziele der Landschaftsplanung sowohl auf das Dargebot (Potenzial) als auch auf den daraus ableitbaren (spezifischen oder aggregierten) Nutzen beziehen. Bezogen auf das Dargebot sind lediglich qualitative und quantitative Aussagen möglich, nutzenbezogen auch monetäre. Dabei kann auch die künftige Nutzung eines derzeitigen Dargebots thematisiert und ggf. in monetären Werten ausgedrückt werden.
Maßnahmenentwicklung
Im Vergleich der Arbeitsschritte der Landschaftsplanung ist die Maßnahmenentwicklung vermutlich jener Schritt, bei dem eine Thematisierung, insbesondere eine Monetarisierung von ÖSL den größten Nutzen erwarten lässt, da
1. Kosten und Nutzen von Naturschutzmaßnahmen am deutlichsten dargestellt werden können,
2. die voraussichtliche Effektivität und Effizienz von Maßnahmenalternativen (innerhalb der Landschaftsplanung) abgeschätzt und miteinander verglichen werden können,
3. die Kosten und Nutzen von Naturschutzmaßnahmen mit alternativen bzw. konkurrierenden Ansprüchen anderer Landnutzungen verglichen werden können (unter Beachtung der oben erwähnten Restriktionen).
Aus diesen Gründen ist auch eine ausschließlich auf Maßnahmen bezogene Ermittlung von ÖSL in der Landschaftsplanung denkbar. Dies hat gegenüber einer umfassenden Ermittlung bei Bestandaufnahme und -bewertung den Vorteil, dass sie nicht für die gesamte Gemeindefläche erfolgen muss, sondern viel spezifischer in Hinblick auf bestimmte Flächen und Zwecke vorgenommen werden kann.
begleitende Kommunikation und Partizipation
Die bessere Vermittlung und Vermittelbarkeit des Wertes von Natur und Landschaft an politische und administrative Entscheidungsträger sowie die Bevölkerung ist eine der wesentlichen Chancen des ÖSL-Ansatzes (vgl. u.a. Naturkapital Deutschland 2012). Begleitende Kommunikation und Partizipation sind in vielen Landschaftsplanungsverfahren seit langem Standard, sodass hier der Rahmen für eine Ergänzung durch Ökosystemleistungen gegeben ist.
4 Ausblick
Die Integration des ÖSL-Konzepts in die kommunale Landschaftsplanung ist trotz umfangreicher inhaltlicher Ähnlichkeiten und Anknüpfungspunkte kein Selbstläufer. Vielmehr sind – unter Beachtung bestehender Restriktionen – Möglichkeiten zu identifizieren bzw. zu entwickeln, welche den konzeptionellen, inhaltlichen und methodischen Unterschieden beider Konzepte bzw. Instrumente gerecht werden und dennoch ihre Zusammenführung erlauben. Entsprechende Ansätze müssen einerseits leicht nachvollziehbar und „allgemeingültig“ sein, sich andererseits aber spezifisch an die jeweils betrachteten ÖSL sowie die jeweiligen lokalen Erfordernisse und Ressourcen anpassen lassen. Dabei sind insbesondere die begrenzten zeitlichen und personellen Kapazitäten kommunaler Verwaltungen, aber auch von Landschaftsplanungsbüros zu berücksichtigen. Dieser Beitrag gibt entsprechend erste mögliche Ansatzpunkte und Hinweise, diese bedürften allerdings noch einer stärkeren Erprobung und Fortentwicklung in der Praxis.
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