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Editorial

Geld regiert die Welt ... – aber ist es auch das richtige Maß für die Bewertung von Ökosystemleistungen?

„Ja, das Gold regiert die Welt. / Sie baut Throne, / Gott zum Hohne, / der Macht, die sie gefesselt hält.“ Mit dem „Rondo vom goldenen Kalb“ benennt Charles Gounod in seiner 1859 erst­aufgeführten Oper „Margarete“, textlich angelehnt an Gothes Faust I, die Jahrhunderte alte Redensart: Geld regiert die Welt. Wer Geld hat, besitzt die Macht.

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Ist es diese Volksweisheit, welche Wissenschaft, Politik und Praxis treibt, wenn sie Ökosystemleistungen quantifizieren und monetarisieren möchten? Natürlich ist das Konzept motiviert durch das Bestreben, die Beiträge von Ökosystemen für funktionierende Kreisläufe und insbesondere für die anthropogene (nachhaltige) Nutzbarkeit ihrer Bestandteile zu verdeutlichen, auch wenn diese (bislang) keine Marktpreise haben. Aber: Liegt nicht eine Gefahr darin, dass es künftig bei der reinen Berechnung ökonomischer Werte von ÖSL nicht bleibt? Dass derjenige, welcher Geld besitzt (und damit die Welt regiert), sich (frei)kaufen kann, der andere ohne Geld aber einmal mehr als „Looser“ leer ausgeht?

Ein Wertewandel der Gesellschaft

Idealistische versus materialistische Weltanschauung, wie es der Psychoanalytiker Erich Fromm fokussierte: Es ist die Abwägung zwischen ökonomischen und ideellen Werten, die auch hinter der Monetarisierung von ÖSL steht. An der Tatsache, dass viele ehemals ideelle Werte zunehmend ökonomisiert werden, zeigt sich ein Wertewandel der Gesellschaft. Ist der Naturschutz gut beraten, sich an der Forcierung dieses Wertewandels zu beteiligen – oder ist es nicht seine Aufgabe, die ideellen Werte stärker in die Diskussion zu bringen?

„Was man für Geld nicht kaufen kann“ heißt ein Bestseller des US-amerikanischen Philosophen und Harvard-Professors Michael Sandel, der aufzeigt, wie stark sich die Marktwirtschaft in eine Marktgesellschaft gewandelt hat. Er fragt: Muss es nicht moralische Grenzen für die Marktbeherrschung geben?

Negative Ökosystemleistungen

Dr. Michael Jungmeier stellt die Monetari­sierung von Ökosystemleistungen in diesem Heft (Seite 241ff.) kritisch auf den Prüfstand: Es gibt ja nicht nur die „guten“, sondern auch „böse“, also negative ÖSL, wie Jungmeier beschreibt – etwa Insektengradationen, Parasiten, Lästlinge, „Unkräuter“ und Infektionen. Man dürfe sie nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, mahnt er: „Die ausschließliche Bezugnahme auf positive Leistungen ist jedoch unzulässig. So bilanziert kein ordentlicher Kaufmann.“ Auch beinhalten viele ÖSL keine fixen, sondern volatile Werte. Diese können nicht einfach durch Marktmechanismen beeinflusst werden.

Fragen über Fragen, die durch intensivierte Forschung frühzeitig beantwortet werden sollten. Damit muss nicht das ÖSL-Konzept grundsätzlich falsch sein. Aber dessen Operationalisierung für die Praxis sollte stets mit notwendiger kritischer Distanz erfolgen.

Agrarlobby will ein „Weiter so“

Geld regiert die Welt: Für die Entwicklung von Agrarlandschaften gilt das ganz besonders, wie das Titelbild symbolisiert. Der Markt (und hier zunehmend im globalen Maßstab) einerseits, die Förderpolitik (insbesondere die GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik der EU) andererseits heißen die beiden größten Treiber der Landschaftsentwicklung. Der Steuerzahler „steckt“ dem Landwirt in hohem Maße Geld zu – aber kaum für bestimmte Ökosystemleistungen, die er mit seiner Art der Nutzung fördert (fördern könnte), sondern überwiegend mit der Gießkanne verteilt. Sonst müssten extensive Weidesysteme, deren Wirkungen Tonja Mannstedt in einem Beispiel beschreibt (Seite 258ff.), viel höher gefördert werden.

Es regt sich zunehmend gesellschaftlicher Widerstand gegen die vorherrschende Form der Landwirtschaft mit Blick auf Tierwohl, Stickstoffbilanz, Vermaisung, Wirkungen auf Biodiversität, Bodenerosion usw. Ist das der Grund, warum die Agrarlobby den „Brexit“ zu nutzen versucht, wenn die Präsidenten des deutschen und französischen Bauernverbands fordern, die 2020 anstehende Reform der GAP um zwei Jahre zu verschieben? Gemeinsam wollen sie große Veränderungen in der EU-Agrarpolitik ab 2020 verhindern – Lobbyismus zur Besitzstandswahrung nennt man so etwas. Geld regiert die Welt ... – haben wir mit Vernunft und Voraussicht etwas dagegen zu setzen?

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