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Kleinwindenergieanlagen in Deutschland

Mit maximal 50m Höhe könnte die Wirkung von Kleinwindenergieanlagen auf Natur und Landschaft erheblich geringer als die großer Windräder sein. Dennoch führen sie in der öffentlichen Diskussion noch eher ein Schattendasein – und auch zu ihrer rechtlichen und naturschutzfachlichen Bewertung ist relativ wenig bekannt. Ein kurzer Literaturüberblick.

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Abb.  1: Kleinwindenergieanlage auf einer Mülldeponie.   © Helena Schalimow
Abb. 1: Kleinwindenergieanlage auf einer Mülldeponie. © Helena Schalimow
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Der rechtliche Rahmen für die Genehmigung

Von Helena Schalimow

Windenergieanlagen sind Maschinen, welche die Bewegungsenergie des Windes in mechanische Rotationsenergie umwandeln. Die Konvertierung dieser Energie mittels eines Generators in elektrische Energie ist heute die dominierende Anwendung von Windenergieanlagen (Junge 2011: 22, 141f.; Twele et al. 2011: 50; Wosnitza & Hilgers 2012: 193f.).

Eine international einheitliche Definition für kleine Windenergieanlagen existiert bislang nicht. Tendenziell ist jedoch hinsichtlich eines Orientierungsmerkmals eine gewisse Einigkeit erkennbar. Demnach werden Anlagen mit einer Nennleistung, d.h. der maximal zulässigen Generatorleistung, von 100kW weitestgehend übereinstimmend als Kleinwindenergieanlagen (KWEA) deklariert (dena 2013, Hau 2008: 80, 551; Twele 2013: 171; WWEA 2012: 16ff.). In Deutschland hat sich zudem ein Konsens zur maximalen Anlagenhöhe herausgebildet: Aus genehmigungsrechtlichen Gründen wird KWEA eine Gesamt­höhe unter 50m zugeschrieben (Anhang 1 Nr. 1.6 4. BImSchV, Fest 2013: 160).

Die Möglichkeit der Windenergienutzung durch eine KWEA wird nicht nur technisch auf Grundlage der Windverhältnisse, sondern auch durch rechtliche Aspekte bestimmt. Verfahrensrechtlich unterliegen KWEA aufgrund ihrer Gesamthöhe (reine Anlagengröße) von weniger als 50m, als bauliche Anlagen im Sinne der Landesbauordnungen, dem Baurecht der Bundesländer (Falke 2013: 5f.; Gassner & Sander 2010: 9, 11). Inwiefern die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens für ein bestimmtes Kleinwindprojekt erforderlich ist, kann bei der jeweils zuständigen Bauaufsichtsbehörde in Erfahrung gebracht werden (Thorbecke 2013: 57). Je nach bundeslandspezifischen Regelungen in den Landesbauordnungen bedarf es einer Baugenehmigung nach dem förmlichen oder vereinfachten Genehmigungsverfahren oder keiner Genehmigung, wenn das Bauvorhaben die Kriterien für Verfahrensfreiheit oder Verfahrensfreistellung erfüllt (Falke 2013: 7, 11; Thorbecke 2013: 59f.).

In den meisten Bundesländern erfolgt die Errichtung von bis zu 10m hohen Anlagen verfahrensfrei. Für eine Höhe zwischen 10 und 30m ist in der Regel ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren, über 30m Höhe ein förmliches Genehmigungsverfahren durchzuführen (Falke 2013: 7ff., schriftl. Mitt.; Fest 2013: 161; Thorbecke 2013: 59ff.).

Grundsätzlich ist zu beachten: Selbst wenn verfahrensrechtlich keine Baugenehmigung zu beantragen ist, muss die Windenergienutzung durch eine KWEA dennoch rechtskonform erfolgen. Das bedeutet, dass das Einhalten der Rechtsvorschriften auch ohne entsprechende Bestätigung durch eine Behörde, in Form einer Genehmigung, gewährleistet sein muss (Fest 2013: 160, 164; Thorbecke 2013: 63). Im Zusammenhang mit KWEA sind u.a. die Rechtsbereiche Bauplanung, Bauordnung und Immissionsschutz von Bedeutung. Weiterhin muss die Nutzung von KWEA den Anforderungen des Natur- und insbesondere des Artenschutzes entsprechen (EnergieAgentur.NRW 2014, Thorbecke 2013: 63).

Im Gegensatz zu großen Anlagen treffen auf KWEA keine Ausnahmeregelungen mit der Begründung des öffentlichen Interesses zu, weil ihre Verwendung v.a. für die Eigen­versorgung mit Energie und nicht für die Allgemeinheit sinnvoll ist. Dadurch ist ihre Errichtung nicht nur in Nationalparks, Naturschutzgebieten und Natura-2000-Gebieten (ggf. auch im weiteren Umfeld), sondern oftmals auch in Landschaftsschutzgebieten ausgeschlossen (Fest 2013: 165f.).

Die zuständige Fachbehörde gibt den Umfang der erforderlichen natur- und artenschutzrechtlichen Prüfung vor (EnergieAgentur.NRW 2014). Tendenziell ist dieser hinsichtlich des Naturschutzrechts im Geltungsbereich eines Bebauungsplans sowie im Innenbereich, wo nicht alle Vorschriften im vollen Umfang zum Tragen kommen, überschaubarer als im Außenbereich, wo Naturschutzbelange im Sinne von öffentlichen Belangen einem Bauvorhaben, wie oben beschrieben, entgegenstehen können (§18 Abs.2 BNatSchG; Falke 2013: 46). Eine Genehmigung im Zusammenhang mit dem Natur- und Artenschutzrecht, wie z.B. eine naturschutzrechtliche Eingriffsgenehmigung bei Eingriff in Natur und Landschaft, kann ggf. erforderlich sein. Insbesondere im planungsrechtlichen Außenbereich ist davon auszugehen, dass eine KWEA regelmäßig einen solchen Eingriffstatbestand darstellt, der entweder durch die zuständige Naturschutzbehörde oder integriert im Rahmen der Baugenehmigung genehmigt werden muss. In diesem Zusammenhang wird der Nachweis von Kompensationsmaßnahmen erforderlich, durch die der Verursacher des Eingriffs damit verbundene Folgewirkungen ausgleicht oder ersetzt. Dies kann auch in Form einer finanziellen Abgabe erfolgen, die die zuständige Naturschutzbehörde als Bedingung festsetzt (Fest 2013: 160f., 164; Thorbecke 2013: 61, 63; §§14 ff. BNatSchG).

Den Artenschutz betreffend gelten die Bestimmungen des BNatSchG besonders in Bezug auf Fledermäuse und bestimmte Vogelarten uneingeschränkt (Gassner & Sander 2010: 55; EnergieAgentur NRW 2014). Sind solche Arten im Umfeld des geplanten Anlagenstandorts zu erwarten, was, sofern vorhanden, amtlichen Daten entnommen werden kann, muss nachgewiesen werden, inwiefern sie durch die KWEA gefährdet sind (EnergieAgentur.NRW 2014, Thorbecke 2013: 72,).

Demzufolge ist neben der Eingriffsregelung besonders die artenschutzrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit von KWEA zu beachten, denn es gelten naturschutzrechtliche Störungs- und Schädigungsverbote sowie das Umweltschadensgesetz. Wenngleich für Vögel in der Regel kein erhöhtes Risiko durch KWEA angenommen werden kann, ist die Gefährdung von Fledermäusen wahrscheinlich. Maßnahmenempfehlungen zur Vermeidung oder Reduktion von Beeinträchtigungen, die zum Eintreten artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände von KWEA führen können, sowie vertiefende Informationen für die Planungs- und Genehmigungspraxis bietet ein vom Land Rheinland-Pfalz veröffentlichter Leitfaden mit Hinweisen für die artenschutzfachliche Beurteilung von Kleinwindenergieanlagen (LUWG 2015).

Über die aufgeführten Punkte hinaus können Bestimmungen weiterer Rechtsbereiche, wie z.B. des Denkmalschutzes, des Luftverkehrsrechts und des Straßenrechts, zu beachten sein. Aufgrund bundeslandübergreifender Pluralität von Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Errichtung und Betrieb von KWEA sowie aus­geprägter standortspezifischer Einzelfall­bezogenheit der berührten Rechtsbereiche und der sich auswirkenden Regelungen soll es an dieser Stelle bei dem Hinweis darauf verbleiben (Fest 2013: 161, 164; Thor­becke 2013: 72f.).

Das Fehlen einer einheitlichen allgemeinen Regelung des Genehmigungs- und Prüfungsverfahrens hinsichtlich der Zulässigkeit von KWEA ist ein Nachteil der Baugenehmigungsbedürftigkeit (EnergieAgentur.NRW 2014, Gassner & Sander 2010: 6). Erschwerend kommt hinzu, dass die Behörden in der Praxis über wenige oder keine Erfahrungen mit KWEA verfügen und oftmals dazu neigen, sie wie große Anlagen zu behandeln (EnergieAgentur.NRW 2014, Fest 2013: 164f.).

Außerdem wird als Nachteil der Baugenehmigung der höhere Zeit- und Kostenaufwand für das Bauvorhaben empfunden, welcher mit der Beantragung der Genehmigung verbunden ist (BWE 2013: 43f.; Fest 2013: 161). Die Höhe der Genehmigungskosten ist abhängig von den Rahmenbedingungen des einzelnen Projekts (z.B. ggf. erforderliche Genehmigungen von Fachbehörden) und ist daher pauschal nicht zu prognostizieren (Buchhorn 2007). Ebenso wird die Dauer des Bau­genehmigungsverfahrens u.a. dadurch beeinflusst, in welchem Umfang ein Projekt im Einzelfall geprüft wird. Im Durchschnitt ist von etwa drei Monaten auszugehen (Korner 2003). Die Dauer eines Genehmigungsverfahrens kann jedoch zu Gunsten des Vorhabenträgers verkürzt werden, indem dieser durch seine Wahl einer zertifizierten Anlage zur Reduzierung des Prüfungsumfangs hinsichtlich bautechnischer Anforderungen beiträgt (Falke 2013: 31ff.).

Trotz der Umstände, die ein Baugenehmigungsverfahren mit sich bringen kann, sind die Vorteile einer Baugenehmigung gewichtig. Schließlich ist eine Auseinandersetzung mit den Rechtsvorschriften, die ein Kleinwindprojekt im Einzelfall berühren, unabhängig von gegebenen Regelungen zur Genehmigungsbedürftigkeit zwingend erforderlich, damit das Vorhaben den materiell-rechtlichen Anforderungen der tangierten Rechtsbereiche entspricht (Falke 2013: 29). Eine Genehmigung bestätigt demnach nur formal, was ohne Genehmigung ohnehin gewährleistet werden muss, nämlich dass den gesetzlichen ­Regelungen entsprochen wird; sie bietet darüber hinaus dem Vorhabenträger Rechtssicherheit (Fest 2013: 161).

Literatur

Buchhorn, H. (2007): Gebühren und Kosten für die Baugenehmigung. http://www.kosten-hausbau.de/baukosten-hausbau/nebenkosten-hausbau/gebuehren-und-kosten-fuer-die-baugenehmigung-16.html (01.03.2014).

BWE (Bundesverband WindEnergie e.V., 2013): Planung. Energiewende selber machen. In: BWE, Hrsg., 2013): Kleinwindanlagen. Handbuch der Technik, Genehmigung und Wirtschaftlichkeit kleiner Windräder. Berlin, 2. Aufl., 35-53.

dena (Deutsche Energie-Agentur GmbH, 2013): Nennleistung einer Windenergieanlage (WEA). http://www.thema-energie.de/energie-erzeugen/erneuerbare-energien/windenergie/auslegung-montage/nennleistung-einer-windenergieanlage-wea.html (13.12.2013).

EnergieAgentur.NRW GmbH (2014): Kleinwind: Natur- und Artenschutz werfen Verfahrensfragen auf. http://www.energieagentur.nrw.de/kleinwind-natur-und-artenschutz-werfen-verfahrensfragen-auf--23942.asp (01.03.2014).

Falke, C. (2013): Genehmigungspraxis von Kleinwindenergieprojekten. Vortrag im BWE-Seminar „Basiswissen Kleinwindenergie – Wirtschaft, Technik und Recht“. Köln (05.09.2013).

Fest, P. (2013): Genehmigungsrecht von Kleinwindanlagen. Noch viele offene Fragen im Paragraphendschungel. In: Bundesverband WindEnergie e.V., BWE, Hrsg., 2013, Kleinwindanlagen, Handbuch der Technik, Genehmigung und Wirtschaftlichkeit kleiner Windräder, Berlin, 2. Aufl., 159-167.

Gassner, H., Sander, A. (2010): Rechtliches Begleitgutachten Kleinwindenergieanlagen. http://kleinwind.htw-berlin.de/website/fileadmin/data/Download/GGSC_Begleitgutachten_Genehmigung.pdf (13.12.2013).

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) (2013). http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bnatschg_2009/gesamt.pdf (26.02.2014).

Hau, E. (2008): Windkraftanlagen. Grundlagen, Technik, Einsatz, Wirtschaftlichkeit. Berlin, Heidelberg, 4. Aufl.

Junge, G. (2011): Einführung in die technische Strömungslehre. München.

Korner, H. (2003): Baugenehmigungsverfahren. http://baulexikon.de/Bautechnik/Begriffe_Bautechnik/b/BAUlexikon_baugenehmigungsverfahren.htm (01.03.2014).

LUWG (Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht, 2015): Leitfaden. Hinweise für die artenschutzfachliche Beurteilung von Kleinwindenergieanlagen (KWEA). Mainz.

Thorbecke, J. (2013): Rechtliche Rahmenbedingungen für die Errichtung von Kleinwindanlagen auf Berliner Dächern. In: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), Hrsg., Empfehlungen zum Einsatz kleiner Windenergieanlagen im urbanen Raum, Berlin, 55-74.

Twele, J. (2013): Herstellerstandards. Orientierung tut Not. In: Bundesverband WindEnergie e.V., BWE, Hrsg., Kleinwindanlagen, Handbuch der Technik, Genehmigung und Wirtschaftlichkeit kleiner Windräder, Berlin, 2. Aufl., 169-175.

Twele, J., Heilmann, C., Schubert, M. (2011): Konstruktiver Aufbau von Windkraftanlagen. In: Gasch, R., Twele, J., Hrsg., Windkraftanlagen – Grundlagen, Entwurf, Planung und Betrieb, 7. Aufl., Wiesbaden, 50-121.

Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV) (2013). http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bimschv_4_2013/gesamt.pdf (25.02. 2014).

WWEA (World Wind Energy Association, 2012): Small Wind World Report 2012. Bonn.

Wosnitza, F. Hilgers, H.G. (2012): Energieeffi­zienz und Energiemanagement. Ein Überblick heutiger Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Wiesbaden.

Kontakt

M. Eng. Helena Schalimow, Süwag Vertrieb AG & Co. KG, Frankfurt am Main, schreib ihre Masterarbeit zum Thema KWEA Studiengang Umweltmanagement und Stadtplanung in Ballungsräumen an der Hochschule RheinMain.

helena_schalimow@yahoo.de

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