Autochthones Saatgut: Samenernter eröffnet neue Perspektiven
Die Verwendung von qualitativ hochwertigem Saatgut gebietseigener Herkunft anstelle billiger Standardmischungen wird für Begrünungen immer mehr zur Pflicht. Entsprechend nimmt das Angebot von Regiosaatgutmischungen zu. Doch auch Regiosaatgut kann zu einer unerwünschten Vereinheitlichung der Flora führen und ist nicht für alle Standorte geeignet. Naturschutzfachlich vorteilhafter wirkt autochthones Saatgut. Dieses wird direkt in artenreichen, standörtlich der Ansaatfläche ähnlichen Grünlandbeständen der Umgebung geerntet. Aus preislichen oder logistischen Gründen ist die Anwendung von autochthonem Saatgut jedoch oft eingeschränkt. Neue Möglichkeiten eröffnet ein leichter, steilhangtauglicher Wiesensamenernter, der in der Schweiz entwickelt worden ist. Aus artenreichen Grünlandbeständen lässt sich damit kostengünstig und schonend hochwertiges autochthones Saatgut gewinnen.
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Seedstripper-Methode mit dem eBeetle
1 Hoher Bedarf an artenreichem gebietseigenem Saatgut
Tausende von Hektaren werden in Mitteleuropa im Rahmen von Bauprojekten und Renaturierungen jährlich mit Ansaaten begrünt. Ein großer Teil dieser Flächen bietet optimale Bedingungen für die Schaffung artenreicher Grünlandbestände. Dieses Potenzial kann aber nur genutzt werden, wenn geeignetes Saatgut zum Einsatz kommt. Wird dagegen Saatgut mit nicht gebietsheimischen und nicht standortgemäßen Arten oder Ökotypen verwendet, wie das bis heute noch oft die Regel ist, bleibt das große Potenzial ungenutzt. Darüber hinaus können vielfältige Folgeprobleme entstehen wie Florenverfälschung, Verbreitung invasiver Arten oder Erosion durch eine instabile, nicht standortangepasste Vegetation.
Aus diesem Grunde wird in vielen Ländern Europas für Begrünungen immer öfter die Verwendung von artenreichem Saatgut mit regionaltypischer Zusammensetzung gebietseigener Herkunft vorgeschrieben (vgl. §40 Abs. 4 Nr. 4 BNatSchG für Deutschland oder NHG Art. 23 für die Schweiz) oder zumindest bevorzugt. Doch die Realisierung ist in der Praxis oft nicht einfach.
Am häufigsten kommt Regiosaatgut zum Einsatz. Dieses wird in spezialisierten Gärtnereien oder Landwirtschaftsbetrieben vermehrt und stammt von Wildpflanzen, die in definierten Herkunftsräumen gesammelt wurden. Allerdings ist Regiosaatgut oft nicht in der gewünschten Menge, Artenzusammensetzung oder Qualität verfügbar. Zudem können die Kosten sehr hoch sein und eine standörtliche Differenzierung ist nur sehr begrenzt möglich.
2 Das Wiesen-Kopierverfahren
Eine Alternative bietet autochthones Saatgut, auch lokales oder Ökotypen-Saatgut genannt. Im Gegensatz zu Regiosaatgut wird es nicht mittels Anbau vermehrt, sondern stammt direkt von artenreichen Spenderwiesen in der näheren Umgebung der Ansaatfläche. Unter optimalen Bedingungen kann so eine artenreiche Wiese quasi kopiert werden.
Aus ökologischer Sicht bietet autochthones Saatgut gegenüber Regiosaatgut mehrere wesentliche Vorteile:
Die Artenzusammensetzung entspricht dem charakteristischen Artenpool der Kleinregion.
Spenderflächen können gezielt so gewählt werden, dass sie standörtlich auf die Ansaatflächen abgestimmt sind. Damit werden die dem Standort angepassten Arten aus der jeweils entsprechenden Pflanzengesellschaft übertragen.
Gleichzeitig wird ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der regionaltypischen Ökotypenvielfalt geleistet (innerartliche genetische Vielfalt).
In Regionen, wo noch hochwertige Spenderwiesen vorhanden sind, ist die Artenzahl bei autochthonem Saatgut deutlich höher als beim Regiosaatgut.
3 Weitere Methoden für die Saatgutgewinnung
Die am häufigsten verwendete Methode zur Gewinnung von autochthonem Saatgut ist die Mähgutübertragung, auch Direktbegrünung, Heumulch- oder Heugrassaat genannt. Dabei wird das Gras zum Zeitpunkt der Hauptsamenreife des Grünlandbestandes gemäht und in nassem Zustand zusammen mit den Samenständen auf die Ansaatfläche gebracht und dort ausgebreitet.
Die Methode hat den Nachteil, dass Ernte- und Ansaatzeitpunkt übereinstimmen müssen. Zudem ist die Logistik bei größeren Distanzen komplex und teuer, da viel Material transportiert werden muss. Auf steilen Flächen ist die Methode zudem nur begrenzt anwendbar. In der Praxis schränken diese Eigenschaften die Einsatzmöglichkeiten oft stark ein. Vor allem bei Tiefbauprojekten stimmen Ansaatzeitpunkt und Erntezeitpunkt nur selten überein. In komplexeren Projekten muss eine Begrünung oft die ganze Vegetationsperiode hindurch realisiert werden können.
4 „Heugrassaat aus dem Sack“
Eine Alternative zur Mähgutübertragung bieten Methoden, die unter dem Begriff „Heugrassaat aus dem Sack“ zusammengefasst werden können. Dabei wird das Saatgut aus dem Grünlandbestand geerntet, getrocknet und kann dann jederzeit wie übliches Saatgut ausgebracht werden. Für die Ernte kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz, beispielsweise der Wiesendrusch mit angepassten Mähdreschern oder die Heusaat, bei der das Frischgras oder Heu geerntet und separat ausgedroschen wird. Während der Wiesendrusch nur in großflächigen und weitgehend ebenen Grünlandbeständen eingesetzt werden kann, ist die Heusaat in der Regel sehr aufwändig und entsprechend teuer.
5 Seedstripper-Methode optimiert
In der Schweiz, wo sich die meisten artenreichen Spenderwiesen an mehr oder weniger steilen und oft wenig erschlossenen Lagen befinden, ist in den vergangenen Jahren das Seedstripper-Verfahren weiterentwickelt worden. Dabei wird das Saatgut mittels rotierenden Bürsten aus dem Pflanzenbestand geschlagen, abgestreift oder abgerupft. Abgesehen von tragbaren Kleingeräten sehr geringer Schlagkraft gab es bisher lediglich relativ schwere Geräte auf dem Markt, für deren Betrieb ein Traktor oder ein ähnliches Zuggerät nötig ist, was die Einsatzmöglichkeiten auf steileren Flächen stark einschränkt.
Mit dem SeedHarvester eBeetle 1.0 wurde erstmals ein selbstfahrender, leichter und auch in Steillagen einsetzbarer Samenernter entwickelt. Das Gerät wird von einem Akku angetrieben und elektronisch gesteuert. Da der Ernter fast geräuschlos arbeitet und keine Abgase erzeugt, ermöglicht er eine ausgesprochen hohe Arbeitsqualität im Feld. Der eBeetle kann mit einem einfachen Pkw (Kombi) transportiert werden und ist damit sehr flexibel, ökologisch und kostengünstig einsetzbar. Mit einer Batterieladung, die Stromkosten von weniger als 50 Eurocent verursacht, erlaubt der eBeetle je nach Gelände und Pflanzenbestand die Beerntung von einer bis mehreren Hektar pro Tag. Die Erntehöhe lässt sich mit einem Handgriff über eine große Distanz verstellen, so dass von sehr niederwüchsigen Beständen bis hin zu Hochstaudenfluren fast alle Grünlandtypen beerntet werden können.
Dank einer verbesserten Strippertechnik, die mit einem saugenden Luftstrom kombiniert wurde, konnte die Samenausbeute gegenüber üblichen Seedstrippern weiter verbessert werden. Das Gerät arbeitet zudem außerordentlich schonend. Bereits unmittelbar nach der Saatguternte kann der Wiesenbestand ohne Beeinträchtigung landwirtschaftlich z.B. zur Heuproduktion genutzt werden. Auch sind mit dem Harvester mehrere Arbeitsdurchgänge im gleichen Bestand möglich zur Beerntung von Arten mit unterschiedlichen Samenreifezeitpunkten.
6 Neue Perspektiven für hochwertige Saatgutproduktion
Der eBeetle gibt ganz neue Möglichkeiten zur Produktion von hochwertigem lokalem Saatgut zu geringen Kosten an die Hand. Das Gerät hat sich in hartem Feldeinsatz unter verschiedensten Bedingungen ausgezeichnet bewährt und die bisherigen Ernte- und Ansaatresultate sind durchwegs überzeugend. Seit November 2015 wird der eBeetle in Kleinserie in der Schweiz hergestellt und in die EU exportiert.
Die Firma Ö+L GmbH, welche das Gerät produziert, ist selber auf die Produktion von autochthonem Saatgut spezialisiert und bietet Interessenten auf Wunsch eine umfassende Beratung für den Aufbau einer eigenen, regionalen Saatgutproduktion an.
Mehr Informationen unter http://www.ebeetle.ch.
Kontakt
Dr. Andreas Bosshard, Geschäftsführer Ö+L GmbH, Oberwil-Lieli bei Zürich (Schweiz)
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