Wiederansiedlungen als Maßnahmen des Artenschutzes
Abstracts
Um dem Lebensraumverlust und Artenrückgang entgegenzuwirken, werden zunehmend Artenschutzprogramme initiiert,. Diese beinhalten neben einer Verbesserung der Habitatqualität und des Habitatverbunds auch eine Wiederansiedlung von Arten in ihrem ehemaligen Verbreitungsgebiet. In drei Projekten in Norddeutschland wurde in diesem Sinne die geschützte und gefährdete FFH-Libellenart Grüne Mosaikjungfer (Aeshna viridis) wieder angesiedelt, um sie in ihrem Bestand zu erhalten und zu fördern. Aufgrund ihrer engen Bindung an die Eiablagepflanze Krebsschere (Stratiotes aloides) gilt diese Art als extremer Habitatspezialist; sie nimmt unter den Libellen eine Sonderstellung ein.
In zwei der im Beitrag vorgestellten Projekte stand die Wiederansiedlung von S. aloides zur Schaffung von Habitaten für A. viridis im Vordergrund. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ansiedlung von S. aloides häufig, aber nicht immer erfolgreich ist. Mit den Pflanzen kann die Libellenart indirekt über Eier und Larven umgesiedelt werden. Im dritten Projekt fand nach einer erfolgreichen Wiederansiedlung von S. aloides, jedoch ohne indirekte Ansiedlung der Libelle, in einer zweiten Phase die Wiederansiedlung von A. viridis durch ein gezieltes Einbringen von Larven statt.
Reintroduction as a method of species conservation for the Green Hawker (Aeshna viridis) – Contribution to habitat networking in Lower Saxony and Schleswig-Holstein
Habitat loss results in a continuous species decline. Options to stop the decline include the improvement of habitat quality or habitat connectivity and in this context also the reintroduction of species to their former range. This paper presents three species conservation projects in Northern Germany aiming to reintroduce and stabilize the rare and protected dragonfly species Green Hawker (Aeshna viridis). The dragonfly A. viridis is strongly associated with the Water Soldier (Stratiotes aloides) as highly specified plant species for oviposition.
In two of the projects S. aloides was reintroduced in ponds and ditches in order to establish suitable habitats for A. viridis. The results showed that the reintroduction of S. aloides can be successfully implemented but does not always succeed. Beside the plants the dragonfly species could also be reintroduced indirectly, either as egg or larvae, by transferring it together with the plants. In the third project larvae of A. viridis were reintroduced in a second phase after an efficient resettlement of S. aloides some years earlier, since the dragonfly had not been successfully transferred together with the plant.
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1 Einleitung
1.1 Artenschutz
Die Nutzungsintensivierung und Umgestaltung der Landschaft Mitteleuropas führte und führt zu Bestandsrückgängen bei Tier- und Pflanzenarten und zum Verlust von Populationen bis hin zum lokalen oder regionalen Aussterben von Arten. Als Ursachen für den Artenschwund werden der Lebensraumverlust und die Fragmentierung und Isolation geeigneter Lebensräume angesehen (Ekroos et al. 2010, Lehtinen et al. 1999, Sala et al. 2000). Um diesen Gefährdungsfaktoren entgegen zu wirken, finden Artenschutzmaßnahmen zum Schutz lokaler Populationen mit dem Ziel der Bestandssicherung und -optimierung statt. Als essenzielle Elemente von Artenschutzprogrammen gelten Maßnahmen zur Verbesserung der Habitatqualität sowie Verbundmaßnahmen, die eine Möglichkeit darstellen, Populationen gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Arten zu entwickeln und dauerhaft zu erhalten (Riecken et al. 2004, Sukopp et al. 2001).
Viele Arten können Metapopulationen bilden (Hanski 1999). Für den Naturschutz ist das Metapopulationskonzept besonders dann relevant, wenn die Metapopulation im Vergleich mit der Einzelpopulation eine höhere Überlebenschance hat, und es bildet die theoretische Grundlage von Habitatverbundsystemen zum Individuenaustausch zwischen bzw. bei der Neugründung von Teilpopulationen (Reich & Grimm 1996, Settele et al. 1996). Für ein Gelingen von Habitatverbundsystemen mit Wanderkorridoren und Trittsteinen sind Kenntnisse zu aktuellen (Teil-) Populationen und potenziellen Habitaten der Art sowie das Wanderungsverhalten und positive oder negative Einflüsse von Landschaftselementen auf dieses Verhalten unabdingbar. Habitatverbundsysteme können daher immer nur auf Zielarten bezogen geplant und entwickelt werden (Reich & Grimm 1996).
Im Bundesnaturschutzgesetz (BNat SchG) ist die Schaffung eines „länderübergreifenden Biotopverbunds auf mindestens 10 % der Landesfläche“ festgeschrieben (§§20 und 21 BNatSchG). Dies bedeutet nicht nur die Schaffung eines „Biotopverbunds von Flächen nationaler oder internationaler Bedeutung, sondern auch die Kontinuität eines kleinräumigeren, regional-überregionalen Biotopverbundes“ (Burkhardt et al. 2003). Neben allgemeinen Kriterien werden Zielarten, die in der Regel Metapopulationen ausbilden, zur Auswahl von Flächen für den Biotopverbund aufgeführt. Als eine der 187 Zielarten wird die Libellenart Grüne Mosaikjungfer (Aeshna viridis) genannt (Burkhardt et al. 2010).
Die gängigen Maßnahmen im Rahmen des Artenschutzes sind die Erhaltung und die Verbesserung der Lebensräume der zu schützenden Art. Darüber hinaus ist auch die Ansiedlung lokal und regional ausgestorbener oder stark bedrohter heimischer Arten ein mögliches Instrument besonders dann, wenn Zielarten aufgrund fehlender Ausbreitungsmöglichkeiten den Standort nicht erreichen können.
Nach Nowak & Zsivanovits (1982) umfasst die Ansiedlung die vier Typen Wiedereinbürgerung, Bestandsstützung, Umsiedlung und Einbürgerung. Dabei beinhaltet die Wiedereinbürgerung (Wiederansiedlung) das bewusste Freilassen einer Art in einer Region, in der die Art früher vorkam, bevor sie dort verschwand. Im Vergleich dazu wird unter Umsiedlung das Aussetzen einer Art innerhalb einer Region mit lokalen Vorkommenslücken bezeichnet (Nowak & Zsivanovits 1982). Das Ziel einer Ansiedlung ist die Bildung einer freilebenden Population einer Art in ihrem historischen Verbreitungsgebiet, die möglichst alle wichtigen Eigenschaften der ehemaligen Wildpopulation aufweist. Diese Population soll sich so entwickeln, dass sie sich ohne weitere Zusatzmaßnahmen des Menschen langfristig im Gebiet halten kann (Nowak 1982).
Einen völkerrechtlichen Rahmen für die Wiederansiedlung heimischer Arten gibt Art. 9c der Konvention über die biologische Vielfalt von 1992. Auf europäischer Ebene wird in der FFH-Richtlinie die Prüfung der Zweckdienlichkeit einer Wiederansiedlung von heimischen Arten des Anhangs IV genannt, wenn diese Maßnahme zur Erhaltung beitragen kann (Art. 22a). Rechtlich verankert wird die Wiederansiedlung als Maßnahme des Artenschutzes in §37 Abs.1 Nr. 3 BNatSchG.
Somit stellt die Ansiedlung von Arten unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen eine weitere Möglichkeit des Artenschutzes sowie des Habitatverbunds dar.
1.2 Krebsschere (Stratiotes aloides)
Die zu den Froschbissgewächsen gehörende Krebsschere (Stratiotes aloides) ist in Mittel- und Osteuropa verbreitet und gilt als Kennart der Froschbiss-Krebsscheren-Gesellschaft (Hydrocharition morsus-ranae) (Casper & Krausch 2008, Pott 1995). Ihren Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland hat S. aloides im Norddeutschen Tiefland. Sie ist in den Roten Listen Deutschlands, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins als „gefährdet“ (Kategorie 3) geführt. Die Pflanze kommt in den Niederungen entlang von Flüssen und in den Küstenmarschen vor (NetPhyD & BfN 2013), in Niedersachsen in den Flussauen von Aller, Elbe, Wümme und Oste, der Weserniederung um Bremen sowie an der Unterems (Garve 2007). In Schleswig-Holstein ist die Art aktuell zerstreut verbreitet in allen drei Hauptnaturräumen (NetPhyD & BfN 2013), mit einem Schwerpunkt im Übergangsbereich von der Marsch zur Geest.
Stratiotes aloides ist eine meist halb untergetauchte, frei schwimmende, rosettenförmige Wasserpflanze, die Ausläufer bildet. Die Pflanze besiedelt basen- und nährstoffreiche meso- bis eutrophe Stillgewässer (Casper & Krausch 2008, Garniel 1999). Sind diese Voraussetzungen für die Pflanze erfüllt, kann S. aloides geschlossene Bestände ausbilden und die Vegetation eines Gewässers dominieren. Die Art lebt im Winterhalbjahr submers am Gewässergrund, im Frühjahr steigt die Pflanze an die Gewässeroberfläche und erreicht dann im Spätsommer ein optimal ausgebildetes emerses Stadium. Stärkere Wasserstandsschwankungen, insbesondere Trockenfallen sowie eine Gewässereutrophierung, führen zu Bestandseinbrüchen der Art.
S. aloides fördert Verlandungsprozesse; eine zu intensive Gewässerunterhaltung verträgt sie nicht. Die Erfahrungen aus dem ökologischen Grabenräumprogramm des Landes Bremens (Kunze et al. 2012, Nagler & Müller 2012) zeigen, dass mit einer angepassten Grabenunterhaltung S. aloides-Bestände dauerhaft zu sichern und zu optimieren sind. Darüber hinaus konnte in Bremen belegt werden, dass die Umsiedlung von Pflanzen eine erfolgreiche Maßnahme des Artenschutzes darstellt.
1.3 Grüne Mosaikjungfer (Aeshna viridis)
Das Verbreitungsgebiet von A. viridis reicht von den Niederlanden über Skandinavien, Norddeutschland und Osteuropa bis nach Westsibirien (Wildermuth & Martens 2014). In Deutschland ist die Art auf das Norddeutsche Tiefland begrenzt. Aktuell ist A. viridis (Rote Liste 1 = vom Aussterben bedroht in Niedersachsen, 2 = stark gefährdet in Deutschland und Schleswig-Holstein, Anhang IV FFH-Richtlinie) in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Hamburg verbreitet (Müller & Schorr 2001). In Niedersachsen kommt die Art im Bereich größerer Flussniederungen des östlichen Tieflands nur noch sehr zerstreut, im westlichen Tiefland selten vor (Altmüller & Clausnitzer 2010). Aktuell liegen Nachweise an Aller und Elbe, der Weserniederung bei Bremen sowie der Emsniederung bei Leer vor, wobei die Vorkommen stark rückläufig sind (NLWKN 2011). In Schleswig-Holstein findet sich A. viridis aktuell zerstreut in allen drei Hauptnaturräumen, mit einer höheren Fundortdichte in Teilen der Eider-Treene-Sorge-Niederung (Haacks & Peschel 2007, Winkler 2011).
Aufgrund der engen Bindung von A. viridis in Europa an die Eiablagepflanze S. aloides gilt die Art als extremer Habitatspezialist und nimmt unter den Libellen eine Sonderstellung ein (Münchberg 1930). Außerhalb des Verbreitungsgebiets von S. aloides kommt A. viridis nicht vor und kann daher als Charakterart der S. aloides-Gewässer bezeichnet werden (Peters 1987). Die Art besiedelt, sofern dichte S. aloides-Bestände vorhanden sind, Fließgewässer mit geringer Strömung sowie Stillgewässer. Zu den spezifischen Habitatansprüchen, die über ihre enge Bindung an S. aloides hinausgehen, ist bisher wenig bekannt.
Für eine dauerhafte Sicherung und Entwicklung der A. viridis-Populationen spielt die Pflege und Unterhaltung der S. aloides-Gewässer eine entscheidende Rolle, denn mit dem Rückgang dieser Pflanze geht auch eine abnehmende Anzahl und Größe der A. viridis-Populationen einher. Neben der Erhaltung vorhandener Bestände von S. aloides stellt daher die Ansiedlung der Pflanze eine hervorragende Möglichkeit dar, neue Lebensräume für A. viridis zu schaffen.
Wiederansiedlungsprojekte von Wirbellosen gibt es vereinzelt, so z.B. von Tagfaltern, Heuschrecken oder Eintagsfliegen (Ehrhardt 2013, Hemp 2000, Tittizer et al. 2008, Witzenberger & Hochkirch 2007). Hinsichtlich Libellen und speziell A. viridis liegen bisher jedoch keine Erfahrungen vor, somit stellt die hier vorgestellte Wiederansiedlung von Larven im Dümmergebiet Neuland dar.
2 Artenhilfsprogramme für Aeshna viridis in Niedersachsen und Schleswig-Holstein
2.1 Projekt 1: Hunte-Weser-Niederung (Niedersachsen)
Im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts „Artenhilfsprogramme für die FFH-Libellenarten Aeshna viridis, Coenagrion mercuriale und Coenagrion ornatum in NW-Deutschland – wissenschaftliche Grundlagen und Maßnahmen zur Verbesserung der Habitatqualität und des Habitatverbundes“ fand unter anderem eine Zustandsanalyse der Populationen von A. viridis sowie darauf aufbauend die Planung und Erprobung von Maßnahmen zur Verbesserung der Habitatqualität und des Habitatverbunds für diese Art in der Hunte-Weser-Niederung statt. A. viridis sowie S. aloides kommen in mehreren Gebieten dieses Raumes vor (Kastner et al. 2011).
Das Projekt wurde unter der Leitung der Universität Oldenburg in Kooperation mit den Unteren Naturschutzbehörden und Unterhaltungsverbänden durchgeführt. Das Projektgebiet liegt im Nordwesten Niedersachsens zwischen Oldenburg und Bremen und erstreckt sich über die Landkreise Wesermarsch und Oldenburg sowie die Stadt Oldenburg. Wesentliche Komponenten eines Artenhilfsprogramms für die Libellenart sind hier die Erhaltung und Optimierung der Lebensräume, die Vernetzung innerhalb eines Gebiets sowie die Vernetzung zwischen zwei und mehreren Gebieten. Im Rahmen des Projekts wurden daher autochthone S. aloides-Bestände aus geeigneten Spendergewässern entnommen und in geeignete Empfängergewässer im Projektgebiet eingebracht sowie eine Erfolgskontrolle der Maßnahmen durchgeführt.
2.2 Projekt 2: Dümmerniederung (Niedersachsen)
Im Rahmen eines Kooperationsvertrags des Naturschutzrings Dümmer e.V. mit dem Land Niedersachsen wurde 2011 das Artenschutzprojekt „Grüne Mosaikjungfer“ in der Dümmerniederung initiiert. Dortige Vorkommen von A. viridis sind zusammen mit den Beständen von S. aloides in den 1960er Jahren verschwunden (Blüml et al. 2008, Graebner & Hueck 1931, NLWKN 2011). Mit der Wiederansiedlung von S. aloides im Dümmergebiet wurde 2001 begonnen. Diese schuf die Voraussetzung für eine Wiederansiedlung von A. viridis. Das Artenschutzprojekt hatte die Wiederansiedlung von A. viridis in der Dümmerniederung zum Ziel und damit zugleich die Wiederherstellung eines Teils des früheren Verbreitungsgebiets der Art (vgl. NLWKN 2011). Die Wiederansiedlung wurde von Maßnahmen zur Verbesserung der Habitatqualität und des Habitatverbunds begleitet. Das Projekt wurde vom Land Niedersachsen finanziert und von den unteren Naturschutzbehörden der Landkreise Diepholz, Vechta und Osnabrück sowie dem Land Bremen unterstützt.
Bisher liegen keine Erfahrungen hinsichtlich der Wiederansiedlung von Libellen vor. Das Projekt bietet somit die Chance, Erkenntnisse zu sammeln, die auch für andere Regionen und evtl. andere Libellenarten relevant sein können.
2.3 Projekt 3: Dithmarschen (Schleswig-Holstein)
Im Kreis Dithmarschen befindet sich im Übergangsbereich von der Marsch zur Geest ein ehemaliger Verbreitungsschwerpunkt von S. aloides und A. viridis. Bei aktuellen Kartierungen wurde jedoch nur noch ein Krebsscherenvorkommen in der Gemeinde Odderade nachgewiesen. Stichprobenhafte Exuvienzählungen lassen darauf schließen, dass es sich um einen der größten Bestände von A. viridis in Schleswig-Holstein handelt.
Aufgrund des drastischen Rückgangs beider Arten im Kreisgebiet wurde 2010 das Artenhilfsprojekt „Grüne Mosaikjungfer und Krebsschere in Dithmarschen“ gestartet. Das Projekt wird vom Bündnis Naturschutz in Dithmarschen e.V. in Kooperation mit der Faunistisch-Ökologischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein e.V., der DVL-Artenagentur Schleswig-Holstein sowie der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein durchgeführt. Es wurde aus Artenschutzmitteln des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume finanziert. Ziel ist die Förderung und langfristige Sicherung der Bestände beider Arten im Kreisgebiet durch die Schaffung eines Habitatverbunds. Dabei wurden bestehende sowie neu angelegte Gewässer mit autochthonen S. aloides-Pflanzen aus dem zuvor genannten Gewässer bei Odderade besetzt (Mauscherning et al. 2011) und eine Erfolgskontrolle durchgeführt.
3 Praktische Durchführung der Maßnahmen und Ergebnisse
3.1 Projekt 1: Hunte-Weser-Niederung
Im Rahmen der Entwicklung eines Artenschutzkonzepts für A. viridis in der Hunte-Weser-Niederung fanden mehrere Umsiedlungsmaßnahmen von S. aloides statt. Aufbauend auf den Erfahrungen aus Bremem (Jordan et al. 2010) wurden in 22 Gewässer S. aloides-Pflanzen eingebracht. Dabei wurden die Pflanzen mittels „Krebsscherenpflücker“ aus dem Spendergewässer entnommen, auf einen Anhänger verladen, zum Empfängergewässer gebracht und dort wiederum mittels „Krebsscherenpflücker“ als kompakter Bestand eingesetzt (Abb. 1).
Durchgeführt wurden die Maßnahmen im April 2012, Oktober 2012 und 2013 sowie im Dezember 2013 und 2014. Je Gewässer wurden zwischen ca. 100 und 1000 Pflanzen, die im Spendergewässer sehr dichte emerse Bestände ausbildeten, eingebracht. Die Auswahl der Empfängergewässer fand unter Berücksichtigung folgender Punkte statt:
Die Gewässer führen dauerhaft Wasser.
Ihre Wassertiefe beträgt mindestens 50cm.
Ein Interessenkonflikt zwischen Gewässerunterhaltung und Artenschutz besteht nicht.
Gräben wurden vor dem Einbringen der Pflanzen geräumt.
In den darauffolgenden Vegetationsperioden fand eine Erfolgskontrolle der Maßnahmen statt, bei der Deckungsgrad, die Anzahl der Pflanzen sowie die Angabe, ob es sich um emerse oder submerse Bestände von S. aloides handelt, notiert wurden. Darüber hinaus wurden Exuvien sowie Weibchen von A. viridis bei der Eiablage erfasst.
Die Erfolgskontrollen der Umsiedlungen zeigen, dass Ende 2014 von 22 durchgeführten Maßnahmen insgesamt zwölf als positiv und vier als negativ bewertet werden können. Für sechs Gewässer ist aktuell eine Aussage noch nicht möglich, da die Maßnahmen erst im Winter 2014 durchgeführt wurden (Tab. 1). Von den als positiv bewerteten Umsiedlungen weist das Gewässer mit der längsten Entwicklungszeit (zwei Jahre) den am besten entwickelten Bestand an S. aloides auf. Der eingesetzte Pflanzenbestand hat sich von ca. 20 m2 (2012) hin zu einem dichten emersen Bestand von ca. 120 m2 (2014) etwa versechsfacht. Da das Gewässer für weitere Bestandsausdehnungen noch Potenzial bietet, kann mit einer weiteren Vergrößerung gerechnet werden. Die anderen Gewässer mit einer positiven Entwicklung zeigen nach dem ersten Entwicklungsjahr Pflanzenbestände in unterschiedlicher Größe und überwiegend emerser Ausprägung.
Von den vier Gewässern mit negativer Entwicklung zeichnen sich drei Gewässer durch eine starke Wassertrübung aus. Bei den Kontrollen wurde keine der eingebrachten Pflanzen nachgewiesen, daher müssen diese Maßnahmen als gescheitert eingestuft werden. Der Graben mit ebenfalls negativer Entwicklung zeigte im ersten Jahr (2012) eine sehr positive Entwicklung, der Pflanzenbestand war dicht und emers. Im zweiten Jahr (2013) konnten dann nur wenige submerse Pflanzen nachgewiesen werden, im dritten Jahr (2014) wurden insgesamt noch fünf Pflanzen erfasst. Die genauen Gründe für die negative Entwicklung sind nicht bekannt; vermutet wird jedoch, dass im Zuge von Baumaßnahmen starke kurzzeitige Änderungen in den Wasserständen auftraten und sich diese negativ ausgewirkt haben. Da jedoch noch einzelne Pflanzen im Gewässer vorhanden sind, kann sich daraus wieder ein größerer Bestand entwickeln.
Die ebenfalls im Rahmen der Erfolgskontrolle durchgeführte Erfassung von Exuvien und Imagines an den 13 Gewässern mit S. aloides erbrachte für fünf Gewässer Exuvien- und für sechs Gewässer Eiablagenachweise von A. viridis (Tab. 1). Dabei wurden zwischen zwei und 110 Exuvien gesammelt und bis zu 20 Eiablagen beobachtet. Da die Larvalentwicklung der Art zweijährig ist (Wittenberg et al. 2015), stammen die Exuvien von Larven und Eiern, die zusammen mit den S. aloides-Pflanzen in die Ansiedlungsgewässer gebracht wurden und sich dort entwickelt haben. An dem Gewässer, welches sich seit 2012 positiv entwickelt, kann 2015 mit den ersten sich dort komplett entwickelten Individuen gerechnet werden, das Gleiche gilt für die anderen Gewässer, in denen Eiablagen beobachtet wurden und bei denen 2016 mit der ersten Imaginalgeneration zu rechnen ist. Der Nachweis von Exuvien zeigt, dass die Umsiedlung von S. aloides gleichzeitig auch zu einer Ansiedlung von A. viridis führte. Die beobachteten Eiablagen bestätigen, dass die reich entwickelten Bestände von S. aloides den Ansprüchen der Libelle an ein Eiablagehabitat genügen.
3.2 Projekt 2: Dümmerniederung
Eine Wiederansiedlung von S. aloides im Dümmergebiet fand bereits im Jahr 2001 statt (Körner & Marxmeier 2005) (Tab. 2). Diese hatte jedoch nicht die Wiederansiedlung von A. viridis im Fokus. Die Pflanzen stammten damals aus einem stark verlandeten Graben und waren bereits am Vortag von einem Räumgerät am Grabenrand abgelegt worden. So bestand eine nur sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass A. viridis schon damals indirekt als Ei oder Larve mit den Pflanzen in das Dümmergebiet eingebracht wurde. Da die eingebrachten Pflanzen in vielen damals ausgewählten Ansiedlungsgewässern wieder verschwanden, hätten sich auch evtl. mit ihnen eingebrachte Eier nicht entwickeln können. In den Gewässern, in denen sich S. aloides schließlich durchsetzte, stellte sich erst nach einigen Jahren ein für A. viridis geeignetes Habitat ein.
Die der Dümmerniederung nächstgelegenen Vorkommen von A. viridis befinden sich in Bremen in ca. 80 km Luftlinienentfernung. Vorkommen von S. aloides sind in Niedersachsen nur noch fragmentarisch vorhanden; „Trittsteine“, die es A. viridis ermöglichen würden, eigenständig aus dem Bremer Raum die Dümmerniederung zu erreichen, sind nicht vorhanden.
Zu Beginn des Artenschutzprojekts hatten sich stabile Bestände von S. aloides entwickelt. So wies ein Gewässer Pflanzenbestände von über 1000 m2 und einem Deckungsgrad von oft 100 % auf. Diese Gewässer erschienen für eine Wiederansiedlung von A. viridis besonders geeignet. Aufgrund der engen Bindung der Art an S. aloides, d.h. einer wahrscheinlich engen Bindung an das Habitat, in dem der Schlupf erfolgte, erschien ein Wiederansiedlungsversuch aussichtsreich.
Die Wiederansiedlung von A. viridis ist von Maßnahmen zur Verbesserung der Habitatqualität und der -vernetzung flankiert worden. Durch Neuanlagen und Optimierung von Gewässern wurde ein engmaschiger Gewässerkorridor entwickelt, über den sich die Art den neuen Lebensraum erschließen soll. In die Projektgewässer wurde S. aloides aus vorhandenen Beständen im Dümmergebiet eingebracht (Tab. 2).
Als Spenderpopulation für die Wiederansiedlung von A. viridis wurde in Zusammenarbeit mit H. Klugkist (Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen) das Vorkommen im Bremer Hollerland ausgewählt, da hier eine Entnahme aufgrund der individuenreichen Population als naturschutzfachlich vertretbar eingestuft wurde. Darüber hinaus war diese Population die nächstgelegene zum Dümmergebiet und konnte daher am ehesten als autochthon gewertet werden.
Aufgrund der engen Bindung der Art an S. aloides war zu Beginn angedacht, Pflanzen zu entnehmen, in die nachweislich Weibchen von A. viridis Eier abgelegt hatten. Dies erwies sich jedoch als wenig praktikabel, da die Flugzeit der Weibchen nicht vorhersagbar und witterungsabhängig ist. Da die Art eine zweijährige Larvenentwicklung durchmacht (Wittenberg et al. 2015) und die erste Überwinterung als Ei und die zweite als Larve stattfindet, bot es sich an, Larven zu entnehmen, die sich in den Pflanzen von S. aloides aufhielten. Diese Larven würden dann im Ansiedlungsgewässer überwintern und im Folgejahr schlüpfen. Für die Entnahme wurden die Pflanzen leicht untergetaucht und der dabei frei werdende Wasserkörper auf Larven hin durchkeschert (Abb. 2). Dies stellte sich als sehr effiziente Methode heraus, mit der in relativ kurzer Zeit eine größere Anzahl von Individuen gefangen werden konnte. Die so entnommenen Larven wurden in eine Transportbox überführt. Da die Larven von A. viridis gut von denen anderer Libellenarten zu unterscheiden sind, konnten sie selektiv gefangen werden. Larven anderer Arten wurden wieder in das Gewässer zurückgesetzt. Auf diese Weise sind im September 2011, 2012 und 2013 Larven von A. viridis entnommen und umgesiedelt worden. Es wurde entschieden – unterstützt durch die Schlupfergebnisse 2012 –, sämtliche Larven in nur ein Gewässer einzubringen. Von 2011 bis 2013 wurden insgesamt 1071 Larven umgesiedelt (Tab. 3).
2012 bis 2014 wurde mittels Erfassung von Exuvien und Imagines kontrolliert, ob die zuvor eingebrachten Larven erfolgreich geschlüpft waren. Darüber hinaus wurden weitere Gewässer mit Beständen von S. aloides auf Exuvien und Imagines hin überprüft. Ab dem Jahr 2014 war – bei einem erfolgreichen Verlauf des Projekts – mit einem ersten Auftreten von Exuvien an weiteren Gewässern zu rechnen.
Nach Ansiedlung von Larven im Jahr 2011 sowie 2012 und 2013 wurde bei den darauf folgenden Exuvienerfassungen jeweils ein erfolgreicher Schlupf von A. viridis festgestellt. Insgesamt wurden über die drei Jahre hinweg 298 Exuvien im Ansiedlungsgewässer gezählt (Tab. 3). Im Jahr 2012 erfolgten vereinzelte Sichtbeobachtungen von Imagines, jedoch konnten keine Eiablagen beobachtet werden. 2013 und 2014 wurden am Ansiedlungsgewässer und an nahegelegenen weiteren Gewässern insgesamt 118 Imagines festgestellt (Tab. 4).
In beiden Jahren wurden zahlreiche Eiablagen an insgesamt fünf Gewässern innerhalb dichter Bestände von S. aloides beobachtet. Darüber hinaus gelangen Beobachtungen von Imagines etwa 2 km vom Ansiedlungsgewässer entfernt. In einem Gewässer mit S. aloides in unmittelbarer Nähe zum Ansiedlungsgewässer wurden 2014 insgesamt 13 Exuvien von A. viridis gefunden (Tab. 3). Daraus folgt, dass die Art dort 2012 Eier abgelegt haben muss, sich die Larven in diesem Gewässer entwickelt haben und nach einer Larvalzeit von zwei Jahren (vgl. Wittenberg et al. 2015) erfolgreich zum Schlupf gekommen sind.
Damit kann schlussgefolgert werden, dass sich die Art im ersten Jahr nach der Wiederansiedlung erfolgreich reproduziert und eigenständig im Gebiet ausgebreitet hat. Die große Anzahl von geschlüpften Larven (Tab. 3), der Schlupf von Larven in einem neu besiedelten Gewässer (Tab. 3), die Beobachtung zahlreicher Imagines (Tab. 4) sogar in weiterer Entfernung zum Ansiedlungsort und vor allem der Nachweis von Eiablagen ebenfalls an neuen Gewässern deuten darauf hin, dass die Wiederansiedlung von A. viridis bisher sehr erfolgreich verläuft.
3.3 Projekt 3: Dithmarschen
Die Schaffung eines Habitatverbunds für A. viridis in Dithmarschen wurde in drei Phasen umgesetzt. In der ersten Phase (2010) wurden geeignete Gewässer ermittelt und in geringem Umfang per Hand mit autochthonen S. aloides-Pflanzen aus einem Spendergewässer besetzt (Mauscherning et al. 2011). Auf Basis der positiven Erfahrungen der Ansiedlungsversuche sind innerhalb der zweiten Phase Kleingewässer angelegt und in größerem Umfang mit autochthonen S. aloides-Pflanzen beimpft worden. In einer dritten Phase wurden 2013 in geringem Umfang per Hand drei Gewässer mit Pflanzen nachbesetzt.
Im Spätsommer 2011 wurden auf Flächen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein 14 Stillgewässer ähnlicher Größe und Tiefe an insgesamt fünf Standorten neu angelegt. Vier der Standorte wurden extensiv mit Rindern beweidet. Auf diese Weise sollte das zu schnelle Zuwachsen der Gewässer verhindert werden. Im Mai 2012 sind neun der Gewässerneuanlagen, d.h. ein bis zwei je Standort, mit S. aloides-Pflanzen beimpft worden (Mauscherning et al. 2012). Ausgewählt wurden Gewässer mit einem möglichst hohen Wasserstand, die zugleich günstige Zufahrtsmöglichkeiten boten. Für die Pflanzenumsiedlung kamen ein Langarm-Bagger und mehrere Muldenkipper zum Einsatz.
Mit Hilfe der Baggerschaufel wurde das Pflanzenmaterial aus dem Spendergewässer entnommen, auf die Muldenkipper verladen und pro Gewässer zwei Ladungen abgeladen (Abb. 3). Da keine geschlitzte Baggerschaufel für die Entnahme zur Verfügung stand, wurde beim Entnehmen der Pflanzen aus dem Spendergewässer auch Wasser und Schlamm verladen und in die Ansiedlungsgewässer transportiert. Für das Abladen der Pflanzen fuhren die Muldenkipper möglichst dicht an die Gewässer heran und kippten die Fracht dort aus einer Höhe von etwa 1,60m langsam ab. Der Uferbereich wurde mit Silofolie ausgelegt, so dass das Material ungehindert in die Gewässer gleiten konnte. Die einzelnen S. aloides-Pflanzen sind danach per Hand in eine aufrechte Position gebracht worden. Um ihr Verdriften zu verhindern sowie einen dichten und für A. viridis wahrnehmbaren S. aloides-Bestand zu bilden, fand mit Hilfe von Kaninchendraht eine Umzäunung statt. Aufgrund der großen mechanischen Belastung vor allem beim Abladen verloren viele Pflanzen einen größeren Teil ihrer Blätter, die daraufhin lose in den Gewässern trieben.
Im Rahmen der Erfolgskontrolle 2012 sind alle Ansiedlungsgewässer auf den Bestand von A. viridis und S. aloides hin untersucht worden. Hierfür wurden der Deckungsgrad von S. aloides aufgenommen, Exuvien gesammelt, Imagines beobachtet und die Larvendichte im Herbst ermittelt. Die S. aloides-Bestände direkt nach der Umsiedlung wurden auf eine Größe von etwa 7 bis 10 m2 geschätzt. Im Verlauf des Jahres entwickelten sich diese dann sehr unterschiedlich. In zwei Gewässern wurden keine Krebsscheren und in einem Gewässer nur noch ein Exemplar nachgewiesen (Tab. 5). In den übrigen Gewässern regenerierten sich die beschädigten Pflanzen vielfach. In zwei Gewässern ging der Bestand dennoch zurück, während sich in vier Gewässern der Bestand in etwa auf dem Anfangsniveau halten konnte.
In acht der neun Gewässer wurden 2012 Exuvien von A. viridis nachgewiesen (Tab. 5), deren Anzahl zwischen zwei und 88 Exuvien je Gewässer schwankte. Eine sehr geringe Exuvienzahl wurde an zwei Gewässern ermittelt. Während der Exuvienerfassung wurden immer wieder vereinzelt Larven gesichtet. Die systematische Erfassung der Larvendichte Ende September erbrachte jedoch nur für zwei der Gewässer einen Larvennachweis mit fünf bzw. neun Individuen pro m2 S. aloides-Bestand. Vermutlich handelte es sich bei den während der Exuviensuche gesichteten Larven um schlupfreife Individuen, die die Gewässer im September bereits verlassen hatten. Nachweise von eiablegenden Weibchen gelangen 2012 an insgesamt vier Gewässern.
Bei der Kontrolle im Jahr 2013 war S. aloides noch in sechs Gewässern, jedoch nur an einem mit einem größeren Bestand, an dem auch Imagines von A. viridis flogen, vorhanden (Mauscherning et al. 2014). Als eine wesentliche Ursache für den Rückgang von S. aloides wurde angenommen, dass sich die zum Teil intensive Nutzung der Gewässer durch die Rinder negativ auf die Etablierung der Art auswirkte. Daraufhin wurden Ende 2013 nochmals 250 Pflanzen per Hand aus dem Spendergewässer entnommen und auf drei Gewässer verteilt. Zuvor wurde eines der Gewässer mit einem E-Zaun abgezäunt und an den beiden anderen Gewässern wurden die Rinder von der Fläche genommen.
Im August 2014 wurde S. aloides nur noch in zwei Gewässern nachgewiesen (Tab. 5). In einem der beiden Gewässer zeigte der S. aloides-Bestand eine sehr positive Entwicklung. Er war dicht und nahm etwa 500 m2 ein. Der Bestand im zweiten Gewässer hatte nach einer Nachbesetzung mit Pflanzen im Jahr 2013 (Mauscherning et al. 2014) seine Größe gegenüber dem Vorjahr in etwa gehalten. In den übrigen Gewässern waren keine emersen Pflanzenbestände vorhanden. Demnach boten 2014 nur noch zwei Gewässer für A. viridis potenzielle Habitate.
4 Diskussion
Neben der Erhaltung vorhandener S. aloides-Bestände stellt die Ansiedlung eine Möglichkeit dar, neue Lebensräume für A. viridis zu schaffen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ansiedlung von S. aloides in geeignete Gewässer eine sehr gute Methode ist, zielartengenau (A. viridis) Maßnahmen planen und umsetzen zu können und so geeignete Habitate für A. viridis neu zu schaffen. Gleichzeitig kann neben der Ansiedlung der Pflanze auch die Libelle als Ei oder Larve mit in das Zielgewässer gebracht werden. Jedoch zeigen die Ergebnisse auch, dass Ansiedlungsmaßnahmen von S. aloides nicht immer zu einer Etablierung der Pflanzenbestände und zu einer indirekten Ansiedlung der Libelle führen müssen.
Langjährige Erfahrungen zur Umsiedlung von S. aloides liegen bisher aus Bremen vor. Dort fanden erste Umsiedlungen der Art mit wissenschaftlicher Begleitung in den 1980er-Jahren im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen statt (Handke et al. 1999) und wurden zuletzt im Rahmen des Projekts „Erprobung von Managementmaßnahmen in Bremen zum Erhalt der Krebsschere“ optimiert und wissenschaftlich begleitet (Jordan et al. 2010, Kunze et al. 2012). Die Ergebnisse aus Bremen zeigen, dass sich in den beimpften Gewässern nach wenigen Jahren große geschlossene Pflanzenbestände bilden. Neben S. aloides konnten darüber hinaus unbeabsichtigt weitere gefährdete Arten aus den Spendergewässern in die Empfängergewässer eingebracht werden (Jordan et al. 2010, Kundel 2001).
In den Projektgewässern bildeten sich relativ rasch große geschlossene S. aloides-Bestände durch vegetative Vermehrung. Weitere Pflanzenbestände zeigten ebenfalls eine gute Entwicklung und lassen in den nächsten Jahren große zusammenhängende Bestände erwarten. Aufgrund der Erfahrungen aus Bremen, dass Umsiedlungen größerer Pflanzenbestände erfolgreicher sind als das Einbringen von einzelnen Pflanzen (Kundel 2001) – bedingt durch die bestandskontrollierende (allopathische) Wirkung größerer Bestände (Mulderij et al. 2006) – wurde im Rahmen der hier vorgestellten Maßnahmen meist versucht, eine größere Anzahl an Pflanzen und diese dann kompakt an einer Stelle in die Ansiedlungsgewässer einzubringen.
Mögliche Ursachen für die negative Entwicklung einiger Maßnahmen können ein Verdriften der Pflanzen durch Wind und/oder Strömung, schwankende Wasserstände mit kurzzeitigem Trockenfallen, eine zu starke Wassertrübung sowie ungeeignete hydrochemische Bedingungen sein. Für die Bestände in Dithmarschen können darüber hinaus noch die starke mechanische Belastung der Pflanzen bei der Umsetzung und Schäden durch Tritt und Fraß von Weidevieh eine mögliche Ursache sein. Im Dümmergebiet verhinderte in größeren Gewässern der Fraßdruck durch Wasservögel, insbesondere Gänse und Schwäne, sowie durch den Bisam die Etablierung der Pflanzenbestände. Hier bleibt abzuwarten, ob damit die Entwicklung von Pflanzenteppichen gänzlich unterbunden oder nur verzögert wird.
Die Umsiedlungsmaßnahmen in der Hunte-Weser-Niederung fanden überwiegend im Herbst und Winter im Zuge der regulären Grabenräumung statt, da die Pflanzen aus zu räumenden Gräben entnommen wurden. Die beiden im Frühjahr durchgeführten Maßnahmen zeigen eine negative Entwicklung, jedoch sind vermutlich die oben genannten Gründe und nicht der Zeitpunkt ausschlaggebend dafür gewesen. Die Maßnahmen in Dithmarschen wurden überwiegend im Mai durchgeführt und weisen zum Großteil eine negative Bilanz auf, wofür jedoch vermutlich andere Ursachen bestehen. Die Erfahrungen aus Bremen zeigen, dass sich die im Herbst umgesiedelten Bestände besser entwickelt haben als die im Frühsommer eingebrachten (Jordan et al. 2010, Kunze et al. 2012).
Mit dem in Bremen entwickelten „Krebsscherenpflücker“ wurden in der Hunte-Weser-Niederung durchweg positive Erfahrungen gesammelt. Die Pflanzen können als kompakter Bestand aus dem Gewässer entnommen und ebenfalls als kompakter Bestand in das Zielgewässer eingebracht werden, ohne dass es zu nennenswerten Verlusten oder Beschädigungen kommt. Anders war die Methode in Dithmarschen, wo ein Langarmbagger mit konventionellem Grabenräumlöffel eingesetzt wurde, wodurch bei der Entnahme der Pflanzen auch größere Mengen Wasser auf den Muldenkipper aufgeladen wurden. Das Abkippen der Fracht an den Zielgewässern führte zu teilweise massiven Schädigungen der Pflanzen und vermutlich auch der Libellenlarven. Derartige Schädigungen hätten sicherlich minimiert werden können, wenn S. aloides am Zielort per Hand von den Muldenkippern abgeladen worden wäre. Ein möglicher Vorteil des Transports der Pflanzen im Wasser könnte darin bestehen, dass bei einer größeren Entfernung zwischen Spender- und Zielgewässer unter Umständen die Mortalitätsrate der Larven gesenkt werden kann. Dennoch ist die Verfrachtung von S. aloides mit dem „Krebsscherenpflücker“ als deutlich schonender einzustufen und bei Verfügbarkeit eindeutig zu bevorzugen.
Bei den hier vorgestellten Projekten zur Ansiedlung von S. aloides in Dithmarschen und der Hunte-Weser-Niederung wurde A. viridis durch das Umsiedeln der Pflanzen, in denen sich Eier und/oder Larven befanden, gleichzeitig in die Ansiedlungsgewässer gebracht. Die erfolgreiche Entwicklung sowie die beobachteten Eiablagen zeigen, dass die angesiedelten Bestände von S. aloides den Habitatansprüchen der Libellenart entsprechen. Diese indirekte Ansiedlung der Libellenart gelang bei der Wiederansiedlung von S. aloides im Dümmergebiet nicht. Daher wurde nach erfolgreicher Wiederansiedlung von S. aloides die Libellenart anschließend gesondert im Dümmergebiet angesiedelt.
Die bisherigen Ergebnisse aus dem Dümmergebiet belegen, dass eine gezielte Larvenansiedlung von A. viridis in Gewässer mit großen und dichten Beständen von S. aloides eine erfolgreiche Methode darstellt. Schon die erste im Dümmergebiet geschlüpfte Generation hat sich im Gebiet eigenständig und erfolgreich reproduziert und die Imagines haben neben dem eigentlichen Ansiedlungsgewässer auch weitere, z.T. entfernt liegende Gewässer mit S. aloides aufgesucht. Die beobachteten Eiablagen bestätigen, dass die vorhandenen Gewässer mit S. aloides den Habitatansprüchen der Art entsprechen.
Abzuwarten bleibt, ob sich eine stabile Population von A. viridis langfristig etablieren wird undund ob sich diese ausbreiten kann. Dies hängt in besonderem Maß von der weiteren Entwicklung der S. aloides-Bestände im Projektgebiet ab. S. aloides kann im Dümmergebiet vor allem durch schwankende Wasserstände und das Trockenfallen von zumindest Teilen der Vorkommensgewässer beeinträchtigt werden. S. aloides-Bestände in stärker verlandeten Bereichen werden von A. viridis nicht mehr besiedelt. Mittelfristig ist es daher notwendig, ein Pflegekonzept für die Gewässer aufzustellen, über das möglichen Verlandungstendenzen entgegengewirkt wird.
Nach bisherigen Ergebnissen kann die direkte Ansiedlung von A. viridis als eine Möglichkeit gewertet werden, die Libellenart in bisher von ihr nicht besiedelten S.aloides-Gewässern gezielt wiederanzusiedeln, sofern die S. aloides-Bestände eine gewisse Mindestgröße aufweisen.
Dank
Die vorgestellten Ergebnisse entstanden im Rahmen von Projekten, welche durch folgende Fördermittelgeber unterstützt wurden: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (AZ: 29355-33/2), Land Niedersachsen und Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein. Weiterhin gilt unser besonderer Dank Henrich Klugkist (Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen) für die fachliche Betreuung und Dr. Helge Neumann (Deutscher Verband für Landschaftspflege – Artenagentur Schleswig-Holstein) für die Unterstützung bei der Beantragung des dortigen Projekts sowie den Erfassern und Unterstützern der Ansiedlungsprojekte.
Literatur
Das Literaturverzeichnis steht als Download zur Verfügung ( http://www.nul-online.de, Webcode 2231).
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