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Bücher

Biologische Vielfalt

Die Professoren Rüdiger Wittig und Manfred Niekisch haben die herkulische Aufgabe übernommen, das Thema „Biodiversität“ allseitig und dabei gemeinverständlich zu bearbeiten – erschienen im Springer Verlag. Natürlich ist die erste Frage: „Was ist Biodiversität?“ (Kapitel 1, S. 1-23). Hier gilt es zunächst, das in Wissenschaft und Medien bestehende Durcheinander von Begriffen und Schlagworten zu klären, die Beiträge der biologischen Teilwissenschaften Ökologie, Evolutionsbiologie, Systematik, Taxonomie, Biogeographie, Populationsbiologie und Genetik einzuordnen, grundlegende Begriffe einzuführen und zu zeigen, wie und auf welchen Ebenen Biodiversität gemessen wird.

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Im weiteren Verlauf des Teils I (Theoretische und entwicklungsgeschichtliche Grundlagen, Kapitel 2 bis 4, S. 25-90) werden die Entstehung und Entwicklung der Lebensvielfalt auf der Erde und ihre Veränderung durch den Menschen behandelt und wird eine erste Übersicht über geographische und systematische Gliederungsmöglichkeiten gegeben. Dies wird im umfangreichen Teil II (S. 93-215) fortgesetzt und vertieft. Zur Sprache kommen zunächst die terrestrischen Großlebensräume der Erde sowie aquatische Lebensräume, ein detaillierterer Überblick über die Lebensräume Mitteleuropas und ein spezielles Kapitel über Schwerpunkte der Biodiversität mit Ausführungen über Endemismus, Hotspots und weitere Themen. Zwar existiert besonders zu den Lebensräumen Mitteleuropas bereits eine umfangreiche Literatur (auf die verwiesen wird), Vollständigkeit und Abrundung verlangen jedoch auch eine Darstellung im vorliegenden Buch.

Teil III widmet sich der Bedeutung der Biodiversität mit einem Kapitel über ökosystemare Aspekte, etwa dem Verhältnis zwischen Diversität und Stabilität in Ökosystemen (S. 219-229), und einem über die Bedeutung für den Menschen (S. 231-259). Immer wieder muss politischen Entscheidungsträgern vorgehalten werden, welchen Nutzen der Mensch aus der Biodiversität zieht und welchen Reichtum er vergibt, wenn er sie zerstört. Die Gefahren für die Biodiversität durch menschliche Tätigkeiten, darunter Lebensraumzerstörungen, Einführung von Neobiota und auch der Klimawandel, sind Thema des Teils IV (S. 263-370).

Im umfangreichen Teil V werden Schutz und Förderung der Biodiversität angesprochen: Gesetze, Verordnungen und Konventionen (S. 373–405), Theorie und Praxis des Arten- und Biotopschutzes (S. 407–459), die Bedeutung von Botanischen Gärten, Zoos und Naturkundemuseen 15 (S. 461–490), die Rolle von Nichtregierungsorganisationen (S. 491–527) sowie der Schutz durch nachhaltige Nutzung und Umweltbildung (S. 529–547).

Jedes Kapitel wird mit einem Literaturverzeichnis abgeschlossen, ein Serviceteil am Schluss des Buches ergänzt mit einem Verzeichnis wissenschaftlicher Namen, einem Glossar und einem Sachregister. Das Buch enthält Hunderte guter Fotografien, die bei der Informationsfülle leider nur recht kleinformatig sein können, dazu zahlreiche Strichzeichnungen, Boxen, Karten und Tabellen.

Zwei große Stärken besitzt das Buch: Die eine besteht in der zusammenfassenden Übersicht über ein riesiges heterogenes Problemfeld, was sich besonders in der Lehre auszahlen und auch die dringend erforderliche Information von Behörden und politischen Entscheidungsträgern voranbringen wird. Wie schon erwähnt, gibt es zwar noch ausführlichere Bücher zu Teilgebieten, aber bisher keine Zusammenschau wie die vorliegende. Die zweite Stärke besteht in der akribischen Zusammenstellung von Informationen, nach denen man in der modernen wissenschaftlichen Literatur vergeblich sucht. Es ist wohl kein Zufall, dass Autoren, die es nicht mehr ­nötig haben, Citation-Index-Punkte von internationalen Journals zu sammeln, die Muße finden, Übersichten über Botanische Gärten und Zoos im deutschsprachigen Bereich zu geben und Tabellen aller bisher bekannten ausgerotteten Vogel- und Säugetierarten zu erstellen. Auch mit einem Kapitel über Rechtsmaterien zum Naturschutz erwirbt man keine akademische Anerkennung mehr – der Leser bedankt sich herzlich für die wertvollen Informa­tionen.

Bei der Fülle angesprochener Themen bleibt nicht aus, dass manche Darstellung zur Diskussion anregt. Die Autoren äußern sich im Ausblick (S. 552ff.) pessimistisch zur Zukunft der traditionellen und so artenreichen mitteleuropäischen Kulturlandschaft. Wie könne sie gegenüber den endlosen Getreidefeldern in den USA und Australien konkurrenzfähig sein? Auch der konventionelle Pflanzenbau in Deutschland ist international konkurrenzfähig und wäre es selbst ohne die ihm zukommenden Staatsgeschenke. Die Australier ernten vielleicht drei Tonnen Weizen pro Hektar, wir ernten zehn Tonnen – Wasser ist wichtiger als Fläche. Die landwirtschaftliche Betriebslehre weiß, dass Ackerschläge über 15 ha Größe selbst bei modernster Technik kaum noch arbeitswirtschaftliche Vorteile bieten; es bliebe also viel Raum für Randstrukturen und extensiver genutzte Flächen, in denen die Werte der traditionellen Kulturlandschaft exemplarisch fortleben könnten – wenn ein politischer Wille dazu bestünde.

Die hier wie an zahlreichen anderen Stellen aufkommende Diskussionsfreude wird den Leser ebenso stimulieren wie das riesige Angebot an Fakten und die eindeutigen, schon im Vorwort ausgedrückten Wertungen der Autoren: Ständig neue tagespolitische Themen dürfen nicht von existenziellen Menschheitsfragen ablenken, zu denen die nicht nur schleichende, sondern gebietsweise galoppierende Zerstörung der Biodiversität durch den Menschen gehört. Das Buch sollte eine schnelle und weite Verbreitung und möglichst auch Übersetzungen in andere Sprachen finden. Prof. em. Dr. Ulrich Hampicke

Biodiversität: Grundlagen, Gefährdung, Schutz. Von Rüdiger Wittig und Manfred Niekisch. 585 Seiten mit 215 Abbildungen und Tabellen. Gebunden, 59,99 € (eBook 46,99 €). Springer Spektrum, Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2014. ISBN 978-3-642-54693-8 (eBook: 978-3-642-54694-5).

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