Ausgleich! Wofür?
Naturschutzfachlicher Ausgleich in Österreich stand im Mittelpunkt eines Fortbildungsseminars an der Universität für Bodenkultur Wien. Veranstalter waren das Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung der Universität für Bodenkultur sowie die Österreichische Gesellschaft für Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur (ÖGLA).
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Ermittlung und Management des Ausgleichsbedarfs in Österreich
Von Ulrike Pröbstl-Haider
Zu Beginn stellte Prof. Dr. Ulrike Pröbstl-Haider die „Spielregeln“ des naturschutzrechtlichen Ausgleichs vor und erläuterte Begriffe, Definitionen sowie Regelungen, die bereits in den Naturschutzgesetzen von Kärnten, Vorarlberg und Salzburg sowie des Burgenlandes enthalten sind. Sie beschrieb typische methodische Zugänge wie das Biotopwertverfahren, Verfahren mit Kompensationsmaßnahmen, verbal-argumentative Ansätze und den Herstellungskostenansatz mit Vor- und Nachteilen. Forschungsergebnisse an der BOKU unterstrichen die hohe Bedeutung von Ausgleichsflächen für das Niederwild am Beispiel des Feldhasen, zeigten die Umsetzbarkeit eines Ökokontos für die Stadt Wien auf und bewerteten die Durchführung des Ausgleichs an verschiedenen Fallbeispielen aus Österreich und Deutschland.
DI Brigitte Sladek von der ASFINAG BMG und Mag. Bertram Haller von der ÖBB-Infrastruktur AG vermittelten den „Stress mit dem Ausgleich“ aus Unternehmenssicht. Wichtige Aspekte waren weniger die finanziellen Aufwendungen für den Ausgleich, sondern fachliche Aspekte, wie der erforderliche funktionelle Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich, die Integration von Ausgleichskonzepten in die Regionalplanung, das Ausgleichspotenzial von Schutzgebieten und die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen auf vorhandenen Eignungsflächen. Sie unterstrichen den Bedarf eines Ökokontos und das Interesse an flexibleren Lösungen bei der rechtlichen Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen. Auch aus der Sicht der Unternehmen erscheinen Kontrolle und Monitoring der Ausgleichsflächen unabdingbar, denn eigene Stichproben ergaben Defizite, wie das Vorfinden einer intensiv landwirtschaftlich genutzten Fläche anstelle der herzustellenden artenreichen Feuchtwiese.
DI Andreas Hacker vom Stadt-Umland-Management Wien/ Niederösterreich unterstrich, dass die vorgeschriebenen Ausgleichsmaßnahmen durch eine überregionale Zusammenarbeit noch besser und im Verbund umgesetzt werden können. Er benannte aber auch die Hindernisse auf dem Weg zu Landschafts- bzw. Ökokonten. Hierzu gehören u.a. die Sachverständigen, die sich in vielen Fällen zum „Buchhalter“ degradiert fühlen könnten, die nur mit der Flächenermittlung betraut würden, sowie eine mögliche Tendenz, aufgrund der bereits vorhandenen Ausgleichsmaßnahmen die Aspekte Vermeidung und Minderung außer Acht zu lassen.
Im Zusammenhang mit Flächenpools und Öko- bzw. Landschaftskonten berichtete Prof. Matthias Herbert vom Bundesamt für Naturschutz (Leipzig) von aktuellen Trends in Deutschland. Neben fachlichen Anforderungen an den Ausgleich stellte er auch Kriterien für „Flächenagenturen“ dar, die in verschiedenen Regionen Deutschlands bereits das Flächenmanagement übernommen haben. Hierzu gehören nach seiner Auffassung eine einheitliche Herangehensweise, eine unabhängige Organisationsstruktur, die Insolvenzunfähigkeit und die fachliche Qualität sowie die Möglichkeit der Nachkontrolle. Die von ihm vorgestellten Fallbeispiele unterstrichen die konzeptionellen Vorteile von Landschaftskonten.
Der zweite Teil der Fachtagung, eingeleitet von einem Beitrag von DI Thomas Knoll von Knollconsult Wien, beschäftigte sich mit den Möglichkeiten einer Qualitätssicherung des Ausgleichs in Österreich. Im Mittelpunkt stand dazu der Entwurf eines länderübergreifenden Leitfadens, der von den Landesumweltanwaltschaften beauftragt worden war. Knoll stellte die Leitgedanken und Eckpunkte dieses Leitfadens vor, welcher eine neutrale Bilanz und einen Ausgleich im Verhältnis von 1:1 anstrebt. Die Kaskade, die Vermeidung und Verringerung als zwingende Schritte vor Ausgleich und Ersatz sieht, ist stets anzuwenden. Artenschutzrechtliche Belange sowie eine Betroffenheit von Landschaftsbild und/oder Erholungsbelangen sollen gesondert verbal-argumentativ behandelt werden. Empfehlungen für Berechnungen beziehen sich nur auf flächenhaft betroffene Biotoptypen.
DI Christian Ragger vom Büro REVITAL Integrative Naturraumplanung GmbH ergänzte die Vorstellung des Leitfadens durch die Präsentation des vorgeschlagenen Berechnungsmodells. Der Leitfaden enthält zunächst einen Schwellenwert für die Kompensation. Danach ist keine Kompensation für nicht schutzwürdige Lebensräume und ungefährdete Biotope (sowohl regional als auch österreichweit) erforderlich. Hierzu zählen u.a. Ackerflächen, intensiv genutztes Grünland, Neophyten, Vorwälder und eine grasdominierte Schlagflora. Als Grundlage wird die Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen Österreichs herangezogen. Die Ermittlung des Flächenbedarfs erfolgt flächenbezogen für jeden einzelnen vorkommenden Biotoptyp. Dazu ist die Wertstufe des Biotoptyps vor und nach dem Eingriff mit der betroffenen Fläche und einem Korrekturfaktor für die Wirkungsdauer zu multiplizieren. Auch bei der Bewertung der Ausgleichsflächen werden basierend auf der geplanten Biotopqualität weitere Aspekte berücksichtigt, wie Funktionalität, räumliche Nähe zum Eingriff und der Entwicklungszeitraum.
Rechtliche Aspekte ergänzte Mag. Wilhelm Bergthaler, Büro Haslinger / Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH. Um ein Ökokonto und ein Kompensationsflächenkataster nach deutschem Vorbild umsetzen zu können, müsste entweder eine gesetzliche Regelung in die neun Landesgesetze aufgenommen werden – mit der Gefahr einer uneinheitlichen Umsetzung – oder eine bundesweit einheitliche Regelung durch einen Gliedstaatsvertrag nach Art. 15a B-VG zwischen den Ländern und dem Bund erfolgen, die eine Mitwirkung an einem zentralen Kompensationsflächenkataster beinhaltet. Weiterhin wurde die Möglichkeit einer Trägerschaft, die die Maßnahmen durchführt und verwaltet, aus rechtlicher Sicht diskutiert, die jedoch derzeit gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Abschließend zeigte Josef Freuding als Vertreter des Landschaftspflegeverbandes Ostallgäu e.V., wie Ausgleichsflächen sach- und fachgerecht gemanagt werden können. Dabei spielt auch die Auswahl schonender technischer Geräte eine besondere Rolle.
Eine ähnliche Möglichkeit bieten Organisationen wie die Stiftung für Natur des Naturschutzbundes Oberösterreich, die Ing. David Priller vorstellte. Die Stiftung finanziert sich aus Mitteln des Landes für die Betreuung der in Landesbesitz befindlichen Flächen sowie durch Zustiftungen, Förderungen, Zuschüsse oder Spenden. Bei Übernahme des Flächen- und Pflegemanagements für Ausgleichsflächen bleibt der Projektwerber Eigentümer der Fläche und zahlt ein pauschaliertes Betreuungsgeld für die Bescheidumsetzung, welches vertraglich geregelt ist. Diskutiert wurde weiterhin ein Modell, bei dem, wie bei den Flächenpools in Deutschland, die Stiftung Flächen erwirbt und die darauf durchgeführten Maßnahmen Projektwerbern als Ausgleich anbietet. Die Kosten der Maßnahmen werden durch den Projektwerber refinanziert. Eine dauerhafte Sicherung der Flächen könnte dabei durch Eintrag eines Veränderungsverbots im Grundbuch erfolgen. Dieses Modell bietet dahingehend Vorteile, dass die Flächen frühzeitig und eingriffsunabhängig erworben werden können und größere, naturschutzfachlich bedeutsame Maßnahmen im Verbund langfristig planbar und umsetzbar sind.
Die Diskussion zeigte auch den Projektwerbern, dass der Ausgleich ein selbstverständlicher Baustein des Naturschutzes ist, der in dieser Weise klarer in den Landesnaturschutzgesetzen geregelt sein sollte. Die Kaskade mit Vermeidung und Verringerung als erstem Schritt ist eine wichtige Grundlage, ebenso wie der Ausgleich in der Fläche. Einheit herrschte auch dahingehend, dass die Methoden zur Ermittlung der Eingriffsflächen und des Ausgleichsbedarfs keine „eigene Wissenschaft“ darstellen sollten. Hilfsmittel, wie der vorgestellte Leitfaden, wurden als Beitrag zu mehr Fairness und stärkerer Gleichbehandlung, zu mehr Transparenz und zur Sicherung von Mindeststandards in Naturschutzverfahren gesehen, die insgesamt für beide Seiten die Planungs- und Rechtssicherheit erhöhen.
Die Beiträge der Teilnehmer zu den Themen „Ablasshandel“, „buchhalterischer Naturschutz“ und „berechenbarer Naturschutz“ zeigten aber auch, dass gerade auf Seiten der Sachverständigen Kommunikationsbedarf besteht und ein weiterer Gedankenaustausch erforderlich ist. Aus diesem Grund soll, sobald der Leitfadenentwurf vollständig vorliegt, seine Praxistauglichkeit kooperativ getestet und im Rahmen weiterer Veranstaltungen diskutiert werden. Der nächste Termin dazu wird bereits am 11. Februar 2016 in Wien stattfinden.
Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Ulrike Pröbstl-Haider, Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung
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