Die Forschung zur Walddynamik stärken
„Am besten hat’s die Forstpartie, denn der Wald wächst auch ohne sie!“ Forstwirtschaft folgt diesen lästerlichen Worten von Wilhelm Busch durch Nichtstun nur mit wenigen Ausnahmen, vor allem in Naturwaldreservaten. Diese sollen helfen, Erkenntnisse über natürliche Waldentwicklung zu gewinnen. Deshalb lautet auch ein Kriterium der Forest Stewardship Council: FSC-zertifizierte öffentliche Forstbetriebe dürfen 5 % der Holzbodenfläche als repräsentative Beispiele vorhandener Ökosysteme einer Landschaft nicht bewirtschaften – diese sollen als Lern- und Vergleichsfläche dienen. Dennoch fasst die Forstwirtschaft das Thema Nicht-Nutzung nur mit spitzen Fingern an, konterkariert sie doch ihr Selbstverständnis der wirtschaftlichen Erlöserzielung durch Holzernte.
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Wieviel Totholz ist genug?
Das europäische Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ enthält eine große Zahl von Wald-Lebensraumtypen (LRT). Ein alter und nicht wirklich gelöster Streit betrifft die Frage, ob diese weiter genutzt oder aber stillgelegt werden müssen. „Die Wälder haben ihren Wert durch die Bewirtschaftung erhalten, deshalb ist sie unverzichtbar“, lautet die eine Extremposition – „Nur durch konsequenten Nutzungsverzicht sind die LRT-prägenden dynamischen Prozesse zu erhalten“ die andere.
Fakt ist, dass jede wirtschaftliche Nutzung den natürlicherweise aus der Dynamik resultierenden Totholz-Bestand reduziert, indem sie – ökonomisch sinnvoll – die Bäume erntet, wenn sie ihre höchste Zuwachsleistung überschritten haben. So wird die natürliche Lebensdauer eines Baumes, je nach Art, um 30 bis 80 % verkürzt. Das muss Auswirkungen auf Biodiversität und Stoffkreisläufe im Wald haben, weil die Alters- und Zerfallsphase weitgehend fehlt. Diese dürfen ebenso wenig negiert werden wie der richtige gesellschaftliche Anspruch, Holz als nachwachsenden und klimaneutralen Rohstoff nachhaltig zu nutzen. Abwägung konfligierender Ziele ist also gefragt.
Dabei helfen könnte die Europäische Kommission, die soeben ihre Leitlinien „Natura 2000 und Wälder“ publiziert hat ( http://www.ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/guidance_de.htm ). Sie antwortet gummiartig: Bewirtschaftung könne nicht allein auf Ziele des Naturschutzes, sondern auch auf Holzeinschlag, Jagd, Erholung usw. ausgerichtet sein. Aber: „Um eine Verbesserung [des vielfach schlechten Erhaltungszustands] zu erreichen, muss der Wald möglicherweise anders bewirtschaftet werden.“ Und weiter: „An anderer Stelle sind dagegen Anpassungen oder Einschränkungen der bisherigen Aktivitäten erforderlich (...), etwa um die ökologische Qualität von Habitaten zu verbessern (Totholzmenge, Anzahl alter Bäume usw.) ...“. Das konkretisiert für die Praxis leider wenig. Die Managementpläne sind im Einzelfall entscheidend, und die schreibt für Wald-LRT die Forstwirtschaft...
Die Eiche hat ein Problem
Erstmals analysiert der erste Hauptbeitrag Zeitreihendaten der Buchen- und Eichen-LRT in Naturwaldreservaten nach Anhang I der FFH-Richtlinie hinsichtlich der Frage, wie sich ihr Erhaltungszustand ohne Nutzung verändert. Insbesondere Buchen-LRT und Merkmale, die mit der Reifung der Bestände im Zusammenhang stehen, entwickeln sich positiv. In Eichen-LRT zeichnet sich ein schleichender Verlust der wertbestimmenden Hauptbaumart Eiche ab – ob hier gegengesteuert werden muss, ist noch offen. Grund könnte sein, dass es sich um sekundäre Bestände handelt und/oder weil heute ein Schlüsselfaktor für die Eichen-Verjüngung fehlt, wie wir aus halboffenen Weidelandschaften wissen: große Pflanzenfresser.
„Stets findet Überraschung statt – Da, wo man’s nicht erwartet hat“, dichtete Wilhelm Busch in Hernach (1908). Auch in der Forschung zur Walddynamik sind Überraschungen zu erwarten. Naturschutz und Waldbau sollten gemeinsam ihre Forschungen verstärken, auch und gerade in Naturwaldreservaten, so lautet ein Fazit der Studie. Einen Baustein dazu leistet ein weiterer Hauptbeitrag zu künftigen Waldzuständen bei Klimawandel und Stickstoffeintrag.
Positives ist von der EU zu vermelden (der „Bericht aus Brüssel“ muss leider krankheitsbedingt entfallen): Die Koalition für eine Erhaltung der europäischen Naturschutzrichtlinien wächst. Und in Paris haben 195 Staaten bei der UN-Klimakonferenz das Ziel verabschiedet, den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2030 so zu senken, dass die Erderwärmung auf höchstens 1,5 °C begrenzt werden kann. Die ersten Statements enthielten viel Lob, aber auch kritische Stimmen. Spannend bleibt die Umsetzung, der Teufel liegt bekanntlich im Detail.
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