Burn-out der Böden: Landwirtschaft unterstützen, nicht pauschal anklagen
Bodenschutz und Landwirtschaft – Symbiose oder Gegner? Eigentlich klar: Landwirtschaft braucht die Ressource Boden unverzichtbar als Grundlage für ihre Arbeit. Oder, wie es Öko-Landbau-Professor Dr. Knut Schmidtke, Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, formuliert: Nicht allein die Fläche, sondern Fläche mal durchwurzelbare Bodentiefe macht den Grundbesitz!
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Will sagen: Eine gute Pflanzenproduktion und ein guter Grünlandaufwuchs hängen untrennbar mit der Qualität der Böden zusammen. Diese aber leidet unter der modernen Landwirtschaft. Das hat Dr. Stefan Möckel mit einem Literaturüberblick zu den stofflichen Problemen auf landwirtschaftlichen Flächen im letzten Heft verdeutlicht: Nährstoffe, Pflanzenschutzmittel, Antibiotika und der Schwund organischer Substanz sind maßgebliche Faktoren. In der vorliegenden Ausgabe ergänzt er die morphologischen Gefahren: Erosion durch Wasser und Wind, Minderung der biologischen Aktivität in Böden, Entwässerung sowie Verschlechterung der Bodenstruktur und Infiltrationseigenschaften.
Naturschutzgesetz wenig hilfreich
Das Naturschutzrecht schließt den Bodenschutz zwar ein, um ihn faktisch sofort wieder auszuklammern, wenn es mit §14 (2) feststellt, dass die „gute fachliche Praxis“ der landwirtschaftlichen Bodennutzung nicht als Eingriff zu sehen sei. Dabei ist der Befund, den gerade erst Andrea Beste in einer Studie des grünen Europaabgeordneten (und nordhessischen Bio-Bauern) Martin Häusling unter dem Titel „Down to earth – der Boden, von dem wir leben“ zieht, erschreckend. „Die vorgeblich als leistungsfähig dargestellte Intensivlandwirtschaft, die von Europa aus einen Großteil der Welt ernähren soll, arbeitet mit Methoden, die eher dem Doping eines Leistungssportlers gleichen als einem nachhaltigen, ökologisch trag- und leistungsfähigen Modell“, wertet der Abgeordnete.
Lösungen liegen auf der Hand
Eine pauschale Schelte der Landwirte ist dennoch fehl am Platze. Natürlich gibt es einerseits schwarze Schafe, die auf „Teufel komm raus“ ohne Rücksicht auf Verluste ackern. Andererseits sind es teils (vermeintliche oder reale) ökonomische Zwänge, teils Wissensdefizite. Drei Problemkreise, drei Antworten:
Erstens: Gegen die schwarzen Schafe hilft nur das Ordnungsrecht. Vorhandene Rechtsinstrumente geben dabei vielfach bereits mehr her, als die Praxis durchsetzt. Wo kein Kläger, dort kein Richter. Hier sind Politik und Verwaltungen um Konsequenz gefragt.
Zweitens: Wenn man weiß, dass die Landwirtschaft zu großen Anteilen durch den europäischen Steuerzahler am Leben erhalten wird, liegt die ökonomische Lösung auf der Hand. Ein krankes System wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ist nicht zu kurieren, indem man an den Symptomen herumdoktert – wer das bisher nicht begriffen hat, sollte sich den Zustand und die Bürokratie der aktuellen Förderperiode genauer ansehen (viel Spaß dabei!). Diese Art der Agrarpolitik ist bankrott – man sehe sich die Böden (oder Biodiversität oder Klimabilanz) an. Öffentliches Geld für öffentliche Güter, lautet eine Forderung, die aktueller ist denn je. Nachzulesen auch in einem Tagungsbericht in diesem Heft zur Naturschutzfinanzierung in der EU. Das nötige Geld ist da – es muss nur zielgerichtet eingesetzt werden.
Drittens: Die Bauern – zumindest sehr viele von ihnen – sind durchaus wissensdurstig und dazu bereit, im eigenen Interesse mehr zu bodenschonenden Wirtschaftsweisen zu lernen. Das beweist ein Kurzbericht zu Fortbildungsveranstaltungen ebenfalls in dieser Ausgabe (siehe auch das Titelbild). Ebenfalls hier müsste die EU- und nationale Agrarpolitik viel mehr bewegen.
Feldbodenkunde stirbt aus
Auf (mindestens) einem Auge blind sind aber auch wir Naturschutz-Experten: Wie viele Bodenkundler betätigen sich im Naturschutz? Dabei eint Biodiversitäts- und Boden-Experten eine dramatische Entwicklung: Nachdem die ZEIT zur Erosion der Artenkenner fragte: „Warum will keiner mehr Blumen pressen?“, twitterte dazu @Boden_Infos: „Ähnlich geht es dem Bodenkundler – die Feldbodenkunde stirbt aus!“. Ein Grund mehr, den Bodenschutz und die Bodenschützer stärker zu beachten – und dabei die vielen offenen und willigen Bäuerinnen und Bauern mitzunehmen! „Agrarwende von unten“: Wer macht mit?
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