Mountainbiker auf engen Waldwegen
Nach der Studie „Wandern- und Mountainbiking“ des Instituts für Forstpolitik der Uni Freiburg, die von der Befragung von Wanderern und Mountainbikern nach ihren Erfahrungen mit der jeweils anderen Gruppe berichtet, wünschen sich 33 % der Wanderer eine strikte Trennung von Wander- und Radwegen. Von Gefährdungen der Wanderer wird immer wieder berichtet. Jüngst ist es auch auf Wanderwegen und Trails wiederholt zu lebensgefährlichen Eingriffen durch gespannte Seile, quer gelegte Bäume und sonstige Hindernisse gekommen. Ein Fall aus Bayern.
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1 Der Fall
In einem bayerischen Waldgebiet wurde in 2014 durch eine Straßenverkehrsbehörde das Radfahren nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 a Nr. 2, 4 der Straßenverkehrs-Ordnung auf engen, unübersichtlichen Wegen mit zum Teil starkem Gefälle und hoher Frequentierung durch Wanderer verboten.
2 Die Rechtsgrundlage
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden u.a. die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Das gleiche Recht haben sie nach Abs. 1a Nr. 2 und 4 dieser Vorschrift ferner in Luftkurorten bzw. Landschaftsschutzgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen, wenn dadurch anders nicht vermeidbare Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr verhütet werden können.
Der Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung aufgrund der erstgenannten Bestimmung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs voraus. Eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, liegt dabei nicht erst dann vor, wenn ohne ein Handeln der Straßenverkehrsbehörde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zusätzliche Schadensfälle zu erwarten wären. Es reicht aus, dass eine entsprechende konkrete Gefahr besteht, die sich aus den besonderen örtlichen Verhältnissen ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 – 3 C 37/09 – BVerwGE 138, 21).
3 Die Begründung
Die Straßenverkehrsbehörde hatte den Verkehr aus Gründen der Sicherheit beschränkt, insbesondere weil die streitbefangenen oft sehr schmalen Wege – die in enge, unübersichtliche Wege mit zum Teil starkem Gefälle übergehen –, nicht geeignet seien, mit dem Rad befahren zu werden. Die verfahrensgegenständlichen Waldwege seien nach ihrem Zuschnitt und Verlauf nicht geeignet, mit dem Rad befahren zu werden, ohne dass es zu einer konkreten Gefahrenlage bzw. Beeinträchtigungen von Wanderern und Nutzern des Walderlebnispfades komme.
4 Das Urteil
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat am 03. Juli 2015 (Az. 11 B 14.2809) das Verbot für den Radverkehr aufgehoben, denn ein solches Verbot sei nicht gerechtfertigt. Es setze nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung eine Gefahrenlage voraus, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sei und das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung relevanter Rechtsgüter erheblich übersteige. Von einer Gefahrenlage im hier gegebenen „Bannwald“, die aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erholungssuchender Fußgänger durch Radfahrer erheblich übersteige, sei jedoch nicht auszugehen.
Das Radfahren in freier Natur sei von der Bayerischen Verfassung geschützt, soweit es der Erholung und nicht kommerziellen oder rein sportlichen Zwecken diene und soweit die Radfahrer mit Natur und Landschaft pfleglich umgingen. Dies gelte jedenfalls bei Benutzung von Fahrrädern ohne Elektromotor. Auch schmalere Wege seien bei angepasster Fahrweise weder zum Radfahren von vornherein ungeeignet noch bestehe auf ihnen stets eine erhöhte Gefahrenlage für Fußgänger. An den vom Gericht im Rahmen eines Ortstermins begangenen engeren Wegstellen sei die Sichtweite für Radfahrer grundsätzlich immer noch ausreichend, um bei entsprechend vorsichtiger Fahrweise auf Fußgänger rechtzeitig reagieren zu können. Es könne nicht von vornherein unterstellt werden, dass sich Radfahrer generell nicht verkehrsgerecht verhielten. Der Leser mag die Realitätsnähe dieser Bewertung selbst beurteilen.
5 Handlungsmöglichkeit nach dem Naturschutzrecht
Das Urteil lenkt den Blick darauf, was auf Waldwegen grundsätzlich gestattet ist. Jedermann hat das Recht auf den Genuss der Naturschönheiten und auf die Erholung in der freien Natur (vgl. Art. 26 BayNatSchG). Alle Teile der freien Natur, insbesondere Wald, Bergweide, Fels, Ödungen, Brachflächen, Auen, Uferstreifen und landwirtschaftlich genutzte Flächen, können von jedermann gem. Art. 27 BayNatSchG „unentgeltlich betreten“ werden. Das Betretungsrecht umfasst auch die Befugnisse, in der freien Natur zu wandern, zu reiten, Ski und Schlitten zu fahren, Ball zu spielen und ähnliche sportliche Betätigungen auszuüben sowie mit Fahrzeugen ohne Motorkraft sowie Krankenfahrstühlen zu fahren. Den Fußgängern gebührt dabei im Konfliktfall der Vorrang. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten ist im Wald nach Art. 30 Abs. 2 BayNatSchG nur auf Straßen und geeigneten Wegen zulässig.
Die Naturschutzbehörden können die Erholung in Teilen der freien Natur im erforderlichen Umfang aus Gründen des Naturschutzes, zur Durchführung von landschaftspflegerischen Vorhaben, zur Regelung des Erholungsverkehrs oder aus anderen zwingenden Gründen des Gemeinwohls untersagen oder beschränken (Art. 31 BayNatSchG). Die Voraussetzung einer „Regelung des Erholungsverkehrs“ eröffnet weitergehende Restriktionen als die im Urteil diskutierte Forderung nach einer Gefahrenlage.
Kontakt
Matthias Möller-Meinecke, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Rechtsanwaltskanzlei EDIFICIA Möller-Meinecke & Prell, Frankfurt/Main
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