Online-Konsultation zum Fitness Check mit eindeutigem Ergebnis
Nach einer überraschenden Verlängerung um zwei Tage endete am 26. Juli um 24 Uhr die exakt zwölfwöchige öffentliche Konsultation der EU-Kommission zum Fitness Check der Fauna-Flora-Habitat (FFH)- und der Vogelschutzrichtlinie. Insgesamt beteiligten sich etwa 550000 Bürgerinnen und Bürger aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten. Damit hat diese Online-Konsultation alle bisherigen übertroffen; selbst zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP lag die Beteiligung „nur“ bei etwa 150000 Teilnehmern.
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Das Gesamtergebnis der Konsultation spricht eine deutliche Sprache. Allein im Rahmen des „Nature Alert“ der Naturschutzverbände sprachen sich EU-weit exakt 520325 Menschen gegen die Öffnung und stattdessen für eine bessere Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien aus, die ja auch die Basis des Arten- und Naturschutzes in Deutschland darstellen. Bereits kurz nach Bekanntwerden der Ergebnisse gratulierte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella auf Twitter. Auch der oberste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, registrierte die sehr hohe Beteiligung der Öffentlichkeit und beteuerte, die Schutzstandards im Rahmen des Fitness Check nicht absenken zu wollen, vermied aber eine klare Aussage, ob er weiter eine Öffnung der Richtlinien – mit den in Naturschutz und Landschaftsplanung mehrfach dargelegten Risiken im politischen Prozess – verfolge oder nicht.
Mit dem Ergebnis der Konsultation haben sich allein rein rechnerisch bereits mehr als 90% der Beteiligten gegen eine Öffnung der Richtlinien, für die Stärkung des Arten- und Naturschutzes auf EU-Ebene und für eine bessere Finanzierung des Natura-2000-Netzes ausgesprochen. Die Anzahl der Stimmen bei diesen öffentlichen Konsultationen ist allerdings nicht das einzige, aber ein wichtiges Kriterium, für welche Richtung die EU-Kommission sich entscheiden wird. Sie lässt jetzt die Ergebnisse der Online-Konsultation und die Ergebnisse der Befragungen von Ministerien, Behörden und gesellschaftlichen Gruppen (Industrie, Landnutzerverbände, Umweltverbände) von externen Gutachtern auswerten und wird die Ergebnisse auf einer „Stakeholder-Konferenz“ Ende November in Brüssel vorstellen.
Bereits im Oktober will die EU-Kommission eine Zwischenbewertung (midterm review) der EU-Biodiversitätsstrategie vorlegen, mit der sich anschließend das Europäische Parlament und der Ministerrat befassen. Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang werden sich Parlament und Rat ab dem Herbst auch intensiver mit dem Fitness Check beschäftigen. Konkrete Vorschläge der Kommission werden für Anfang 2016, Entscheidungen somit voraussichtlich noch im Rahmen der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2016 erwartet.
Sowohl im Europäischen Parlament als auch bei den Mitgliedstaaten zeichnet sich bisher noch kein klares Bild ab. Bisher hat sich nur die Bundesregierung mit einem gemeinsamen Schreiben des Umwelt- und des Landwirtschaftsministeriums an die EU-Kommission Anfang Juli eindeutig gegen eine Öffnung oder Zusammenführung der Richtlinien ausgesprochen. Sie verweist unter anderem auf die weit fortgeschrittene Umsetzung der Richtlinien und die damit bestehende Rechtssicherheit für alle Beteiligten.
Umweltkommissar Vella teilte darauf in seinem Antwortschreiben Mitte August mit, er habe „mit Interesse (…) zur Kenntnis genommen, dass die deutsche Bundesregierung die Richtlinien in ihrer jetzigen Form erhalten möchte und auch eine Zusammenführung der Richtlinien für nicht zielführend hält“. Gleichwohl betonte er, dass es sich um eine „rückblickende, ergebnisoffene Analyse aller eingereichten, evidenzbasierten Informationen“ handele, dass die Auswertung der Fragebögen und der Online-Konsultation noch nicht abgeschlossen sei, und man daher „noch keine Aussagen über die Ergebnisse oder deren Auswirkungen auf die zukünftige Politikausrichtung machen“ könne.
Beunruhigend ist insbesondere die Entwicklung hinsichtlich des strengen Schutzes des Wolfs, seit sich seine Gegner mit dem Fitness Check der beiden EU-Naturschutzrichtlinien hohe Chancen ausrechnen, den Wolf insbesondere aus Anhang IV der FFH-Richtlinie zu streichen. Nach einigen CDU-Politikern und Jagdverbänden (Naturschutz und Landschaftsplanung 47 (7): 198; 47 (8): 230) mehren sich auch in einigen anderen Mitgliedstaaten Stimmen, die dieses und eine Übernahme in Anhang V fordern, obwohl die Art bereits in einigen Regionen mehrerer Mitgliedstaaten jagdbar ist und zudem Ausnahmeregelungen für „Problemwölfe“ in Artikel 16 FFH-Richtlinie möglich sind. Im August kündigte die französische Umweltministerin Segolene Royal nach massiven Protesten von Landwirten und Schafhaltern, die als Zeichen ihres Protestes sogar einen Nationalparkdirektor kidnappten, an, sich bei der EU-Kommission für die Abstufung des Wolfes von Anhang IV in Anhang V der FFH-Richtlinie einzusetzen, dafür wolle sie auch eine Öffnung der Richtlinie in Kauf nehmen. Zudem habe sie die EU-Kommission gebeten, sich bei der Berner Konvention für eine Abstufung von Anhang II in Anhang III einzusetzen.
Im EP fragte der niedersächsische CDU-Europaabgeordnete David McAllister, der bereits im Oktober 2014 eine ähnliche Anfrage seines Kollegen Jens Gieseke unterstützt hatte, im Juli 2015 nochmals, Zitat, ob „die Kommission aufgrund der weiteren Entwicklungen die Streichung des Wolfs aus dem Anhang IV der FFH-Richtlinie seit November überdacht“ habe oder ob „in nächster Zeit eine Überprüfung vorgesehen“ sei.
Man darf daher auf die Ergebnisse zweier Tagungen zum Thema Wolf im September gespannt sein. Auf Einladung des Abgeordneten Karl-Heinz Florenz (CDU) und Vorsitzenden der EP-Intergruppe „Biodiversität, Jagd, Ländliche Aktivitäten“ diskutieren Vertreter des Parlaments, der Landnutzer, der Umweltverbände und der EU-Kommission die Rückkehr des Wolfes in die ländlichen Räume der Mitgliedstaaten. Der NABU veranstaltet in Wolfsburg eine Internationale Wolfskonferenz mit hochkarätigen Referenten.
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