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Beispiele für Wegeseitenstreifen und Fließgewässer

Umsetzung des kommunalen ­Biotopverbunds im Landkreis Emsland

Abstracts

Anhand zweier aktueller Beispiele aus dem Landkreis Emsland wird beschrieben, wie auch in einer intensiv landwirtschaftlich genutzten Landschaft ein kommunaler Biotopverbund geschaffen werden kann.

Beispiel 1 stellt die Rückgewinnung aller landwirtschaftlich übernutzten Wegerandstreifen im Landkreis Emsland vor. Es wird erläutert, warum diese Maßnahme notwendig ist, wie diese Streifen der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden und wie eine dauerhafte Sicherung erfolgen soll. Beispiel 2 zeigt Möglichkeiten der Flurbereinigungsbehörde auf, im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren Naturschutzanliegen mehr Raum zu geben und einen Korridor für eine Gewässerrenaturierung zu schaffen.

Implementation of municipal ecological networks in the Emsland county – examples for road margins, rivers and streams

Using two current examples from the Emsland County the paper illustrates the establishment of municipal ecological networks within a intensively cultivated landscape.

Example 1 introduces the reclamation of all agriculturally overused road margins in the Emsland county. It explains its necessity, it show how the margins are withdrawn from agri­cultural use and how they are to safeguarded permanently. ­Example 2 points out options of the authority for land consolidation to extend the scope of nature conservation issues during land consolidation procedures and to create a corridor for the renaturation of rivers and streams.

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1 Einleitung

Der Landkreis Emsland (2881,4km²) ist ein landwirtschaftlich geprägter Flächenkreis im Südwesten von Niedersachsen. 64,6 % der Fläche (Landkreis Emsland 2012a) werden weitestgehend intensiv landwirtschaftlich genutzt. Der Waldanteil ist mit 17,4 % eher gering. Vergleicht man Luftbilder des Emslands aus den 1950er-Jahren des vorigen Jahrhunderts mit heutigen, kann man einen sehr deutlichen Rückgang der die landwirtschaftliche Feldflur gliedernden Heckenstrukturen feststellen. Während durch die Reduzierung der Heckenstrukturen die landwirtschaftliche Nutzbarkeit der emsländischen Landschaft optimiert werden konnte, sank gleichzeitig der Biotopwert der Agrarlandschaft.

Diese Verarmung der landwirtschaftlich genutzten Feldflur hat sich in den letzten Jahren durch weitere Faktoren noch stark beschleunigt: Ein enormer Flächendruck unter den landwirtschaftlichen Betrieben durch immer mehr Biogasanlagen (312 Anlagen im Landkreis Emsland ( http://www.klimaschutz-emsland.de, Stand: 29.06. 2015) hat zu einer starken Intensivierung der Landnutzung geführt. Landpreise sind in wenigen Jahren um das Drei- bis Vierfache gestiegen und liegen heute für Ackerflächen im Schnitt bei 6,40€/m² (Niedersachsen 2014).

Ein permanenter Grünlandrückgang (von 2003 bis 2012 um 6,5 %; BfN 2014 – selbst viele reine Grünlandstandorte z.B. mit hohem Grundwasserstand und Moorböden werden mittlerweile ackerbaulich genutzt), das häufige und sehr frühe Mähen der verbliebenen Grasäcker in Intervallen von wenigen Wochen mit immer schneller fahrenden, immer größeren Maschinen und Arbeitsbreiten, das Fehlen von Bracheflächen und der starke Einsatz von Pflanzenschutzmitteln führen dazu, dass die Agrarlandschaft immer lebensfeindlicher wird, weil für Tiere und Pflanzen wichtige Lebensmöglichkeiten verschwinden. In dieser schwierigen Ausgangslage ist die Schaffung eines ausreichenden Biotopverbunds in der Agrarlandschaft gemäß § 21 Abs.6 BNatSchG keine leichte Aufgabe.

In Niedersachsen existiert derzeit auf Landesebene noch kein über die Raumordnung abgesicherter Biotopverbund, ist aber aktuell in Planung (Biotopverbund-Planung als Thema in dem in der Aufstellung befindlichen Landesraumordnungs-Programm und in der ebenfalls auf Landesebene geplanten Naturschutzstrategie Niedersachsens). Die Biotopverbundstrategie des Landkreises Emsland sieht die Natura-2000-Gebiete und Naturschutzgebiete als Kernflächen (Abb. 1), die über Trittsteine (weitere durch naturschutzrechtliche Festsetzungen, Verträge oder Eigentum für Naturschutzbelange gesicherte Flächen) und Verbindungselemente (Wege-, Gewässerrandstreifen) miteinander verbunden werden. Dabei geht es nicht darum, einfach „alles mit allem“ zu verbinden, sondern artgruppenspezifisch Wanderbewegungen zu ermöglichen, was sich z.B. für die an Moorbiotope gebundenen Arten durchaus als schwierig erweist.

Der Landkreis Emsland verfügt über einige sehr große Schutzgebiete mit zum Teil über 3000ha Flächengröße (NSG „Tinner Dose-Sprakeler Heide“, NSG „Esterweger Dose“). Der Flächenanteil der Natura-2000-Gebiete zuzüglich weiterer Naturschutzgebiete, die nicht zu dem Netz Natura 2000 gehören, liegt rein rechnerisch mit 10,8 % der Landkreisfläche in dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Bereich von 10 % (§ 20 Abs.1 BNatSchG), ohne dass hier bereits weitere Gebietskategorien nach Naturschutzrecht berücksichtigt wurden.

In diesem Zusammenhang muss allerdings kritisch reflektiert werden, dass im Emsland gerade in einigen Natura-2000-Gebieten auch umfangreich Ackerflächen liegen, allen voran in dem flächenstarken FFH-Gebiet „Ems“ (Gesamtflächengröße allein im Landkreis Emsland 8217 ha). Auch fehlt es aufgrund der oben angesprochenen weiteren Intensivierung der Landnutzung zunehmend an ausreichenden Verbindungselementen.

Der Landkreis Emsland möchte deshalb durch eine naturschutzfachliche Aufwertung illegal überpflügter Wegerandstreifen seine Verbindungselemente stärken. Damit soll ein Beitrag zur Biotopvernetzung geleistet werden und der Landkreis Emsland seinen Verpflichtungen gemäß § 21 Abs. 6 BNatSchG nachkommen.

Einen weiteren Schwerpunkt der Biotopverbundstrategie im Landkreis Emsland stellt die Gewässerrenaturierung dar. Die Gestaltung der Gewässer zu Verbundelementen dient auch Zielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), so dass hier Synergien bestehen.

Die Stützung des Biotopverbunds im Emsland ist bereits seit längerem ein wichtiges Anliegen des Landkreises. So wurde neben weiteren Maßnahmen im Rahmen des Life-Projekts „Naturnahe Flussdynamik an der Niedersächsischen Ems“ (2004 bis 2008; http://www.ems-life.de ) an der Ems begonnen, die Uferbefestigung der nicht schiffbaren Ems rückzubauen. Im Rahmen des Programms „Biologische Vielfalt“ des BfN hat der Landkreis Emsland zusammen mit Verbundpartnern als erster die Förderung aus dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt für den Förderschwerpunkt Hotspots bekommen. In dem Projekt „Hotspot 22“ „Wege zur Vielfalt – Lebensadern auf Sand“ ( http://www.wege-zur-vielfalt.de ) geht es schwerpunktmäßig um die Stärkung des Biotopverbunds von Sandlebensräumen.

Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Realisierbarkeit zweier Beispiele für den Biotopverbund.

2 Beispiel 1: Wegerandstreifen für den Biotopverbund

2.1 Ausgangssituation

Derzeit werden im Landkreis Emsland viele zur öffentlichen Wegeparzelle gehörenden Wegerandstreifen von Landwirten ohne vertragliche Regelung und ohne die Zahlung einer Pacht stillschweigend mitgenutzt und den angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen zugeschlagen. Den Kommunen als Eigentümern des kommunalen Wegenetzes ist die Nutzung zwar vielfach bekannt. Die Einhaltung der Grenzen wurde von diesen aber weder eingefordert noch wurden diese Bereiche (abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen) aktiv verpachtet.

Die Aneignung der Wegerandstreifen durch Landwirte ist meist ein schleichender Prozess. Zunächst wird der hinter der Baumreihe befindliche Krautsaum der landwirtschaftlichen Nutzfläche zugeschlagen. Wenn die aufgrund des Fehlens eines Krautsaums nun unmittelbar an die landwirtschaftliche Nutzfläche angrenzende Hecke dann zu viel Schattendruck auf die landwirtschaftliche Kultur ausübt, wird auch die Hecke zunehmend schmaler und verschwindet schließlich. In extremen Fällen endet dieses „Schmaler-Pflügen“ der Wegeparzelle erst an der Asphaltdecke des landwirtschaftlichen Wirtschaftswegs. Die Breite der überpflügten Wegerandstreifen variiert dabei nach ersten Rückmeldungen der Kommunen zwischen Breiten von <1m und >5m. Dies korreliert vielfach mit der tatsächlichen Breite der Wegeparzellen, die im Emsland von sehr breiten ehemaligen Schaftriften bis zu in Flurbereinigungsverfahren sehr schmal hergestellten Wegeparzellen stark variieren.

2.2 Konzept

Die in landwirtschaftliche Nutzung genommenen Wegerandstreifen werden derzeit im Landkreis Emsland flächendeckend von den Kommunen erfasst und alle noch 2015 aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen. Sie sollen in Zukunft einen Baustein im kommunalen Biotopverbund darstellen.

Um den Kommunen einen Anreiz zu geben, dieses umzusetzen und die Flächen nicht weiterhin endgeldfrei oder gegen ein Entgelt Landwirten zu überlassen, werden vom Landkreis Emsland hierfür ökologische Werteinheiten (ÖWE) im Rahmen eines Ökokontos anerkannt und damit ein Anreizsystem geschaffen. Dies kann durchaus auch kritisch gesehen werden (s. Abschnitt 4). Über die Anerkennung von ÖWE soll aber gleichzeitig die Dauerhaftigkeit der Herausnahme der Wegerandstreifen aus der Nutzung sichergestellt werden.

Für die Umsetzung hat der Landkreis Emsland ein Merkblatt „Voraussetzungen für die Anerkennung von Wegeseitenräumen als Kompensations- und Ökokontoflächen“ herausgegeben (Landkreis Emsland 2012b). In dem Merkblatt werden den Kommunen drei Varianten für die Herrichtung der Wegerandstreifen angeboten:

Für eine Obstbaumpflanzung mit hochstämmigen Bäumen werden 2 ÖWE pro m2 gewährt. Hier ist ein mindestens 3m breiter Randstreifen ab Fahrbahnrand erforderlich.

Ebenfalls 2 ÖWE pro m2 werden für eine Heckenpflanzung gewährt. In diesem Fall ist ein mindestens 5m breiter Randstreifen erforderlich, so dass mindestens drei Reihen Landschaftsgehölze gepflanzt werden können.

Als dritte Variante besteht noch die Möglichkeit, die Flächen mit zertifizierten Regiosaatgut anzusäen und danach extensiv zu nutzen oder der Sukzession zu überlassen. Dies dürfen ausdrücklich keine Jägermischungen mit fremdländischen oder nicht standortgerechten Arten sein. Hierfür wird 1 ÖWE gewährt.

2.3 Praktische Umsetzung

Der Landkreis Emsland hat mit einem Schreiben des Landrats an die Bürgermeister die Kommunen aufgefordert, das komplette Wegenetz zu kontrollieren, auszupflocken und herzurichten (s. Abschnitt 2.2). Die Kommunen recherchieren hierfür zunächst mit georeferenzierten Luftbildern und Flurkarten Grenzüberschreitungen und messen ihre Wegerandstreifen aus (Abb. 2). Ein offizielles Ausmessen durch die Katasterämter ist dafür nicht erforderlich, da sich die Grenzen in der Örtlichkeit in der Regel auch so sehr genau feststellen lassen. Eine amtliche Vermessung erfolgt daher nur, wenn Landwirte dies fordern und hierfür die Hälfte der Kosten übernhmen. Die Kommune pflockt dann unmittelbar auf der Grenze ohne Grenzabstand die Wegerandstreifen aus. Hierzu sollen 1,5m lange Pfosten benutzt werden. Ein Grenzabstand ist nicht erforderlich, da es sich nicht um einen Zaun, sondern um eine Grenzmarkierung handelt. § 50 Abs.1 Niedersächsisches Nachbarschaftsgesetz (NNachbG) regelt Grenzabstände für Bäume und Sträucher, gilt aber gemäß § 52 Abs. 2 NNachbG nicht für Anpflanzungen auf öffentlichen Straßen und Uferböschungen. Es wird hier dennoch empfohlen, bei Anpflanzungen 1,25m Abstand von der Grenze zu halten. Dies entspricht der Vorgabe für private Anpflanzungen im Außenbereich gemäß § 52 Abs. 2 NNachbG. Die geplanten Maßnahmen teilt die Kommune der UNB des Landkreises Emsland mit (Gemarkung, Flur, Flurstück, Größe, Entwicklungsziel, Zeit der Umsetzung etc.).

In Abstimmung mit der UNB des Landkreises Emsland wird daraufhin das jeweilige Entwicklungsziel festgelegt und der Ausgangszustand dokumentiert. Die UNB des Landkreises Emsland erkennt je nach Maßnahme Kompensationspunkte an (s. Abschnitt 2.2). Dies erfolgt auf Grundlage der „Arbeitshilfe zur Ermittlung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in der Bauleitplanung“ des Niedersächsischen Städtetags (NST 2013). Einmal jährlich erfolgt dann durch die Untere Naturschutzbehörde (UNB) des Landkreises Emsland ein Abgleich des Ökokontos mit den Kommunen.

Wie viel überpflügte Fläche in den Kommunen zusammenkommen wird, lässt sich noch nicht ganz abschätzen. Bei den Kommunen, von denen bereits Zahlen vorliegen, schwanken die Werte zwischen 6ha und in einem extremen Ausreißer bis 70ha. Die Buchung auf die Ökokonten soll dabei vertikal erfolgen, ohne eine direkte Zuordnung einzelner Wegerandstreifen zu einzelnen Eingriffsflächen. Dies dient primär der Arbeitserleichterung. Die Kommunen kontrollieren jährlich die Einhaltung der Grenzen. Sollten diese erneut nicht eingehalten werden, müssen sie diese durch einen Zaun sichern. Wenn sich die Kommunen außer Stande sehen, die Grenzsicherung durchzusetzen, sollen die Ökopunkte wieder aberkannt werden. Hierüber soll erreicht werden, dass die Kommunen die Einhaltung der Grenzen auch dauerhaft durchsetzen.

2.4 Erfolgsfaktoren

Es ist im Landkreis Emsland gelungen, eine Situation zu schaffen, die alle Beteiligten gewinnen lässt. Nicht zuletzt dadurch stößt die Rückgewinnung der Wegerandstreifen auf eine breite politische Rückendeckung.

Landwirtschaft

Gemäß § 15 Abs.3 BNatSchG muss bei der Bearbeitung der Eingriffsregelung geprüft werden, ob man auf die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen verzichten kann. Dies wird hier mustergültig getan. In den derzeit sehr angespannten Markt für landwirtschaftliche Nutzflächen (s.Abschnitt 1). wird durch die Kommunen weniger eingegriffen. Dies haben auch die Vertreter der Landwirtschaft erkannt. Bei den unmittelbar Betroffenen wurde die Unrechtmäßigkeit überwiegend eingesehen. Von dieser Seite wurde vor allem eine Gleichbehandlung aller angemahnt. Dem wurde durch die konsequente und sofortige Herausnahme aller überpflügten Wegerandstreifen Rechnung getragen.

Kommunen

Die Kommunen sparen viel Geld, weil sie keine Kompensationsflächen erwerben müssen, sondern Flächen in ihrem Besitz, die sie bisher (unfreiwillig) entgeltfrei Landwirten überlassen haben, nutzen können. Für 1ha Ackerland wären das im Landkreis Emsland derzeit mehr als 6,40€ (Niedersachsen 2014). Gemäß § 110 Abs. 2 NKomVG sind die Kommunen ohnehin zu einem wirtschaftlichen und sparsamen Handeln verpflichtet, so dass die Alternative für die Kommune sonst sein müsste, die Flächen aktiv an Landwirte zu verpachten.

Tourismus und örtliche Bevölkerung

Eine regionaltypische Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft (§ 1 Abs.1 Nr. 3 BNatSchG) wird gefördert. Gerade die wegbegleitenden Gehölze stellen im Emsland ein charakteristisches Element der Landschaft dar und tragen zum typischen Charakter der Emsländischen Landschaft bei. Blühsäume verstärken die Attraktivität dieser Strukturen. Das Typische der Landschaft wird für den Touristen erlebbarer und stärkt damit endogene Entwicklungspotenziale im landschaftsgebundenen ländlichen Tourismus. Der ständig wachsende Rad-Tourismus im Emsland (das Emsland ist nach der ADFC Radreiseanalyse 2014 drittbeliebteste Radreisedestination der BRD; ADFC 2014), wie auch der Tourist generell, profitieren von einer attraktiveren Landschaft.

Der emsländischen Bevölkerung wird eine identitätstiftdende Landschaft erhalten bzw. entwickelt.

Jäger

Die Jägerschaft im Landkreis Emsland beklagt einen stetigen Rückgang des Niederwildes. Hier können die zurückgewonnenen Säume Rückzugsräume bieten.

Naturschutz

Der Naturschutz im Landkreis Emsland erhält einen Baustein für den Biotopverbund (s. Abschnitt 1), der vor allem in intensiv agrarisch genutzten Bereichen eine Mindeststruktur schaffen kann. Durch die direkte Wiederherstellung aller Wegerandbereiche über ein Ökokonto stehen diese Bereiche als Vernetzungselemente direkt zur Verfügung.

3 Beispiel 2: Gewässer­renaturierung im Rahmen von ­Flurbereinigungsverfahren

3.1 Ausgangssituation

Über Jahrzehnte haben Flurbereinigungsverfahren den Biotopverbund zerstört. Dass es auch anders geht, zeigt das Flurbereinigungsverfahren „Fresenburg-Düthe“ im Landkreis Emsland.

Bei der Melstruper Beeke handelte es sich vor der Umgestaltung um einen stark begradigten sehr breiten und langsam fließenden Geestbach. Durch elf Sohlabstürze allein auf dem hier gegenständlichen 6,5km langen Gewässerabschnitt verfügte der Bach über keine nennenswerte Fließgeschwindigkeit und hatte eine reine Vorfluterfunktion. Überwiegend grenzten Ackerflächen unmittelbar an den Bachlauf an.

3.2 Konzept

Im Rahmen eines in der Gemarkung laufenden Flurbereinigungsverfahrens wird neben den üblichen Maßnahmen der Agrarstruktur eine Biotopvernetzungsachse an der Melstruper Beeke geschaffen. Am Gewässer soll hierzu die Durchgängigkeit hergestellt und das gute ökologische Potential erreicht werden. Es wird auf 3540 m Länge ein neuer deutlich schmalerer Gewässerlauf mit einer höheren Fließgeschwindigkeit angelegt (Abb. 3 und 4). Die elf Sohlabstütze werden beseitigt, wobei der alte Gewässerlauf weiter bestehen bleibt.

Das neue naturnahe Nebengewässer, das nur an den Zwangspunkten in den alten Lauf zurückfließt, ist so konzipiert, dass das Wasser durch Sohlschwellen im Altgewässer zunächst in den neuen Bachlauf fließt (Abb. 5). Erst bei Hochwasserereignissen wird die Sohlschwelle überströmt und in das Altgewässer abgeleitet. Acht Querriegel zur Verteilung/Aufteilung des Niedrigwasser- bzw. Mittelwasserabflusses auf das naturnahe Gerinne wurden hierfür eingebaut. Damit soll der Landwirtschaft die Angst genommen werden, die Entwässerung der landwirtschaftlichen Flächen würde nach einer Renaturierung nicht mehr funktionieren. In dem neuen Gewässerlauf wird aufgrund der höheren Fließgeschwindigkeit keine Unterhaltung mehr notwendig sein. Weiterhin sollen 13 strömungslenkende/strukturverbessernde Buhnenelemente eingebaut werden.

Finanziert wird das Projekt mit einem Gesamtvolumen von knapp 1 Mio.€ zu 90 % aus EU- und Landesmitteln und zu 10 % aus Mitteln der Naturschutzstiftung des Landkreises Emsland.

3.3 Praktische Umsetzung

Realisiert wird das Projekt in vier Abschnitten zwischen 2012 und 2015. Die Naturschutzstiftung des Landkreises Emsland hat hierfür im Flurbereinigungsverfahren verstreut über die Gemarkung 20ha Fläche erwerben können, die im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens lagerichtig an die Melstruper Beeke gelegt werden, so dass hier ein mindestens ca. 30m breiter und vielfach deutlich breiterer Korridor durch die sehr intensiv genutzte Agrarlandschaft gelegt werden kann.

3.4 Erfolgsfaktoren

Für den Landkreis Emsland hat das Projekt Pilotcharakter für die Vereinbarkeit der Ziele der Landwirtschaft (Entwässerung), des Naturschutzes und der WRRL. Bei einem erfolgreichen Abschluss des Projekts soll dieses an anderen Stellen wiederholt werden. Es kann dann am praktischen Beispiel ortsnah gezeigt werden, dass Ängste vor einer nicht mehr ausreichenden Entwässerung der landwirtschaftlichen Flächen unbegründet sind und auch ohne regelmäßige Räumung des Gewässers ein ausreichender Abfluss gewährleistet werden kann.

Möglich sind derartige Projekte nur über Flurbereinigungsverfahren. Hier war es entscheidend, dass es gelungen ist, durch das Instrument Flurbereinigung gleichzeitig agrarstrukturelle Verbesserungen zu erzielen (Wegebau, Flächentausch etc.) und Naturschutzziele zu verfolgen. Es konnte erreicht werden, dass die Landwirte in einem offenen Austausch ihre Probleme mit einer Gewässerrenaturierung offen angesprochen haben und diesen durch die Gewährleistung eines jederzeit ausreichenden Wasserabflusses berücksichtigt werden konnten.

Weiterhin war der zuständige Unterhaltungsverband bereit, das Projekt durchzuführen und den Versuch, auf ein Unterhalten an dem neuen Gewässerlauf ganz zu verzichten, mitzutragen.

4 Diskussion

Beide Beispiele zeigen, dass eine Stärkung des Biotopverbunds auch unter schwierigen Ausgangsbedingungen in Intensivagrarregionen funktionieren kann. So ist es bei den Wegerandstreifen gelungen, den Vertretern der Kommunen und den landwirtschaftlichen Interessenvertretern Vorteile aufzuzeigen. Entsprechend war der sonst häufig massive Protest von Seiten der landwirtschaftlichen Interessenvertretungen erstaunlich gering. Die unmittelbar betroffenen Landwirte mahnten eine Gleichbehandlung aller Betroffenen an, was wiederum dem politischen Willen, das komplette Wegenetz in einem aus der landwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen, zuträglich war.

Es mag zunächst der Vorwurf gerechtfertigt erscheinen, dass die Beseitigung der Illegalität der Inanspruchnahme öffentlicher Flächen durch Kompensationsmaßnahmen bezahlt werde, maximal das neu geschaffen werde, was andernorts verloren geht, und die Wegerandstreifen eigentlich auch ohne Kompensationsmaßnahmen erhalten bleiben müssten. Dem kann aber entgegengehalten werden, dass die Kommunen diese Bereiche auch an Landwirte verpachten könnten und darüber eine Legalisierung hätten betreiben können.

Bei der Gewässerrenaturierung an der Melstruper Beeke war es möglich, einen Ausgleich zu schaffen zwischen den Interessen der Landwirte auf Erleichterung der Bewirtschaftung und den Interessen des Naturschutzes, das Gewässer zu renaturieren und eine Biotopverbundstruktur zu entwickeln. Ohne das Instrument der Flurbereinigung wäre es hier unmöglich gewesen, den kompletten Korridor am Gewässer für die Gewässerrenaturierung zu erwerben.

Auch hier erscheint die Frage gerechtfertigt, ob der nun geschaffene Puffer zum Gewässer ausreicht oder ob es zur Verbesserung der Wasserqualität nicht besser gewesen wäre, einen breiteren Streifen entlang des Gewässers zu schaffen. 30m stellt das absolute Minimum dar, das benötigt wird, um bei dem beschriebenen angespannten Flächenmarkt im Emsland einen neuen Gewässerlauf realisieren zu können. Tatsächlich ist der Korridor an vielen Stellen deutlich breiter ausgefallen.

Schlussendlich war das entscheidende Erfolgskriterium, dass es gelungen ist, die Politik von den Projekten zu überzeugen.

Literatur

ADFC (2014): ADFC Radreiseanalyse 2014 – 15. bundesweite Erhebung zum fahrradtouristischen Markt. http://www.adfc.de/radreiseanalyse/die-adfc-radreiseanalyse-2014 (08.07.2015).

BfN (Bundesamt für Naturschutz, 2014): BfN Grünlandreport: Alles im grünen Bereich? 34S. http: //bfn.de/22623.html (08.07.2015).

Landkreis Emsland (Hrsg., 2012a): Emsland – Kurzinformation über den Landkreis. Daten, Fakten, Entwicklungen. Meppen.

– (2012b): Merkblatt „Voraussetzungen für die Anerkennung von Wegeseitenräumen als Kompensations- und Ökokontoflächen“ (unveröff.).

Niedersachsen (2014): Gutachterausschuss für Grundstückswerte Osnabrück-Meppen. Geschäftsstelle beim Landesamt für Geoinforma­tion und Landvermessung Niedersachsen, Regionaldirektion Osnabrück-Meppen. Bodenrichtwertkarte – Landwirtschaftlich genutzte Flächen Bodenrichtwerte. Stichtag 31.12.2014.

NST (2013): Arbeitshilfe zur Ermittlung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in der Bauleitplanung, Niedersächsischer Städtetag Hannover, 9. Aufl.

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