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Was können wir umsetzen? Nordrhein-Westfalen als Beispiel

Ziel versus Möglichkeiten im Biotopverbund

Abstracts

Die hohe Einwohner- und Straßendichte führen in NRW zu einer intensiven Landschaftsnutzung und starken Zerschneidung. Das Landesentwicklungsprogramm von 1989 enthielt erstmals das Ziel der Biotopvernetzung, der Landesentwicklungsplan (LEP NRW) von 1995 schuf dafür die landesplanerischen Voraussetzungen, noch ohne Flächenvorgabe. Der zurzeit im Aufstellungsverfahren befindliche aktuelle LEP NRW konkretisiert die Vorgaben für die Fachplanung des Naturschutzes auf 15 % der Landesfläche als Kernflächen eines alle Landesteile übergreifenden Biotopverbunds.

Auf regionalplanerischer Ebene ist das 15- %-Ziel bereits erreicht. Der gemäß Landschaftsgesetz seit 2005 bestehende Auftrag, ein Netz von Biotopen auf 10 % der Landesfläche festzusetzen, ist mit einem Schutzgebietsanteil von 11,5 % der Landesfläche überschritten. Über die Schutzgebietsstatistik ist ableitbar, dass das 10- %-Ziel auch auf der konkreten Flächen- und Maßnahmenebene bereits erreicht ist. Mittelfristig scheint auch das 15- %-Ziel aus der Koalitionsvereinbarung für die 16. Legislaturperiode umsetzbar.

Aims versus possibilities of ecological networks – what can be ­realised? The example of North Rhine-Westphalia

The high density of inhabitants and roads in North Rhine-Westphalia (NRW) has led to intensive land-use and a strong fragmentation of the landscape. The statewide ‘Regional Development Programme’ from the year 1989 contained the aim of biotope networking for the first time, prepared by the ‘Regional Development Plan’ of the state from 1995, at that time without area requirement. The current draft version of the new Regional Development Plan substantiates these requirements, demanding 15 % of the state area as core sites for a biotope network embracing all parts of the state.

The regional planning level has already achieved the 15 % goal. The state-specific ‘Landscape Law’ in 2005 required a network of biotopes covering 10 % of the state area, which meanwhile has been exceeded with a share of protection areas of 11.5 %. The area statistics allow the conclusion that also the level of concrete measures and sites has achieved the 10 % goal. In the medium term, even the 15 % goal of the coalition agreement of the 16th legislative period appears to be realistic.

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1 Allgemeine Rahmenbedingungen für den Naturschutz in NRW

Mit rund 18 Mio. Einwohnern auf etwa 34000 km2 Fläche gehört Nordrhein-Westfalen als das be­völkerungsreichste Land der Bundesrepublik Deutschland zu den am dichtesten besiedelten Räumen der Welt. Die Einwohnerdichte von zirka 530 Einwohner/km2 und ein Straßennetz von rund 30000 km Länge klassifizierter Straßen = 11 % der Straßennetzlänge der BRD (Baumann et al. 2012) führen dazu, dass NRW lediglich 19 unzerschnittene verkehrsarme Räume mit mehr als 100 km2 Fläche aufweist. Von diesen erreicht die überwiegende Mehrzahl diese Größe nur deshalb, weil sie an der Landesgrenze liegen und der außerhalb von NRW liegende Teil einbezogen wird (Abb. 1).

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen sind 8,4 % der Landes­fläche FFH- oder Vogelschutzgebiet und 7,6 % als Naturschutzgebiet ge­sichert (MKULNV NRW 2015). Daneben gibt es (ohne eine eigen­ständi­ge Schutzkategorie darzustellen) rund 8000 ha Wildnisgebiete aus dem Wildnisentwicklungskonzept des Landes (Woike & Kaiser 2012) und 14 Naturparke (rund 38 % der Landesfläche).

2 Aussagen der räumlichen ­Gesamtplanung zum ­Biotopverbund

2.1 Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplan

Schon das Landesentwicklungsprogramm (LEPro) vom 05. Oktober 1989 for­mulierte unter § 32 Abs.1: „Bei der räumlichen Entwicklung des Landes ist den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege Rechnung zu tragen.“ Abs. 2 konkretisierte, dass u.a. die Pflanzen und die Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft, z.B. durch die Anreicherung mit gliedernden und belebenden Elementen mit dem Ziel der Biotopvernetzung, über eine umfassende Land­schafts­planung nachhaltig zu sichern und zu verbessern sind.

Im Landesentwicklungsplan von 1995 (LEP NRW 1995) wird schon im Vorwort darauf hingewiesen, dass der LEP NRW – erstmals in der Bun­desrepublik Deutschland – den landesweiten Biotopverbund, unter Be­zugnahme auf den europäischen Biotopverbund, zum Ziel der Landes­­planung macht. Für alle Gebiete >75 ha (Darstellungs­schwelle des LEP), die entweder schon als Naturschutzgebiete (NSG) festgesetzt waren oder sich nach damaligen Erkenntnissen für den Aufbau eines landesweiten Biotopverbunds eigneten, wurden durch textliche Ziele und zeichnerische Darstellungen als Gebiete für den Schutz der Natur (GSN) die landes­planerischen Voraussetzungen zur Verwirklichung eines landesweiten Biotopverbunds geschaffen. Die Auswahl und An­ordnung der Gebiete erfolgte nach Auswertung der landesweiten Biotop­kartierung und weite­rer Analysen des Naturhaushalts, die z.B. für spezielle Naturschutzpro­gramme oder andere Planungen erhoben worden waren.

Weiterhin formulierte der LEP Vorgaben für die nachgeord­neten Planungsebenen. So wurde den Gebietsentwicklungsplänen (GEP, heute Regionalpläne – REP) die in NRW auch die Funktion als Landschaftsrahmenpläne (LRP) haben, vorgegeben, die GSN des LEP auf regionaler Ebene als Bereiche zum Schutz der Natur (BSN) zu kon­kretisieren und zu ergänzen. Die weitere Konkretisierung erfolgte danach über die örtlichen Festsetzungen der Landschaftspläne und weitere naturschutzfachliche Instrumente (z.B. ord­nungsbehörd­liche Verordnungen, andere Schutzkate­gorien).

Der LEP NRW von 1995 führte auch den Begriff sogenannter „wertvoller Kulturlandschaften“ ein. Diese sollten sich innerhalb der Großlandschaf­ten des Landes durch einen hohen Anteil naturnaher oder extensiv genutzter Bereiche auszeichnen und beispielgebend erhalten werden. Die GEP sollten in ihrer Funktion als LRP auf die besondere Pflege und Entwicklung dieser wertvollen Kulturlandschaften hinwirken. Mit diesen Gebieten sollten einerseits „Schwerpunkte des landesweiten Biotopverbundes gesichert“ werden, gleichzeitig wurde auf ihre Bedeutung für die landschaftsorientierte Erholung, Sport- und Freizeitnutzung und den umwelt- und sozialver­träglichen Tourismus verwiesen.

Die Verknüp­fung der Schwerpunkte des landesweiten Biotopverbundes mit dem Begriff der „wertvollen Kulturlandschaften“ war unglücklich und führte zu erheblicher Kritik, da siedlungsgeografische oder kulturhistorische Kriteri­en für die Abgrenzung so gut wie keine Rolle spielten, aber die Bezeich­nung „wertvolle Kulturlandschaften“ dies suggerierte. Infolgedessen lief das Ziel weitestgehend ins Leere. Dieses Missverständnis wurde erst durch die Definition wertvoller Kulturlandschaften der Landschaftsver­bände (Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Landschaftsverband Rheinland 2007) als Fachgrundlage für den Entwurf des neuen LEP NRW aufgehoben (LEP NRW, Entwurf 2013). Aufgrund anderer Kriterien führte die Arbeit der Landschaftsverbände zu völlig anderen Abgren­zun­­gen und Bezeichnungen. Auch ist die für n­aturschutzwürdige Gebiete typische Grenzlage dort nicht zu erkennen. Diese Kulturlandschaften sind nahezu gleichmäßig über ganz NRW verteilt.

2.2 Die aktuelle Novelle des ­Landesentwicklungsplans

Der aktuelle Entwurf des Landesentwicklungsplans (LEP NRW Entwurf 2013) enthält bei der Formulierung der Leitvorstellung und strategischen Ausrichtung der Landesplanung die Aussage, dass die fortschreitende Verminderung der biologischen Vielfalt aufgehalten werden soll und zirka 15 % der Landesfläche als Kernflächen eines alle Landesteile übergrei­fenden Biotopverbunds im LEP für den Schutz der Natur festgelegt sind. Die Größenordnung von 15 % basiert auf der Auswertung des Bio­topkatasters (Biotopkataster NRW) des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV).

Das Thema Biotopverbund fin­det im Entwurf des LEP NRW nicht nur unter „Natur und Landschaft“ seinen Niederschlag. Es wird beispielsweise auch in Kapitel „Kli­maschutz und Anpassung an den Klimawandel“ behandelt, wo als raumplanerisches Erfordernis die Sicherung und Entwicklung eines umfassenden Biotopverbundsystems genannt wird, welches Ausweich- und Wanderungsbewegungen für vom Klimawandel negativ beeinflusste Arten ermöglichen soll. Weiterhin in der Erläuterung zu dem Ziel „Waldinanspruchnahme“, wo auf die Bedeutung des Waldes für den Biotopverbund, insbesondere in waldarmen Gebieten, hingewiesen wird, und auch in der Erläuterung zum Ziel „Oberflächengewässer“, in welcher die hohe Bedeutung der Gewässer für den Biotopverbund als „Lebensadern der Landschaft“ angesprochen wird.

Auch zu den unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen wird dargelegt, dass diese insbesondere die Durchlässigkeit des Biotopverbunds, eine störungsfreie Wan­de­rung von Tieren innerhalb von zu­sam­menhängen­den Freiflächen und die Überlebensmöglichkeiten von Tierpopulationen in barrierefreien Räumen sichern sollen.

Unter „Natur und Landschaft“ wird als Ziel formuliert, landesweit ausrei­chend große Lebensräume mit einer Vielfalt von Lebensgemeinschaften und landschafts­typischen Biotopen zu sichern und zu entwickeln, um die biologische Vielfalt zu erhalten und diese funktional zu einem übergrei­fenden Biotopverbundsystem auch grenzüberschreitend zu vernetzen. Die GSN sind u.a. auch für den landesweiten Biotopverbund (Abb. 2) zu sichern und durch besondere Maßnahmen des Naturschutzes und der Land­schafts­pflege zu erhalten, zu entwickeln und – soweit möglich – mitein­ander zu verbinden.

Im Entwurf des LEP NRW sind 495949ha =14,5 % der Landesfläche von NRW als GSN dargestellt (Abb. 4). Das ist eine deutliche Zunahme gegenüber dem LEP von 1995 mit 378439 ha = 11,1 % der Landesfläche (vgl. Abb. 3). Im Ent­wurf des LEP NRW wird die Sicherung und Entwicklung eines umfas­senden Biotopverbund­systems auch mit der Ermöglichung von Aus­weich- und Wanderbewegungen für klimasensible Arten begründet. Es wird vorgegeben, zur Gewährlei­stung eines grenzübergreifenden und internationalen Biotopverbunds die Festlegungen der Regional- und Landschaftspläne zum Schutz der Natur grenzüberschreitend abzu­stimmen, die internationalen Schutzge­biete zu integrieren und weitere für den Biotop­schutz bedeutsame Gebiete zu ergänzen.

2.3 Aussagen der Regionalpläne zum Biotopverbund

Sowohl der zurzeit noch gültige LEP NRW 1995 als auch der Entwurf des neuen LEP NRW enthalten Vorgaben für die Umsetzung des Biotopver­bunds in den GEP bzw. in den heutigen REP. Die REP haben in NRW auch die Funktion als Landschaftsrahmenpläne (LRP). Die naturschutz­fachlichen Grundlagen stammen aus den Fachbeiträgen des Natur­schutzes und der Landschaftspflege, die das LANUV erarbeitet. Die Pla­nungsempfehlungen der Fachbeiträge werden, nach Abwägung mit den anderen Raumansprüchen, in die REP übernommen. Die REP haben also eine wichtige Schlüsselfunktion für die weitere Konkretisierung des Biotopverbunds auf der Ebene der Fachplanung des Naturschutzes.

Für die Fragestellung „Was können wir umsetzen?“ ist daher ein Blick in die aktuellen REP aufschlussreich, denn daraus lässt sich ablesen, inwieweit die Vorgaben des LEP NRW von 1995 zum Schutz und zur Entwicklung von Natur und Landschaft auf regionaler Ebene tatsächlich konkretisiert und ergänzt wurden. Eine Auswertung der Bereichsdarstel­lungen für den Schutz der Natur (BSN) der aktuellen REP aus den fünf Regierungsbezirken des Landes vergleicht den Umsetzungsstand der Vorschläge für den landesweiten Biotopverbund Stufe 1 (Biotopverbund­flächen von herausragender Bedeutung) aus den Fachbeiträgen des Naturschutzes und der Landschaftspflege mit den BSN-Darstellungen in den REP. Es kann prozentual abgelesen werden, wie groß der in die Darstellungen der REP als BSN eingegangene Anteil der Biotop­verbund-Vorschlagsflächen Stufe 1 ist bzw. wieviel der Abwägung mit anderen raumordnerischen Belangen in den REP zum Opfer gefallen ist.

Danach schwankt der Anteil der Vorschläge aus dem Fachbeitrag, die zu BSN-Darstellungen wurden, zwischen 72 % im Regierungsbezirk Münster und 82 % im Regierungsbezirk Detmold. Landesweit wurden im Schnitt 79 % der Vorschläge aus den Fachbeiträgen des LANUV zu BSN in den REP. 21 % fielen dagegen der Abwägung zum Opfer. In der Ge­samtbilanz sind damit 15,2 % der Landesfläche von NRW als BSN in den REP und damit für den Biotopverbund gesichert (Abb. 5). Die entspre­chenden Fachbeiträge des LANUV für die REP hatten zwar 16,1 % der Fläche des Landes als Stufe 1 für den landesweiten Biotopverbund vor­geschlagen – aber eine 100-%ige Durchsetzung der Naturschutzziele in einem solchen gesamtplanerischen Abwägungsverfahren zu erwarten, wäre unrealistisch.

3 Aussagen der Fachgesetze des Naturschutzes zum ­Biotopverbund

Neben dem LEP und den REP, die die Naturschutzfachpla­nung auffor­dern, die Naturschutzziele über Landschaftspläne, ordnungsbehördliche Verordnungen und weitere Instrumente und Maßnahmen wie z.B. För­derprogramme zu konkretisieren und umzusetzen, erteilt auch das Fach­gesetz des Naturschutzes den Auftrag, einen landesweiten Biotopverbund zu schaffen. Das Landschaftsgesetz vom 20. Juni 1989 enthielt noch keine Aussage zum Biotopverbund. Das Landschaftsgesetz vom 21. Juli 2000 führt dann aber die Vernetzung der Biotope als Grundsatz auf ( § 2 Ziff. 10) und erteilt der Landschaftsplanung in § 15a den Auf­trag, einen landesweiten Biotopverbund zu entwickeln. Mit der Novelle von 2005 wird dann erstmals mit § 2b die Größenordnung 10 % der Lan­desfläche eingeführt. Das Landschaftsgesetz vom 16. März 2010 in Verbin­dung mit dem Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 hält diesen Auftrag aufrecht. Der Entwurf des Landesnaturschutzgesetzes für NRW erweitert den Flächenumfang für den Biotopverbund auf 15 % der Lan­desfläche und kann sich dabei auf die Koalitionsvereinbarung der Landesregierung NRW für die Legislaturperiode 2012 bis 2017 stützen (NRW SPD-Bündnis 90/Die Grünen NRW 2012: 50).

4 Wie setzt die Fachplanung den Biotopverbund um?

4.1 Fachbeitrag des Naturschutzes und der Landschaftspflege

Seit 1995 ist die Biotopverbundplanung Bestandteil der Fachbeiträge des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die das LANUV für die REP (in ihrer Funktion als Landschaftsrahmenpläne) und die kommunalen Landschaftspläne erstellt. Die Fachbeiträge entwickeln flächendeckend aus einer Bestandsaufnahme und einer Beurteilung des Zustands von Natur und Landschaft sowie einer daraus abgeleiteten Konfliktanalyse Leitbilder und Empfehlungen zur Sicherung, Pflege und Entwicklung von Natur und Landschaft sowie Angaben zum Biotopverbund.

Die Biotop­verbundflächen werden in Stufe 1 (herausragende Bedeutung = Kernflä­chen) und Stufe 2 (besondere Bedeutung = Verbindungsflächen) unter­schieden. Die Biotopverbundempfehlungen der Fachbeiträge werden in den REP als BSN dargestellt (nach regionalplanerischer Abwägung mit anderen raumbedeutsamen Belangen, siehe Abb. 5). In den kom­munalen Landschaftsplänen werden die BSN in den wesentlichen Teilen als Naturschutzgebiete festgesetzt. Zum Biotopverbund der Stufe 1 in NRW gehören FFH- und Vogelschutzgebiete, bestehende Na­turschutz­gebiete, Flächen mit Konzentrationen von Biotopen nach § 30 BNatSchG, NSG-Vorschläge des Biotopkatasters, Standorte mit sehr hohem Biotop­entwicklungspotenzial und herausragender Bedeutung im regionalen Kontext sowie Bedeutungsschwerpunkte der Zielarten.

Über 50 % der Vorschläge beziehen sich auf bestehende NSG. Rund 6,5 % sind NSG-Vorschläge aus dem Biotopkataster. Zirka 17 % stammen ebenfalls aus dem Biotopkataster, ohne dass jedoch die Ausweisung als NSG vorge­schlagen wurde. Gut 24 % eignen sich aus anderen Gründen (z.B. hohes Entwicklungspotenzial für den Artenschutz aufgrund spezifischer abioti­scher Faktoren) für den Biotopverbund (Abb. 6).

4.2 Biodiversitätsstrategie

Die Biodiversitätsstrategie des Landes NRW (MKULNV NRW 2015) ent­hält das Leitbild einer funktionalen Vernetzung der schutzwürdigen Bioto­pe des Landes auf 15 % der Landesfläche. Die Fließgewässer des Lan­des sollen danach den Fischen ungehinderte Wanderbewegungen er­mög­lichen und durch Straßen und Autobahnen sowie andere Infrastruk­tur­ein­rich­tun­gen getrennte Lebensräume sollen mittels weiterer Que­rungshilfen wie Grünbrücken besser passierbar werden. Kurzfristig (binnen etwa fünf Jahren) soll ein landesweites Konzept zur Minimierung von Zerschnei­dungseffekten von Lebensräumen durch Verkehrswege erarbeitet wer­den. Eine natürliche Waldentwicklung soll auf 5 % der Gesamtwaldfläche NRW (45000 ha) wieder dauerhaft möglich sein (MKULNV NRW 2015). Die Umsetzung des landesweiten Biotopverbundes über die Landschaftsplanung und ordnungsbehördliche Verordnungen sowie langfristige vertragliche Vereinbarungen und Flächenankäufe ist mittel­fristig (binnen etwa zehn Jahren) vorgesehen. Auch die Herstellung und Verbesse­rung der Durchgängigkeit der Fließgewässer für die Zielerreichung der Wasserrahmenrichtlinie, insbesondere für die Wanderfischarten Lachs und Aal, soll mittelfristig erreicht werden.

4.3 Wildnisentwicklungsgebiete

Nordrhein-Westfalen hat seit 2011 Wildnisentwicklungsgebiete auf knapp 8000ha auf der Grundlage einer fachlich abgeleiteten Konzeption zur Sicherung der bedeutendsten Buchen- und Eichenwaldbestände im lan­deseigenen Wald ausgewiesen (zu den Kriterien s. Woike & Kaiser 2014). Das Netz der Wildnisentwicklungsgebiete (Abb. 7) besteht aus rund 100 Gebieten mit 309 Einzelflächen. Das entspricht etwa 8 % des NRW-Staatswaldes (Woike & Kaiser 2014). Auch wenn diese Gebiete nicht der EU-Definition für Wilderness (Gebiete >1000 ha) entsprechen, so erfüllen sie als Waldflächen mit natürlicher Entwicklung und ohne Waldbewirtschaftung jedoch einen wichtigen Beitrag für den Biotopver­bund.

4.4 Entschneidungskonzept NRW

Über ein Entschneidungskonzept, zunächst für die Mittelgebirge, wurden im Jahr 2012 Wanderungshindernisse für die Fernwanderungen großer Säugetiere und Lücken des Biotopverbunds ermittelt sowie Vorschläge zu deren Beseitigung erarbeitet. Der Status der vorgesehenen Que­rungs­hilfen kann Abb. 8 entnommen werden. Die Erweiterung auf das gesamte Land ist in Erarbeitung.

5 Was wurde bisher erreicht bzw. was können wir umsetzen?

Das 10-%-Ziel für den landesweiten Biotopverbund aus dem Land­schaftsgesetz von 2005 wurde auf Landesebene durch die Darstellung von GSN im LEP und durch die Darstellung von BSN auf REP-Eebene in allen Regierungsbezirken erreicht. Das 15- %-Ziel aus der Koalitionsver­einbarung von 2012 wurde in die Biodiversitätsstrategie des Landes, in den Ent­wurf des LEP NRW und in den Gesetzentwurf für das neue Landesnatur­schutzgesetzes übernommen. Die aktuelle Bilanz aller BSN-Darstellun­gen der REP ergibt 15,2 % der Landesfläche (Abb. 5). Das bedeu­tet, die neue Flächenzielsetzung für den landesweiten Biotopverbund ist zumindest bis zur Ebene der REP bereits heute erreicht.

Die weitere Konkretisierung erfolgt in NRW durch die Ausweisung ent­sprechender Schutzgebiete über ordnungsbehördliche Verordnungen der Bezirksregierungen und insbesondere über die Landschaftspläne der Kreise und kreisfreien Städte, die in NRW als allgemeinverbindliche Sat­zungen erlassen werden. Die erforderlichen Pflege- und Entwicklungs­maßnahmen führt die untere Landschaftsbehörde aus bzw. vergibt sie. Es existiert zwar keine spezielle Flächenstatistik für rechtlich gesicherte Biotopverbundflächen. Aber nach der Schutzgebietsstatistik des LANUV ergeben die rechtlich gesicherten Naturschutz-, FFH- und Vogelschutz­gebiete plus Nationalpark Eifel abzüglich Überschneidungen ein Schutz­gebietssystem von 391000 ha= 11,5 % der Landesfläche von NRW (interne Berechnungen LANUV 2015). Diese Flächen sind die Kernflä­chen des landesweiten Biotopverbundes. Das 10- %-Ziel ist damit auch auf der konkreten Schutzgebietsebene erreicht. Bis zum 15-%-Ziel fehlen knapp 4 %.

Für die Frage, was wir umsetzen können, ist zu berücksich­tigen, um welche weiteren geeigneten Flächen der Biotopverbund in NRW mittelfristig ergänzt werden kann. Mit Rechtskraft des neuen Lan­desnatur­schutzgesetzes sollen die Wildnisentwicklungsgebiete des Landes als Schutzgebiete rechtlich verankert werden. Von den 8000 ha unterliegt aber bereits ein größerer Teil einer Schutzkategorie. Erwar­tungsflächen für den Biotopverbund sind auch weitere Flächen des Nati­onalen Naturerbes aus Tranche 2 mit etwa 500 ha. Auch hier ist natürlich nur der Teil hinzuzurechnen, der nicht schon einer der oben genannten Schutzkategorien angehört. Die zahlreichen über die Landschaftspläne festge­setzten geschützten Landschaftsbestandteile und auch viele Land­schafts­schutz­gebiete erfüllen zumindest in Teilen ebenfalls Biotopverbin­dungs­funk­tionen, ohne dass sie in dieser Funktion in einer Statistik auf­tauchen. Zu berücksichtigen sind auch die Flächen aus der Förderung der Kreiskulturlandschaftprogramme (Vertragsnaturschutz), die speziell dem Biotopverbund dienen, soweit auch diese nicht in den genannten Schutzgebietskategorien liegen (etwa 40 Programme, bei 54 Kreisen und kreisfreien Städten in NRW).

Weiterhin einzubeziehen ist die Tatsache, dass die Landschaftspläne der Kreise und kreisfreien Städte den Biotopverbund langsam, aber stetig um Schutzgebiete und andere Elemente ergänzen. Das Landschaftsgesetz von NRW nennt in § 18 insbesondere den Aufbau des Biotopverbunds als Entwicklungsziel für die Landschaftspläne. Da außer den Schutzgebietsgrößen keine Zahlen erfasst werden, ist nur eine grobe Annäherung möglich, wie weit sich Zielsetzung und Realität schon angenähert haben. Das 10-%-Ziel für den landesweiten Biotopver­bund aus dem Landschaftsgesetz von 2005 (Stand der Naturschutzge­biete damals 209504 ha = 6,15 % der Landesfläche; LÖBF 2005) war nach neun Jahren auf der für die Wirksamkeit entscheidenden Um­setzungsebene (Landschaftspläne, ordnungsbehördliche Verordnungen) erreicht. Für das neue Ziel 15 % ist zu hoffen, dass es mit ähnlicher Ge­schwindigkeit weitergeht.

Die Widerstände, die zu überwinden sind, um Schutzgebiete auszuweisen bzw. andere Flächen für den Biotopverbund zu entwickeln, sind seit damals nicht geringer geworden. Andererseits ist die Differenz von Soll und Ist heute etwas geringer als 2005. Es bedarf also weiterhin erheblicher Anstrengungen und großer Geduld, aber das 15- %-Ziel erscheint durchaus umsetzbar.

Literatur

Baumann, W., Kaiser, M., Lauckmann, U. (2012): Entschneidungskonzept, Suchräume für Querungshilfen in den Mittelgebirgen. LANUV, Hrsg. http://www.lanuv.nrw.de/natur/landschaft/entschneidungskonzept.htm.

Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Landschaftsverband Rheinland (2007): Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung in Nordrhein-Westfalen, Grundlagen und Empfehlungen für die Landesplanung.

LÖBF (Landesanstalt für Ökologie, Boden und Forsten, 2005): Natur und Landschaft in Nordrhein-Westfalen 2005: Grundlagen, Zustand, Entwicklung. LÖBF-Mitt. 4/2005, 1-283.

MKULNV NRW (Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW, 2015): Biodiversitätsstrategie NRW. Düsseldorf.

NRW SPD-BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW (2012) Koalitionsvertrag 2012 – 2017. Verant­wortung für ein starkes NRW – Miteinander die Zukunft gestalten. Düsseldorf.

Biotopkataster NRW: Schutzwürdige Biotope in Nordrhein-Westfalen: http://www.naturschutzinformationen-nrw.de/bk/de/start.

Woike, M., Kaiser, H (2014): Wildnisentwicklungsgebiete im Staatswald in NRW. In: Natur in NRW 1/2014, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW.

Gesetze und Verordnungen

Gesetz zur Landesentwicklung (Landesentwicklungsprogramm – LEPro) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Oktober 1989. GV.NW.1989 S.485, ber. S. 648.

Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz – LG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 1980 (GV.NW. S. 734/SGV.NW. 791) zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juni 1989 (GV.NW. S. 366).

Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschafts­gesetz – LG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV.NRW. S. 568).

Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz – LG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV.NRW. S. 568) geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. Juli 2005 (GV.NRW. S. 522).

Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschafts­gesetz – LG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV.NRW. S. 568) zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV.NRW. S. 185).

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542).

Landesnaturschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, Gesetzentwurf Stand 22.06.2015.

Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen – LEP NRW vom 11. Mai 1995 (GV. NW. S. 474).

Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen – LEP NRW Entwurf (2013) (MBL.NRW Aus­gabe 2013 Nr. 18 vom 14.8.2013 Seite 291 bis 314).

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