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Recht und Gesetz

Biotopschutz im Spiegel der Rechtsprechung

Die Umsetzung von Biotopverbundsystemen hat vielfach auch eine rechtliche Dimension, über die Gerichte urteilen. Ein Überblick einschlägiger Rechtsurteile zu pauschal nach §30 BNatSchG geschützten Biotoptypen, der hinreichenden Bestimmtheit von Biotoptypen (auch wenn diese nicht immer durch Laien erkennbar sind), Sozialbindung des Eigentums, Umfang des Ausgleichs und Befreiungsmöglichkeiten.

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Von Matthias Möller-Meinecke

1 Pauschal geschützte Biotope

Das Verwaltungsgericht Cottbus verteidigt den gesetzlichen Biotopschutz (Urteil v. 15.10.2014, Az. 3 K 460/13, Rn. 23, juris) gegenüber den Angriffen der Betreiberin eines Braunkohletagebaus mit den Klarstellungen, dass „die Regelung in §30 BNatSchG eine Differenzierung zwischen wertvollen und weniger wertvollen Biotopen nicht aufweist, vielmehr die dort genannten bzw. nach §30 Abs.2 Satz2 BNatSchG von den Ländern weiter unter Schutz gestellten Biotope dem Schutzregime des §30 BNatSchG unterfallen. Die in den genannten Vorschriften gelisteten Biotope genießen einen unmittelbaren gesetzlichen Schutz.“

Auch auf die Ursachen der Entstehung sowie der gegenwärtigen oder vormaligen Nutzung der Biotope komme es, so das Urteil, „nicht an, so dass auch Sekundärbiotope, Flächen, die der natürlichen Sukzession überlassen wurden oder Flächen, die unbeabsichtigt oder widerrechtlich, wie z.B. durch Aufschütten eines Damms für einen Wirtschaftsweg oder durch mangelnde Unterhaltung einer Drainage vernetzt wurden, dem gesetzlichen Schutz unterfallen.“

Den Biotopschutz auch für von Menschen geschaffene Kleingewässer hatte schon das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Beschluss v. 12.09. 006, Az. 8 A 265/04 – ZUR 2007, 43) anerkannt. Das folgt auch aus dem Umkehrschluss, dass es ansonsten der Ausnahmevorschriften in §30 Abs.5 bzw. 6 BNatSchG nicht bedurft hätte.

2 Hinreichende Bestimmtheit

Die hinreichende Bestimmtheit einzelner Biotope bejaht die Rechtsprechung zu den Begriffen Magerrasen, Zwergstrauch- und Wacholderheide, wärmeliebende Säume und Streuobstwiese. Normen, die gegenüber dem Staatsbürger einen Eingriff ermöglichen, müssen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein, so dass der Eingriff messbar und in gewissem Umfang für den Staatsbürger vorhersehbar und berechenbar wird (Urteil v. 21.12.1995, BVerwGE 100, 230/236). Dieses Gebot zwingt den Gesetzgeber aber, so das Bundesverfassungsgericht, nicht, den Tatbestand einer Rechtsnorm mit genau erfassbaren Maßstäben zu beschreiben. Die Vorschriften brauchen nur so bestimmt zu sein, wie dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen. Es genügt, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (Urteil v. 24.04.1991, BVerfGE 84, 133/149; Urteil v. 24.06.1993, BVerfGE 89, 69/84f. m.w.N.).

Daran gemessen sind die Begriffe des Magerrasens und der wärmeliebenden Säume hinreichend bestimmt (Bay. VGH, Beschluss v. 09.08.2012, Az. 14 C 12.308, Rn. 15, juris). Zwar mag das Vorhandensein solcher Biotope für den fachlichen Laien nicht sofort erkennbar sein, auch sind die Folgen der besonderen Unterschutzstellung insbesondere für den betroffenen Eigen­tümer nicht unerheblich. Andererseits sind die Begriffe auch ohne überdurchschnittlichen Aufwand einer Aus­legung fähig, die es jedenfalls im Regelfall auch dem Laien ermöglicht, das Vorhandensein der genannten Biotope ohne weiteres festzustellen.

Darüber hinaus lässt sich für die Betroffenen Klarheit über die bei den Naturschutzbehörden zu führenden – allerdings nicht zwingend vollständigen – Biotopverzeichnisse oder insbesondere durch Nachfrage bei der zuständigen Naturschutzbehörde gewinnen. Der hinreichenden Bestimmtheit steht nicht entgegen, dass bisweilen zur abschließenden Klärung die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erforderlich ist (vgl. NdsOVG, Urteil v. 23.08.1994 – NuR 1995, 470, zum Begriff der Zwergstrauch- und Wacholderheiden; SächsOVG, Urteil v. 06.12.2001 – NuR 2003, 761, zum Begriff der Streuobst­wiesen).

3 Sozialbindung

Der Biotopschutz verstößt, so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, auch nicht gegen den Schutz des Eigentums (Beschluss v. 09.08.2012, Az. 14 C 12.308, Rn. 18, juris). Regelungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, sind grundsätzlich keine Enteignungen im Sinne des Art.14 Abs.3 GG, sondern zulässige Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art.14 Abs.1 Satz2 GG. Denn jedes Grundstück wird, so das Bundesverwaltungsgericht, durch „seine Lage und Beschaffenheit sowie durch die Einbettung in seine Umwelt geprägt. Natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen tragen damit nur den natürlichen und landschaftsräumlichen Gegebenheiten und der dem Grundstück selbst anhaftenden Beschränkung der Eigentümerbefugnisse Rechnung“ (Urteil v. 24.06.1993 – NJW 1993, 2949; Beschluss v. 12.03.1998 – NVwZ-RR 1999, 239). Härtefällen wird über die Regelungen zu Ausnahmen und Befreiungen hinreichend Rechnung getragen. Eine von Verfassung wegen üblicherweise gebotene Entschädigungspflicht ist in §68 BNatSchG geregelt.

4 Ausgleich

Ein Ausgleich für eine Beeinträchtigung im Sinne des §30 Abs.3 BNatSchG erfordert nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts München (03.06.2014, M2S 14.2116, Rn. 87, juris) die Schaffung eines gleichartigen Biotops, d.h. „ein Biotop vom selben Typ, der in den standörtlichen Gegebenheiten und der Flächenausdehnung mit dem zerstörten oder beeinträchtigten Biotop im Wesentlichen übereinstimmt“. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte bereits klargestellt, dass „lediglich gleichwertige Maßnahmen dazu nicht ausreichen“ (BayVGH, Beschluss v. 09.08.2012, 14 C 12.308, juris Rn. 21).

5 Befreiung

Während naturschutzrechtliche Ausnahmetatbestände typischerweise bei Normerlass bekannte oder voraussehbare Fallgruppen regeln, für die eine Regelung generell nicht passt, geht es bei Befreiungstatbeständen, so der oben zitierte Beschluss des Verwaltungsgerichts München, „um nicht vorhersehbare, singuläre Sonderfälle, die sich vom geregelten Tatbestand durch das Merkmal der Atypik abheben und denen im Einzelfall durch eine sachgerechte Lösung Rechnung getragen werden soll. Eine Befreiung ist deshalb regelmäßig ausgeschlossen, wenn ein bestimmter Lebenssachverhalt nur unter bestimmten, in der Ausnahmevorschrift genannten Voraussetzungen die Möglichkeit einer Abweichung eröffnet.“ Generell darf die Befreiungsmöglichkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht dazu führen, die verordnungsrechtliche Bindung durch eine „großzügige“ Befreiungspraxis zu konterkarieren (BVerwG, Beschluss v. 202.2002, 4 B 12/02, juris Rn. 3; Beschluss v. 26.06.1992, 4 B 1-11/92, juris Rn. 40).

Kontakt

Matthias Möller-Meinecke, Fachanwalt für ­Ver­waltungsrecht, Rechtsanwaltskanzlei EDIFICIA Möller-Meinecke & Prell Frankfurt/Main

kanzlei@moeller-meinecke.de http://www.edificia.de

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