Alles andere als einfach: Biodiversität erhalten – genetische Ressourcen, der Uhu und Europa
Naturschutz scheint einfach zu sein – er ist einfach „dagegen“: gegen Windräder, Straßenbau, Gewerbegebiete, Maisäcker usw. Diese öffentliche Wahrnehmung wird der Realität jedoch absolut nicht gerecht: In Wahrheit stellen Erfassen, Analysieren und Bewerten, das Definieren von Zielen und Maßnahmen, das Abwägen und die Vermittlung von Konflikten alle Akteure in Naturschutz und Landschaftsplanung jeden Tag aufs Neue vor anspruchsvolle Herausforderungen.
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Das belegt einmal mehr die vorliegende Ausgabe unserer Zeitschrift: Wie wirken sich Windenergieanlagen auf Vorkommen des Uhus aus? Allein schon die Frage zu stellen, spaltet: Wer ein Uhu-Vorkommen als Gegenargument gegen einen geplanten Windrad-Standort anführt, ist gegen Klimaschutz und für die weitere Nutzung von Kohle und Atom. Auch die Politik fördert dieses Schwarzweiß-Denken: Da wird in einem Fall der Rotmilan kartiert, aber die Ergebnisse bleiben unter Verschluss, weil eine denkbar resultierende Beschränkung des Ausbaus der Windkraft politisch nicht opportun ist. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Das aber kann nicht rechtskonform sein – ohne Abwägung geht es nicht.
Hoch komplex auch die Thematik des Wildpflanzensaatguts: Wie erfüllen wir pragmatisch, aber anspruchsvoll das Ziel, die genetische Vielfalt zu erhalten? Das BNatSchG untersagt in §40 (4) ab März 2020 die Ausbringung gebietsfremden Saatguts in der freien Landschaft (ausgenommen in Land- und Forstwirtschaft). Wie ist dieses Ziel zu händeln?
Die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) hat „Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut“ veröffentlicht. Ein Hauptbeitrag stellt dieses Regelwerk vor. Mindeststandard ist Regiosaatgut für 22 Ursprungsgebiete; für höhere naturschutzfachliche Ansprüche sollte naturraumtreues Saatgut in Anlehnung an die naturräumlichen Haupteinheiten verwendet werden. Dieses sind Ergebnisse einer bundesweiten Abstimmung von Botanikern, Saatgut-Produzenten und Behörden.
Nicht in allen Punkten einverstanden damit ist der Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten (VWW). Im Interesse eines fachlichen Diskurses, der zu verbessertem Schutzerfolg führen kann, räumen wir dieser Gegenposition in einem weiteren Hauptbeitrag den nötigen Platz ein. Beide Seiten haben nachvollziehbare Argumente. Für eine konstruktive Weiterentwicklung des Regelwerks sind alle Beteiligten in einem Boot, haben sie uns im Vorfeld versichert. Mit den Veröffentlichungen wollen wir zum Nachdenken anregen. Die FLL hat den Ausgleich vor allem zwischen den beiden Polen VWW und Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) versucht und zweifellos eine Verbesserung gegenüber den bisherigen Regel-Saatgut-Mischungen (RSM) erreicht. Und dennoch kann man Gutes noch besser machen – so wie jede Software, jedes Auto auch stetig weiterentwickelt wird.
Apropos Weiterentwicklung: Während diese Zeilen geschrieben werden, überschlagen sich die Meldungen aus Bonn, Berlin und Brüssel. Unser „EU-Korrespondent“ Claus Mayr und seine Verbandskollegen berichten im NABU-Blog „Naturschätze.Retten“ ( https://blogs.nabu.de/naturschaetze-retten/ ) über die Vorstellungen der Kommission zum Bürokratieabbau (ein empfehlenswerter Blog!), der Deutsche Naturschutzring reagiert – er fürchtet ein verstärktes Demokratiedefizit und niedrigere Standards für den Umweltschutz. Tags drauf neue alarmierende Zahlen aus Bonn und Kopenhagen (siehe folgende Seiten): Das Bundesamt für Naturschutz legt mit dem „Artenschutzreport 2015“ den Finger in die Wunde, die Europäische Umweltagentur (EEA) mit ihrem Report „State of nature in the EU“ (SoN). Beider Botschaft unisono: Noch nie war es so dringend, (entschlossener) zu handeln, wie heute – und vor allem die Landwirtschaft wird als Hauptproblem identifiziert.
Der Bauernverband hat somit schlechte Argumente, wenn er massiv gegen die EU-Naturschutzrichtlinien stänkert (siehe „Aktuelles aus Brüssel“) – er sollte sich besser konstruktiv für Lösungen mit den und nicht gegen die Bauern einsetzen. FFH- und Vogelschutzrichtlinie müssen erhalten und viel strikter umgesetzt werden. Umso wichtiger ist, dass sich viele Menschen mit Schutzargumenten an der öffentlichen Konsultation der EU zum „Fitness-Check“ beteiligen: https://www.naturealert.eu/de. Bis zum Redaktionsschluss hatten schon über 114000 Menschen auf diesem Weg zum Schutz der Natur aufgerufen. Der Link zum individuellen EU-Fragebogen findet sich am Ende der folgenden Seite – bis zum 24. Juli bleibt Zeit zur Beantwortung.
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