Nachhaltiges Wildtiermanagement
Die Rückkehr von Großraubtieren wie Bären und Wölfen in die Kulturlandschaften Europas, aus denen diese in der Vergangenheit vom Menschen vertrieben worden waren, wird zunehmend und zum Teil sehr emotionsbeladen und wenig sachgerecht in der Öffentlichkeit diskutiert. Um die Auseinandersetzung zu versachlichen, fand in Kooperation mit den Universitäten Trento (Italien) und Innsbruck (Österreich) die internationale Tagung „Die Bären und Wölfe kehren zurück! Nachhaltiges Wildtiermanagement in der Euregio“ an der Freien Universität Bozen (Südtirol, Italien) statt, organisiert von der Arbeitsgruppe „Interdisziplinäre Landschaftsökologie“ an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik.
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Bären und Wölfe kehren zurück
Von Stefan Zerbe
Einseitig negative Pressemitteilungen, z.B. nach Begegnungen von Wolf oder Bär mit dem Menschen in der freien Natur, fördern Ressentiments und Angst der Bevölkerung und Landnutzer. Häufig erschallt dann rasch der „Ruf zu den Waffen“ in der Öffentlichkeit. Nur umfassende Informationen und eine sachlich-konstruktive Diskussion der aktuellen Thematik können zielführend für ein nachhaltiges Wildtiermanagement in Europa sein.
Ziel der Tagung war es, zu einem wissenschaftlichen Informationsaustausch zum nachhaltigen Umgang mit Bär und Wolf mit einem Fokus auf die gesamte Alpenregion beizutragen. An der Tagung nahmen ca. 150 Personen aus mehreren europäischen Ländern teil. Das Thema wurde aus einer interdisziplinären Perspektive beleuchtet. Berücksichtigung fanden Geschichte, Biologie und Ökologie der Großraubtiere Bär und Wolf im Alpenraum, die aktive Wiedereinführung im Rahmen von europäischen LIFE-Projekten, die europäische Umweltpolitik, Erfahrungen mit dem Wildtiermanagement in verschiedenen europäischen Regionen, Probleme mit den Landnutzern, Information und Kommunikation dieser Thematik in der Öffentlichkeit. Die gesamteuropäische Perspektive wurde mit Beiträgen zur Forschung und zum Wildtiermanagement aus Norwegen, Rumänien, Slowenien, Österreich, Schweiz, Italien und Deutschland beleuchtet.
Im Folgenden werden einige wichtige Ergebnisse bzw. Grundlagen für weitere Diskussionen dieses hochaktuellen Themas kurz umrissen:
Bären und Wölfe sind in Europa aufgrund nationaler und internationaler Gesetze und Abkommen streng geschützt.
Die Analyse von Flurnamen wie „Bärenbad“, „Bärenacker“ oder „Wolfsgrube“ z.B. in Südtirol aus historischer Perspektive zeigt, dass Bär und Wolf in der Region der Südalpen einstmals präsent waren und es eine Koexistenz von Mensch und Großraubtieren bereits gab.
Bär und Wolf meiden in der Regel die Nähe des Menschen. In Ausnahmefällen suchen die Tiere die Nähe des Menschen, was zu Problemen führen kann. „Problembären“ bzw. „Problemwölfe“, die die Nähe des Menschen regelhaft suchen und Schäden z.B. an Haus- bzw. Nutztieren anrichten können, gilt es zu identifizieren. Die vergleichsweise wenigen physischen Begegnungen zwischen Bär oder Wolf und dem Menschen werden vielfach in den Medien sehr übertrieben dargestellt und erzeugen ein negatives Bild des Zusammenlebens dieser Großräuber mit dem Menschen in der Kulturlandschaft.
Die aktive Wiedereinführung des Bären hat z.B. im Trentino zu einem starken Anstieg der Bärenpopulation geführt. Auch in anderen Ländern Europas wachsen die Populationen der Wildtiere. In einer Kulturlandschaft, wo sich Mensch und Tier den Lebensraum teilen müssen, ist daher ein nachhaltiges Wildtiermanagement notwendig.
Der Aktionsradius von Bär und Wolf beträgt bis zu mehreren Hundert Kilometern auch weit über Landesgrenzen hinweg, d.h. ein Management von Bär und Wolf kann nur auf internationaler Ebene erfolgreich umgesetzt werden (z.B. im gesamten Alpenraum).
Schäden treten z.B. in der Berglandwirtschaft an Nutztieren und der Imkerei auf oder, wenn die Tiere sich leicht zugängliche Nahrung in Siedlungsgebieten (z.B. aus Müllcontainern) holen. Selten kommt es zu Schäden im Straßenverkehr, wenn die Tiere Verkehrswege überschreiten.
Zu einem aktiven Monitoring der Großraubtierpopulationen gehören Information, Dauerbeobachtung insbesondere der Wanderungsbewegungen, Prävention von Schäden, Entschädigung bei Schäden an Nutztieren und Intervention bei „Problemtieren“.
Elemente eines nachhaltigen Wildtiermanagements sind Information bzw. Öffentlichkeitsarbeit, Monitoring, Herdenschutz in der Landwirtschaft, Entschädigungsfonds für von Schäden Betroffene, ggf. eine regulierte Jagd und eine integrative Entwicklung von Marketing- und Tourismuskonzepten im Hinblick auf die wiederkehrenden Großraubtiere.
Führt man die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Tagung zum Bär und Wolf in den Alpen zusammen, gibt es kaum Zweifel, dass ein Zusammenleben von Mensch und Großraubtieren auch in den Kulturlandschaften im Allgemeinen möglich ist. Nun sind Landnutzer, die zuständigen Behörden und politische Entscheidungsträger auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene gefragt, gemeinsam grenzüberschreitende Strategien im Umgang mit Großraubtieren zu entwickeln.
Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Stefan Zerbe, Freie Universität Bozen, Fakultät für Naturwissenschaften und Technik, Universitätsplatz 5, I-39100 Bozen-Bolzano, E-Mail Stefan.Zerbe@unibz.it.
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