Finanzielle Unterstützung des Landschaftserhalts durch die Kurtaxe
Abstracts
Die landwirtschaftliche Nutzung ist ein wichtiger landschaftsprägender Faktor, insbesondere auch für den Tourismus in Deutschland. Die enge Wechselbeziehung von Landwirtschaft und Tourismus kann Synergien, aber auch Konflikte für beide Seiten hervorrufen. Es existieren zwar seit Jahrzehnten bewährte Beispiele eines Agro-Tourismus mit dem Ziel der Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten, die direkte Finanzierung von Landschaftspflegemaßnahmen als Unterstützung traditioneller Bewirtschaftungsformen ist jedoch nicht verbreitet.
Ein Beispiel für die direkte Finanzierung von Landschaftspflegemaßnahmen zum Erhalt bäuerlicher Kulturlandschaften liefert seit 15 Jahren die Gemeinde Münstertal im Naturpark Südschwarzwald u.a. durch die sogenannte Ziegenprämie aus der Kurtaxe. Die offene Kommunikation der Verwendung der Kurtaxe für die Landschaftspflege u.a. durch Ziegen ist dabei ein wichtiger Bestandteil der touristischen Vermarktung und stößt bei Touristen auf positive Resonanz.
Das bestehende kooperative Management zwischen Tourismus, Landwirtschaft, Naturschutz und u.a. Naturparken zum Erhalt bäuerlicher Kulturlandschaften wird im vorliegenden Beitrag diskutiert und mit Blick auf die neue ELER-Förderperiode werden Empfehlungen zur verstärkten Zusammenarbeit (Art. 35 ELER-VO) gegeben.
Financial Support for Landscape Preservation from the Visitor’s Tax – Experiences from the Tourist Destination Münstertal-Staufen (Southern Black Forest Nature Park)
Agricultural land use is a crucial land shaping factor of the countryside and provides, in this way, an essential resource for the tourism sector in Germany. The close interdependence of agriculture and tourism can cause synergies but also conflicts. There is a series of best practice examples of agro-tourism projects with the aim of strengthening regional value chains. However, the direct financing of landscape preservation measures to support traditional management practices has not become a common approach yet. The local community Münstertal of the Southern Black Forest Nature Park provides an example of direct funding of landscape management measures in order to protect the rural countryside. Over the last 15 years the management measures have been partially financed by the visitor’s tax, e.g. with the so-called “goat premium” paid to goat farmers. The transparent information about the use of the visitor’s tax is a crucial part of the touristic marketing of these measures and has met positive responses from tourists. The paper discusses the cooperative management by various stakeholders. Finally, recommendations are given to strengthen the cooperation between the stakeholders with regard to the new EAFRD funding period (Article 35 of the EAFRD Regulation).
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1 Einleitung
Landwirtschaftliche Nutzung ist ein wichtiger landschaftsprägender Faktor. Die bäuerliche Bodennutzung hat über Jahrhunderte zum charakteristischen Landschaftsbild in Deutschland beigetragen. Damit besitzt sie bis heute eine entscheidende Bedeutung für den Tourismus in Deutschland. Die enge Wechselbeziehung von Landwirtschaft und Tourismus kann Wertschöpfung oder auch Konfliktfelder für beide Seiten hervorrufen. In diesen vielfältigen Wechselbeziehungen spielt die Landwirtschaft für den Tourismus häufig die Rolle einer stillen Partnerin, seltener eine aktive oder strategische Partnerin (Maier 2009).
Als stille Partnerin für den Tourismus profitiert die Landwirtschaft u.a. von den Direktzahlungen und Förderprogrammen der EU bzw. der Bundesländer im Rahmen der EU-Agrarpolitik (GAP) oder Förderung im Rahmen des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) und trifft im Rahmen dieser Zahlungen Entscheidungen über die Bewirtschaftung ihrer Flächen. Für den Tourismus sichtbare Auswirkungen sind dann z.B. Blühstreifen und Hecken in der Agrarlandschaft, Maisanbau u.a. für Biogasanlagen oder auf Grünland grasende Kühe, Rinder oder Schafe mit den jeweils verbundenen Auswirkungen auf die Biodiversität.
Als aktive Partnerin für den Tourismus übernimmt die Landwirtschaft u.a. die Betreuung von Gästen auf bäuerlichen Betrieben. Dabei ist die Angebotspalette vielfältig: Urlaub auf dem Bauernhof, Reiterferien, Straußenwirtschaften, Wellness- und Kreativkurse. Auch die Vermarktung regionaler Produkte und Dienstleistungen im Agrotourismus generieren ein zusätzliches Einkommen und kann dem Erhalt regionaltypischer Landschaften dienen (Liesen 2013, Maier 2009, VDN 2013).
2 Natur-Tourismus im Trend
Viele Megatrends der Gesellschaft (u.a. Individualisierung, gesteigertes Gesundheitsbewusstsein, verändertes Konsumverhalten, Demografiewandel) beeinflussen Reisemotive wie Erholung, Ruhe, Selbsterfahrung, Abenteuer und damit den Tourismus. Regionen mit einem hohen Anteil an typischen Natur-, Erholungs- und Freizeiträumen, kombiniert mit flexiblen, leicht buchbaren und preiswerten Angeboten, besitzen ein Potenzial, diese touristische Nachfrage zu befriedigen (Maier 2009). Diese Chancen können durch eine strategische Partnerschaft zwischen Tourismus, Landwirtschaft und Schutzgebieten wie Naturparke oder Biosphärenreservaten genutzt werden.
Dass der Trend zum Naturtourismus momentan in Politik und Tourismuswirtschaft erkannt wird, zeigt u.a. die Tatsache, dass die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) im Auslandsmarketing 2016 das Themenjahr „Faszination Natururlaub“ den deutschen Naturparken, Biosphärenreservaten und Nationalparken widmet (DZT 2012). Auch die zunehmende Nachfrage nach zertifizierten Qualitätswanderwegen, Top-Trails oder ähnlichen qualifizierten Wander- oder Radwegen, die häufig in Großschutzgebieten etabliert werden, bestätigen den Trend, dass Nachhaltigkeit und das Erleben von Natur und Landschaft für viele Deutsche im Urlaub von wachsender Bedeutung sind (Aderhold 2011, FUR 2013).
Einer der Gründe ist sicherlich, dass die Tourismuswirtschaft erkannt hat, dass solche Angebote und auch die Serviceangebote in Großschutzgebieten wie Naturparken und Biosphärenreservaten zu messbaren ökonomischen Effekten führen. Der ökonomische Nutzen z.B. von Naturparken für die Region ist klar belegt. Eine vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene Studie zu den ökonomischen Effekten von Großschutzgebieten kam für 2004 zu dem Ergebnis, dass für die Naturparke Altmühltal und Hoher Fläming ein allein touristisch bedingter regionalökonomischer Effekt nachgewiesen werden kann, der im Naturpark Altmühltal einem Beschäftigungsäquivalent von 483 Arbeitsplätzen entspricht und im Naturpark Hoher Fläming von 211 Arbeitsplätzen (Job et al. 2005). Es profitieren besonders das Gastgewerbe, aber auch der Einzelhandel und das Dienstleistungsgewerbe durch die Besucher der Naturparke.
In Österreich wurde die jährliche Wertschöpfung in den 47 österreichischen Naturparken (die deutlich kleiner sind als deutsche Naturparke und insgesamt nur rund 5 % der Naturparkfläche in Deutschland entsprechen) mit 144 Mio. € jährlich ermittelt (Ketterer & Siegrist 2009; VNÖ mdl. Mitt. 2012). Eine wissenschaftliche Studie des Deutschen Wanderverbandes zeigt, dass Wanderer in Deutschland jährlich 7,5 Mrd. € in den Orten ausgeben, die sie während ihrer Touren besuchen. Hinzu kommen die Ausgaben für die An- und Abreise sowie für die Ausrüstung. Allein letztere belaufen sich auf 3,7 Milliarden € pro Jahr (Deutscher Wanderverband 2011). Auch für einen einzelnen Tourismusort können beeindruckende Wertschöpfungsleistungen, allein aus den Angeboten die Natur und Landschaft bieten, entstehen. Riesterer (2013) ermittelte für die im Folgenden näher untersuchte Gemeinde Münstertal bei 300000 touristischen Übernachtungen im Jahr eine Netto-Wertschöpfung von annähernd 30 Mio. €, die unmittelbar und mittelbar der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde zugutekommt, ohne dass sie dabei für nennenswerte touristische Investitionen sorgen muss.
3 Die Landwirtschaft als strategische Partnerin für den Tourismus
Ein Großteil der touristischen Aktivitäten findet in der Natur statt. Gäste haben das Bedürfnis, sich in „intakter Natur“ zu erholen, unter der sie – wie verschiedene Studien belegen – ein möglichst naturnahes, durch wenig technische Überprägung oder sichtbare Industrie gestörtes Landschaftsbild verstehen (Studien zum Naturbewusstsein: BMU 2009, 2011, 2013; Gurtner 2009, Pröbstl-Haider et al. 2014). Ob ihm eine Landschaft „naturnah“ vorkommt, beurteilt der Urlaubsgast in der Regel nicht nach ökologischen oder naturschutzfachlichen, sondern nach ästhetischen Kriterien: Ein kleinteiliges Nutzungsmuster, bunte Wiesen, weidende Nutztiere, die Diversität der Grüntöne eines Mischwaldes oder die malerische Einbettung von Gehöften und Siedlungen bestimmen den Eindruck mehr als das Vorkommen seltener Arten oder das Vorhandensein extremer Standorte. Damit gehören traditionelle Kulturlandschaften zu den bevorzugten Tourismusdestinationen – insbesondere im Mittelgebirgs- und Alpenraum. Das abwechslungs-und strukturreiche Landschaftsbild dieser Kulturlandschaften, zu denen traditionell auch eine kleinräumige Landwirtschaft zählt, ist jedoch durch verschiedene Faktoren wie die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft, auch infolge des verstärkten Anbaus von nachwachsenden Rohstoffen, oder die Aufgabe von unrentablen Standorten gefährdet.
Die kleinteilige Landwirtschaft mit traditionellen Bewirtschaftungsmethoden (Beweidung, Mahd) ist ökonomisch bedingt auf dem Rückzug (Haber 2014, Hampicke 2013). Die Verluste an Dauergrünland insgesamt und artenreichem Dauergrünland im Besonderen sind eklatant (Hötker & Leuschner 2014, Oppermann et al. 2013, Schramek et al. 2012). Von touristischer Seite wird die damit einhergehende Bedrohung der Attraktivität zwar erkannt, jedoch werden die Möglichkeiten einer direkten Beeinflussung noch längst nicht ausgereizt. Es existieren zwar seit Jahrzehnten bewährte Beispiele eines Agro-Tourismus mit dem Ziel der Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten (BMWi 2013a, Ö.T.E. 2008 und 2013), die direkte Finanzierung von Landschaftspflegemaßnahmen als Unterstützung oder Substitut traditioneller Bewirtschaftungsformen durch den Tourismus ist jedoch nicht verbreitet.
Aus Sicht des Biotop- und Artenschutzes werden zur Erhaltung artenreichen Grünlands, vor allem als Ersatz für die Milchkuhhaltung, die Beweidung mit hinsichtlich der Futterqualität anspruchsloseren Nutztieren, z.B. Mutterkühen, Schafen oder Ziegen, sowie auch Kombinationen von Mäh- und Weidenutzungen empfohlen. Diese erhielten und erhalten auch bevorzugt Fördermittel aus Agrarumwelt- und Naturschutzförderprogrammen – in Baden-Württemberg z.B. nach der Landschaftspflegerichtlinie (LPR 2007). Der dauerhafte Erfolg solcher Maßnahmen hängt aber entscheidend von den betriebswirtschaftlichen Bedingungen sowie der Nachfrage der damit erzeugten Produkte ab (Elsässer 2000, Haber 2014).
In dem hier vorgestellten Untersuchungsraum im Bundesland Baden-Württemberg sind dies im Wesentlichen Förderungen über drei verschiedene Förderlinien (vertiefte und regelmäßig aktualisierte Informationen unter http://www.foerderwegweiser.landwirtschaft-bw.de/ ):
In der sog. Ersten Säule finden sich die EU-finanzierten Betriebsprämien, die sich – unter Einhaltung bewirtschaftungstechnischer und ökologischer Rahmenbedingungen („Cross-Compliance“) – über die Betriebsfläche herleiten.
Verstärkte Aspekte der Kulturlandschaftspflege kommen im MEKA-Programm zum Tragen. Dieses Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichsprogramm kombiniert EU-, Bundes- und Landesmittel mit dem Ziel der Kulturlandschaftspflege und einer umweltgerechten Betriebsweise. Relevant für den hier vorgestellten Raum ist die Förderung von „gebietstypischen Weiden“ mit einem Höchstsatz von 450 € pro Hektar. In 2015 wird MEKA durch FAKT abgelöst.
Konkrete naturschutzfachliche Leistungen eines Landwirtschaftsbetriebs werden in Baden-Württemberg in der Regel über die Landschaftspflegerichtlinie vertraglich abgesichert. Hier erfolgt die Festschreibung und Vergütung konkreter Pflegemaßnahmen in wertvollen Biotopen auf der Basis von Fünf-Jahres-Verträgen mit geregelter Erfolgskontrolle durch die Untere Naturschutzbehörde. Die Höhe der Förderung richtet sich nach dem Aufwand der Pflegemaßnahmen und einer Schätzung des Ertragsausfalls.
4 Erfahrungen aus der Ferienregion Münstertal-Staufen
Seit fast 15 Jahren geht die Schwarzwaldgemeinde Münstertal (20 km südlich von Freiburg; http://www.muenstertal-staufen.de ) im Naturpark Südschwarzwald einen eigenständigen Weg. Anstatt sich nur auf die Förderrichtlinien des Landes zu verlassen, wird ein Teil der kommunal erhobenen und verwalteten Kurtaxe für die Förderung landwirtschaftlicher Maßnahmen, wie der Offenhaltung, und damit für die Erhaltung eines für den Tourismus ansprechenden Landschaftsbildes (Abb. 1) verwendet. Dieser derzeit deutschlandweit einzigartige Weg hat drei Komponenten:
eine auf überprüfbaren Tatsachen beruhende und gerichtsfeste Begründung, warum die Kurtaxe als zweckgebundene Abgabe in Tourismusorten für Maßnahmen der Landschaftspflege herangezogen werden darf (Burmeister 1996);
ein praktikables Handling mit Einbezug der ortsansässigen Landwirte und zweckmäßigen Pflegemaßnahmen;
eine konsequente Vermittlung des Projekts für diejenigen, die es finanzieren – die Urlaubsgäste.
Die wichtigsten Kenndaten zur Gemeinde Münstertal sind im Textkasten zusammengestellt.
Kenndaten zur Gemeinde Münstertal
Einwohnerzahl: 5100
Gemarkungsfläche: 6781 ha
Höhengradient: 371 bis 1414 m üb. NN
ca. 10 landwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe
ca. 150 landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebe
2 Hofkäsereien
2013: 305000 Gästeübernachtungen, 59000 Gästeankünfte
140 gastgebende Betriebe mit 2384 Gästebetten, davon ein Campingplatz mit 300 Stellplätzen und elf Hotels/Gasthöfe mit ca. 212 Betten
Kurtaxe als Finanzierungsquelle
Zum Einzug von Kurtaxe sind Gemeinden berechtigt, die über einen dokumentierten Tourismus verfügen. Dazu ist nicht zwingend erforderlich, dass sich die Gemeinde mit einem Prädikat gemäß der Landeskurgesetzgebung (z.B. Erholungsort, Luftkurort) schmücken darf. Urlaubsgästen ist eine Kurtaxe aus nahezu allen deutschen und vielen ausländischen Tourismusdestinationen vertraut. Insbesondere wenn sie mit sichtbaren Leistungen verknüpft ist (s.u.), erfreut sie sich seiner großen Akzeptanz. Grundsätzlich kann man daher die Kurtaxe als ein erfolgreich etabliertes Finanzierungsinstrument nach dem Verursacherprinzip auffassen. Andere Wege der Querfinanzierung touristischer Dienstleistungen – etwa die Erhebung einer Bettensteuer oder Tourismusabgaben für die Gewerbebetriebe einer Tourismusgemeinde – bergen dagegen ein erhebliches Diskussionspotenzial, weil die zugrundeliegenden Wertschöpfungsberechnungen umstritten sind (vgl. http://www.ahgz.de/s/bettensteuer )
Juristisch ist die Kurtaxe eine zweckgebundene kommunale Abgabe, über deren Bestimmung eine Kalkulation der tatsächlich mit dem Kurbetrieb verbundenen Kosten erforderlich ist. Die Höhe des Kurtaxesatzes, der kurtaxepflichtige Personenkreis, Befreiungsgründe und die verwaltungstechnische Abwicklung sind im Rahmen einer Kurtaxesatzung von der Gemeinde festzulegen und zu veröffentlichen. Jeder Gastgeber ist anschließend gezwungen, in Verbindung mit der melderechtlich verpflichtenden Anmeldung des Urlaubsgastes auch die Kurtaxe zu erheben und an die Gemeinde abzuführen. Auch landschaftspflegerische Maßnahmen gehören zu den kurtaxefähigen Einrichtungen (Burmeister 1996).
In den Ferienorten des Schwarzwalds sind derzeit Kurtaxesätze zwischen 1,50 und 3,00 € pro Übernachtung (ÜN) üblich. Bei besonderen Leistungen (z.B. All-inclusive-Gästekarten) kann der Satz bis über 6,00 € steigen. Als regionale Besonderheit bieten fast alle Schwarzwaldorte ihren Gästen für die Dauer des Aufenthaltes die sog. KONUS-Gästekarte, welche freie Fahrt im gesamten ÖPNV-Netz zwischen Basel und Karlsruhe gewährt. Die hierfür an die Verkehrsbetriebe abzuführenden Gebühren werden als fester Bestandteil der Kurtaxe eingezogen und betragen derzeit 0,36 € pro ÜN.
Münstertal erhebt derzeit 1,70 € Kurtaxe pro ÜN. Als Mitglied der KONUS-Kulisse werden hiervon 0,36 € pro ÜN für die KONUS-Gästekarte abgeführt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der KONUS-Anteil für jeden Gast ab dem sechsten Lebensjahr fällig wird, während üblicherweise Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr von der Kurtaxepflicht befreit sind. In der Kurtaxekalkulation muss demnach ein kalkulatorischer Überhang des KONUS-Anteils berücksichtigt werden. Zusätzlich gibt die örtliche Kurtaxesatzung Reduktionen bzw. Befreiungen für Gäste mit amtlich festgestellter Behinderung vor.
Im Jahre 2013 resultierte von den 305000 Gesamtübernachtungen in Münstertal ein Kurtaxevolumen von rund 350000 €. Hiervon wurden nun insgesamt 110000 € (also ein knappes Drittel) für landwirtschaftliche Maßnahmen zur Förderung der Offenhaltung eingesetzt. Diese verteilen sich auf vier Bereiche:
33500 € wurden für eine Ziegenprämie eingesetzt, nach der jeder Ziegenhalter mit mehr als fünf Tieren, die tatsächlich draußen weiden, 25 € pro Ziege und Jahr erhielt (Abb. 2).
15800 € wurden für Maßnahmen der motormanuellen Erstpflege künftiger Weideflächen ausgegeben. Der hier zugrundeliegende kommunale Fördersatz beträgt 18 € pro Stunde.
15000 € dienten Maßnahmen der Melioration von Weiden – im Wesentlichen eine Kompensationskalkung, die den Futterwert der Fläche anhebt und der fortgeschrittenen Bodenversauerung bei zurückliegender Fichtensukzession entgegenwirkt. Diese nicht unumstrittenen Maßnahmen dienen in erster Linie dazu, Landwirten die regelmäßige Beweidung wieder schmackhafter zu machen, damit die Flächen nicht in den reinen Pflegebetrieb übergehen.
Mit 45700 € wurden von Landwirten durchgeführte Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes nach der Landschaftspflegerichtlinie kommunal kofinanziert.
Die kommunale Förderkulisse aus den Kurtaxemitteln steht dabei nicht isoliert da. Seit 2012 ist die Gemeinde Münstertal Mitglied im Landschaftserhaltungsverband (LEV) Breisgau-Hochschwarzwald. In Baden-Württemberg dienen die auf Kreisebene etablierten Landschaftserhaltungsverbände konkreten Aufgaben der Kulturlandschaftspflege (MLR 2011). Um die erforderlichen Tätigkeiten sinnvoll aufzuteilen und effizient zu koordinieren, hat die Gemeinde Münstertal die Stelle eines kommunalen Landwirtschaftsreferenten eingerichtet. Dieser steht im engen Kontakt mit den Landwirten, den Fachbehörden (Landwirtschaftsamt, Naturschutzbehörden) und dem LEV Breisgau-Hochschwarzwald. Je nach Art und Umfang der Aufgaben werden diese von ihm auf die einzelnen Akteure verteilt, begleitet und koordiniert. Diese Organisationsstruktur sorgt für die größtmögliche Effizienz in der Pflege vor Ort, weil eine Fachperson die Fäden in der Hand hält.
Zusammengefasst liegt die Besonderheit des „Münstertäler Modells“ in der klaren Verantwortungsübernahme auf der kommunalen Ebene. Der kommunale Landwirtschaftsreferent sorgt einerseits für die Koordination, Verteilung und Finanzierung aller landschaftspflegerischer Tätigkeiten. Die Tourismusverwaltung schafft dauerhafte Akzeptanz für den Einbezug der Urlaubsgäste als (Mit)-Finanziers der anfallenden Tätigkeiten. Dass dadurch der Urlaubsgast bei den Einheimischen in die Rolle eines „Mitverantwortungsträgers“ rutscht, ist ein gewünschter Nebeneffekt und trägt zur gastfreundlichen Grundstimmung bei.
Wirkungen in der Fläche
In der Ferienregion Münstertal Staufen werden durch dieses Modell zwischen 3 und 15 ha der Kulturlandschaft durch motormanuelle Erstpflege für die Beweidung vorbereitet. Alle Pflegearbeiten werden durch einen Kreis von Landwirten bestritten, der sich derzeit aus etwa zehn Personen zusammensetzt. Etwa 75 Ziegenhalter nehmen die Ziegenprämie in Anspruch und beweiden mit ihren Herden, die zusammen etwa 1300 Ziegen umfassen, derzeit etwa 150 bis 200 ha Steilhänge und sonstige Weideflächen. Durch die kofinanzierten Maßnahmen nach der Landschaftspflegerichtlinie Baden-Württemberg werden vor allem die Natur- und Landschaftsschutzgebiete der Kuppenlagen offengehalten und in ihrem Charakter als ehemalige Allmendweiden gestärkt (Abb. 3; vgl. Coch 2014a).
Naturschutzfachlich betrachtet begünstigt dieses Pflegemanagement folgende Biotoptypen (z.T. besonders geschützt nach FFH-Richtlinie und/oder Biotopschutzgesetz Baden-Württemberg) (jeweils Zirka-Angaben): 20 ha Borstgrasrasen, 40 ha Flügelginsterweiden und -säume, 30 ha Zwergstrauch- und Wacholderheiden, 8 ha Goldhafer-Wiesen, 60 ha mäßig fette Rotklee-Weiden sowie 7000 lfm reich strukturierte Waldränder.
Aus dem kommunalen Finanzengagement entstehen jedoch auch spezifische Probleme, wie die Gefahr der Doppelförderung. Gemeint ist hier, dass gleichzeitig EU-Subventionen (Landesförderprogramm MEKA bzw. Landschaftspflegerichtlinie) bzw. Bundesmittel aus der GAK (Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes) und kommunale Mittel für die gleiche oder eine sich überlappende Tätigkeit gezahlt werden. Die beihilferechtliche „De-minimis-Regelung“ der landwirtschaftlichen Förderung durch die EU begrenzt aber bisher die direkten Zahlungen an die beihilfeberechtigten Landwirte. Bislang galt, dass Beihilfen, die in einem Zeitraum von drei Steuerjahren weder 7500 € je Empfänger noch eine Höchstgrenze von 0,75 % des für jeden Mitgliedstaat festgelegten Produktionswerts der Landwirtschaft übersteigen, als Beihilfen zu betrachten waren, die den Wettbewerb nicht verzerren oder zu verzerren drohen. Mit der neuen EU-Verordnung, die seit dem 01. Januar 2014 gilt, wird der Betrag pro Empfänger auf 15 000 € in einem Zeitraum von drei Steuerjahren und die Höchstgrenze je Mitgliedstaat auf 1 % des Produktionswerts der Landwirtschaft angehoben (BMEL 2014).
In Einzelfällen haben daher bereits Landwirte auf den kommunalen Fördertopf aus der Kurtaxe verzichtet, um nicht mehr Fördermittel zu erhalten, als ihnen die sogenannte „De-minimis-Regelung“ zugesteht. Mit der Anfang 2014 erfolgten Anhebung der De-minimis-Grenze ist daher für einige Landwirte die kommunale Förderung attraktiver geworden.
Vermarktung der Produkte
Nach einem deutlichen Rückgang der Ziegenhaltung in den 1970er-Jahren sind die Bestände an Ziegen wieder deutlich gestiegen und auch im Südschwarzwald sind in den letzten 20 Jahren ein Reihe von „Ziegenhöfen“ entstanden. Auf einigen dieser Höfe werden ausschließlich Milchziegen gehalten, auf anderen Milch- und Fleischziegen oder auch Ziegen zusammen mit anderen Nutztieren wie Schafen und Rindern. Während auf einem Teil der Höfe die erzeugte Milch zu Käse verarbeitet und dieser selbständig direkt vermarktet wird (Hofverkauf und Wochenmärkte), liefert ein anderer Teil der Höfe die Milch an eine kleine Molkerei (u.a. Bio-Käserei „Monte Ziego“ in Teningen) und überlässt die Vermarktung einer Vertriebsgesellschaft. Auf ausnahmslos allen Höfen wird die Milch handwerklich verarbeitet (Plötzner & Siebert 2010).
Im Münstertal kommt u.a. neben der Weißen und Bunten Deutschen Edelziege als Milchziegen auch die Burenziege und die Walliser Schwarzhalsziege zur Landschaftspflege zum Einsatz. Die Weiße und Bunte Deutsche Edelziege gehören zu den gefährdeten einheimischen Nutztierrassen in Deutschland (BLE 2013).
Der Verkauf von Ziegenfleisch läuft schleppend und wird nur von zwei Metzgern in der Region, drei bis vier Lohnschlachtereien sowie einer genossenschaftlichen Schlachterei getragen. Regional ist somit der Verkauf von Ziegenfleisch bzw. Ziegengerichten über die Gastronomie ausbaufähig. Der jährlich im Münstertal stattfindende „Südschwarzwälder Ziegentag“ des Ziegenzuchtvereins Südschwarzwald e.V. widmet dem „Vieh des kleinen Mannes“ einen touristischen Höhepunkt (Coch 2014b).
Kommunikation des Modells und Resonanz
Ideen, Gäste als Finanziers für den Erhalt der Biodiversität und für landschaftspflegerische Leistungen heranzuziehen, existieren schon lange. Den hierfür aufgestellten Modellen ist gemeinsam, dass sie mit zusätzlichen Abgaben (Eintrittsgeldern, „Ökosteuern“ etc.) operieren (Emerton et al. 2006). Insbesondere in der Diskussion um Nationalparks wird immer wieder auf die nordamerikanischen Vorbilder hingewiesen, die ein abgabepflichtiges Betreten etabliert haben. Speziell in Deutschland tut man sich mit entsprechenden Regelungen aufgrund des fest verankerten freien Betretungsrechtes von Wald und Landschaft seit jeher schwer. Mit der Verwendung der Kurtaxe als einer traditionsreichen Abgabe, die jedem Feriengast vertraut ist, wird das Problem des Bewerbungsnachteils (besonders vordringlich in Zeiten der All-inclusive-Mentalität) erfolgreich umschifft.
Seit dem Jahr 2000 wird dieses Modell im Münstertal praktiziert. Zum Jahr 2009 fiel die Entscheidung, dies dem Gast gegenüber offen zu kommunizieren. Die bisherige Reaktion der Gäste ist durchweg positiv (eine repräsentative Befragung steht noch aus). Folgende Argumente der Gäste sind besonders bemerkenswert:
Generell wird es begrüßt, überhaupt zu erfahren, wofür die Kurtaxe verwendet wird.
Ziegen sind sympathische Tiere, für die man gerne bereit ist, Geld zu spenden.
Der Begriff „gelebte Verantwortung“ wird begrüßt, weil es einem Grundbedürfnis eines Gastes entspricht, der Region etwas für die erfahrene Erholung zurückzugeben.
Die Landwirte der Region sehen die Unterstützung durchweg positiv, da sie so trotz der EU-Marktverhältnisse imstande sind, traditionelle Bewirtschaftungsmethoden weiterzuführen und so die Kulturlandschaft, sprich ihre Heimat, zu erhalten.
Wichtig ist es, zu erwähnen, dass explizit nicht von der Erhebung einer Öko- oder Naturtaxe gesprochen wird, sondern es in die für Tourismusregionen geläufige Form der Kurtaxe-Abgabe integriert wird. Dieses sorgt für eine hohe Akzeptanz bei den Touristen und vermeidet einen möglichen Wettbewerbsnachteil für die Ferienregion, der aufgrund einer extra zu entrichtenden Abgabe entstehen könnte.
Bei den Touristikern hingegen ist das Meinungsbild vielschichtig: Neben grundsätzlicher Zustimmung bestehen auch Bedenken, dass touristische Kernaufgaben (Wegenetz/Beschilderung, Kuranlagen, Ruhebänke etc.) durch diese Mittelverwendung zu kurz kommen könnten.
5 Diskussion
5.1 Der Tourismus als strategischer Partner für die Landwirtschaft und den Naturschutz?
Die direkte Unterstützung des Natur- und Artenschutzes inklusive dem Erhalt attraktiver, regionaltypischer Landschaftsbilder aus den Mitteln der Tourismuswirtschaft wird in Deutschland immer wieder diskutiert, aber bis auf das vorliegende ist den Autoren kein anderes Beispiel bekannt. Die freiwillige Finanzierung von Schutzgebieten in Entwicklungsländern durch Reiseveranstalter hingegen ist relativ häufig zu finden (Dickhut 2009). Bekannt ist auch das klassische Eintrittsgeld für die Nationalparks in den USA. In Deutschland gibt es solche Eintrittsgelder nicht. Obwohl durch zahlreiche Studien belegt ist, dass Touristen dem Wert der Landschaft und dem Naturerlebnis, z.B. in den Mittelgebirgen oder den Alpen oder in Schutzgebieten, einen hohen Stellenwert einräumen, wird der immer wieder bemessene „Wert“ der Landschaft nicht direkt der Tourismuswirtschaft in Rechnung gestellt. Stattdessen werden immer wieder die indirekten „Erträge“ aus Gastronomie, Hotellerie und andere Beherbergungsbetriebe den Gebieten, seien es Großschutzgebiete wie Biosphärenreservate oder Naturparke oder besondere (Tourismus-)Regionen wie den Alpen „gut geschrieben“. Und dass, obwohl nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie der Tourismus 2010 einschließlich der indirekten und induzierten Effekte 214 Mrd. € zur deutschen Wirtschaftsleistung (entsprechend 9,7 %) beitrug (BMWi 2013b). Letztendlich fließen die Erträge aber nicht den Akteuren zum Landschaftserhalt zu, nämlich Bauern, Landbesitzer, Landschaftspflegeverbände oder Großschutzgebiete.
Andererseits beschreiben Studien zur lokalen Wertschöpfung durch den Tourismus stets den Zusammenhang zwischen Tourismusintensität und Steuereinnahmen in der betreffenden Raumschaft (vgl. für das hier vorgestellte Gebiet Riesterer 2013). Danach sind nicht nur die direkten Einnahmen aus der Gewerbesteuer der Beherbergungsbetriebe, sondern vor allem die Geldflüsse aus den vielfältigen Wertschöpfungsketten (z.B. über Handwerksbetriebe, die Dienstleistungen in Beherbergungsbetrieben ausüben) zu beachten. Mittelbar entstehen über solche Wertschöpfungen starke Argumente, dass die unmittelbar davon profitierende Kommune sich dem „Landschaftskapital“ des Tourismus verantwortlich fühlen sollte.
In der aktuellen Diskussion beliebter sind indes Ansätze, die den Gast selbst stärker in die Verantwortung für seine Urlaubslandschaft nehmen möchten. Pröbstl-Haider et al. (2014) stellen fest, dass bis zu knapp 30 % der an Alpenurlaub interessierten Urlauber (diese suchen u.a. verstärkt natürliche, unbelastete Landschaften, Idylle, Ruhe und Freiheit) bereit wären, 3 bis 5 € pro Erwachsener und Woche für ein Schutzgebiet zu zahlen (Zahlungsbereitschaft für Schutzgebiete meint hier die Zahlungsbereitschaft für Managementmaßnahmen in Schutzgebieten wie Nationalparke, Naturparke oder Naturschutzgebiete) . Sogar über 15 % der Urlauber würden 5 bis 10 € pro Erwachsener und Woche für ein Schutzgebiet zahlen. Auch die nicht an Alpenurlaub interessierten Urlauber, die aber auch vorrangig eine natürliche und unbelastete Landschaft, Idylle und Ruhe suchen, wären zu 20 % bereit, einen Beitrag von 1 bis 3 € pro Erwachsener und Woche für ein Schutzgebiet zu zahlen, knapp über 10 % der Urlauber 3 bis 5 € sowie weitere knapp über 10 % sogar 5 bis 10 €.
Auch in der Schweiz haben Studien ergeben, dass eine eindeutige Bereitschaft vorhanden ist, für die Erhaltung der Landschaft auch finanzielle Aufwendungen in Kauf zu nehmen. Dort sind Touristen bereit, für den Erhalt des Landschaftsbildes eine erhöhte Kurtaxe von 5 Franken pro Aufenthalt zu bezahlen. Um die Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu vergrößern, würden sie jährlich mehr als 120 Franken bezahlen (Gurtner 2009). Solchen Studien liegt jedoch eine fakultative Zahlungsbereitschaft zugrunde, da nirgends anschließend der ermittelte Betrag auch tatsächlich erhoben wurde (Sauer 2010). Im Münstertal werden dagegen „nur“ zwischen 33 und 43 Cent pro Übernachtungsgast (bei 210 000 kurtaxenpflichtigen Übernachtungsgästen) für den Erhalt der Landschaft verwendet, dies jedoch ohne jedwede Klagen seit nunmehr fast 15 Jahren.
5.2 Kooperatives Management zwischen Tourismus, Landwirten, Naturschutz und Schutzgebieten gefragt
Das kooperative Management der Kulturlandschaft zwischen den regionalen Akteuren, insbesondere den Landwirten, der Tourismuswirtschaft und des Naturschutzes und mit finanzieller und organisatorischer Beteiligung der Kommunen, erscheint generell noch erheblich ausweitbar. Freese (2013) betont die Bedeutung von Kooperationsmodellen gerade bei Kleinbetrieben und verstreut liegenden Grünlandflächen. Dazu gehören Kooperationsmodelle wie Weidegemeinschaften, die gemeinsame Vermarktung der Produkte, die Zusammenarbeit mit der Gastronomie oder die Kooperationen mit dem Einzelhandel.
Hierbei kann die Zusammenarbeit mit übergeordneten Großschutzgebieten, wie hier in dem Fall mit dem Naturpark Südschwarzwald, oder auch mit Landschaftserhaltungsverbänden hilfreich sein. In Baden-Württemberg ist durch die Etablierung der Landschaftserhaltungsverbände auf Landkreisebene ein wichtiger Schritt in diese Richtung gemacht worden. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass diesen von der Zahl der Mitarbeiter her gesehen kleinen Organisationseinheiten oft sehr große Flächen gegenüberstehen, die einer koordinierten Pflege bedürfen. Zusätzliches kommunales Engagement – sei es nun finanziell, organisatorisch und/oder ideell – tut daher Not.
Am Beispiel der Gemeinde Münstertal kann aufgezeigt werden, wie auf der kommunalen Ebene Tourismus und Landwirtschaft fruchtbar miteinander verzahnt werden können. Hinsichtlich der Produktvermarktung ist der Wirkungskreis einer Kommune zu klein. Hier zeigen zahlreiche Beispiele, dass die Vermarktung regionaler Produkte in Kooperation mit einem Großschutzgebiet oder auch mit Landschaftspflegeverbänden erfolgreich sein kann. Denn die Vermarktung regionaler Produkte bildet eine Brücke zwischen Produzenten und Gästen. Über den Direktverkauf, den Verkauf über den Einzelhandel und/oder die Gastronomie können Großschutzgebiete wirksame Träger der Region sein (z.B. „echt Schwarzwald“, „Bestes aus der Dübener Heide“, „Marke Eifel“) (Liesen 2013, VDN 2013).
Für eine bessere Vermarktung der Ziegenprodukte aus dem Münstertal wäre eine Kooperation mit der Marke „echt Schwarzwald“ der beiden Naturparke Schwarzwald Mitte/Nord und Südschwarzwald anzudenken. Gleichzeitig könnte die touristische Vermarktung diverser „Ziegenevents“ (z.B. „Südschwarzwälder Ziegentag“) oder die Einbindung in Themenwege in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Südschwarzwald die Aufmerksamkeit der Touristen steigern.
Die tourismus- und vermarktungsorientierte Weiterentwicklung ist wichtig für die Akzeptanz der Touristiker, um auch zukünftig Mittel aus der Kurtaxe direkt an die Landwirte zur Landschaftspflege und Ziegenhaltung abzugeben. Ohne einen touristischen Mehrwert, sprich der Erhalt oder die Steigerung der Übernachtungszahlen im Münstertal, wäre diese Abgabe sicherlich nicht in dem Maße akzeptiert und zukunftsfähig.
Eine generelle stärkere Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Touristikern wäre zu begrüßen, vor allem in den Regionen, in denen das Landschaftsbild stark durch die bäuerliche Landwirtschaft geprägt wird. Das gilt aber auch in den Gebieten, die z.B. in der letzten Zeit stark vom Landschaftswandel betroffen waren, wie z.B. durch verstärkten Maisanbau (z.B. für Biogasanlagen). Hier wird auch von touristischer Seite immer wieder der Wandel des Landschaftsbildes u.a. durch den eintönigen Maisanbau beklagt, vom Verlust der Biodiversität auf den Maisintensiväckern ganz zu schweigen (DZT 2013a und b). Wildpflanzen als mehrjährige Mischkulturen für Biogasanlagen würden als Alternative zum Mais dazu beitragen, die Artenvielfalt zu erhöhen und den Boden zu schützen sowie die Attraktivität der Landschaft erhöhen (s. auch http://www.lebensraum-brache.de; Magerl et al. 2011). Dass über ein Patenschaftsmodell mit der Bevölkerung, die z.B. das Saatgut zahlt, oder durch die Zusammenarbeit mit Imkern und regionalen Stromanbietern solche Wildpflanzenmischungen für Bauern eine ökonomische Alternative zum Mais für Biogasanlagen sein können, zeigt die „Wildpflanzen-AG Kißlegg“ im baden-württembergischen Allgäu (Dany 2013). Warum sollten hier nicht in Zukunft auch die Touristiker die Bauern mit Mitteln aus der Kurtaxe z.B. über einen „Landschaftsbonus“ o. Ä. dabei unterstützen, abwechslungsreiche, attraktive, biodiversitätserhaltende Landschaften gemeinsam mit den Bauern zu etablieren? Naturparke wären hier geeignete Partner, die unterschiedlichsten Akteure an einen Tisch zu bringen.
Finanzielle Unterstützung für neue Kooperationen z.B. zwischen Landwirten, Touristikern, Naturschutz, Landschaftspflegeverbänden und Großschutzgebieten lassen sich u.a. in der aktuellen EU-Förderperiode über Art. 35 ELER „Zusammenarbeit“ fördern (ELER – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER-VO 1305/2013)). Auch Baden-Württemberg wird diesen nutzen (MEPL III, Entwurf 2014). Durch den Art. 35 (Zusammenarbeit) will die EU-Kommission u.a. eine stärkere Zusammenarbeit der Landwirtschaft mit anderen Akteuren im ländlichen Raum unterstützen. Explizit werden gemeinsame Konzepte für Umweltprojekte genannt (Art. 35 (2) g ELER-VO). Der Artikel 35 der ELER-VO bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, in der aktuellen Programmplanungsperiode 2014 bis 2020 die Zusammenarbeit von Landwirten und anderen Akteuren im ländlichen Raum zu fördern (Liesen in Vorb.).
Art. 35 umfasst eine Vielzahl von möglichen Kooperationsarten mit sehr unterschiedlichen Zielen, die weit über die bisher in den ELER-Codes 124 und 341 (Art. 28 alt und 59) geförderten Möglichkeiten hinausgehen, so z.B. Pilotprojekte wie:
Kooperation von Wirtschaftsakteuren
zur Entwicklung neuer Produkte, Verfahren, Prozesse und Technologien,
zur Organisation gemeinsamer Abläufe und Nutzung von Ressourcen,
entlang der Versorgungs- und Wertschöpfungsketten (lokale Märkte, Erzeugung von Biomasse);
über die Wirtschaft hinausgehendes gemeinsames Handeln
zur Eindämmung des Klimawandels,
zur Durchführung von lokalen Entwicklungsstrategien;
Konzeptentwicklung (u.a. Umweltprojekte).
Für diese Maßnahme gilt im Gegensatz zu anderen investiven Maßnahmen ein höherer Satz der Kofinanzierung durch die EU von 80 %. Es müssen mindestens zwei Einrichtungen zusammenarbeiten. Neben den nichtinvestiven Aktivitäten einer Kooperation (laufende Kosten, Pläne, Konzepte, Öffentlichkeitsarbeit etc.) sind auch direkte Kosten im Zusammenhang mit der Kooperation förderfähig und es können Organisationskosten der Zusammenarbeit – auch Personalkosten – gefördert werden.
Die Naturparke in Baden-Württemberg haben erkannt, dass ihre Ziele und Aufgaben mit der neuen EU-Förderperiode in Zukunft wachsen werden und dementsprechend ein Strategiepapier entwickelt und verabschiedet, das verstärkt die Kooperation mit den Akteuren im ländlichen Raum sucht, um das wertvolle Natur- und Kulturerbe in ihren Regionen zu erhalten (AG Naturparke Baden-Württemberg 2013). Kooperationsprojekte zwischen Landwirten, Tourismuswirtschaft, Naturschutz, Landschaftspflegeverbänden und Naturparken, sei es zur Regionalvermarktung, dem nachhaltigen Anbau von Biomasse oder der Landschaftspflege in naturschutzfachlichen besonders wertvollen Gebieten, wären hier, nicht nur in Baden-Württemberg, zu empfehlen.
Dank
Für kritische Anregungen und wichtige Ergänzungen gilt unser Dank Jan Freese und Axel Gutmann. Für die Übersetzung bedanken wir uns bei Katharina Denkinger.
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Anschrift der Verfasser: Jörg Liesen, Verband Deutscher Naturparke (VDN), Platz der Vereinten Nationen 9, D-53113 Bonn, E-Mail liesen@naturparke.de, Internet http://www.naturparke.de; Dr. Thomas Coch, Ferienregion Münstertal Staufen, Wasen 47, D-79244 Münstertal, E-Mail coch@muenstertal-staufen.de, Internet http://www.muenstertal-staufen.de.
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