Biodiversitätsschäden: Das bald acht Jahre alte Umweltschadensgesetz endlich anwenden
Klare Worte der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Wir müssen und werden mehr tun, um den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen“, erklärte sie zum Beschluss des Bundeskabinetts über den Indikatorenbericht 2014 zur Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt (zu finden unter http://www.bmub.bund.de ). „Ohne besondere zusätzliche Anstrengungen werden wir die Ziele aller Voraussicht nach nicht erreichen. Das Bundesumweltministerium wird in diesem Jahr eine Initiative starten, damit dort, wo sich bei der Umsetzung der Strategie besondere Defizite gezeigt haben, zusätzlich gehandelt wird.“
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Besonders krass zeigt sich der Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“: In den letzten zehn Beobachtungsjahren (2001 bis 2011) hat sich der Indikatorwert statistisch signifikant verschlechtert. Im Jahr 2011 lag er nur noch bei 63% des Zielwertes 2015 und ist damit auf den bisher tiefsten Wert gesunken (die Indikatorwerte „hinken“ vier Jahre hinter der aktuellen Zeit her). Im Agrarland sank er gar auf 56%. Nicht besser sieht es beim Erhaltungszustand der FFH-Lebensräume und -Arten [siehe auch Naturschutz und Landschaftsplanung 46 (5), 2014: 160-162]: Nur 46 statt angestrebter 80% beträgt der Indikatorwert für die letzte Berichtsperiode 2007 bis 2012.
Keine bahnbrechenden Neuigkeiten für unsere Leserinnen und Leser, die Probleme sind tausendfach beschrieben. Aber werden die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten, dieser Entwicklung gegenzusteuern, auch tatsächlich genutzt? Der Begriff des Biodiversitätsschadens lohnt hier das genauere Hinschauen.
„Das Umweltschadensgesetz harrt der Anwendung“, mahnte der Jurist Dr. Erich Gassner bereits vor zwei Jahren in dieser Zeitschrift [Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (4), 2013: 121f.] „ein vergessenes Vollzugsdefizit“ an. Siebeneinhalb Jahre sind es her, dass der Bund damit die EG-Richtlinie über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden von 2004 in nationales Recht umsetzte. Nach den Maßgaben des USchadG sind gemäß §19 BNatSchG insbesondere die europäischen Vogelarten der Vogelschutz-Richtlinie, die Arten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie sowie deren Lebensräume (auch außerhalb von Natura 2000) zu schützen. Der Schutz umfasst die Abwehr von unmittelbaren Gefahren, die Schadensbegrenzung und die Sanierung eingetretener Schäden. Verpflichtet werden alle, die den Schaden im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit vorsätzlich oder fahrlässig verursachen.
Ein Hauptbeitrag in diesem Heft entwickelt einen Methodenvorschlag, wie erhebliche Biodiversitätsschäden bewertet werden können. Zwei fiktive Beispiele illustrieren die Anwendung und kommen sowohl für die Veränderung einer Flachland-Mähwiese (LRT 6510) durch intensivierte Nutzung als auch für den Tod von drei Neuntötern an einer neu aufgestellten gläsernen Lärmschutzwand zu dem Ergebnis, dass ein widerrechtlicher Biodiversitätsschaden entstanden ist.
Die deutsche Umweltministerin hat damit als Ergebnis eines aus ihrem Hause geförderten Forschungsvorhabens durchaus ein Schwert mit gewisser Schärfe in der Hand, um das angekündigte Handeln für die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie des Bundeskabinetts (!), nicht allein ihres Ministeriums, sofort in die Tat umzusetzen. Denn ausschließlich auf Freiwilligkeit des Handelns zu setzen, das zeigen alle Indikatoren, genügt keinesfalls. Mit der Nutzung von Mitteln der Kurtaxe für den Landschaftserhalt sowie einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit für die Entwicklung von Großschutzgebieten beschreibt das vorliegende Heft zwei weitere Instrumente.
Wir warten gespannt auf das „zusätzliche Handeln“ von Hendricks. Dabei besteht die Gefahr, dass ihr seitens der EU-Kommission der „Fitness Check“ der Naturschutzrichtlinien in den Rücken fällt, indem er zur Absenkung der Standards führt (siehe folgende Seite).
Auch der Berliner Koalitionspartner der Bundesumweltministerin ist da nicht unschuldig: Die drei deutschen CDU-Europaabgeordneten Jens Gieseke, Peter Jahr und David McAllister wollten kürzlich vom neuen Umweltkommissar wissen, ob der Wolf nicht aus Anhang IV in Anhang V der FFH-Richtlinie verschoben werden könne, weil er nicht mehr bedroht sei. Damit belegen sie ein Kernproblem der Politik: Dass diese vielfach mehr klientelgesteuert als sachorientiert entscheidet. Immerhin sprach sich Karmenu Vella gegen diesen Vorschlag aus.
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