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Editorial

Energiewende und Naturschutz miteinander – alternativlos!

Immerhin ein Viertel (25,3 %) des Bruttostromverbrauchs steuerten Erneuerbare Ener­gien 2013 in Deutschland bei, 12 % des Bruttoendenergieverbrauchs. War das schon die Energiewende? Nicht wirklich, denn Kohle und Atom dominieren noch immer. Von Beiden will die Mehrheit der Gesellschaft weg. Und das übrigens auch aus Gründen des Naturschutzes: Biologische Vielfalt, Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts, die Begriffstrias Vielfalt, Eigenart und Schönheit – nehmen wir nur die zentralen Begriffe aus der Zieldefinition in §1 BNatSchG, sie alle hängen auch von einem wirksamen Klimaschutz ab.

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Über die Risiken der Atomkraft brauchen wir spätestens seit Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) nicht zu diskutieren. Fast 30 Jahre nach der Reaktorkatastrophe in der Ukraine überschreiten z.B. in Sachsen und Bayern viele Proben von Wildschweinen noch immer den zulässigen Grenzwert der Cäsium-Belastung; ihr Fleisch muss entsorgt ­werden.

Kohlekraftwerke stehen in doppelter Hinsicht in der Kritik. Zum einen heißt Abbau von Braunkohle auch heute noch Umsiedlungen ganzer Dörfer, Flächenverbrauch, Zerstörung gewachsener Böden, Absenkung des Grundwassers. Laut Angaben der Grünen Liga sind allein in der ­Lausitz durch die geplanten Tagebaue Jänischwalde-Nord, Welzow-Süd II und Nochten 2 insgesamt mehr als 3400 Menschen in elf Dörfern von Umsiedlung bedroht. Zum anderen schleudern (besonders Braun-)Kohlekraftwerke große Mengen CO2, Feinstaub, SO2, NOx, PAK und Schwermetalle in die Umwelt. Waldschäden, das Verschwinden der Flechten und die Gefährdung von Arten nährstoffarmer Standorte sind Beispiele für die ­Folgen.

„Alternativlos“ lautet da schnell das Attribut in der politischen Debatte: Wollen wir weg von Kohle und Atom, so müssen die Erneuerbaren Energien künftig die erste Geige im Energiemix spielen. Zu häufig wird das als Totschlagargument eingesetzt, wenn es um eine nuancierte Diskussion des Für und Wider von Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien geht. Denn ganz einleuchtend begründete die Gesellschaft für deutsche Sprache 2010 die Wahl des Schlagworts „alternativlos“ zum „Unwort des Jahres: „Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Behauptungen dieser Art sind 2010 zu oft aufgestellt worden, sie drohen, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken.“

Nicht nur 2010, möchte man ergänzen: Zu häufig verhüllen die Protagonisten Erneuerbarer Energien ihre Pläne mit dem Hinweis auf vermeintliche Alternativlosigkeit, selbst für die Biogasnutzung aus Mais, deren Mantel der Umweltfreundlichkeit mindestens zerrissen und löchrig ist. Dabei steht vielfach (nicht immer!) das reine marktwirtschaftliche Gewinnstreben dahinter. Die andere Front bilden Totalverweigerer, die sich gegen jede Form von Energiegewinnung aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse aussprechen.

Naturschutz und Landschaftsplanung möchte nicht in Schwarzweiß malen, sondern zur differenzierten, aber sachkundigen Auseinandersetzung beitragen. Daher finden sich auch in diesem Heft wieder drei Hauptbeiträge zur Bewertung der Wirkungen regenerativer Energien: Der erste Beitrag beurteilt die Umweltwirkungen von Kurzumtriebsplantagen. Der zweite kritisiert die im März ver­gangenen Jahres publizierte Analyse der Empfindlichkeit der Waldschnepfe gegenüber Windrädern, im dritten fundieren die angesprochenen Autoren ihre Position weiter. Bilden Sie sich selbst eine Meinung!

Angesichts des durch die Energiewende erneut rasant beschleunigten Wandels der Kulturlandschaft beschäftigt uns das Thema nach wie vor intensiv. Denn es bewegt unsere Leser(innen): Keine der Ausgaben unserer Zeitschrift in den letzten 24 Jahren hat ein so zahlreiches (und fast ausschließlich positives) Echo ausgelöst wie das Dezember-Heft mit dem Beitrag „Artenschutz und Windenergiean­lagen“ und zugehörigem Editorial.

Noch einmal: Naturschutz braucht die Energiewende und muss dazu kompromissbereit sein. Aber die Bereitschaft zum Kompromiss kann keine Selbstaufgabe bedeuten: Rotmilan, Großer Abendsegler und auch die Waldschnepfe benötigen ausreichende Lebensräume, Zugvögel ihre Wanderkorridore, Erholungslandschaften ihre Qualität. Ein Miteinander von Energiewende und Naturschutz, die ist tatsächlich alternativlos. Getreu dem Motto von Glo­balisierungskritikern, die mit dem Ausruf „TATA!“ dem ­TINAPrinzip („there is no alter­na­tive“) antworten: ­„There are thousands of alternatives!“, es gibt Tausende von Alter­nativen!

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