Naturschutz in der Gesellschaft
Mit der Verabschiedung eines Forderungskataloges an Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ist am 11. September 2014 im Mainzer Schloss der 32. Deutsche Naturschutztag (DNT) in Mainz zu Ende. Damit reagieren die über 800 Fachleute des deutschen Naturschutzes „auf die großen Herausforderungen, denen er sich in den nächsten Jahren im Spannungsfeld unterschiedlicher gesellschaftlicher Anforderungen stellen muss“, heißt es in einer Presseerklärung der Veranstalter.
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Positionen zum Anschluss des Deutschen Naturschutztags in Mainz
Der Naturschutztag stand unter dem Motto „Verantwortung für die Zukunft – Naturschutz im Spannungsfeld gesellschaftlicher Interessen“. Organisiert wurde er vom Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) e.V., dem Bundesamt für Naturschutz (BfN), dem Deutsche Naturschutzring (DNR) e.V. und im Namen des ausrichtenden Bundeslands dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Rheinland-Pfalz. Das Programm bot im Kurfürstlichen Schloss vier Tage ein breit gefächertes Themenspektrum an Vorträgen und Diskussionen und am fünften Tag Exkursionen zur landschaftlichen Vielfalt von Rheinland-Pfalz. Flankiert wurde das Vortragsprogramm durch Ausstellungen und Infostände sowie ein Begleitprogramm der Stadt Mainz und der Naturschutzverbände, regional und bundesweit.
In Zeiten vielfältiger Landnutzungsänderungen sowie technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen stehe der Naturschutz vor der Herausforderung, seine Position als wichtige gesellschaftliche Aufgabe gleichermaßen zu behaupten wie zu reflektieren, hieß es in der Einladung. Er sei stets gefordert, flexibel zu (re)agieren und immer wieder zukunftsfähige Lösungen zu finden. Im Spannungsfeld von Naturschutz und Gesellschaft stünden insbesondere die Themen Hochwasserschutz, Umsetzung der Energiewende, Artenschutz und Gebietsschutz sowie Fragen einer naturverträglichen Landwirtschaft und gesunden Ernährung auf der Agenda. Diese Themen wurden vor allem vor dem Hintergrund rechtlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen und in Bezug auf die Umsetzung der nationalen wie internationalen Biodiversitätsstrategie diskutiert.
Erstmals seit 1982, dem 16. DNT in Kassel, waren auch die Jugendverbände wieder aktiv beim DNT beteiligt – DNR-Präsident Prof. Dr. Hartmut Vogtmann unterstrich in seiner Abschlussrede, dass dieses angesichts der Verantwortung des Naturschutzes für Generationengerechtigkeit ein erfreuliches Signal sei.
In ihrem Positionspapier betonten die Teilnehmer(innen) des DNT 2014, dass der Naturschutz in Deutschland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und weder Selbstzweck noch alleinige Angelegenheit der Naturschutzverwaltungen und -organisationen sei. Er weise Synergien zu zahlreichen anderen Politikbereichen auf. Der Schutz bestimmter Ökosysteme wie Moore und alter Wälder sei zugleich aktiver Klimaschutz, intakte Flussauen seien nicht nur überaus artenreich, sondern filterten Nährstoffe und seien wichtig für den Wasserrückhalt in der Landschaft, Großschutzgebiete wie Nationalparke und Biosphärenreservate leisteten beträchtliche Beiträge zur regionalen Wertschöpfung.
Im Ergebnis haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 32. Deutschen Naturschutztages folgende Positionen und Forderungen verabschiedet (Zusammenfassung durch eine Pressemitteilung der Veranstalter):
1. Ein nationales Schutzgebietsprogramm auflegen – Lücken im Schutzgebietsnetz schließen!
Im deutschen Schutzgebietssystem bestehen bei vielen Gebieten erhebliche Lücken im Schutzgebietsnetz und Defizite in qualitativer Hinsicht. Weiterhin ist der Anteil an streng geschützten Gebieten in Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich immer noch vergleichsweise gering (Nationalparke: 0,57 %, Naturschutzgebiete 3,7 % der Landfläche). Deshalb fordert der DNT die Schaffung der rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für ein gemeinsam durch Bund und Länder getragenes nationales Schutzgebietsprogramm (analog zum nationalen Hochwasserschutzprogramm) zur qualitativen Fortentwicklung bestehender Schutzgebiete und um die Ausweisung weiterer Schutzgebiete zu unterstützen.
Der DNT 2014 ruft die EU-Kommission auf, den „Fitness Check“ der EU-Naturschutzrichtlinien dafür zu nutzen, einen umfassenden und konkreten Aktionsplan zur Behebung der Umsetzungsdefizite der Naturschutzrichtlinien und des Natura-2000-Netzes einschließlich einer effizienten Finanzierungsbeteiligung der EU zu entwickeln und gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten umzusetzen.
2. Landwirtschaft muss den Erhalt der biologischen Vielfalt gewährleisten!
Öffentliche Gelder für die Landwirtschaft sollen nur für nachgewiesene öffentliche Leistungen gewährt werden. Neben dem vielfach dokumentierten Verlust an biologischer Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen sind die Belastungen unserer Oberflächengewässer und des Grundwassers mit Düngemitteln und Pestiziden wie auch die erheblichen Verluste an fruchtbaren Böden besorgniserregend. Deshalb fordert der DNT den Abbau von ökologisch und sozial schädlichen Subventionen in der Landwirtschaft, einen effektiveren Schutz von artenreichem Grünland mit einem nationalen Grünlanderhaltungsgebot, eine integrierte Stickstoffstrategie sowie eine angepasste Tierhaltung ohne Antibiotikaeinsatz und ohne industrielle Tierhaltung.
3. Pflanzen- und Tierarten konsequent schützen und Datengrundlagen verbessern!
Große Anteile des heimischen Artenbestandes (auch bislang noch häufige und verbreitete Arten) sind nach wie vor stark gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht. Der DNT fordert daher einen zielgerichteten Schutz aller heimischen Arten und ihrer Lebensräume, die Entwicklung und Umsetzung von allen Natura-2000-Managementplänen und die zeitnahe Umsetzung des gesetzlich geforderten Biotopverbunds auf mindestens 10 % der Landesfläche.
4. Den Gewässern mehr Raum geben – Überschwemmungen vorbeugen!
Die Hochwasser der letzten Jahrzehnte haben immer wieder deutlich gemacht, dass die Anstrengungen für einen vorsorgenden Hochwasserschutz dringend verstärkt werden müssen. Der DNT appelliert an die im Herbst stattfindende Umweltministerkonferenz, dass für alle Flüsse in hinreichendem Umfang großräumige Deichrückverlegungen in die Finanzierung des nationalen Hochwasserschutzprogrammes eingestellt werden und dass das im Koalitionsvertrag vereinbarte „Bundesprogramm Blaues Band“ mit ausreichend Mitteln für Fließgewässer- und Auenrenaturierungen ausgestattet wird.
5. Kommunale Verantwortung für die biologische Vielfalt wahrnehmen!
Derzeit leben zwischen 70 und 80 % der europäischen Bevölkerung in Städten und im städtischen Umland; die Tendenz ist steigend. Natur in der Stadt mit naturnahen Frei- und Grünflächen, schadstoffarme Luft, unbelastete Böden und Gewässer sowie der Erhalt der biologischen Vielfalt sind notwendige Grundlage für die Gesundheit der Menschen und deren Lebensqualität. Der DNT fordert von den Kommunen Strategien und Konzepte zum Schutz und Management der stadtspezifischen Artenvielfalt. Dem ausufernden Flächenverbrauch in Kommunen ist mit einer „doppelten Innenentwicklung“ entgegen zu treten (bauliche Verdichtung des Wohnumfeldes bei gleichzeitiger ökologischer Verbesserung des unmittelbaren Wohnumfeldes). Die in den Städten vorhandenen Grün- und Freiflächen sollten im Sinne von Naturerfahrungsräumen gut und mit wenig Aufwand erreich- und nutzbar sein.
6. Die Energiewende dauerhaft naturverträglich gestalten!
Der Um- und Ausbau der Übertragungsnetze sowie der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien haben vielfältige Auswirkungen auf die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes. Betroffen sind beispielsweise Vögel und Fledermäuse, aber auch das Landschaftsbild und das Gefüge der Landschaft als Ganzes. Der DNT fordert bei allen anstehenden Planungsprozessen in diesem Kontext, die bestehenden Standards für die Umweltprüfungen (SUP, UVP, FFH-Verträglichkeitsprüfung und Artenschutz) einzuhalten. Wesentlich ist eine übergreifende räumliche Koordination, für die die bestehenden Instrumente der Landschaftsplanung und Raumordnung zu nutzen und zu stärken sind.
Das in der Koalitionsvereinbarung festgelegte Kompetenzzentrum „Naturschutz und Energiewende“ ist so auszustatten, dass es zu einer Versachlichung der Debatten und zur Vermeidung von Konflikten vor Ort beitragen kann. Es soll sich auch mit den Naturauswirkungen der konventionellen Energie, u.a. Braunkohle und Fracking, befassen. Im Beirat des Kompetenzzentrums sollen Natur- und Umweltschutzorganisationen und der berufliche Naturschutz stark vertreten sein.
Zur Umsetzung der genannten Forderungen und Aufgaben fordert der DNT, ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen in den Naturschutz- und Umweltverwaltungen des Bundes, der Länder und der Kommunen bereit zu stellen. Während dies im technischen Bereich offensichtlich weitgehend außer Frage steht, sind viele Behörden des Naturschutzes für diese Aufgaben nicht adäquat ausgestattet.
Der 32. Deutsche Naturschutztag appelliert an die politischen Repräsentanten und alle gesellschaftspolitischen Akteure, ihre Potenziale und Stärken einzubringen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und die hier formulierten Forderungen zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen sowie der biologischen Vielfalt aktiv zu unterstützen.
Den vollständigen Text des Positionspapiers des DNT erhalten Sie im Internet unter: http://www.deutscher-naturschutztag.de.
Kontakt: Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V., Konstantinstraße 110, D-53179 Bonn, Telefon (0228) 8491-3244, Fax 9999, E-Mail dnt@bbn-online.de.
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