Wer schützt hier wen?
„Verantwortung für die Zukunft – Naturschutz im Spannungsfeld gesellschaftlicher Interessen“: Der Deutsche Naturschutztag im September in Mainz stand unter einem durchaus treffenden Motto. Denn so sehr das Wissen, wie ein effektiver Naturschutz funktioniert, auch wächst: Naturschutz sieht sich ganz massiv einem vielschichtigen Spannungsfeld gesellschaftlicher Interessen ausgesetzt. Und das bremst mehr, als es notwendig erscheint.
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Verantwortung für die Zukunft des Naturschutzes – oder:
Als ob es dazu noch eines Beweises bedürfte, setzte die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) in ihrer Sitzung zu Beginn des Naturschutztags ein besonderes Zeichen: Sie schob die seit zwei Jahren im Entwurf diskutierte Fachkonvention „Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten“ endgültig aufs Abstellgleis. Denn die Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten wurde verpflichtet, ihr Papier mit dem Bundesverband Windenergie (BWE) abzustimmen – erst dann könne dieses veröffentlicht werden. Wer schützt hier wen?
„Es ist so, als würde die deutsche Ärzteschaft gezwungen, die Veröffentlichung ihres Memorandums über die Gefahren des Rauchens von der Zustimmung der Tabakindustrie abhängig zu machen“, vergleicht die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) in einer erbosten Stellungnahme auf ihrer Website ( http://www.egeeulen.de Nachrichten). Mit welcher Sachkenntnis soll die Lobby der Windenergie in der Lage sein, ornithologische Standards beurteilen zu können? Es geht doch nicht um die Verhinderung, sondern um eine fachgerechte Steuerung des Ausbaus der Windenergie unter Beachtung der artenschutzrechtlichen Notwendigkeiten. Wer anders als Ornithologen kann die in Kenntnis der Autökologie definieren? Der BWE ganz sicher nicht; die Vogelschutzwarten erstellen ja auch keine Windgutachten.
Zweiter Fall einer verzögerten Fachkonvention, welche auf das Spannungsfeld gesellschaftlicher Interessen hindeutet: Zehn Jahre lang hielt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ein Fachinformationssystem zur FFH-Verträglichkeitsprüfung mit dem Namen FFH-VP-Info unter Verschluss, während die Straßenbauverwaltung offensichtlich damit arbeitete, wenn auch vermutlich nur selektiv. Zufall oder Auslöser? Am Tage, als die Frist eines über einen Anwalt eingereichten Antrags gemäß Umweltinformationsgesetz (UIG) auf Überlassung der Datenbank ablief, schaltete das BfN die Datenbank frei – zu Beginn des Naturschutztages.
Dr. Matthias Schreiber, Umweltplaner und in der FFH-Umsetzung ausgewiesener Experte, fragte zuvor in einem Statement: In wie vielen Fällen hätte die Verfügbarkeit der Informationen aus der Datenbank in den vergangenen Jahren womöglich Erkenntnisse liefern können, die gerichtliche Entscheidungen beeinflusst hätte? Denn Einwender gegen Infrastrukturvorhaben seien regelmäßig auf ein behördliches Einschätzungsvorrecht (Prärogativ) verwiesen worden, solange die ökologische Wissenschaft sich nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erwiesen habe – dann fehlte es den Gerichten an der auf besserer Erkenntnis beruhenden Befugnis, eine naturschutzfachliche Einschätzung der sachverständig beratenen Planfeststellungsbehörde als „falsch“ oder „nicht rechtens“ zu beanstanden.
Mehr noch: Schreiber vermutet, dass auch den für das Bundesverkehrsministerium erstellten Fachgutachten zur Lärmwirkung auf Vögel (2007) und zu straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope (2013) nicht zugängliche Datenbanken zugrunde liegen. Auch an dieser Stelle ist zu fragen: Wer schützt hier eigentlich wen?
„Verantwortung für die Zukunft“ – wird der amtliche Naturschutz dieser im notwendigen und machbaren Umfang gerecht, wenn rechtliche Anforderungen wissentlich nicht umgesetzt werden? Ein anderes Beispiel ist die in dieser Zeitschrift verschiedentlich thematisierte vogelfreundliche Umrüstung von Mittelspanungsmasten, die das BNatSchG bis Ende 2012 vorschrieb – Vollzugsdefizit! Eine andere Frist des BNatSchG, die in zwei Beiträgen des vorliegenden Heftes thematisiert wird, läuft erst am 01. März 2020 ab: Dann darf nur noch gebietseigenes Saat- und Pflanzgut in der offenen Landschaft ausgebracht werden. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens diese Vorschrift konsequent umgesetzt wird. Über die dazu erarbeiteten Konventionen informieren wir schon jetzt.
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