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Editorial

Landschaft 2023: Die Probleme wachsen!

Die Messe ist gesungen: EU und Bund haben weitgehend festgezurrt, welche Landwirtschaft bis 2020 wie gefördert wird. Die Länder haben ihre Programmvorschläge in Brüssel zur Prüfung vorgelegt. Weitgehend zufrieden zeigt sich der Deutsche Bauern­verband – das lässt sich so übersetzen: Die alten Pfründe konnten gerettet werden. Steuergeld für’s Ackern, zwar mit hohem bürokratischen Aufwand, aber doch weitgehend ohne Rücksicht auf Kollateralschäden an Mensch und Umwelt.

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Aber nein, höre ich sogleich die Agrarlobby rufen: Wir ertragen die Bürde des Greenings, müssen die Grundanforderungen des Cross Compliance erfüllen. Und doch sind das, allen im Vorfeld aufgebauschten Schreckensszenarien zum Trotz, zahnlose Tiger. Sie liefern definitiv nicht die Trendwende, als die sie verbal immer noch wider besseren Wissens beschrieben wird. Das hat gerade eine internationale Studie unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) mit Beteiligung von Prof. Dr. Klaus Henle, Mitglied des Redaktionsbeirats unserer Zeitschrift, belegt: „Die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union wird den Schutz der biologischen Vielfalt nicht verbessern, sondern sogar weiter verschlechtern“, lautet ihr Fazit im renommierten Wissenschaftsmagazin Science.

Derweil haben Agrarökonomen des Thünen-Instituts ein Szenario für die deutsche Landwirtschaft im Jahr 2023 erstellt. Die Kernbotschaften lassen ahnen, dass die Umweltprobleme noch weiter wachsen werden: mehr Importe von Agrargütern, ein Anstieg der Preise für tierische Erzeugnisse um 10 bis 30 %, gestützte Milcherzeugerpreise durch gute Absatzaussichten am Binnen- und Weltmarkt, Getreidepreise auf vergleichsweise hohem Niveau. Der Ausbau an Biomasse verliere an Dynamik, die Milcherzeugung werde um 18 % gegenüber 2009/11 ausgedehnt – besonders in den Küstenregionen, am Niederrhein, in einigen Mit­telgebirgslagen, im Allgäu und Voralpenland. Ackerbaubetriebe könnten ihr Ein­kommen auf hohem Niveau sta­bilisieren, deutliche Einkommenszuwächse erzielten Milchviehbetriebe (+ 24 %) und Veredelungsbetriebe (+ 44 %).

Auch die Folgen für die Umwelt analysieren die Forscher des Bundes, wenngleich mit zurückhaltender Wortwahl: Das Stickstoffbilanzsaldo bleibe mit einem Überschuss von 70 kg/ha LF kon­stant. In Regionen und Betrieben mit intensiver Tierhaltung werde sich die Stickstoffpro­blematik „nicht entschärfen“. Die Treibhausgas-Emissionen nähmen leicht zu, die Ammoniak-Emissionen lägen aufgrund der Aufstockung der Tierbestände „wieder deutlich oberhalb der gesetzlich festgelegten Obergrenze“.

Immerhin folgern die Thünen-Forscher: „... die Herausforderungen, die sich aus der intensiven Tierproduktion ergeben können, beispielsweise Gewässer- und Luftbelastung durch hohe Nährstoffaus­träge, [werden sich] nicht im Zeitablauf ‚von selbst‘ lösen“. Die Politik werde „in besonderem Maße gefordert sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die gesellschaftlichen Erwartungen und europaweit gesetzten Umweltziele erfüllen“. Was nicht benannt wird: Das Geld wäre ja da, es wird nur nicht zielführend eingesetzt! Mit welcher gesellschaftlichen Legitimation werden die fast 440 Mrd. € der GAP-Förderung so und nicht anders ausgeschüttet?

Ganz offensichtlich ziehen die herrschenden Argumente ob der Gefährdung von Bio­diversität, Böden, Wasser und Luft nicht ausreichend, um umzusteuern. Raimund Rodewald weist in dieser Ausgabe von Naturschutz und Landschaftsplanung einen wich­tigen zusätzlichen Argumentationspfad: In früheren Jahrhunderten, das zeigt die Landschaftsmalerei, entwickelten die Menschen einen Schönheitssinn für die Landschaft ebenso wie für die Landwirtschaft, die sie formte. Heute ganz aktuell schwindet die Akzeptanz für die moderne Landwirtschaft in der Bevölkerung rapide, das beklagen auch die Bauern. Quadratkilometerweit ausgeräumte Getreide-, Mais- und Rapslandschaften malt (oder fotografiert) niemand mehr, Erholungssuchende fliehen nach Möglichkeit in strukturreichere Landschaften. Was aber einmal verloren ist, so postuliert Rodewald, ist vergessen: Aus dem Auge, aus dem Sinn.

Daher gilt es, zuerst die noch erhaltenen Reste strukturreicher Landschaften zu retten und diese, untermauert durch ökonomisch tragfähige Modelle ihrer Nutzung, mit einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit zu bewerben. Eine Kernaufgabe für die Biosphärenreservate, aber nicht nur sie!

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