Das neue Europäische Parlament ist jetzt funktionsfähig
Bereits im Juni kamen die neu gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu ihren ersten Amtshandlungen zusammen. Dazu gehörten unter anderem die Wahl des Präsidenten und des EP-Präsidiums sowie die Bildung der Fraktionen und die Wahl der Fraktionsvorsitzenden.
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Nachdem sich das Parlament bereits Ende Mai auf Jean-Claude Juncker als künftigen Präsidenten der EU-Kommission geeinigt und die große Koalition in Deutschland sich überraschend schnell auf eine erneute Benennung von Günther Oettinger als deutschen EU-Kommissar verständigt hatte, wählte das EP Martin Schulz mit 409 zu 314 Stimmen (77 %) für weitere zweieinhalb Jahre zum EP-Präsidenten. Nach alter Tradition im EP soll ihm danach ein Konservativer folgen, voraussichtlich Othmar Karras aus Österreich. Rainer Wieland (CDU) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP) wurden zu zwei der insgesamt 14 Vizepräsidenten des EP gewählt, Lambsdorff allerdings erst im dritten Wahlgang mit nur 365 Stimmen.
Da die extrem EU-kritischen Parteien sich nicht auf die Bildung einer Fraktion einigen konnten, hat das EP in dieser Legislaturperiode sieben Fraktionen. Die größte ist nach wie vor die EVP mit 221 Sitzen (inkl. 29 CDU + fünf CSU), gefolgt von den Sozialdemokraten (S&D) mit 191 Sitzen (inkl. 27 SPD). Durch die Aufnahme der sieben neuen AfD-Mitglieder und eines Abgeordneten der Familienpartei wuchsen die „Europäischen Konservativen und Reformisten“ (ECR) mit 70 Sitzen zur immerhin drittstärksten Fraktion, noch vor Liberalen (ALDE, 67 Sitze inklusive drei FDP-Vertretern und einer Vertreterin der Freien Wähler), Linken (GUE/NGL, 52 Sitze mit sieben Linken und einem Vertreter der Tierschutzpartei) und Grünen (EFA, 50 Sitze mit elf Grünen, einer Piratin und einem ÖDP-Vertreter). Mehrere deutsche Abgeordnete wurden zu Fraktionschefs gewählt: Manfred Weber (CSU) für die EVP, Gabriele Zimmer (Linke) für die GUE/NGL sowie Rebecca Harms für die Grünen im EP.
Nachdem im Juni die Ansprüche der Parteien auf Sitze in den insgesamt 20 Ausschüssen und zwei Unterausschüssen des EP geklärt worden waren, wurden am 07. Juli die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Ausschüsse gewählt. Dabei haben Konservative und Sozialdemokraten die Vorsitze gegenüber der letzten Legislaturperiode getauscht, so dass der Vorsitz in den meisten für Umwelt- und Naturschutz relevanten Ausschüsse an Mitglieder der EVP ging.
Zum Vorsitzenden des Umweltausschusses (ENVI) wurde der italienische Konservative Giovanni La Via gewählt. Entgegen früheren Erwartungen wurden weder Dr. Peter Liese (CDU) noch Matthias Groote (SPD) stellvertretende Vorsitzende, sind aber als Koordinatoren ihrer Fraktionen weiter wichtige Ansprechpartner. Als neue EP-Mitglieder sitzen Susanne Melior (SPD) und Stefan Eck (für die Linke) im Umweltausschuss, der nach Fall der 3- %-Hürde erstmals für die Tierschutzpartei ins EP einzog.
Den Vorsitz des Agrarausschusses (AGRI) übernahm Czeslaw Siekierski (EVP) aus Polen; deutsche Mitglieder sind Albert Dess (CSU), Dr. Peter Jahr (CDU), Martin Häusling (erneut Agrarkoordinator der Grünen) sowie als neue EP-Mitglieder Maria Noichl (SPD) und Ulrike Müller (Freie Wähler, für die FDP), beide ebenfalls aus Bayern.
Vorsitzender des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) wurde der polnische Konservative Jerzy Buzek, der in der ersten Hälfte der letzten Legislaturperiode, vor Martin Schulz, Präsident des EP war. Buzek ist umweltpolitisch bislang kaum aufgefallen, er dürfte aber wie sein Heimatland eher als kohlefreundlich und kritisch gegenüber erneuerbaren Energien eingestellt sein, was die künftigen Verhandlungen für einen ambitionierten Klimaschutz nicht erleichtern wird. Einer seiner Stellvertreter wurde Hans-Olaf Henkel (AfD), der im Ausschuss die ECR vertritt.
Den Vorsitz des insbesondere für die Naturschutzverbände in Südeuropa wichtigen Fischereiausschusses (PECH) übernimmt der Konservative Alain Cadec aus Frankreich. Deutsche Mitglieder sind Ulrike Rodust (SPD) und Werner Kuhn (CDU), der zudem zu einem der stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde.
Besondere Bedeutung dürfte in dieser Legislaturperiode dem Ausschuss für internationalen Handel (INTA) zukommen, dem federführenden Ausschuss bei den anstehenden Verhandlungen zu dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA („Transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen“, TTIP). Entsprechend groß war das Interesse der Abgeordneten an diesem Ausschuss. Ihm gehören jetzt 41 Abgeordnete an, in der letzten Legislaturperiode waren es nur 33. Zu seinem Vorsitzenden wurde der SPD-Abgeordnete Bernd Lange gewählt.
Am 15. Juli bestätigte das EP mehrheitlich (422 zu 250 Stimmen) den Vorschlag der EU-Staatschefs vom 27. Juni für Jean-Claude Juncker als neuen Präsidenten der EU-Kommission ab dem 01. November 2014. Viele Mitglieder der Grünen und Linken stimmten aufgrund seiner nicht eindeutigen Aussagen zu dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA nicht für Juncker. In seiner Wahlrede versprach Juncker aber unter anderem, immerhin, mehr Transparenz in den Verhandlungen, die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters, die Änderung des Zulassungsverfahrens für gentechnisch veränderte Pflanzen sowie die Durchsetzung ehrgeiziger Ziele für die Energie-Effizienz im Rahmen des „Klima- und Energiepaketes 2030“, über das im Herbst 2014 im Vorfeld der internationalen Klimagipfel entschieden wird.
Zwischen dem 25. Juli und dem 31. August ist das EP in der Sommerpause. Im September stehen dann unter anderem die Anhörungen der Anwärter für die 27 EU-Kommissarinnen und Kommissare an, die die Mitgliedstaaten bis dahin Jean-Claude Juncker vorschlagen müssen.
Link zu den insgesamt 96 deutschen Europaabgeordneten:
http://www.europarl.europa.eu/meps/de/search.html?country=DE.
Das deutsche Informationsbüro des EP bemüht sich derzeit, auch die Übersichten nach Ausschüssen und Bundesländern zu erstellen. Bei Redaktionsschluss (18. Juli) lagen sie jedoch noch nicht vor:
http://www.europarl.de/de/abgeordnete.html.
Claus Mayr, NABU, Direktor
Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de
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