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Aktuelles aus Brüssel

Feilschen nach der Europawahl

In der letzten Kolumne wurde am Beispiel des Abstimmungsergebnisses für die Verordnung zu invasiven Arten auf die Gefahr des zunehmenden Einflusses EU-skeptischer Parteien und Abgeordneter im neuen Europaparlament hingewiesen. Während diese Europaskeptiker, die im Wahlkampf oft auch gegen das EU-Umweltrecht hetzten und die „Renationalisierung“ ihres Erachtens unwichtiger Rechtsbereiche forderten, vor allem in Frankreich und Großbritannien massiv an Einfluss gewannen, werden die deutschen EU-skeptischen Abgeordneten von AfD (7 Sitze) und NPD (1 Sitz) kaum eine große Rolle im Parlament spielen können.

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Aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes ist zu begrüßen, dass aus CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke alle Abgeordneten, zu denen auch in der letzten Legislaturperiode schon gute Kontakte bestanden, dank entsprechend hoher Listenplätze wieder in das EP eingezogen sind. Zu nennen sind hier für die SPD, die gegenüber 2009 (23) noch Sitze dazugewann (27), insbesondere Matthias Groote, 2012 bis 2014 Vorsitzender des Umweltausschusses, sein Vorgänger und treibende Kraft für das 7. Umweltaktionsprogramm, Jo Leinen, Ulrike Rodust im Agrar- und Fischereiausschuss und Berichterstatterin für die Fischereipolitik, sowie Ismail Ertug im Verkehrsausschuss. Die CDU verlor 5 (von 34 auf 29), die CSU 3 Sitze (von 8 auf 5); erfahrene Abgeordnete wie Rainer Wieland (Petitionsausschuss), Dr. Renate Sommer (Co-Berichterstatterin für die invasiven Arten), Dr. Peter Liese (Umweltausschuss) und Dr. Peter Jahr (Agrarausschuss) sind aber wieder im EP. Die Grünen verloren zwar 3 Stimmen (von 14 auf 11), ihre bewährten Kräfte etwa im Agrar- (Martin Häusling), Industrie- (Reinhard Bütikofer) und Verkehrsausschuss (Michael Cramer) ziehen aber wieder ins EP ein. Ähnliches gilt für die Linke, die gegenüber 2009 einen Sitz einbüßte (von 8 auf 7), während die FDP 9 Sitze verlor (von 12 auf 3). Gesine Meißner (Verkehrsausschuss, Berichterstatterin für die Richtlinie zur Raumplanung auf dem Meer) hat wieder ein Mandat, die FDP-Agrarpolitikerin Britta Reimers hingegen nicht mehr.

Dennoch werden Beschlüsse für ambitioniertere Richt­linien und Verordnungen im Umweltbereich mit dem Erstarken der EU-Kritiker noch schwieriger als in der letzten Legislaturperiode. Für die Arbeit in den kommenden fünf Jahren ist es daher hilfreich, dass viele der Kandidat(inn)en, selbst der EU-weite Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Martin Schulz, sowie die Spitzenkandidatinnen Rebecca Harms (Grüne) und Gabi Zimmer (Linke) trotz Wahlkampfstress die Aktion von NABU und BirdLife mit einem klaren Bekenntnis zum Naturschutz und zum Natura-2000-Netzwerk unterstützen. Inwieweit eine Zu­sam­men­­arbeit mit den neuen kleinen Parteien im EP wie zum Beispiel ÖDP, Piraten und Tier­schutzpartei (jeweils 1 Sitz) möglich ist, wird sich zeigen.

Das Feilschen um die einflussreichen Spitzenposten in der EU-Kommission und im Rat ist dagegen bis Redak­tionsschluss (Anfang Juni) erwartungsgemäß noch nicht abgeschlossen; es wird sich noch bis in die italienische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2014 hinziehen. Gemäß dem Lissabon-Vertrag, der im Dezember 2009 in Kraft trat, sollen die Staats- und Regierungschefs beim Vorschlag für den neuen Präsidenten der EU-Kommission jetzt erstmals die Ergebnisse der Wahlen zum Europaparlament berücksichtigen. Bereits zwei Tage nach der Wahl haben sich die Fraktionen im Europäischen Parlament auf Jean-Claude Juncker geeinigt, den Kandidaten der konservativen Parteien (EVP), die EU-weit die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten. Einige Staatschefs haben aber sowohl gegenüber Juncker als auch gegenüber Schulz Vorbehalte. In den letzten Amtsperioden hatten sie eher durchsetzungsschwache Kommissionspräsidenten bevorzugt.

Bis zum Ratsgipfel Ende Juni soll Ratspräsident Herman Van Rompuy mit den Fraktionen im EP einen Konsens-Kandidaten ausloten. In jedem Fall werden die Staatschefs, um eine Mehrheit für ihren Vorschlag im Parlament zu bekommen, sowohl Juncker als auch Schulz ein hohes Amt in einer der EU-Institutionen anbieten müssen, allein schon um die bei dieser Wahl hoch gesteckten Erwartungen der Wähler(innen) nicht zu enttäuschen. Sollte Juncker Kommissionspräsident werden, könnte das für Martin Schulz zum Beispiel der Posten des Vizepräsidenten der Kommission und deutschen EU-Kommissars sein, als Nachfolger von Günther Oettinger (CDU), dessen Mandat wie das aller EU-Kommissare im Oktober endet. Auch der mit dem Lissabon-Vertrag neu geschaffene Posten eines ständigen Ratspräsidenten stünde ab Dezember zur Verfügung. Dieses Amt kann maximal zweimal für zweieinhalb Jahre besetzt werden, die Amtszeit von Herman Van Rompuy endet daher am 30. November.

Die neuen Europaabgeordneten kommen im Juni zu Fraktionssitzungen zusammen, in denen unter anderem über Posten in Fraktionen und Ausschüssen verhandelt wird. Die erste Plenarsitzung ist für Anfang Juli angesetzt. Die Zustimmung des Parlaments zum Vorschlag des Europäischen Rates für den Kommissionspräsidenten ist für die Sitzungswoche vom 14. bis 17. Juli geplant. Entsprechend dieser vielen offenen Fragen hat Italien für die Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte noch wenig vorbereitet. Die Umwelträte finden voraussichtlich Ende Juli (informeller Rat) sowie im Oktober und Dezember statt. Als inhaltliche Schwerpunkte werden die im Rahmen der griechischen Präsidentschaft nicht geklärten Dossiers übernommen, insbesondere zur Luftreinhaltung (Air Quality Package) sowie zu Agrotreibstoffen und indirekten Landnutzungsänderungen (ILUC).

Ergebnisse der Europawahlen und weitere Schritte auf der Homepage des Europaparlamentes: http://www.europarl.europa.eu/news/de.

Claus Mayr, NABU, Direktor
Europapolitik, Brüssel,
Claus.Mayr@NABU.de

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