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Aktuelles aus Brüssel

Verordnung zu invasiven Arten endlich beschlossen

In seiner vorletzten Plenar­sitzung am 16. April hat das Europäische Parlament dem Ergebnis der mehrmonatigen Trilog-Verhandlungen über die Verordnung zur besseren Kontrolle, Eindämmung und Bekämpfung invasiver Arten zugestimmt. Wie in Naturschutz und Landschaftsplanung mehrfach berichtet, weist der zwischen Parlament und Ministerrat ausgehandelten Kompromiss zwar etliche Schwächen auf, ist aber angesichts der zunehmenden ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Gefahren durch invasive Arten mehr als überfällig und bietet erstmals eine wichtige Grundlage für gemeinsames EU-weites Handeln auf der Basis einheitlicher Anforderungen und Standards.

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Alleine die ökonomischen und medizinischen Folgekosten invasiver Arten werden EU-weit auf mindestens 12 Mrd. Euro jährlich geschätzt. Angesichts jüngerer Zahlen, nach denen nur die gesundheitlichen Folgekosten der Beifuß-Ambrosie in Deutschland auf jährlich 200 Mio. bis 1 Mrd. Euro taxiert werden, scheinen diese Zahlen der EU-Kommission aber eher als zu niedrig. Zum Vergleich: Internationale Studien beziffern die ökologischen Folgekosten invasiver Arten in den USA, Australien, Südafrika, Brasilien und Indien auf etwa 100 Mrd. US-Dollar jährlich, die ökonomischen Folgen auf 230 Mrd. US-Dollar pro Jahr.

Zur Haben-Seite der neuen Verordnung zählt insbesondere, dass der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission, die Anzahl der zu bekämpfenden Arten auf 50 zu beschränken, vom EU-Parlament gestrichen wurde. Es hat sich damit den Empfehlungen der Experten und der Umweltverbände angeschlossen, die eine Deckelung auf 50 Arten angesichts von derzeit EU-weit etwa 12000 invasiven Arten, von denen 10 bis 15 % als problematisch eingestuft werden, als kontraproduktiv abgelehnt hatten. Gerade angesichts der rasanten Zunahme invasiver Arten durch den Klimawandel ist auch zu begrüßen, dass die Forderung der Umweltverbände nach Installation einer Expertengruppe aufgenommen wurde (Artikel 28), welche die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Aufnahme von Arten in die Liste und der besten Bekämpfungspraktiken beraten soll. Auch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu intensiveren Kontrollen an den EU-Außengrenzen sowie zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und gegenseitigen Information über sich abzeichnende Probleme ist ein großer Fortschritt, zumal im Gegensatz zu Deutschland (§ 40 BNatSchG) die meisten Mitgliedstaaten bisher über gar keine oder nur sehr rudimentäre rechtliche Regelungen verfügten.

Einige der im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verabschiedeten Kompromisse, insbesondere die Ausnahmeregelungen auf Druck der Pelz- und Pflanzenzucht-Industrie, werden sich in der Praxis allerdings als kritisch herausstellen. So hat zum Beispiel die intensive Lobbyarbeit der Pelzindustrie bei den Abgeordneten, insbesondere dem Berichterstatter und seinen „shadows“ wie der deutschen CDU-Abgeordneten Renate Sommer, zu weitgehenden Ausnahmeregelungen geführt, obwohl alle bisherigen Erfahrungen mit Arten wie amerikanischem Nerz (Mink), Waschbär und Marderhund gezeigt haben, dass solche Arten eben nicht ausbruchsicher zu halten sind, wie es jetzt in Artikel 8 gefordert wird.

Der eigentliche Grund für die Notwendigkeit der Verordnung – und die schon aus der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) aus dem Jahr 1992 resultierende Verpflichtung für die EU und ihre Mitgliedstaaten, die ökologische Vielfalt besser vor invasiven Arten zu schützen – ist bei diesen Diskussionen oft gegenüber wirtschaftliche Interessen der Pelzindustrie insbesondere aus Dänemark und der Pflanzenzüchter aus Großbritannien in den Hintergrund geraten. Nach dem Europäischen Parlament muss auch der Umweltministerrat der neuen Verordnung noch zustimmen, die voraussichtlich zum 01. Januar 2015 in Kraft treten kann.

Angesichts der heftigen Diskussionen zwischen Parlament und Rat ist das Abstimmungsergebnis im EP als sehr positiv zu werten: 606 Ja-Stimmen, 36 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Alle deutschen Europaabgeordneten haben zugestimmt, die Nein-Stimmen kamen von EU-skeptischen Abgeordneten aus Ungarn, der Tschechischen Republik, Großbritannien und den Niederlanden. Die Diskussion und Verabschiedung der Verordnung war damit nicht nur ein Musterbeispiel über den Einfluss von Lobbyisten auf das Europäische Parlament, sondern auch ein Warnsignal, nicht zu viele EU-skeptische Abgeordnete in das neue Parlament zu wählen. Mit Beginn der neuen Legislaturperiode werden wir unsere Arbeit in Brüssel entsprechend planen müssen, damit der Naturschutz in den kommenden fünf Jahren nicht „unter die Räder“ kommt!

Link zum Kompromissvorschlag zwischen Europäischem Parlament und Ministerrat:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPOR&reference=A7-2014-0088& language=DET

Claus Mayr, NABU, Direktor Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de

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