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Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus zehn Stichproben

Umrüstung gefährlicher ­Mittelspannungsmasten

Abstracts

Am 31.12.2012 endete die den Netzbetreibern in § 41 des Bundesnaturschutzgesetzes gesetzte Umrüstungsfrist für vogelgefährliche Mittelspannungsmasten. Die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) hat nach Ablauf dieser Frist zehn Flächenstichproben in fünf Bundesländern durchgeführt, um den Stand der Umrüstung zu überprüfen. Zwei der Stichproben sind Wiederholungsstichproben; sie erfolgten in Gebieten, die 2009 und 2010 erstmals überprüft worden sind.

Von 2 020 kontrollierten Mittelspannungsmasten erwiesen sich 660 Masten als hochgefährlich. Das ist jeder dritte kontrollierte Mast. Rechnet man die Zahl auf das Bundesgebiet hoch, kommt man auf rund 178 000 gefährliche Masten. Bei Abzug von Siedlungs- und Waldgebieten, in denen der Anteil an Mittelspannungsmasten eher gering ist, beläuft sich die Zahl gefährlicher Masten auf mindestens 100000. Festgestellt wurden 42 gefährliche Masten, die teils nachweislich, teils ver­mutlich verbotswidrig nach dem 02.04.2002 errichtet worden sind.

Umgerüstet wurde zu langsam, zu schlecht und zu wenig. Wie sollte es auch anders sein? Das Thema hat schon innerhalb des Naturschutzes nie eine angemessene Aufmerksamkeit erlangt. Naturschutzbehörden und -verbände sollten sich in arbeitsteiliger Kooperation einen Überblick über die Zahl der in ihrer Region umzurüstenden Masten verschaffen. Umrüstungsdefizite sollten angemessen politisiert werden, um den Druck auf Netzbetreiber, Länderregierungen und ggf. den Gesetz­geber zu erhöhen.

Converting Dangerous Medium-Voltage Transmission Towers – Results and conclusions from ten samples

The 31.12.2012 was the deadline according to §41 Federal Law on Nature Conservation for the network operators to convert medium voltage (MV) transmission towers dangerous for birds. Subsequently the German Society for the Conservation of Owls (EGE) has taken ten area samples to identify the current situation. Two of the samples are a repetition in areas which had been analysed for the first time in 2009 and 2010.

The results show that 660 out of 2020 checked MV transmission towers proved to be still very dangerous. This is one out of three pylons examined. Extrapolated on the whole of Germany this means a number of 178,000 dangerous transmission towers. After subtracting settlement areas and forests, which hold a rather low amount of MV towers there is still a number of at least 100,000 dangerous pylons left. The examinations even detected 42 dangerous towers established after 02.04.2002.

Altogether, the conversion has been been conducted slowly, poorly and insufficiently. Even among nature conservationists this topic has never got sufficient attention. Both local authorities for nature conservation and non-governmental organisation should act jointly to gain an overview of the amount of transmission towers to be converted in their region. The deficits should be addressed politically in order to increase pressure on network operators, state governments and even the legislative body if necessary.

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Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus zehn Stichproben

1 Einleitung

Nicht an den großen augenfälligen Hochspannungsfreileitungen sterben Vögel durch Stromschlag, sondern dieses Risiko geht von bestimmten Mittelspannungsmasten aus. Sie stehen in großer Zahl scheinbar harmlos in der Landschaft. An diesen Masten können Vögel bei Berührung Strom führender Teile Erd- und Kurzschlüsse verursachen und einen für sie tödlichen Stromschlag erleiden. So sind beispielsweise Masten mit stehenden Isolatoren sowie alle Masten mit geringem Phasenabstand für Vögel buchstäblich brandgefährlich. Stromschlag zählt weltweit zu den häufigsten Todesursachen bedrohter Großvögel (s. z.B. Bergerhausen 1995, Breuer 2007, Haas & Schürenberg 2008).

Auch Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen sind ein Problem für Vögel. Die Vögel sterben daran aber nicht durch Stromschlag, sondern durch Kollision (s. Bernshausen et al. 2014, in diesem Heft). Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko ist mit diesen Leitungen aber zumeist nur verbunden, wo Leitungen auf Gebiete mit hohen Zahlen rastender oder durchziehender Vögel treffen. Mit einer Kennzeichnung der Leitungen kann die Zahl der Anflugopfer reduziert werden. Kollisionsopfer sind auch an Freileitungen des Mittelspannungsnetzes zu beklagen. Das im vorliegenden Beitrag behandelte Problem ist aber ein anderes: nämlich Vogelver­luste durch Stromschlag.

In den letzten Jahrzehnten starb in Deutschland auf diese Weise beispiels­weise jeder dritte tot aufgefundene Uhu; allein in der Eifel waren es mehr als 150 stromtote Uhus. Die meisten Opfer werden von Greifsäugern, -vögeln oder Krähen beseitigt und bleiben unentdeckt. Tote Vögel werden am ehesten gefunden, wenn die Masten an Straßen oder Wegen stehen. Dort steht aber nur eine Minderzahl Masten. Als Todfund werden den staatlichen Stellen zudem zumeist nur solche Opfer gemeldet, die den Ring einer Vogelwarte tragen. Beringt ist aber nur eine verschwindend geringe Zahl Vögel, so dass mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden muss.

Betroffen sind keineswegs nur die ganz großen Vögel, aber sie vor allem: beispielsweise Eulen, alle Greifvogelarten, Weiß- und Schwarzstörche. Darunter sind viele Arten, die international gesehen zu den bedrohten Arten zählen. Das Risiko trifft Vögel, die mit solchen Masten in Berührung kommen unabhängig von ihrer Fitness und ohne, dass die Vögel sich darauf einstellen könnten, weshalb die Folgen besonders schwerwiegend sind.

Der Schutz der Vögel vor gefährlichen Masten war eines der zentralen Motive für die Anfänge des Vogelschutzes in Deutschland. Bereits vor Jahrzehnten wurden technische Lösungen für die vogelschutzkonforme Konstruktion neuer und das Nachrüsten alter Masten entwickelt. Die Betreiber des Mittelspannungsnetzes hatten sich in den 1980er Jahren zu einer Entschärfung gefährlicher Masten und zum Einsatz ungefährlicher Lösungen selbstverpflichtet.

Am 02.04.2002 ist an die Stelle der bundesweit gesehen teils erfolgreichen, größtenteils aber erfolglosen oder unversuchten Bemühungen um freiwillige Selbstverpflichtungen der Netzbetreiber eine Bestimmung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) getreten, die die Netzbetreiber zum Verzicht auf gefährliche Masten sowie die Umrüstung vogelgefährlicher Altmasten verpflichtet: § 53 (bzw. seit der Neufassung des BNatSchG 2011 § 41) BNatSchG. Während die Errichtung gefährlicher Masten seit dem 02.04.2002 strikt untersagt ist, hat der Gesetzgeber den Netzbetreibern für die Entschärfung vogelgefährlicher Altmasten eine 10-jährige Frist eingeräumt. Diese Frist endete am 31.12.2012 (nach § 53 BNatSchG a. F. am 02.04.2012, sodass sich infolge der Neufassung des BNatSchG die Frist um fast neun Monate verlängert hat). Eines der Hauptprobleme des Vogelschutzes sollte seitdem gelöst sein. Doch ist es das wirklich?

2 Flächenstichproben

Die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) hat 2013, also nach Ablauf dieser Frist, zehn Flächenstichproben in fünf Bundesländern (Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-West­falen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein) durchgeführt, um den Stand der Umrüstung zu überprüfen. Die Stichproben umfassen eine Fläche von 1 326 km2. Das sind 0,37 Prozent des Bundesgebietes. Die Stichproben entfallen auf die Versorgungsgebiete acht verschiedener Netzbetreiber. Die Masten wurden anhand der am 01.08.2011 in Kraft getretenen VDE-Anwendungsregel „Vogelschutz an Mittelspannungsmasten“ des Verbandes der Elektrotechnik (VDE) VDE-AR-N 4210-11 überprüft.

Das BNatSchG macht keine Angaben, wie der Vogelschutz an Mittelspannungsmasten technisch realisiert werden soll. Die VDE-Anwendungsregel schließt diese Lücke. Darin haben sich Experten des Forums Netztechnik/Netzbetrieb im VDE unter Beteiligung der wenigen auf diesem Gebiet kundigen Vertreter von Bundesumweltministerium, Vogelschutzwarten und Vogelschutzverbänden auf wirkungsvolle Maßnahmen zum Vogelschutz an Mittelspannungsmasten verständigt. Die neue Anwendungsregel enthält konkrete Vorgaben für den Neubau von Mittelspannungsfreileitungen und für die Nachrüstung bestehender Masten (Breuer 2011).

Die EGE hat nur wenige Mitarbeiter. Deshalb konnten nur in fünf von 13 Flächenbundesländern Stichproben durchgeführt werden (in den Stadtstaaten gilt die Umrüstung zu recht als weitgehend abgeschlossen, s. EGE 2007). Eine Schlag­opfersuche war wegen des begrenzten Zeitbudgets der Bearbeiter nicht Teil der Untersuchungen. Die vermehrte Zahl von Stichproben in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz trägt dem Umstand Rechnung, dass die EGE in der beiden Bundesländern zugehörigen Eifel seit 30 Jahren ein Uhumonitoring durchführt und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) in einem Bundesländervergleich im Juli 2012 sowie Oktober 2013 Nordrhein-Westfalen hinsichtlich des Umrüstungsgrades in einer Ampelbewertung „grün“ bzw. die Bestnote zuerkannt hat und mit Berufung auf Angaben des nord­rhein-westfälischen Umweltministeriums schreibt: „Alle gefährlichen Masten in für Vögel sensiblen Gebiete wurden bis 2011 umgerüstet, die letzten Masten des rest­lichen Bestandes sollen bis 2013 sicher sein“ (NABU 2013). Diese Bewertung zieht die EGE in Zweifel.

3 Ergebnisse

Von 2020 im Rahmen der zehn Flächenstichproben kontrollierten Mittelspannungsmasten erwiesen sich 660 Masten als hochgefährlich. Das ist jeder dritte kontrollierte Mast. Darin sind 42 gefährliche Masten eingeschlossen, die teils nachweislich, teils vermutlich verbotswidrig nach dem 02.04.2002 errichtet worden sind. Diese Masten wurden bei den Stichproben 1, 3, 5, 6, 7 und 8 festgestellt. Die Ergebnisse sind in der Tab. 1 dargestellt. Rechnet man die Zahl auf das Bundesgebiet hoch, kommt man auf rund 178000 gefährliche Masten. Bei Abzug von Siedlungs- und Waldgebieten, in denen der Anteil an Mittelspannungsmasten eher gering ist, beläuft sich die Zahl gefährlicher Masten auf mindestens 100000.

Einzuräumen ist, dass an einem Teil der von der EGE als gefährlich identifizierten Masten vor Jahren Entschärfungsarbeiten durchgeführt worden sind. Diese Maßnahmen waren aber entweder schon damals unzureichend oder sie haben sich zwischenzeitlich als unzureichend herausgestellt. Jedenfalls genügen die durchgeführten Maßnahmen nicht den Anforderungen, welche der Verband der Elektrotechnik (VDE) im August 2011 als Stand der Technik definiert hat.

An je einem Mast von drei Stichproben wurde 2013 ein Uhu als Stromopfer registriert. Es sind Masten der Stichproben 4 Mechernich (Abb. 1 zeigt den Mast, an dem der Uhu ums Leben kam), 7 Bitburg und 8 Kaiserslautern. An diesen Masten waren zuvor Maßnahmen durchgeführt worden, die nicht dem Stand der Technik entsprechen. An dem betreffenden Mast der Stichprobe 7 Bitburg war bereits 2008 ein Uhu ums Leben gekommen. An diesem Mast sind nach dem Inkrafttreten der VDE-Anwendungsregel (August 2011) Entschärfungsmaßnahmen durchgeführt worden, die nicht den Anforderungen dieser Regel entsprechen.

Bei den Stichproben stieß die EGE an einigen Masten auch auf andere Stromopfer, die in oder unter den Masten lagen (Abb. 2 Stichprobe 10). Tote Vögel in den Masten sind beispielsweise für Uhus und Greifvögel eine willkommene Beute – mit tödlichen Folgen. So war ein durch Strom getöteter Turmfalke der Grund, weshalb am selben Mast anschließend auch zwei Uhus ums Leben kamen (Abb. 3). Im Falle des in Bruchmühlbach-Miesau (Stichprobe 8 Kaiserslautern) getöteten Uhus, hielt dieser noch einen getöteten Mäusebussard fest (Abb. 4). Vermutlich kam der Uhu auf dem Mast ums Leben, als er sich dort mit dem erbeuteten Mäusebussard setzte.

Stichproben aus anderen Bundesländern sind der EGE nicht bekannt. Dass die Lage in den nicht von den EGE-Stichproben betroffenen Flächenbundesländern deutlich besser ist, erscheint wenig wahrscheinlich. Beispielhaft sei hier auf Bayern hingewiesen:

Nach Auffinden eines an einem widerrechtlich nicht fristgerecht entschärften Mast getöteten Uhus in Bayern teilte der Landesbund für Vogelschutz (LBV) am 24.01.2013 auf seiner Website mit: „Obwohl sich der LBV mit der Erstellung einer Prioritätenkarte und bei Monitoring-Gesprächen mit Behörden und Netzbetreibern mehrfach konstruktiv eingebracht hatte, müssen wir feststellen, das die Betreiber ihre gesetzlichen Verpflichtungen nicht einmal im selbst verpflichteten Minimalbereich vollständig nachgekommen sind.“ Der NABU erkennt in der Ampelbewertung seines Bundesländervergleichs von Oktober 2013 Bayern gleichwohl „grün“ zu mit Berufung auf Angaben des bayerischen Umweltministeriums, in Bayern stünden „noch über 65000 Masten, die bis spätestens 2017 alle gesichert werden sollen“. Wie diese Befundlage ein „grün“ begründen kann, ist unverständlich.

4 Erläuterungen einzelner ­Stichprobenergebnisse

Den Stichproben 6 Westerwald und 9 Elbtalaue waren 2009 und 2010, d.h. zwei und drei Jahre vor Ablauf der Umrüstungsfrist Stichproben der EGE in den­selben Gebieten vorausgegangen.

Bei der Westerwald-Stichprobe 2009 hatten sich 616 von 802 Masten als gefährlich erwiesen. Bei der erneuten Überprüfung 2013 wiesen 220 Masten weiterhin Sicherheitsmängel auf. Rechnet man die Ergebnisse auf das Gebiet des Westerwaldes hoch, muss dort mit mehr als 4000 gefährlichen Mittelspannungsmasten gerechnet werden (EGE 2013).

Bei der Elbtalaue-Stichprobe 2010 hatten sich 125 von 291 Masten als gefährlich herausgestellt. An 21 der 125 gefährlichen Masten waren zwar Entschärfungsbemühungen erkennbar. Die dazu durchgeführten Maßnahmen waren aber unzureichend oder unwirksam (EGE 2010). Bei der erneuten Überprüfung 2013 wurden von den 291 Masten 98 überprüft. Die Hälfte erwies sich als hochgefährlich. Das Ergebnis ist auch insofern bemerkenswert, weil die Masten größtenteils in einem Euro­päischen Vogelschutzgebiet bzw. im Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue stehen. In einer für die Netzbetreiber im Auftrag des niedersächsischen Umweltministeriums 2007 angefertigten Karte der Staatlichen Vogelschutzwarte ist die Umrüstung von gefährlichen Masten in diesem Gebiet mit der höchsten Priorität eingestuft worden (NLWKN 2007).

Das von der Stichprobe 10 Eiderstedt erfasste Gebiet gehört teilweise zum Europäischen Vogelschutzgebiet Halbinsel Eiderstedt. Dort sind die Mittelspannungsleitungen weitgehend durch Erdkabel ersetzt worden. Bei den Masten handelt es sich um Verteilerstationen (Trafomasten) hochgefährlicher Bauweise am Ende dieser Leitungen.

Fünf der zehn Stichproben entfallen auf Nordrhein-Westfalen. Dort erwies sich mehr als jeder dritte Mast als hochgefährlich. Dieses Ergebnis ist auch deshalb bemerkenswert, weil der NABU nicht nur 2013, sondern bereits im Juli 2012, also ein halbes Jahr vor Ablauf der gesetzlichen Umrüstungsfrist, in einem Bundesländervergleich Nordrhein-Westfalen hinsichtlich des Umrüstungsgrades in einer Ampelbewertung „grün“ bzw. die Bestnote zuerkannt hatte, obwohl das nordrhein-westfälische Umweltministerium zu diesem Zeitpunkt noch von 11100 gefährlichen Masten ausging.

In Nordrhein-Westfalen könnte es um die Umrüstungsquote noch schlechter bestellt sein als in anderen Bundesländern. Das nordrhein-westfälische Umweltministerium hatte sich nämlich mit dem Netzbetreiber RWE darauf verständigt, die Umrüstung auf Masten in Europäischen Vogelschutzgebieten zuzüglich 15 Prozent der Landesfläche zu beschränken. Da Nordrhein-Westfalen mit einem Anteil von nur 4,8 Prozent an der Landesfläche so wenige Vogelschutzgebiete eingerichtet hat wie kein anderes Flächenland, wäre der Wille des Gesetzgebers auf 80 Prozent der Landesfläche unterlaufen worden. Diese Vereinbarung zwischen Umweltministerium und RWE war erst 2008 revidiert worden, nachdem die EGE die Vereinbarung öffentlich gemacht hatte. Daraufhin zitierten die „Aachener Nachrichten“ in ihrer Ausgabe vom 29.11.2008 den RWE-Sprecher „Selbstverständlich befolgen wir geltendes Recht und rüsten alle Strommasten bis 2012 um“, was die Zeitung zu der Schlagzeile veranlasste: „RWE gibt im Streit um Strommasten nach. Sensationeller Durchbruch: 450 tote Uhus und ein Streit, der jetzt beendet zu sein scheint.“ (EGE 2009). Auslöser für die Kursänderung des Unternehmens war ein toter Uhu, der an einem rechtswidrig nach dem 02.04.2002 errichteten Mast ums Leben kam und die Staatsanwaltschaft beschäftigte (s. 6.1). Möglicherweise sind die Umrüstungsbemühungen in Nordrhein-Westfalen außerhalb von Europäischen Vogelschutzgebieten wegen der früheren Vereinbarung erst ab 2008 in Gang gekommen.

Obgleich die EGE das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) frühzeitig über die Ergebnisse der Stichproben informiert hat, veröffentlicht dieses Landesamt in der Ausgabe 4/2013 seiner Zeitschrift „Natur in NRW“ vermutlich ungeprüft und gegen besseres Wissen die Erfolgsmeldung „Netzbetreiber in NRW setzten Vogelschutz termingerecht um“ (Grohs et al. 2013).

5 Reaktionen von Netzbetreibern

Die EGE hat drei der acht Netzbetreiber mit den Ergebnissen der Stichproben konfrontiert. Die Reaktionen dürften die Haltung der meisten Netzbetreiber wiederspiegeln: Der Netzbetreiber Alliander Netz Heinsberg AG (Stichprobe 2) teilte der EGE nach dreieinhalb Monaten mit, alle Leitungen bis zum Jahr 2016 komplett abzubauen und diese durch Erdkabel zu ersetzen und eine besonders gefährliche Maststation 2014 abzubauen. Die Kreis-Energie-Versorgung Schleiden GmbH (Stichprobe 4) teilte mit, an einem Teil der Masten seien in der Vergangenheit Maßnahmen durchgeführt worden; die Maßnahmen hätten Bestandsschutz und insofern seien keine Nachbesserungen zu veranlassen. Die Masten, an denen bisher nichts unternommen worden sei, würden „in nächster Zeit ersetzt“. Die Süwag Netz GmbH (Stichprobe 6 Westerwald) hat nicht geantwortet.

6 Schlussfolgerungen

6.1 Rechtliche Konsequenzen

Vor Ablauf der gesetzlichen Umrüstungsfrist Ende 2012 konnten die Netzbetreiber wegen der Stromopfer an gefährlichen Masten (zumindest an solchen, die nicht nach dem 02.04.2002 errichtet worden waren) weder straf- noch ordnungsrechtlich belangt werden. Auch jetzt nach Ablauf dieser Frist bleiben die Verluste für die säumigen Netzbetreiber vermutlich folgenlos. Der Bundesgesetzgeber hat nämlich von an § 41 BNatSchG unmittelbar anknüpfende Sanktionsmöglichkeiten für den Fall unterlassener Entschärfungsmaßnahmen abgesehen. Die Verluste könnten allerdings einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG begründen und dann für den säumigen Netzbetreiber Rechtsfolgen auslösen. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verbietet das Töten besonders geschützter Arten. Dazu zählen alle europäischen Vogelarten. Das Verbot erstreckt sich nicht nur auf willentliches, sondern auch wissentliches Inkaufnehmen des Tötens. Die EGE hat die oben erwähnten Fälle der drei getöteten Uhus deshalb den zuständigen Staatsanwaltschaften in Trier, Kaiserslautern und Bonn mitgeteilt und um die Aufnahme von Ermittlungen gebeten.

Eine der Staatsanwaltschaften hat das Verfahren mit der Begründung eingestellt, eine Straftat läge nicht vor. Zwar seien gemäß §41 BNatSchG an bestehenden Masten und technischen Bauteilen von Mittelspannungsleitungen mit hoher Gefährdung von Vögeln bis zum 31. Dezember 2012 die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung gegen Stromschlag durchzuführen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift sei jedoch weder straf- noch bußgeldbewährt. In Betracht käme allenfalls eine Strafbarkeit gemäß § 71a Abs. 1 Nr.1 i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Dies würde jedoch die vorsätzliche Tötung des Uhus voraussetzen. Eine solche Tötung könne jedoch nicht nachgewiesen werden und sie erscheine auch fernliegend, so dass bereits aus diesem Grund eine Strafbarkeit nicht in Betracht käme. Darüber hinaus sei eine Tat nach § 71a Abs. 1 Nr.1 BNatSchG gemäß § 71a Abs. 4 BNatSchG dann nicht strafbar, wenn die Handlung eine unerhebliche Individuenzahl betrifft und unerhebliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art hat. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Tod eines einzelnen Uhus erhebliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art habe.

Als 2008 unter einem nach dem 02.04.2002 errichteten gefährlichen Mast ein stromtoter Uhu gefunden und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden war, hatte diese 2010 das Verfahren gegen den Netzbetreiber mit der Begründung eingestellt, der Beschuldigte sei bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, bedaure sein Verhalten und es könne erwartet werden, dass er durch das bisherige Ermittlungsverfahren hinreichend beeindruckt und gewarnt sei und weiterhin Maßnahmen des Vogelschutzes durchführe. Wenige Monate nach Einstellung des Verfahrens stellte die EGE fest, dass der Netzbetreiber eine 17 km lange Mittelspannungsleitung mit gefährlichen Masten komplett neu errichtete. Mit dieser Feststellung konfrontiert, erklärte sich der Netzbetreiber zur Umrüstung der Masten bereit.

Dass die drei dokumentierten Todesfälle aufgrund der Bestimmungen des Umweltschadensrechts Vermeidungs- und Sanierungspflichten auslösen könnten, liegt auf der Hand (Gassner 2013). Wenn sich die Umrüstung aber nur auf die konkreten Masten beschränkt, an denen es nachweislich zu Todesfällen kam, ist zu wenig gewonnen. Bereits vor Inkrafttreten des Umweltschadensgesetzes 2007 und vor Ablauf der Umrüstungsfrist haben die meisten Netzbetreiber Masten, an denen es zu Todesfällen kam, mehr oder weniger rasch entschärft. Erforderlich ist vielmehr, dass alle Masten gefährlicher Bauart unverzüglich gesichert werden, was bis zum 31.12.2012 hätte geschehen müssen.

6.2 Rolle der Länderumweltminister

Die Länderumweltministerien sind für die Durchsetzung des Vogelschutzes an Mittelspannungsmasten zuständig. Der NABU hat 2012 und 2013 die Länderumweltminister nach dem Stand der Umrüstung befragt. Die Länder teilten zumeist nur mit, was ihnen die Netzbetreiber aufgeschrieben haben. Eigene Kontrollen führen die Länderumweltministerien nicht durch. Den ihnen unterstellten Staatlichen Vogelschutzwarten fehlt das Personal, Kontrollen durchzuführen oder überhaupt die Sachkenntnis, gefährliche von ungefährlichen Masten zu unterscheiden.

Die Defizite in der Wahrnehmung der Kontrollaufgaben dokumentieren folgende Antworten, welche die EGE von drei zuständigen Länderumweltministerien erhielt:

2010, zwei Jahre vor Ablauf der Umrüstungsfrist, hatte die EGE die Umweltministerien von Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern über die hohe Zahl gefährlicher Masten im Biosphärenreservat Elbtalaue unterrichtet. Beide Ministerien schrieben der EGE damals, sich beim Netzbetreiber für die fristgerechte Umrüstung der Masten einzusetzen. Die Ergebnisse der Stichprobe 9 Elbtalaue im selben Gebiet ein Jahr nach Ablauf der Umrüstungsfrist belegen, dass dort von einer fristgerechten Umrüstung nicht die Rede sein kann.

In der Stichprobe 6 Westerwald haben sich ein Jahr nach Ablauf der Umrüstungsfrist auf einer Fläche von 144 km2 220 von 628 Mittelspannungsmasten als für Vögel hochgefährlich herausgestellt. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium schrieb der EGE im März 2013, es sei „sicherlich noch nicht alles optimal“, aber es zeige sich, „dass wir auf dem richtigen Weg sind und in absehbarer Zeit dieses Gefahrenpotential beseitigt ist“.

Die 2007 gestellten Fragen (Breuer 2007) waren offenkundig nur allzu berechtigt: „Es sind die Länderumweltministerien, welche mit den ihnen zur Verfügung stehenden Fachbehörden – insbesondere den dreizehn Staatlichen Vogelschutzwarten – gegenüber den Netzbetreibern die Lösung des Problems auf Länderebene einfordern und durchsetzen müssen. Aber ist den Umweltministern der Länder dieses Problem bewusst? Sind die Naturschutzbehörden auf diese Aufgabe vorbereitet? Welche Vorstellungen und Aktivitäten haben die Länderumweltministerien und die Staatlichen Vogelschutzwarten bisher entwickelt, um sicherzustellen oder mitzuhelfen, dass die Anforderungen des Gesetzgebers bis 2012 erfüllt sind?“

Angesichts des Umstandes, dass Kontrollen nicht stattfinden, die Umrüstungsdefizite nicht aufgedeckt werden und für die Netzbetreiber weitgehend folgenlos bleiben, haben die Netzbetreiber beinahe viel unternommen.

6.3 Rolle des beruflichen Naturschutzes

Anstatt die in der Sache nur über begrenzte Informationen verfügenden Länder­umweltminister zu befragen, sollten die Natur­schutzverbände selbst repräsenta­tive Flächenstichproben durchführen, um festzustellen, wie es tatsächlich um die Umrüstung bestellt ist. Zu dieser Schlussfolgerung gelangte die EGE bereits 2007, als sie selbst nach Ablauf der Hälfte der gesetzlichen Umrüstungsfrist die Länderumweltminister nach dem Stand der Umrüstung fragte und überwiegend unzureichende, zweifelhafte oder widersprüchliche Informationen erhielt (EGE 2007). Die EGE ist offenbar die einzige Organisation, die Flächenstichproben zum Stand der Umrüstung gefährlicher Mittelspannungsmasten durchführt.

Umgerüstet wurde mit Gewissheit zu langsam, zu schlecht und zu wenig. Wie sollte es auch anders sein? Das Thema hat schon innerhalb des Naturschutzes nie eine angemessene Aufmerksamkeit erlangt. So stand beispielsweise im Jahr 2012, in dem die Umrüstung der gefährlichen Masten hatte abgeschlossen werden müssen, der 31. Deutsche Naturschutztag unter dem Leitthema „Neue Energien – neue Herausforderungen: Naturschutz in Zeiten der Energiewende“. Mit der alten Herausforderung, die die gefährlichen Mittelspannungsmasten darstellen, befasste sich dieser Naturschutztag ebenso wenig wie andere Deutsche Naturschutztage in der jüngeren Geschichte dieser Veranstaltungen. Dieser Befund fügt sich zu dem Eindruck, dass der Naturschutz hierzulande mit der „ganz großen Energiewende“ beschäftigt ist, in deren Schatten die Durchsetzung der gesetzlich verankerten Umrüstung gefährlicher Mittelspannungsmasten bestenfalls den Rang einer Nebensächlichkeit einzunehmen scheint.

Dank

Die EGE dankt Herrn Michael Knödler (Mainz) für die Durchführung der Stichprobe 10, den Herren Hartmut Heckenroth und Steffen Hollerbach von der „Stork Foundation“ für die Unterstützung bei der Durchführung der Stichprobe 9 sowie dem „Komitee gegen Vogelmord“ für finanzielle Unterstützung der Stichproben 6 und 9.

Literatur

Bergerhausen, W. (1995): Überleben im Strombaum. Erfahrungsbericht über 20-jährige Zusammenarbeit der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V. mit Energieversorgungsunternehmen. Eulen-Rundblick 42/43, 29-34.

Breuer, W. (2007): Stromopfer und Vogelschutz an Energiefreileitungen. § 53 Bundesnaturschutzgesetz in der Praxis. Naturschutz und Landschaftsplanung 39 (3), 69-72.

– (2011): Neue VDE-Vorschrift zum Vogelschutz an Mittelspannungsmasten. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (10), 315-316.

EGE (Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen – 2007): Stand der Umrüstung vogelgefährlicher Masten in Deutschland. Ergebnisse einer Befragung der Länderumweltminister – Stand 2006. Naturschutz und Landschaftsplanung 39 (3): 94-95.

– (2009): RWE gibt im Streit um Strommasten nach. Artikel aus Aachen Nachrichten. http://www.egeeulen.de/files/an_291108.pdf, letzter Zugriff 08.03.2014.

– (2010): Mittelspannungsmasten für Vögel weiterhin hochgefährlich. Ein Beispiel aus dem Biosphärenreservat Elbtalaue. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (3), 63.

– (2013): Westerwald: Zahl gefährlicher Strommasten weiterhin hoch. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (3), 95.

Gassner, E. (2013): Das Umweltschadensgesetz harrt der Anwendung. Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (4), 121-122.

Grohs, A., Junker, M., Waldapfel, M. (2013): Vogelschutz an Freileitungen. Netzbetreiber in NRW setzen bis Ende 2012 Vogelschutzmaßnahmen an Mittelspannungsfreileitungen um. Natur in NRW 4/2013, 44-46.

Haas, D., Schürenberg, B. (2008): Stromtod von Vogeln. Grundlagen und Standards zum Vogelschutz an Freileitungen. Ökologie der Vögel 26, 302 S.

NABU (2013): Strommasten noch immer Todesfalle für Vögel. http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/voegel/forschung/stromtod/14968.html letzter Zugriff 08.03.2014.

NLWKN (2007): Stromtod von Vögeln – Umrüstung von Mittelspannungsmasten notwendig: http://www.nlwkn.niedersachsen.de/naturschutz/staatliche_vogelschutzwarte/aktuelles_zu_vogel­arten/44685.html, , letzter Zugriff 08.03. 2014.

VDE (2011): Vogelschutz an Mittelspannungsfreileitungen. VDE-AR-N 4210-11. Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik 20, VDE Verlag, Berlin, 38.

Anschrift der Verfasser: Dipl.-Ing. Wilhelm Breuer und Stefan Brücher, EGE – Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V., Breitestraße 6, D-53902 Bad Münstereifel, E-Mail egeeulen@t-online.de.

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