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Editorial

Vogeltod und Netzausbau – Kabelsalat mit ­Potenzial zum Elektrisieren ...

Kabelsalat: Das Stromnetz wird dicht und dichter. Leitungen mit Mittelspannung zwischen 6 und 60 kV messen in Deutschland 479000 km, das Hoch- und Höchstspannungsnetz mit einer Spannung von bis zu 500 kV ist 77000 km lang, bilanziert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf seiner Web­site. Mittel- und Hochspannungsleitungen erreichen zusammen also eine Länge 556000 km – das ist 578-mal die Strecke über die Bundesautobahn A7 längs durch die Republik von Flensburg nach Füssen (962 km) oder fast das 14-Fache des Äquator-Umfangs!

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Die Energiewende – in welchem Umfang und Maße (dezentral oder räumlich konzentriert) sie auch kommen mag – erfordert ein weiteres Anwachsen des Netzes. Die Bundesnetzagentur erklärt das so: Noch bis vor wenigen Jahren wurde Strom verbrauchsnah erzeugt – durch Kohlekraftwerke rund um das Ruhrgebiet etwa oder Kernkraftwerke um die Ballungsräume Süddeutschlands. Mit dem gewünschten Absenken des Anteils fossiler Kraftwerke an der Stromerzeugung und mit dem Ausstieg aus der Atomkraft muss der Strom aus anderen Regionen, etwa den Offshore-Windparks, über weitere Strecken transportiert werden. Außerdem erfordert der wachsende europäische Strombinnenmarkt den Ausbau.

Gleichwohl melden sich auch kritische Stimmen zu Wort: Es sei nicht belegt, dass neue Trassen wie SuedLink für erneuerbare Energien überhaupt erforderlich seien, sagt etwa Prof. Lorenz Jarass, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Rhein-Main.

Strom und Landschaft: ein Thema also, das heute schon hoch relevant ist und in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Das vorliegende Themenheft widmet sich vier Teilaspekten: Vogelverluste an Mittel- und deren Vermeidung an Hochspannungsfreileitungen, Partizipation beim Netzausbau und – allgemeiner – Landschaft im Diskurs mit Blick auf Energielandschaften.

An Mittelspannungsleitungen sterben Großvögel durch Stromschlag. Daher hat das BNatSchG 2002 in § 53 (in der aktuellen Fassung § 41) die Netzbetreiber verpflichtet, bis Ende 2012 vogelgefährliche Masten umzurüsten. Der erste Beitrag rüttelt auf: Aus Stichproben hochgerechnet, sind nach wie vor 178000 Masten hochgefährlich – das sind im Mittel über 600 Masten je (Land-)Kreis! Ein vergessenes Thema, obwohl in unserer Zeitschrift seit Jahren mehrfach thematisiert. Betroffen sind ganz besonders gefährdete und europäisch geschützte Eulen, Greifvögel und Störche.

Durch Kollision, nicht Stromschlag sterben Vögel an Hochspannungsfreileitungen. Der zweite Beitrag weist eine bis über 90-%ige Wirksamkeit von Vogelabweisern nach, die am Blitzschutzseil (Erdseil) den Vögeln signalisieren, welche Linie sie überfliegen müssen. Für beide Leitungsnetze sind die Techniken zur Entschärfung also bekannt – sie müssen nur flächendeckend angewendet werden.

Ein Aufschrei ging wie berichtet durch die Republik, als die Trassenplanung für die „SuedLink“-Hochspannungs­trasse von Flensburg nach Bayern bekannt wurde – bis hin zur Forderung eines Morato­riums für den Trassenausbau durch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Wird die Bevölkerung ungenügend beteiligt? Für das 2009 verabschiedete Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) stellt der dritte Beitrag fest, dass Vorhaben des Bedarfsplans meist zwar im Rahmen der gesetzlichen Mindestanforderungen von einer Beteiligung der Bürger und Gemeinden begleitet wurden – mehr aber nicht.

Gerade der Netzausbau und eine seiner Begründungen, die Windkraft, führen uns vor Augen, wie unterschiedlich und engagiert Menschen „ihre“ Landschaft wahrnehmen. „Landschaft im Diskurs“ fordert, gesellschaftliche Aushandlungsprozesse über Landschaften zu intensivieren, gerade in der Energiepolitik.

Strom und Landschaft ist vielschichtiger, als es dieses Themenheft vermitteln kann. Wenn die vier Schlaglichter aber bewirken, dass die Netzbetreiber ihre gesetzlichen Mindestpflichten zur Folgenbegrenzung für den Vogelschutz endlich ernstnehmen und Behörden und Verbände darüber wachen, hat es ein wichtiges Ziel erreicht. Wenn die Partizipation ebenso einen höheren Stellenwert erhält und wirkliche Bedarfe nachgewiesen werden – dann wäre ebenfalls etwas gewonnen.

Und wir Planer schreiben uns Markus Leibenaths Appell hinter die Ohren: nicht verstecken hinter einer Moderatorenrolle, sondern auch kämpfen für gesetzlich begründete Anliegen der Landschaft wie der in ihr lebenden Vögel!

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