Klimaschutzpolitik – Feind oder Freund des Naturschutzes?
Klimaschutz geht uns alle an. Ob Artenschützer, Spaziergänger in der Landschaft, Landschaftsplaner, Lokalpolitiker, Bundeskanzlerin oder Bürger mit offenen Augen – an den Themen Klimawandel, Klimaschutz und Klimaanpassung kommt man nicht vorbei. Sprechen wir an dieser Stelle nicht über die Häufung von extremen Wetterlagen. Und auch nicht über die rapide Dynamik sich verändernder Verbreitungsbilder vieler Arten. Sondern blicken wir einmal auf die Frage, warum eigentlich eine ganzheitlich angelegte Klimaschutzpolitik offensichtlich eine ungeheuer hohe Hürde darstellt.
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In der bundesdeutschen Politik herrscht diesbezüglich, gelinge gesagt, ein konfuses Durcheinander. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), bis dato Motor der Energiewende, soll (mal wieder) grundlegend neu gefasst werden. „Todesstoß für die Erneuerbaren“, empören sich die einen und verweisen auf aktuelle Pleiten in Wind-, Solar- und Biogas-Branche. „Endlich Einhalt für die Maiswüsten“, freuen sich die anderen über die angekündigte Konzentration der Biogas-Förderung auf Abfall- und Reststoffe. Was auch immer die Bundesregierung entscheidet, sie macht es falsch. Und die Gefahr ist groß, dass auch dieses Mal wieder ein Schnellschuss dabei herauskommt: Politik verlangt rasche Antworten, der Lackmustest erfolgt erst bei der Anwendung. Und dann folgt, so sicher wie das Amen in der Kirche, die nächste Korrektur des EEG. Muss das so sein? Drei Stichworte sollen die Situation umschreiben: Unwissen, sektorales Denken, Sankt-Florians-Prinzip.
Unwissen: Wollen wir weg von Atom und Kohle, so muss die Energiewende mit ehrgeizigen Zielen gelingen. Doch: Sie gleicht ein wenig einer Notoperation am offenen Herzen. Wir müssen handeln, wissen aber in vielerlei Konsequenz nicht, was wir damit auslösen. Ein Beispiel liefert der erste Hauptbeitrag, indem er zeigt, dass der Bau eines einzigen lokalen Windparks im Wald 1 % des landesweiten Bestands der Waldschnepfe in Baden-Württemberg betrifft, einer keineswegs seltenen Art. Das klingt nicht viel – aber es bleibt bekanntlich nicht bei einem einzigen Windpark. Da kommt mit der Summationswirkung die Frage ins Spiel: Ab welcher Schwelle widerspricht das Artenschutzrecht der Genehmigungsfähigkeit? Es genügt ganz klar nicht, nur den Rotmilan zu betrachten.
Sektorales Denken: Energiemais kann dem Klima schaden. Diese Tatsache ist nach der ersten Euphorie für das Biogas rasch bekannt geworden. Aber es bedurfte erst gigantischer Maislandschaften, bis das Problem wirklich in der Politik angekommen war. Die Hälfte des gravierenden Grünlandschwunds um 15 % der letzten 20 Jahre ging auf das Maisanbau-Konto, stellte gerade das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung fest. 88 bis 187 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr produziert die ackerbauliche Nutzung ehemals artenreichen Grünlands. Weitere 5 % Grünlandumbruch in Deutschland (und genau das lässt die neue Agrarförderung zu) würden zu Klimaschäden im Wert von jährlich 346 Mio.€ führen. Aber wir bauen lieber weiter Mais an, um vermeintlich das Klima zu schonen…
Das Sankt-Florians-Prinzip: Der Ruf nach dem Schutzpatron „Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd’ and’re an!“ steht für das Phänomen, dass persönliche Betroffenheit in vielen Fällen Opposition auslöst: der Windpark in Sichtweite etwa oder, ganz aktuell, die Trassenplanung für die Stromautobahn „SuedLink“. Die Bekanntgabe des groben Trassenverlaufs löste eine blitzartige Protestwelle aus, genau entlang der Trasse. Es erscheint fraglich, ob ein solches Großprojekt in der heutigen Zeit überhaupt noch realisierbar ist.
Der „große Wurf“ steht noch aus – ein tragfähiges Konzept einer Klimaschutzpolitik, die umfassende Nachhaltigkeit verkörpert, sprich nicht einer sektoralen Gewinnmaximierung (für den Klimaschutz), sondern dem Ideal einer interdisziplinär ausgewogenen Zielsetzung entspricht. Viele Anregungen dazu wird der gerade im Entwurf vorgelegte Band1 des Vorhabens „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ enthalten, deutsches Nachfolgevorhaben der internationalen Studie „The Economy of Ecosystems“. „Naturkapital und Klimapolitik – Synergie und Konflikte“ ist der erste Band überschrieben.
Bisher erscheint die Klimapolitik mehr als Feind denn als Freund der Zielsetzungen des Naturschutzes, obwohl dieser ebenso unter den Folgen des Klimawandels leidet. TEEB DE legt den Finger in die Wunde und kann dazu beitragen, dass die Freundschaft gewinnt. Dazu aber braucht es in der Umsetzung mehr Wissen (nachlesbar), mehr Interdisziplinarität (lernbar) und weniger Sankt Florian (übbar). Beginnen wir doch gleich in der Förderpolitik der Landnutzung als ein Instrument des Klimaschutzes!
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