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Theoretische Erkenntnisse und empirische Untersuchungen am Beispiel des Konflikts zwischen Wintersport und Wildtierschutz

Wirkung von Lenkungsmaßnahmen auf das Verhalten von Freizeitaktiven

Die Zunahme der Anzahl von Wintersportlern führt zu Konflikten mit dem Wildtierschutz. Die Bedeutung von Lenkungsmaßnahmen für die Erreichung von Naturschutzzielen nimmt deshalb zu, wobei die Wirksamkeit solcher Maßnahmen von besonderem Interesse ist.

Theoretische Modelle zeigen auf, wie solche Lenkungsmaßnahmen gestaltet sein könnten. Vor diesem Hintergrund befasst sich der vorliegende Beitrag mit verschiedenen Wirksamkeitsstudien von Lenkungsmaßnahmen in der Schweiz. Diese sollen helfen, die Anwendbarkeit der theoretischen Modelle in der Praxis zu überprüfen und zu erkennen, wie Lenkungsmaßnahmen konkret konzipiert werden sollten.

Die daraus resultierenden Ergebnisse führen zu allgemeingültigen Erkenntnissen für die Umsetzung von Lenkungsmaßnahmen für verschiedene Freizeitaktivitäten in der Praxis: Diese sollten zielgruppengerecht informieren, aufklären und überzeugen, bei der Tourenplanung ansetzen und das soziale Umfeld einbeziehen, z.B. mit der Kommunikation über Vor­bilder.

Effects of Steering Measures on the Behaviour of Recreational Users – the example of the conflict between winter sports and wildlife protection

Winter sport activities have remarkably increased and can have negative impacts on native wildlife populations in subalpine areas. Against this background the importance of steering instruments has increased, with the effectiveness of these instruments being of particular relevance. Theoretical models can provide information on how to design such measures. The paper focuses on several studies conducted in Switzerland in order to evaluate the practicability of theoretical models and the effectiveness of steering instruments for outdoor winter sports. The results of these studies provide generally valid knowledge for the practical implementation of steering instruments: Steering measures should be adapted to the target groups, they need to inform, educate and convince. They have already to be effective during the planning phase of the tour, and they should integrate the social surrounding, e.g. via ­communication through leading figures.

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Abb. 1: Flüchtende Gämsen. Foto: Respektiere deine Grenzen
Abb. 1: Flüchtende Gämsen. Foto: Respektiere deine Grenzen
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1 Einleitung

In der westlichen Gesellschaft hat die frei verfügbare Zeit der Menschen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen. Die Wichtigkeit von Arbeit tritt vermehrt in den Hintergrund, die sogenannte „Freizeitgesellschaft“ oder noch treffender „Erlebnisgesellschaft“ ist nicht mehr nur eine Zukunftsvision, sondern entspricht immer mehr der Realität (Bernasconi & Schroff 2008, Müller et al. 1997, Roth 2006). Mit dem Zuwachs an freier Zeit nehmen gleichzeitig die Anzahl an Erholungssuchenden, vorwiegend in der Natur, zu (Hunziker et al. 2012). Die gesteigerte Freizeitaktivität führt zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Erholungs­suchenden sowie zu Konflikten zwischen Erholungssuchenden und dem Naturschutz.

Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Wildtiere, darunter auch geschützte Arten wie das Auerhuhn (Tetrao urogallus), besonders anfällig sind für Störung durch den Wintersport (z.B. ­Arlettaz et al. 2007, Ingold 2005, Thiel et al. 2007). Wird die Flucht eines Wildtieres provoziert (Abb. 1), braucht das bei tiefem Schnee und Kälte viel Energie, mit Auswirkung auf die Individuen, Popula­tionen und ganze Lebensgemeinschaften. Als wichtigste Störfaktoren wurden Skitourengänger, Schneeschuhwanderer, Variantenfahrer und Hundehalter identifiziert (Ingold 2005).

Mit Hilfe von Lenkungsmaßnahmen wird versucht, solche Konflikte zu minimieren, indem sie das Verhalten, den Aufenthaltsort und die Aufenthaltsdauer sowie das Wissen und die Einstellung von Erholungssuchenden beeinflussen (Hunziker et al. 2011, Mönnecke et al. 2005). Im Fall der Wintersportler liegt das Potenzial von Lenkungsmaßnahmen darin, das Verhalten so zu beeinflussen, dass es wildtierverträglicher wird, indem z.B. Wild­ruhezonen gemieden werden.

Ob solche Maßnahmen die erwünschten Ziele aber wirklich erreichen und Konflikte tatsächlich minimiert werden, wird selten überprüft. In Amerika gibt es zwar schon einige Untersuchungen, welche die Wirksamkeit verschiedener Lenkungsmaßnahmen betrachten (z.B. Manning & Anderson 2012, Oliver et al. 1985). In Europa, wo die Menschen wohl anders auf bestimmte Kommunikationsstrategien reagieren, gibt es wenige solche Untersuchungen, z.B. für das Kanufahren (Hennig & Riedl 2012).

Es ist deshalb von großem Interesse, die Wirksamkeit von Lenkungsmaßnahmen genauer zu untersuchen, insbesondere bei der Thematik des Wintersports. In diesem Beitrag werden experimentelle Wirksamkeitsstudien vorgestellt, wobei eine davon eingehender besprochen wird. Das Ziel liegt darin, allgemeine Erkenntnisse für die praktische Umsetzung von Lenkungsmaßnahmen im Freizeitsport aufzuzeigen.

2 Theoretische Erkenntnisse zur Lenkung von Freizeitaktivitäten

Anerkannte umwelt- und sozialpsychologische Theorien vermögen hinsichtlich des Verhaltens von Freizeitaktiven bedeutende Hinweise zu geben: Nach der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen & Madden 1986) sind drei Faktoren maßgebend, welche auf das Verhalten, bzw. auf die Absicht dazu, einwirken: die Einstellung gegenüber dem Verhalten, das soziale Umfeld (sog. „subjektive Norm“) und die Wahrnehmung darüber, wie einfach bzw. schwierig es ist, das gewünschte Verhalten auszuüben (sog. „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“). Für das Verhalten im Wintersport bedeutet das, dass sich Wintersportler, die eine positive Einstellung gegenüber wildtierverträglichem Verhalten haben, die annehmen, dass in ihrem sozialen Milieu die Norm herrscht, sich wildtierverträglich zu verhalten, und die außerdem denken, dass das Verhalten einfach auszuüben ist, sie also die gängigen Regeln umsetzen können, mit großer Wahrscheinlichkeit wildtierverträglich verhalten.

In der Umweltpsychologie wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass das Verhalten am dauerhaftesten und gezielt über die Einstellung beeinflusst werden kann (z.B. Mosler & Tobias 2007). Das Elaboration Likelihood Modell (Petty & Cacioppo 1986) befasst sich konkret mit der aktiven Veränderung von Einstellungen und geht von zwei Empfänger-Typen für Überzeugungsmaßnahmen aus. Wird das Modell auf den Wintersport angewendet, gibt es einerseits Personen, die bereits die „richtige“ Einstellung haben, die sich also grundsätzlich naturverträglich verhalten wollen und sich für das Problem des Wildtierschutzes interessieren. Andererseits gibt es aber auch solche Personen, welche die „richtige“ Einstellung noch nicht haben und sich nicht mit der Thematik auseinandersetzen wollen. Entsprechend der Theorie sollen Lenkungsmaßnahmen denn auch auf diese beiden Typen angepasst werden. Der erste Typ kann direkt mit Hilfe differenzierter Informa­tion und Fakten überzeugt werden, er setzt sich vertieft mit dem Thema auseinander. Der zweite Typ hingegen muss über Umwege erreicht werden und spricht z.B. auf die Präsentation anerkannter Vorbilder an, die das „richtige“ Verhalten vorleben. Diese Strategie wird oft in der Werbung angewendet, indem allgemeingültige Vorbilder gewisse Produkte anpreisen.

Mögliche praktische Ansätze von Lenkungsmaßnahmen sind Sensibilisierungsmaßnahmen (bspw. Flyer, Medienberichte), hoheitlich-rechtliche Ge- und Verbote (bspw. Weggebote), die räumliche Lenkung (bspw. Appelltafeln) (Mönnecke et al. 2005) oder eben die Präsentation des richtigen Verhaltens über Vorbilder (bspw. SAC Snowdays oder ridegreener.ch).

3 Die Wirksamkeit von Lenkungsmaßnahmen im Wintersport – Ergebnisse empirischer Studien in der Schweiz

3.1 Effekt von Information bei Freeridern

Bei einer Vorher-Nachher-Befragung von Variantenfahrern wurde untersucht, wie unterschiedliche Flyer auf das berichtete Verhalten wirken (Zeidenitz et al. 2007). Aus der Forschung resultierte, dass Flyer, die wenig Information und einen Aufruf zu einem bestimmten Verhalten (sog. „Appell“) beinhalten, das Verhalten der Freerider maßgeblich beeinflussen, sie also weniger Stunden abseits der Pisten verbrachten. Flyer hingegen, die detaillierte ökologische Informationen und mehrere Appelle beinhalteten, hatten keinen positiven Effekt.

3.2 Effekt von Lenkungsmaß­nahmen vor Ort bei Schneeschuh­läufern

Bei Schneeschuhläufern wurde die Wirkung dreier verschiedener Lenkungsmaßnahmen auf das Verhalten bei einem vorhandenen Trail in der Zentralschweiz getestet (Freuler & Hunziker 2007). Die Auswertung der Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass einfache Wegmarkierungen nicht ausreichen, um das Verhalten wunschgemäß zu lenken. Für die Einflussnahme auf das Verhalten von Schneeschuhläufern braucht es ausreichende ökologische Information und Argumente.

Im Rahmen eines Pilotprojekts der Kampagne „Respektiere deine Grenzen“ in Sörenberg (LU) wurde eine Evaluation der Wirkung der Kampagne auf das Verhalten der beiden Zielgruppen Schneeschuhläufer und Skitourengänger durchgeführt (Liechti et al. 2009). Analysiert wurden folgende Lenkungsstrategien: die Sensibilisierung der Wintersportler mit Flyern und Besucherinformationstafeln an Ausgangspunkten des Trails sowie die Besucherlenkung entlang des Trails mittels Appelltafeln. Es konnte gezeigt werden, dass die Sensibilisierungsstrategie (Flyer und Besucherinformationstafeln) eine positive Wirkung auf das Verhalten der Wintersportler haben. Die Appelltafeln für die Besucherlenkung entlang des Trails erzielten hingegen nicht die gewünschte Wirkung, der Einfluss auf das Verhalten war gering (Liechti et al. 2009). Die Befragung ergab außerdem beträchtliche Unterschiede zwischen den beiden Zielgruppen: Skitourengänger sind sehr selbständig unterwegs und orientieren sich anhand von Karten und Tourenbeschrieben, während sich Schneeschuhläufer öfters in Gruppen bewegen und sich, ähnlich wie Sommerwanderer, gerne an Markierungen und Wegweisern im Gelände orientieren.

3.3 Der Effekt von Lenkung vor Ort und Information bei Skitourengängern und Schneeschuhläufern

Die Kampagne „Respektiere deine Grenzen“ setzt beim Konflikt zwischen Wintersportlern und Wildtieren an und versucht, das Verhalten der Sportler mit zwei unterschiedlichen Lenkungsstrategien zu beeinflussen. Einerseits sollen Wintersportler mit Sensibilisierungsmaßnahmen (Flyer, Medienberichte, Besucherinformationstafeln etc.) vom richtigen Verhalten überzeugt werden, wobei die Vermittlung von vier einfachen Verhaltensregeln (s. Textkasten) im Vordergrund steht. Andererseits unterstützt die Kampagne – koordiniert durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) – die Kantone bei ihren Vorhaben zur Besucherlenkung vor Ort, indem für Materialien zur Besucherlenkung (Verbotstafeln und Absperrbänder, Abb. 2) der Kampagnen-Claim „Respektiere deine Grenzen“ zur Verfügung gestellt wird. Durch den Aufdruck des Claims auf die entsprechenden Tafeln soll bei Natursportlern eine Verknüpfung mit der Kampagne und somit mit den vier Verhaltensregeln erreicht werden. Das Patronat der Kampagne liegt beim BAFU und dem Schweizer Alpen-Club SAC und wird von einer breiten Trägerschaft gestützt. Sie wurde im Winter 2009/10 national lanciert, fokussierte vorerst auf Schneeschuhwanderer und Skitourengänger und wird 2013/14 erweitert auf die Zielgruppe der Freerider.

Im Winter 2011/12 wurde die Wirkung der Kampagne auf die Zielgruppen der Schneeschuhläufer und Skitourengänger evaluiert (Immoos 2012, Immoos & Hunziker subm.). Relevante Einflussfaktoren auf das Verhalten sollten erfasst werden, wobei insbesondere die Rolle von „Respektiere deine Grenzen“ von Interesse war. Ziel der Evaluation war insgesamt, allgemeine Erkenntnisse darüber zu erhalten, wie Lenkungsmaßnahmen gestaltet werden sollen, damit sie die gewünschte Wirkung auf Freizeitaktive erzielen.

Um die Wirkung der Kampagne auf das Verhalten der Skitourengänger und Schneeschuhläufer zu überprüfen, wurde auf der Grundlage der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen & Madden 1986) und der bisherigen Untersuchungen ein konzeptionelles Modell mit möglichen Einflüssen auf das Verhalten aufgestellt (Abb. 4). Auf der Basis dieses Verhaltensmodells und weiterer Konzepte wurde ein Fragebogen formuliert und eine Umfrage durchgeführt, um die Wirkung der Sensibilisierungsmaßnahmen (Flyer, Medienberichte, Informationstafeln etc.) zu erfassen. Für die Überprüfung der Wirkung der Verbotstafeln und Absperrbänder (Besucherlenkung vor Ort) wurden die Fragebogen an sechs unterschiedlichen Ausgangsorten für Ski- und Schneeschuhtouren in der Schweiz verteilt. Es wurden einerseits Orte gewählt, wo die Besucherlenkung erheblich war, also viele Verbotstafeln und Absperrbänder aufgestellt wurden, andererseits aber auch Orte, wo keine bzw. wenig Besucherlenkung stattfand. Der Vergleich der Resultate zwischen den Orten sollte Aussagen darüber zulassen, wie die Besucherlenkung vor Ort auf das Verhalten wirkt (sog. „Treatment-Control-Experiment“). Aufgrund der geringen Anzahl Schneeschuhläufer in den Gebieten wurde zusätzlich eine Internet-Befragung bei dieser Zielgruppe durchgeführt.

An der Umfrage nahmen 548 Personen teil, darunter 169 Schneeschuhläufer und 379 Skitourengänger. Die sechs Regionen waren bei den Befragten relativ gleich­mäßig vertreten mit rund 60 ausgefüllten Fragebögen pro Region. Die Analyse der Daten ergab, dass ungefähr zwei Drittel der Umfrageteilnehmer die Kampagne kennen. Bezüglich der vier Verhaltens­regeln sind jedoch Unterschiede vorhanden: Während die Regeln 1, 2 und 4 sehr gut bekannt sind, liegt der Mittelwert der Bekanntheit der Regel 3 „Meide schneefreie Flächen“ deutlich darunter (Abb. 3).

Die Auswertung zeigt aber auch, dass das Lösungswissen, also das Wissen darüber, wie man das gewünschte Verhalten ausüben kann, bei allen sehr hoch liegt. Interessant dabei ist, dass die Mitgliedschaft beim Schweizer Alpen-Club SAC einen positiven Einfluss auf die Bekanntheit der Kampagne hat. Der SAC als Träger der Kampagne spielt also eine wichtige Rolle bei der Öffentlichkeitsarbeit und scheint erfolgreich zu sein. Die Frage, ob sich die beiden Zielgruppen entsprechend den Regeln verhalten haben, zeigt ein ähnliches Muster. Die am wenigsten bekannte Regel 3 ist gleichzeitig auch die Regel, nach der sich am wenigsten Befragte verhalten haben (Abb. 3). Die Bereitschaft, sich in Zukunft entsprechend den vier Regeln zu verhalten, ist hingegen bei allen Regeln ähnlich hoch.

Die Umfrage ergab weiter, dass die Kampagne das Verhalten positiv beeinflusst. Zwei Drittel der Befragten geben an, dass sie ihr Verhalten aufgrund der Kampagne geändert haben oder ändern werden. Auch die Überprüfung des Verhaltensmodells zeigte, dass die Bekanntheit der Kampagne ein wichtiger Prädiktor des Verhaltens ist: Wer die Kampagne kennt, verhält sich eher nach den vier Regeln, als derjenige, der sie nicht kennt. Die Bekanntheit der Kampagne hat zudem einen positiven Einfluss auf die Einstellung gegenüber dem erwünschten Verhalten und auf das Wissen darüber, wie man dieses Verhalten ausübt (sog. „Lösungswissen“).

Neben „Respektiere deine Grenzen“ haben aber auch die relevanten Faktoren gemäß der Theorie des geplanten Ver­haltens (Ajzen & Madden 1986) einen Einfluss auf das Verhalten: Der Druck des sozialen Umfelds (sog. „subjektive Norm“), die eigene Einstellung zum Verhalten und die Wahrnehmung davon, wie einfach bzw. schwierig es scheint, das gewünschte Verhalten auszuüben (sog. „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“), sind signifikante Prädiktoren für das Verhalten. Die Ergebnisse der Modellüberprüfung sind zusammenfassend in der Abb. 4 dargestellt.

Bezüglich des Verhaltens der beiden Zielgruppen gibt es relevante Unterschiede: Schneeschuhläufer sind empfäng­licher für Umweltthemen, sind allgemein umweltbewusster und verhalten sich insgesamt eher nach den vier Regeln als Skitourengänger. Die Prädiktoren für das Verhalten sind aber in beiden Gruppen dieselben.

Die Frage, ob die Verbotstafeln und Absperrbänder einen Einfluss auf das Verhalten haben, konnte nur für Skitourengänger geklärt werden, da für Schneeschuhläufer zu wenige Fälle vor Ort erfasst werden konnten. Mit Hilfe von Regressionsanalysen und U-Tests wurde untersucht, ob sich das Verhalten oder die Einflussvariablen auf das Verhalten in den verschiedenen Untersuchungsgruppen mit unterschiedlich ausgeprägter Be­sucherlenkung vor Ort unterscheiden (Treatment vs. Control). Die Analysen haben gezeigt, dass es keine signifikanten Unterschiede gibt: Das berichtete Verhalten bezüglich der Regeleinhaltung ist in beiden Gruppen etwa gleich und die Einflussfaktoren sind es ebenfalls. Die Besucherlenkung vor Ort scheint also keinen zusätzlichen Einfluss auf das Verhalten der Skitourengänger zu haben. Aufgrund bisheriger Kenntnisse aus den oben erwähnten Studien, insbesondere der Pilotstudie in Sörenberg, ist anzunehmen, dass für Skitourengänger das Kartenmaterial und die Tourenplanung Zuhause relevanter sind.

Die Ergebnisse zeigen insgesamt auf, dass die Ziele der Kampagne bei den Skitourengängern und Schneeschuhläufern mehrheitlich dank der Sensibilisierungsmaßnahmen erreicht wurden. Wer die Kampagne kennt, ist besser über die Problematik informiert und verhält sich eher nach den vier Regeln.

4 Folgerungen: Theorie und ­Empirie sind keine Gegensätze

Die Erkenntnisse aus den bisherigen Studien in der Schweiz und der Evaluation von „Respektiere deine Grenzen“ decken sich mit den Annahmen aus dem vorgestellten Elaboration Likelihood Modell (Petty & Cacioppo 1986): Schneeschuhläufer, von denen man weiß, dass sie sich naturverträglich verhalten wollen und sich für die Thematik des Wildtierschutzes interessieren (Radü 2004), lassen sich über detaillierte ökologische Informationen vom „richtigen“ Verhalten überzeugen. Skitourengänger, von denen man ebenfalls annehmen kann, dass sie sich naturverträglich verhalten wollen, weisen dasselbe Verhaltensmuster mit ähnlichen Einflussfaktoren auf. Bei Zielgruppen aber, die sich nicht für das Thema interessieren und die „richtige“ Einstellung noch nicht haben, wie das von den Freeridern angenommen werden kann, erzielen detaillierte ökologische Informationen nicht die gewünschte Wirkung.

Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass es wichtig ist, die Kommunikationsstrategien von Lenkungsmaßnahmen genau auf ihre Zielgruppen anzupassen. Bei der Lancierung von neuen Kampagnen wären Vorabklärungen diesbezüglich angebracht. Die Sensibilisierung über Schlüsselpersonen, die dann ihr Wissen weitergeben und das gewünschte Verhalten vorleben, könnte vielversprechend sein. Gerade für die Überzeugung von Personen, welche die richtige Einstellung noch nicht besitzen, wäre wohl am besten die Strategie über Vorbilder zu wählen, wie das im Elaboration-Likelihood-Modell aufgezeigt wird. Die Wirkung solcher Strategien bedarf aber weiterer Über­prüfung.

Der Einfluss von Lenkungsmaßnahmen vor Ort ist ambivalent: Während Besucherinformationstafeln mit detaillierten ökologischen Informationen am Anfang der Tour von Schneeschuhläufern eine gute Wirkung erzielen, scheinen Appell- und Verbotstafeln (Besucherlenkungstafeln) während der Tour bei Schneeschuhläufern und Skitourengängern kaum einen zusätzlichen Effekt auf die Routenwahl zu haben. Möglicherweise sind beide Zielgruppen eher bei der Tourenplanung erreichbar, nicht aber, wenn sie sich bereits für eine bestimmte Route entschieden haben.

Literatur

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Anschriften der Verfasser(in): Ursula Immoos und Marcel Hunziker, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, E-Mail marcel.hunziker@wsl.ch.

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