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Aktuelles aus Brüssel

Alles neu macht der Herbst: ­Diskussion über EU-Forststrategie und UVP-Richtlinie

Europäische Kommission, Parlament und Rat sind derzeit sichtlich bemüht, die noch ausstehenden Trilog-Verfahren, etwa zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), zum EU-Haushalt für die Jahre 2014 bis 2020 (MFR) und zur neuen LIFE-Verordnung, noch in diesem Jahr zu Ende zu bringen. Andere Dossiers sollen mindestens noch in dieser Legislaturperiode, die mit den Neuwahlen zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 endet, abgeschlossen, andere für die Beratungen ab Herbst 2014 auf den Weg gebracht werden.

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Nach der für den Naturschutz relevanten Strategie zur „Grünen Infrastruktur“ (Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (6), S. 162f.) und dem Verordnungsentwurf zu invasiven Arten (Naturschutz und Landschaftsplanung 45 (10/11), S.294) hat die Europäische Kommission am 20. September 2013 auch den Entwurf der neuen EU-Forststrategie veröffentlicht, die die bisherige, als unzureichend erkannte Forststrategie ablösen soll. Die Naturschutzverbände hatten im Vorfeld vor allem gefordert, dass der Fokus der neuen Strategie nicht nur auf der Holzproduktion und der Verwertung von Holzbiomasse liegen dürfe, sondern dass auch die Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit, der multifunktionalen Forstwirtschaft sowie die Bedeutung von Wäldern für die biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen adäquat Berücksichtigung finden.

In der neuen Forststrategie sind unterschiedliche Maßnahmen in „strategischen Orientierungen“ verankert. Sie beinhaltet verschiedene politische Instrumente, um einerseits den EU-weit wachsenden Bedarf an Holz zu decken und andererseits die Waldnutzung auch mit Aspekten der Nachhaltigkeit zu verbinden. So werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, für den Bereich Klimaschutz zu zeigen, wie sie die Emissionsreduktionskapazität von Wäldern bis 2014 erhöhen wollen. Bis 2020 sollen alle EU-Mitgliedstaaten die Nachhaltigkeit ihres nationalen Waldmanagements nachweisen. Kriterien, um die Nachhaltigkeit zu messen, sollen von Kommission, Mitgliedstaaten und Parlament bis 2015 entwickelt werden.

Die Strategie sieht auch Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt vor und beinhaltet ein „Kaskadenprinzip“, das den Verbrauch verschiedener Forstprodukte priorisiert. Während die Europäischen Waldbesitzer- und Waldnutzerverbände die Strategie einhellig begrüßten, kritisierten die Naturschutzverbände u.a. die (noch) fehlenden verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien sowie das Fehlen eines Vorschlags für einen konkreten Aktionsplan zur Umsetzung der Strategie. Die Diskussion der Strategie in Parlament und Ministerrat wird sich voraussichtlich noch bis über das Ende der Legislaturperiode hinausziehen; Ergebnisse werden für Herbst 2014 erwartet. Auch hier werden also die Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament mit darüber entscheiden, wie naturschutzverträglich die neue EU-Forststrategie letztlich sein wird.

Nach vorbereitenden Workshops im Sommer 2012 und Frühjahr 2013 hat jetzt auch die Expertengruppe zur Erarbeitung eines EU-Leitfadens für Managementpläne für Natura-2000-Gebiete im Wald ihre Arbeit aufgenommen. Auch dieser Leitfaden soll im Herbst 2014 vorliegen.

Das Europäische Parlament ist am 09. Oktober den Empfehlungen des Berichterstatters Andrea Zanoni (Liberale, Italien) und des Umweltausschusses zur Novelle der UVP-Richtlinie gefolgt. So soll u.a. das Fracking, die Gewinnung von unkonventionellem Erdgas, einer verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Der Beschluss wurde überwiegend positiv aufgenommen, nur wenige Abgeordnete wie Herbert Reul (CDU) kritisierten die UVP-Richtlinie als „Bürokratiemonster“ – obwohl sie sich ja im Grundsatz schon seit 1985 bewährt und bei der Umsetzung in das deutsche UVP-Gesetz 1990 vom damaligen Umweltminister Klaus Töpfer, auch CDU, als „Königsweg der Umweltpolitik“ gelobt wurde. Zanoni hat nun das Verhandlungsmandat zum Trilog mit Kommission und Ministerrat. Dort gibt es noch Unstimmigkeiten über das in vielen Mitgliedstaaten umstrittene Fracking. In einigen wie Frankreich und Bulgarien ist es verboten, das Verbot in Frankreich Mitte Oktober auch gerichtlich bestätigt, andere Mitgliedstaaten wie Großbritannien und Polen wollen die „Umwelthürden“ für Fracking in der Hoffnung auf „billiges“ Gas massiv senken. Für die Position des Ministerrates dürfte also auch nicht ganz unerheblich sein, ob sich die neue Bundesregierung auf eine Position zu Fracking einigen kann.

Hinsichtlich der Zukunft des EU-Umweltrechts stiftete der derzeitige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso große Verwirrung und ein „Rauschen im Blätterwald“, als er am 02. Oktober eine Mitteilung der Kommission zum REFIT-Prozess (Regulatory Fitness and Performance) vorstellte. Die Mitteilung stellt die bisherigen Bemühungen zum Bürokratieabbau dar und kündigt weitere Schritte an. U.a. wird die Einstellung der Arbeiten an der von einigen Mitgliedstaaten wie Deutschland blockierten Bodenschutzrahmenrichtlinie und der Richtlinie zur Verbesserung der Klagerechte der Bürger (Umsetzung der Aarhus-Konvention) vorgeschlagen, zugleich betont die Kommission aber, an den politischen Zielen festzuhalten und andere Lösungsmöglichkeiten zu untersuchen. Etliche andere Richtlinien, auch aus dem Umweltbereich und die Naturschutzrichtlinien, sollen den Vorschlägen der Kommission zufolge einer Evaluierung und einem „fitness check“ unterzogen werden.

Während die vorgeschlagene Streichung von Richtlinien durch wirtschaftsnahe Europaabgeordnete und Medien begrüßt wurde, wurde das von der Kommission betonte grundsätzliche Festhalten an den Zielen nicht beachtet. Daher fühlte sich Barroso nach massiven Protesten, insbesondere von grünen und sozialdemokratischen Abgeordneten sowie den großen Brüsseler Umweltverbänden wie BirdLife Europe, EEB und WWF, zu einer Klarstellung veranlasst. In seiner Rede vor dem EU-Gipfel am 25. Oktober, wo insbesondere der britische Premier David Cameron noch auf weitere Streichungen von EU-Recht und die „Renationalisierung“ von Gesetzen drängte, stellte Barroso klar, dass es bei REFIT nicht um die Absenkung von Standards im Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz gehe.

Auch im Abschlussdokument des Gipfels heißt es dazu, dem Vernehmen nach auf Drängen Belgiens, Frankreichs, Deutschlands und einiger nordeuropäischer EU-Staaten, dass bei allen REFIT-Vorschlägen „stets der Notwendigkeit eines angemessenen Schutzes der Verbraucher, der Gesundheit, der Umwelt und der Beschäftigten Rechnung zu tragen“ sei (Nr.29). Gerade angesichts der EU-kritischen Debatte in Großbritannien und der bei den anstehenden Wahlen in das Europäische Parlament drängenden EU-skeptischen Parteien ist hier aber weiter Aufmerksamkeit geboten. Kandidatinnen und Kandidaten für das neue Europaparlament sollten einem gründlichen „Umweltcheck“ unterzogen werden!

Link zum Kommissionsvorschlag für eine neue EU-Forststrategie (englischsprachig, (COM(2013) 659 final):

http://ec.europa.eu/agriculture/forest/strategy/communica tion_en.pdf

Hintergrundpapiere: http://ec.europa.eu/agriculture/forest/strategy/

Link zur REFIT-Mitteilung der Kommission (COM(2013) 685 final) und Hintergrundinfor mationen:

http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/president/ne ws/archives/2013/10/20131 002_2_de.htm

Rede Barroso 25.10.2013 (Speech/13/852) und Beschluss des EU-Gipfels (EUCO 169/13):

http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-13-852_en.htm?locale=EN

http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pre ssdata/de/ec/139223.pdf

Claus Mayr, NABU, Direktor

Europapolitik, Brüssel, Claus.Mayr@NABU.de

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