Für einen vorsorgenden Hochwasserschutz
Für den 02. September 2013 ist eine Sonder-Umweltministerkonferenz zum Hochwasserschutz nach Berlin einberufen. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat zuvor ein Eckpunktepapier zum vorsorgenden Hochwasserschutz vorgelegt. Eine hilfreiche Entscheidungsgrundlage für die Minister(innen) – nachfolgend sind daraus die dort formulierten Anforderungen dargestellt, gekürzt um die Grundlagen, den Handlungsbedarf und die Ziele.
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Eckpunktepapier des Bundesamtes für Naturschutz
Das Hochwasser vom Mai/Juni 2013 hat erneut gezeigt, dass die Anstrengungen für einen vorsorgenden Hochwasserschutz dringend verstärkt werden müssen. Nach dem „Jahrhunderthochwasser“ 2002 an Elbe und Donau wurden zwar viele Maßnahmen geplant und umgesetzt. Diese überwiegend technischen Lösungen wie z.B. Deicherhöhung und sanierung verbesserten den lokalen Hochwasserschutz, verlagerten damit aber die Problematik oftmals weiter flussabwärts. Für den Schutz von Siedlungen ist der technische Hochwasserschutz weiterhin unabdingbar, reicht aber für sich genommen nicht aus. Ein vorsorgender Hochwasserschutz muss neben technischen Maßnahmen und einer Minderung der Schadenspotenziale unbedingt auch die Rückgewinnung großer Retentionsräume beinhalten. Notwendig ist eine bessere Verzahnung von technischem und vorbeugendem Hochwasserschutz, wobei unterschiedliche Zuständigkeits- und Rechtsbereiche berührt sind.
Aus Sicht des Bundesamtes für Naturschutz sind künftig folgende Eckpunkte zu beachten, wobei sich die nachfolgende Aufzählung zugleich als eine zeitliche Priorisierung versteht:
Flächensicherung und Flächenbereitstellung: Die für einen vorsorgenden Hochwasserschutz infrage kommenden Flächen müssen, soweit noch nicht geschehen, dauerhaft gesichert werden. Von größter Bedeutung ist neben einer vorgreifenden Sicherung im Rahmen raumordnerischer Verfahren und Instrumente insbesondere ein vorbereitendes und langfristig angelegtes Flächenmanagement durch erfahrene Organisationsstrukturen, die durch Flächenankauf, Flächentausch und Entschädigungsvereinbarungen die Flächenbereitstellung im Einvernehmen mit den Eigentümern und Nutzern ermöglichen. In Einzelfällen muss zwischen Einzelinteressen und der Notwendigkeit eines naturverträglichen und vorsorgenden Hochwasserschutzes als überwiegendes öffentliches Interesse abgewogen werden.
konsequente Einhaltung des Bauverbotes und anderer Schutzvorschriften in Überschwemmungsgebieten: Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ermöglicht den Ländern zahlreiche Abweichungen vom grundsätzlichen Bebauungsverbot in festgesetzten Überschwemmungsgebieten. Bei Nutzung dieser Ausnahmen steigt das Schadenspotenzial stetig an. Bebauungsverbote und weitere Schutzvorschriften für Überschwemmungsgebiete müssen daher künftig konsequent durchgesetzt werden. Bei der Wiedererrichtung baulicher Anlagen im Rahmen der Aufbauhilfe sind gezielt Anreize für eine hochwasserangepasste Bauweise zu setzen. In begründeten Ausnahmefällen ist unter Einbeziehung der Betroffenen auch eine Umsiedlung bei gleichzeitiger Entschädigung von Vermögensverlusten zu prüfen.
Rückgewinnung von Auen und Überschwemmungsgebieten: Insbesondere durch die Rückverlegung von Deichen ins Landesinnere, Entfernung von Altdeichen und Deichschlitzung sind Retentionsgebiete und durchfließbare Auen rückzugewinnen. Wo immer möglich, sind diese Maßnahmen mit höchster Priorität umzusetzen und mit einem nationalen Fluss- und Auenprogramm zu flankieren (s.u.). Dabei bestehen zahlreiche Synergien z.B. mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL), der Richtlinie über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (EG-HWMRL), der FFH-Richtlinie, der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt und der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS).
naturnahe Gestaltung von Poldern: Dort, wo keine Deichrückverlegungen möglich sind, sollten Nass- oder Fließpolder, ungesteuert oder mit ökologischen Flutungen, entwickelt werden. Bei gesteuerten Poldern sind die Potenziale zur naturschutzfachlichen Optimierung und standortgerechten Bewirtschaftung zu nutzen.
Wasserrückhalt in der Fläche verbessern: Das Auflaufen großer Hochwasserwellen sollte möglichst bereits am Entstehungsort vermieden oder verringert werden. Dazu sind Maßnahmen im Siedlungsbereich, aber auch in den land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen nötig. Hierzu gehören insbesondere die verstärkte Förderung einer naturverträglichen Land- und Forstwirtschaft (z.B. Humus aufbauende Bewirtschaftungsformen etwa im Rahmen des ökologischen Landbaus sowie naturnaher Waldbau), die Vermeidung von Bodenverdichtungen, der Moor- und Feuchtgebietsschutz sowie die konsequente Reduktion weiterer Flächenversiegelungen.
Renaturierung von Bächen und Flüssen: An der Entstehung von Hochwasserwellen sind zunächst die kleineren Fließgewässer beteiligt. Diese sind oftmals begradigt und eingetieft und zu reinen „Vorflutern“ ausgebaut, so dass sie das Wasser auf dem schnellsten Wege in den nächstgrößeren Fluss leiten. Um die beginnende Flut zu verringern, ist es daher nötig, das Retentionspotenzial auch kleinerer Bäche und Flüsse durch Renaturierung und Anbindung an ihre Überflutungsbereiche zu reaktivieren. Bestehende Maßnahmenpläne sind zu überprüfen und zu nutzen. Entsprechende Maßnahmen sollten insbesondere von den Ländern zur Zielerreichung z.B. der EG-WRRL verstärkt gefördert und umgesetzt werden.
naturnahe Entwicklung von Bundeswasserstraßen: Für die Zukunft muss die wirtschaftliche Nutzung von Bundeswasserstraßen, insbesondere im Hinblick auf Verkehr, Energie, Wasserwirtschaft und Tourismus, mit den Anforderungen einer natur- und landschaftsverträglichen Fließgewässerentwicklung Hand in Hand gehen. Dazu sind die wirtschaftlichen Potenziale den Anforderungen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, aber auch des nachhaltigen Hochwasserschutzes und weiteren Ökosystemleistungen der Auen gegenüber zu stellen und in einer gerechten Güterabwägung in Einklang zu bringen. Die Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Neukategorisierung des Wasserstraßennetzes und dem erweiterten Aufgabenspektrum der Bundeswasserstraßenverwaltung im Bereich der wasserwirtschaftlichen Unterhaltung sollten gezielt genutzt werden.
instrumentelle Vorsorge für langfristige Konzepte und Planungen nutzen: Durch den frühzeitigen Einsatz von vorsorgenden und auch nachsorgenden Instrumenten des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der Raumordnung lassen sich tragfähige Konzepte für Flüsse und Auen und Pläne für den naturverträglichen vorsorgenden Hochwasserschutz lange im Voraus entwickeln, kommunizieren und umsetzen. Beispielsweise können Kompensationsmaßnahmen aus der Eingriffsregelung verstärkt in Auenbereiche gelenkt werden, um hier einen Beitrag zur Flächenbereitstellung und sicherung zu leisten. Dem Planungs- und Kommunikationsprozess sollte dabei eine moderierende Rolle zukommen, indem die Vorteile eines naturverträglichen Hochwasserschutzes transparent veranschaulicht und gleichberechtigt kommuniziert werden. Dabei kommt der Prozessgestaltung in ausreichenden Zeiträumen, in denen die Beteiligten vom Ergebnis überzeugt werden können, eine besondere Bedeutung zu.
Als Teil eines nationalen Hochwasserschutzprogrammes sind die zentralen Maßnahmen für einen länderübergreifenden naturverträglichen Hochwasserschutz in einem nationalen Fluss- und Auenprogramm zu bündeln. Dieses Programm soll bestehende Hochwasserschutzkonzepte der Länder und Flussgebietskommissionen ergänzen und die Umsetzung naturverträglicher Maßnahmen in der Fläche stärken. Als fachliche Grundlage sollten die konzeptionellen Arbeiten des BfN zum bundesweiten Auenschutz heran gezogen werden, insbesondere der bundesweite Überblick zum Zustand und zur Renaturierung von Fließgewässern und Flussauen sowie zur Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen in Deutschland. Gemeinsam mit den vorliegenden Planungen und Konzepten der Bundesländer zum Hochwasserschutz sowie zur Umsetzung der EG-HWMRL und der EG-WRRL sollten daraus Handlungsziele abgeleitet und deren Umsetzung bundeslandübergreifend eingeleitet und gefördert werden.
Neben dem Aufbauhilfefonds, der nun für Wiederaufbau und Entschädigung zur Verfügung steht, sind zusätzliche Mittel zur Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen eines nationalen Fluss- und Auenprogramms bereit zu stellen. Dazu ist ein eigener, mittel- bis langfristig angelegter Sonderfonds zu schaffen. Dieser ist vor allem zur Flächensicherung für den Hochwasser-, Gewässer- und Auenschutz (Flächenankauf, Flächentausch, Entschädigungsleistungen) und Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhalts (hydraulische Retention) in Gewässern und Auen (z.B. Altarmanbindungen, Beseitigung von Uferverwallungen, Rückverlegung von Deichen) zu nutzen.
Darüber hinaus ist zu prüfen, welche vorhandenen Förderinstrumente bereits im Sinne des vorsorgenden Hochwasser-, Gewässer- und Auenschutzes genutzt werden und durch zusätzliche Mittel gestärkt werden können. Grundsätzlich kommen dafür z.B. Entwicklungs- und Erprobungsvorhaben, Naturschutzgroßprojekte und das Bundesprogramm biologische Vielfalt sowie eine entsprechende Neuausrichtung der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) in Frage.
Weiterhin ist zu prüfen, wie in den Ländern flächenbezogene Maßnahmen des Hochwasserschutzes (z.B. Deichrückverlegungen, Fließpolder, gesteuerte Polder) naturschutzfachlich optimiert werden können, insbesondere durch die Nutzung weiterer Fördermöglichkeiten zur Kofinanzierung (z.B. ELER, EFRE, LIFE+, GAK).
Angesichts der erneuten Hochwasserkatastrophe ist die Notwendigkeit eines anderen Umgangs mit unseren Flüssen und Auen wieder sehr deutlich geworden. Die sich nunmehr bietende Gelegenheit, den vorsorgenden und naturverträglichen Hochwasserschutz in ein schlüssiges Gesamtkonzept einzubringen, sollte nicht ungenutzt verstreichen.
Das Eckpunktepapier wurde im Juli 2013 abgeschlossen und umfasst neun Seiten, bearbeitet von Thomas Ehlert, Bernd Neukirchen, Andreas Krug, Matthias Herbert und Beate Jessel. Es ist zusammen mit weiteren Informationen erhältlich im Internet unter http://www.bfn.de/0324_hochwasserschutz.html.
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