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„Verzerrung der rechtlichen Hierarchie“

Wir freuen uns über den Leserbrief, deren Verfasser thematisch versierte Behördenvertreter, Planer und anerkannte Herpetologen sind und damit gleichzeitig auch das breite Spektrum abbilden, an das unser Artikel adressiert ist. Der Leserbrief ist damit als Teil einer lebendigen, konstruktiven Diskussion zu verstehen, die hoffentlich zu einer rechtskonformen und konsensualen Vorgehensweise bei artenschutzfachlich relevanten Konfliktsituationen mit der Zauneidechse führt.

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Von Rolf Peschel, Manfred Haacks, Holger Gruß und Christine Klemann

Dennoch können wir die geäußerte Kritik inhaltlich nur eingeschränkt nachvollziehen und weisen das pauschale Fazit entschieden zurück, wonach unsere Maßnahmenvorschläge grundsätzlich selbst zum Eintritt von Zugriffsverboten führen und damit ihrem Zweck völlig zuwiderlaufen.

Wir stellen in unserem Artikel konkrete Handlungsempfehlungen und Erfahrungswerte für funktionale, rechtskonforme Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen dar. Eine universelle Handlungsanweisung ist daraus aber nicht abzuleiten. Unsere Ausführungen können vielmehr nur eine Hilfestellung für die entsprechenden Akteure ausmachen, die in den konkreten Einzelfällen eine möglichste schonende und verbotsmeidende Vorgehensweise entwickeln bzw. optimieren und hinsichtlich ihres immanenten Konfliktpotenzials hinterfragen müssen.

Es ist unstrittig, dass die vorgestellten Maßnahmen bei unangepasster Anwendung auch eigene Gefährdungspotenziale in sich bergen können. Die in dem Leserbrief genannten Risiken berücksichtigten wir dabei aber bereits in unseren Ausführungen. Das gilt insbesondere für die Tötungs- und Verletzungsrisiken i.S. des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bei der strukturellen Vergrämung, aber auch dem Abfang. So können Individuenverluste bei der Mahd beispielsweise durch das vorherige Entfernen von oberirdischen Verstecken (inkl. Streuauflagen) und angepasste Mahdmethoden, -maschinen und -zeiten vermieden werden. Auch die Minimierung der Gefährdung für abwandernde Eidechsen wird dabei berücksichtigt (z.B. „Trittsteine“ bzw. gezielte Abwanderungsachsen, sukzessive Mahd in Streifen). Auch die Notwendigkeit von Nachkontrollen und ggf. zusätzlichen Maßnahmen oder die zeitliche Streckung für den Erfolg der strukturellen Vergrämung wurden in eigenen Unterkapiteln gewürdigt. Insofern können wir nicht erkennen, dass die vorgeschlagenen Methoden bei angepasster Anwendung grundsätzlich selbst verbotsauslösend sind.

Die pauschale Kern-Aus­sage des Leserbriefs, dass die strukturelle Vergrämung durch Entzug von essenziellen Lebensraumrequisiten per se verbotsauslösend ist, halten wir für nicht korrekt. Das ist nicht der Fall, wenn alternativ besiedelbare, adäquat geeignete Strukturen im räumlichen Kontext vorhanden sind oder geschaffen werden. Dieses setzt – wie in unserer Publikation dargelegt – die Berücksichtigung der Erreichbarkeit und ggf. bereits vorhandener Individuen bei der Maßnahmenkonzeption und -argumen­tation voraus. Auch ist es zumindest fragwürdig, zeitlich sehr limitierte Abnahmen der Lebensraumeignung (beispielsweise bei sehr kurzfris­tigen Eingriffen) unter § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG zu behandeln, sofern beeinträchtigte Habitate sehr kurzfristig ihre Funktionalität (für betroffene Individuen) vollumfänglich wiedererlangen. Das Zugriffsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG wird in der Planungspraxis generell nur für nachhaltige Habitatverluste angewandt. Temporär sehr limitierte Abnahmen der Funktionalität eines Habitats werden dagegen zumeist als Störung gewertet und hinsicht-lich einer potenziellen Beeinträchtigung der lokalen Population nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG und entsprechender Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen zur Vermeidung des Verbotseintritts geprüft. Insofern könnten Vergrämungsmaßnahmen eigenständig nur das Zugriffsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auslösen, wenn die (temporären) Lebensstättenverluste nicht durch flankierende Meidungs- und Minimierungsmaßnahmen kompensiert werden.

Inwiefern der Abfang nach derzeitiger Rechtsprechung als generell verbotsauslösend gewertet werden muss, obliegt aktuell verschiedenen Interpretationen, ist aber letztendlich noch nicht höchstrichterlich geklärt. Daher weisen wir analog zu den Ausführungen des Leserbriefs präventiv auf die Notwendigkeit von entsprechenden (Ausnahme-)Genehmigungen hin.

Die Verfasser des Leserbriefs lassen den Eindruck einer unvermeidlichen, generell die Zugriffsverbote auslösenden Gefahrenkulisse bei Konfliktsituationen mit der Zauneidechse bei Eingriffsvorhaben entstehen – nicht nur bei Anwendung unserer Maßnahmenvorschläge. Viele der im Leserbrief dargelegten Konfliktsituationen halten wir dagegen auch und gerade bei Anwendung unserer vorgestellten Methoden im Rahmen einer situativ angepassten Vorgehensweise für lösbar. Insbesondere ohne die Darstellung von praktikablen Alternativen bzw. besseren Lösungsansätzen dürfte diese Verabsolutierung der Gefährdungspotenziale u.E. zu einer unnötigen Verkomplizierung der Problematik und einer weiteren Verunsicherung bei vielen Planungsbeteiligten führen.

Zudem stehen wir der suggerierten Unmöglichkeit der Verbotsmeidung und dadurch erforderlichen regelhaften Prüfung und ggf. Anwendung der artenschutzrechtlichen Ausnahme äußerst kritisch gegenüber. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Verfasser des Leserbriefs eine Verschärfung der Zugriffsverbote bzw. die Schaffung nahezu unüberwindlicher Hürden bei der Verbotsmeidung anstreben, um Eingriffe in Zaun­eidechsen-Lebensräume erheblich zu erschweren und zu verhindern. In der Konsequenz wird dadurch aber die Ausnahmeprüfung ein Standard bzw. die Regel der artenschutzfachlichen Konfliktanalyse und -bewältigung. Welche Absichten die (einzelnen) Verfasser damit verfolgen, bleibt spekulativ.

Wir können aber keine fachlich und rechtlich überzeugenden Argumente in dem Leserbrief erkennen, die eine solche, in verschiedenerlei Hinsicht äußerst bedenkliche Entwicklung rechtfertigen würden. So sprechen auch naturschutzfachliche Gründe gegen eine solche reguläre Verzerrung der rechtlichen Hierarchie.

Eine Erhebung der Ausnahme zur Regel würde zu einer noch stärkeren Privilegierung von ggf. sehr eingriffsintensiven Großvorhaben führen, welche die zwingende Ausnahmevoraussetzung des öffentlichen Interesses im Gegensatz zu privaten bzw. privatwirtschaftlichen Vorhaben regulär leicht nachweisen können. Diese grundsätzliche Hürde könnte damit auch vermehrt illegale Eingriffe in Zaun­eidechsenlebensräume provozieren. Weiterhin bedeutet die Ausnahmeregelung eine Lockerung des lokalen Bezugs für den Ausgleich betroffener Lebensstätten, was dem Schutz lokaler Vorkommen klar zuwiderläuft.

Anschriften der Verfasser(innen): Dipl.-Biol. Rolf Peschel, Dipl.-Geogr. Dipl.-Biol. Dr. Manfred Haacks, Dipl.-Ing. (FH) Holger Gruß, leguan gmbh, Postfach 306150, D-20327 Hamburg, E-Mail r.peschel@leguan.com, m.haacks@leguan.com, h.gruss@leguan.com; Dipl.-Biol. Christine Klemann, Landkreis ­Barnim – Bauordnungsamt, Am Markt 1, D-16225 Eberswalde, E-Mail naturschutzbehoerde@kvbarnim.de.

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