Die Ästhetik von Landschaften – was ist „schön“?
Schön! Ein knappes Wort, fünf Buchstaben in einer Silbe, rasch und mit Überzeugung ausgerufen, liefert eine ästhetische Bewertung: ansehnlich, anziehend, bewundernswert. Weibliche Gesichter werden als umso schöner wahrgenommen, je ebenmäßiger, symmetrischer sie ausgebildet sind. Fragt man die Menschen nach „schönen Tieren“, so spielen große, runde Augen und ein weiches Fell oder ein buntes Federkleid eine wesentliche Rolle. Aber: Welche Landschaft ist schön?
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Da wirkt meist weniger Symmetrie, sondern vor al-lem räumliche Strukturvielfalt positiv: orographische Vielfalt (aber nicht allein: auch flache Meeresküsten empfinden Menschen schließlich als schön), eine vielfältige anthropogene Raumnutzung, Gliederungen durch Grenzlinien (besonders zwischen Wald und Offenland sowie generell durch Gehölze) und Vieles mehr. Es können auch technische Bauwerke sein, die eine Landschaft schön machen: Feldscheunen, ortstypische alte Bauernhöfe, Burgen und Schlösser, Kirchen, Windmühlen – aber keine Windräder, oder doch? 23030 Windenergieanlagen in Deutschland (Stand Ende Dezember 2012) prägen heute vielfach ein stark verändertes Landschaftsbild. Alles nur temporär, bis in wenigen Jahren „der Spargel“ zum gewohnten Landschaftsbild nahezu allerorten gehören wird? Das wollen zumindest Protagonisten der Windindustrie glauben machen. Sie zeigen auch einen monetären Einflussfaktor auf die Landschaftswahrnehmung auf: Wessen Portemonnaie sich füllt, wenn das Windrad sich dreht, wird dieses eher als Bereicherung des „modernen“ Landschaftsbilds sehen als der Anwohner, der keinen Benefit davon hat.
Als „Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft“ fordert das Bundesnaturschutzgesetz in seiner Zielbestimmung in §1 die Berücksichtigung des Landschaftsbilds in der Planung. Und das gleichberechtigt mit den anderen Zielen „biologische Vielfalt“ sowie „Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter“. Aber: Finden Erhalt und Entwicklung des Landschaftsbilds wirklich in gleichem Maße wie der Arten- und Biotopschutz Eingang die die Landschaftsplanung? Und fließen diese adäquat in planerisch-politische Entscheidungen ein?
Schaut man sich als Praxistest verschiedene Windkraft-Planungen an, so herrscht mindestens der subjektive Eindruck, dass harte, halbwegs messbare Fakten wie das Vorkommen von europarechtlich relevanten Vogel- und Fledermausarten deutlich mehr Gewicht haben als weiche Faktoren wie das Landschaftsbild. Warum? Es lässt sich so einfach nicht bewerten. Und, wahrscheinlich noch wichtiger: Es besteht keine derart harte europarechtliche Verpflichtung, das Landschaftsbild zu erhalten, wie FFH- und Vogelschutzrichtlinie für Tierarten. Rächt sich da, dass Deutschland (wie auch Österreich) das schon 13 Jahre alte Europäische Landschaftsübereinkommen nach wie vor nicht unterzeichnet und ratifiziert hat? Zwar hat eine Konvention des Europarats weniger Gewicht als eine EU-Richtlinie – aber eine stärkere Gewichtung des Landschaftsbilds in Planungsverfahren wäre immerhin zu erhoffen.
Doch darauf zu warten, übersieht die bestehenden Handlungsmöglichkeiten. Zwei Hauptbeiträge liefern Ansatzpunkte, dem Defizit zu begegnen: Für Baden-Württemberg wird eine Methode für die großflächige Bewertung des Landschaftsbilds vorgestellt. Und aus dem Nachbarland Bayern stammt das Beispiel eines Zonierungskonzepts zur Standortfindung für Windräder in Naturparken und Landschaftsschutzgebieten – also dort, wo eine besondere Sensibilität des Landschaftsbildes anzunehmen ist.
Ganz frei von Landschaftsästhetik ist auch der dritte Hauptbeitrag nicht, auch wenn beim Thema der Weidewirkungen von Pferden Flora und Fauna im Mittelpunkt stehen: Große Tiere, die sich auf großflächigen Weiden im Herdenverband bewegen, prägen das Landschaftsbild in besonderer Weise.
Schönheit zu bewerten, heißt stets auch, Wertvorstellungen als Bewertungsmaßstäbe zu formulieren. Die Windkraft-Debatte, ja generell jede Diskussion um Energielandschaften – ob durch Raps, Mais, Windräder, Solarfelder, Wasserspeicher oder aber Braunkohle-Tagebaue bestimmt –, zeigt, wie wichtig gerade heute ein Diskurs über Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft ist. Wenn die vorliegende Ausgabe einmal mehr hierzu anstoßen kann, so hat sie bereits ein wichtiges Ziel erfüllt!
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